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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LA190021
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LA190021 vom 23.12.2019 (ZH)
Datum:23.12.2019
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_64/2020
Leitsatz/Stichwort:Arbeitsrechtliche Forderung
Schlagwörter : Arbeit; Beklagten; Berufung; Vorinstanz; Partei; Parteien; Zusammenarbeit; Delegierte; Arbeitsvertrag; Psychotherapie; Versicherung; Recht; Regel; Arbeitsverhältnis; Selbständig; Praxis; Zahlen; Bezahlen; Patienten; Regelung; Delegierten; Verpflichtet; Selbständige; Regelungen; Krankenkasse; Entscheid; Vertrag; Leistungen
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 319 OR ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:142 III 413;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LA190021-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. L. Hunziker Schnider, Vorsitzende, Oberrichterin Dr. D. Scherrer und Oberrichter Dr. M. Kriech sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. N. A. Gerber

Urteil vom 23. Dezember 2019

in Sachen

  1. , Dr. med.,

    Beklagter und Berufungskläger

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

    gegen

  2. , Dr. phil.,

    Klägerin und Berufungsbeklagte

    vertreten durch Rechtsanwältin MLaw Y.

    betreffend arbeitsrechtliche Forderung

    Berufung gegen ein Urteil des Arbeitsgerichtes Zürich, 4. Abteilung, vom 29. April 2019 (AN170041-L)

    Rechtsbegehren:

    (Urk. 1 S. 2)

    1. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin die Abrechnungen über das Poolkonto resp. Risiko/Absicherungskonto, Konto Nr. , für Januar 2011 bis 31. Oktober 2016 vollständig und detailliert herauszugeben.

    1. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin den nach Herausgabe der in Ziffer 1 bezeichneten Abrechnungen zu beziffernde Anteil des Poolkontos, mindestens aber CHF 20'0000.- zusätzlich Zins von 5% seit dem 31. Oktober 2016 zu bezahlen.

    2. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin den nach der Herausgabe der in Ziffer 1 bezeichneten Abrechnung zu beziffernde Ferienlohn, mindestens aber CHF 41'452.55 nebst Zins von 5% seit dem 31. Oktober 2016 zu bezahlen.

    3. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge (inkl. allfälliger MwSt) zu Lasten des Beklagten.

Anlässlich der Triplik spezifiziertes Rechtsbegehren:

(Urk. 40 S. 2)

1. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin ihren Anteil des Poolkontos von CHF 31'457.35, zusätzlich Zins von 5% seit dem

30. Oktober 2016 zu bezahlen.

  1. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin Ferienlohn von CHF 28'842.60 nebst Zins von 5% seit dem 31. Oktober 2016 zu bezahlen.

  2. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (inkl. allfälliger MwSt) zu Lasten des Beklagten.

Urteil des Arbeitsgerichtes Zürich, 4. Abteilung, vom 29. April 2019 (Urk. 65):
  1. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin als Anteil des Poolkontos

    CHF 31'457.35 netto zuzüglich Zins zu 5 % seit 31. Oktober 2016 zu bezahlen.

  2. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin als Ferienlohn CHF 25'798.- netto nebst Zins zu 5 % seit 31. Oktober 2016 zu bezahlen.

  3. Im Mehrbetrag wird die Klage abgewiesen.

  4. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Kosten des Schlichtungsverfahrens von CHF 1'040.- zu bezahlen.

  5. Die Entscheidgebühr wird auf CHF 6'500.- festgesetzt.

  6. Die Gerichtskosten werden vollumfänglich dem Beklagten auferlegt. Sie werden aus dem von der Klägerin geleisteten Vorschuss bezogen.

    Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den Prozesskostenvorschuss im Umfang von CHF 6'500.- zu ersetzen.

  7. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Parteientschädigung von CHF 12'105.50 (CHF 11'240.- plus CHF 865.50 Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

  8. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  9. Eine Berufung gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Postfach, 8021 Zürich, erklärt werden. In der Berufungsschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.

Berufungsanträge:

des Beklagten und Berufungsklägers (Urk. 64 S. 2):

  1. Es sei das Urteil des Arbeitsgerichts Zürich vom 29. April 2019, Ziff. 1., 2. und Ziff. 4.-7., aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

  2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen (inkl. allfälliger MwSt. von 7,7%) zu Lasten der Klägerin.

der Klägerin und Berufungsbeklagten (Urk. 71 S. 3):

  1. Die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen.

  2. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten des Berufungsklä- gers.

    Erwägungen:

    I.

    1. Der Beklagte ist Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie sowie Allgemeinmedizin mit eigenen Praxisräumlichkeiten in Zürich. Die Klägerin war vom

1. Januar 2011 bis zum 31. Oktober 2016 beim Beklagten als delegierte Psychotherapeutin tätig (Urk. 1 S. 4; Urk. 13 S. 4). Zu diesem Zweck schlossen die Parteien am 3. November 2010 eine als Arbeitsvertrag bezeichnete Vereinbarung mit Arbeitsbeginn per 1. Januar 2011 (Urk. 5/2) und unterzeichneten gleichentags das dazugehörige Dokument Regelungen und Gedanken für die Zusammenarbeit in delegierter Psychotherapie in der Psychiatrisch/Psychotherapeutischen Praxisgemeinschaft Dr. A. (Urk. 5/3; nachfolgend: Regelungen für die Zusammenarbeit). Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 kündigte der Beklagte den Vertrag mit der Klägerin unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist per

31. Oktober 2016 (Urk. 5/4). Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage einen nunmehr bezifferten Anteil aus dem Poolkonto/Risiko/Absicherungskonto (nachfolgend: Poolkonto) von Fr. 31'457.35 sowie Ferienlohn von Fr. 28'842.60 geltend (Urk. 1 S. 2, Urk. 40 S. 2).

2. Mit Urteil vom 29. April 2019 hiess die Vorinstanz die Klage mehrheitlich gut und verpflichtete den Beklagten, der Klägerin insgesamt Fr. 57'255.35 (Anteil Poolkonto plus Ferienlohn) netto nebst Zins zu 5% seit 31. Oktober 2016 zu bezahlen (Urk. 65). Dagegen erhob der Beklagte rechtzeitig Berufung und stellte die eingangs wiedergegebenen Anträge (Urk. 64 S. 2). Den ihm mit Verfügung vom

  1. uni 2019 auferlegten Kostenvorschuss (Urk. 68) leistete der Beklagte rechtzeitig (Urk. 69). Am 29. Juli 2019 wurde der Klägerin Frist angesetzt, um die Berufung zu beantworten (Urk. 70). Ihre Eingabe vom 13. September 2019 erfolgte

    rechtzeitig (Urk. 71); sie wurde mit Verfügung vom 28. Oktober 2019 der Gegenpartei zur Kenntnisnahme zugestellt (Urk. 72). Der Kläger verzichtete auf eine Stellungnahme hiezu (Urk. 75). Weitere Eingaben der Parteien erfolgten nicht.

    II.

    1. Mit der Berufung kann sowohl die unrichtige Rechtsanwendung als auch die unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). In der Berufungsschrift sind die Behauptungen bestimmt und vollständig aufzustellen. Zudem muss sie - im Gegensatz zur Klageschrift - nicht nur eine tatsächliche, sondern auch eine rechtliche Begründung enthalten (Reetz/Theiler, in: Sutter-Somm et al., ZPO Komm., 3. A., Art. 311 N 36). Der Berufungskläger hat mittels klarer und sauberer Verweisungen auf die Ausführungen vor der Vorinstanz zu zeigen, wo er die massgebenden Behauptungen, Erklärungen, Bestreitungen und Einreden erhoben hat. Es ist nämlich nicht Sache der Rechtsmittelinstanz, die Akten und die Rechtsschriften der Vorinstanz zu durchforsten, um festzustellen, was welche Partei wo ausgeführt hat. Damit ist gesagt, dass die Berufungsschrift weder eine pauschale Verweisung auf die bei der Vorinstanz eingereichten Rechtsschriften noch eine neuerliche Darstellung der Sachoder Rechtslage enthalten darf, welche nicht darauf eingeht, was vor der Vorinstanz vorgebracht worden ist. Pauschale Verweisungen auf die vor der Vorinstanz eingebrachten Rechtsschriften sind namentlich dann unzulässig, wenn sich die Vorinstanz mit den Ausführungen des Berufungsklägers auseinandergesetzt hat. Stützt sich der angefochtene Entscheid auf mehrere selbständige Begründungen, muss sich der Berufungskläger in der Berufungsschrift mit allen Begründungen auseinandersetzen. Das Gleiche gilt im Falle von Hauptund Eventualbegrün- dung. Auch hier muss sich der Berufungskläger mit beiden Begründungen auseinandersetzen (Hungerbühler/Bucher, DIKE-Komm-ZPO, Art. 311 N 42 f.). Zwar prüft die Berufungsinstanz nicht nur die geltend gemachten Rügen (Rügeprinzip). Aber das Gericht muss den angefochtenen Entscheid nicht von sich aus auf Män- gel untersuchen, es sei denn, der Sachverhalt sei geradezu willkürlich festgestellt worden oder das Recht sei geradezu willkürlich angewandt worden (Reetz/ Theiler, a.a.O.). Aufgrund der umfassenden Überprüfungsbefugnis ist die Berufungsinstanz nicht an die mit den Rügen vorgebrachten Argumente oder an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden, sie kann die Rügen auch mit abweichenden Erwägungen gutheissen oder abweisen (vgl. Reetz/Theiler, a.a.O., Art. 310 N 6). Die Begründungsanforderungen gelten auch für die Berufungsantwort, wenn darin Erwägungen der Vorinstanz beanstandet werden, die sich für die im kantonalen Verfahren obsiegende Partei ungünstig auswirken können (BGer 4A_258/ 2015 vom 21. Oktober 2015, E. 2.4.2; BGer 4A_580/2015 vom 11. April 2016,

      E. 2.2; BGer 4A_496/2016 vom 8. Dezember 2016, E. 2.2.2; Reetz/Theiler, a.a.O., Art. 312 N 11). Die Beanstandungen am angefochtenen Entscheid haben die Parteien innert der Berufungsbzw. Berufungsantwortfrist vollständig vorzutragen. Ein allfälliger zweiter Schriftenwechsel oder die Ausübung des sog. Replikrechts dienen nicht dazu, die bisherige Kritik zu vervollständigen oder zu ergän- zen (BGE 142 III 413, E. 2.2.4).

    2. Im Berufungsverfahren sind neue Vorbringen nur noch unter den Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 1 ZPO zulässig. Danach sind neue Tatsachen und Beweismittel nur noch zu berücksichtigen, wenn sie - kumulativ - ohne Verzug vorgebracht werden (Art. 317 Abs. 1 lit. a ZPO) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 lit. b ZPO).

III.

  1. Strittig ist primär, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand und somit die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes zur Beurteilung der Sache gegeben ist oder nicht.

    Die Vorinstanz kam zum Schluss (Urk. 65 S. 21 f.), dass die Regelungen für die Zusammenarbeit einige Vereinbarungen, die für ein Arbeitsverhältnis atypisch seien, beinhalteten. Dazu gehörten die weitgehende Kostenbeteiligung der Klägerin, die Übernahme der BVG-Beiträge inkl. der Prämien für die vom Beklagten für die Klägerin abgeschlossene Krankentaggeldversicherung durch die Klägerin (Urk. 31 S. 11) sowie die Regelung, dass der Beklagte mehrfach seine Schadloshaltung im Zusammenhang mit der Anstellung der Klägerin betont habe, beispielsweise in Bezug auf Regresse von Krankenkassen, Lohnfortzahlung, Akontolohnzahlungen etc. (Urk. 5/3 S. 3 f.). Die von der Klägerin ausgeübte delegierte Psychotherapie weise jedoch verschiedene Kriterien auf, die überwiegend zugunsten einer unselbständigen Tätigkeit sprächen. Dazu zähle, dass der Auftritt und die Rechnungsstellung unter dem Namen des Beklagten erfolgt seien. Von massgeblicher Bedeutung sei, dass die Klägerin vom Beklagten wirtschaftlich abhängig gewesen sei, da sie ohne ihn ihre Therapien nicht über die obligatorische Krankenkasse hätte abrechnen können. Dabei hätte sich die fehlende Abrechnungsmöglichkeit über die obligatorische Krankenkasse negativ auf die Patientenzahl der Klägerin ausgewirkt. Bei ihrer gesamten Tätigkeit habe sie kein erhebliches Unternehmensrisiko tragen müssen, zumal sie bei Misserfolg mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten aus dem Vertrag hätte aussteigen können. Zudem hätten die Parteien ein als Arbeitsvertrag betiteltes Dokument unterzeichnet, welches noch weitere Elemente eines Arbeitsvertrages beinhalte. Auch habe der Beklagte den Arbeitgebersowie den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge über die Ärztekasse an die SVA und die PAT BVG überwiesen, da nur er bei diesen Institutionen registriert sei. Als gewichtigstes Argument erscheine vorliegend, dass die Klägerin weitgehend betriebswirtschaftlich, persönlich und wissenschaftlich-konzeptuell in die Praxis Dr. med. A. eingebunden gewesen und der diesbezüglichen Kontrolle des Beklagten unterstanden sei. Sodann habe sie sämtliche Patienten aus der delegierten Psychotherapie in seinen Praxisräumen unter Mitbenutzung der gesamten Infrastruktur behandelt. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung belegten all diese Merkmale ein Abhängigkeitsund Unterordnungsverhältnis. Den gegenläufigen Aspekten der freien Patientenannahme, freien Einteilung der Arbeitszeit und Ferien, der Übernahme eines Unkostenbeitrags sowie der Bezahlung der Miete sei deutlich weniger Gewicht beizumessen. Demzufolge handle es sich beim vorliegenden Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis nach Art. 319 ff. OR.

  2. Was das Modell der delegierten Psychotherapie anbelangt, kann auf die zutreffende Zusammenfassung im vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden (Urk. 65 S. 9). Ergänzend ist noch Folgendes festzuhalten: Thema dieser Gerichtsentscheide war nicht konkret die Beurteilung des Anstellungsverhältnisses

zwischen Arzt und Psychotherapeut in zivilrechtlicher Hinsicht im Sinne von Art. 319 ff. OR, sondern es waren Fragen aus dem Sozialversicherungsrecht zu beurteilen, so zum Beispiel, ob der in einem solchen Anstellungsverhältnis arbeitende Psychotherapeut aus AHV-beitragsrechtlicher Sicht eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit ausübe. Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden führte dazu in ihrem Entscheid vom 28. Februar 2013 (S 12

106) aus, dass die Frage, ob im Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliege, sich nicht schematisch aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien beurteile. Entscheidend seien vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermöchten dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne aber ausschlaggebend zu sein. Die delegierte Psychotherapie wurde - weil ihr ein Anstellungsverhältnis zugrunde liegen muss - einzig in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht als unselbständige Erwerbstätigkeit qualifiziert. Aus diesen Gerichtsentscheiden kann nicht gefolgert werden, dass zwingend ein Subordinationsverhältnis und die Eingliederung in eine Arbeitsorganisation vorliegen müssten, welche nur im Rahmen eines Arbeitsvertrages im Sinne von Art. 319 ff. OR vereinbart werden könnten. Es muss daher in jedem einzelnen Fall die konkrete Vereinbarung zwischen dem delegierenden Arzt und dem delegierten Psychotherapeuten ausgelegt und qualifiziert werden. Die Behauptungsund Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages trägt die Klägerin.

3.a) Die Parteien sind sich darin einig, dass sie bewusst ein Anstellungsverhältnis eingingen, damit die Klägerin ihre Leistungen der Krankenkasse als Pflichtleistungen im Sinne des KVG in Rechnung stellen konnte (Urk. 13 S. 8 f.; Urk. 26 S. 7). Die Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten und der Klägerin ist daher im Kontext des gesamten versicherungstechnischen Konstrukts der delegierten Psychotherapie zu sehen, weil die Psychotherapeuten ohne diese Zusammenarbeit mit einem Facharzt ihre nichtärztlichen Leistungen ansonsten nicht über die obligatorische Grundversicherung der Krankenkasse abrechnen können und dementsprechend nur Patienten mit Zusatzversicherung oder Selbstzahler behandeln könnten. Das Motiv, sich diesem Modell zu unterziehen, dürfte daher in der Regel nur darin liegen. Die Klägerin machte jedenfalls selbst nie geltend,

dass sie einen anderen Anlass zum Abschluss dieser Vereinbarung gehabt habe und ein eigentliches Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten habe eingehen wollen. Mit dem Arbeitsvertrag wurden zwischen den Parteien auch verbindliche Regelungen und Gedanken für die Zusammenarbeit in delegierter Psychotherapie vereinbart, welche gegenüber dem Arbeitsvertrag differenziertere und teilweise nicht kongruente Regelungen enthielten, an welche sich die Parteien in der Folge jedoch offenbar hielten. Darin wurde u.a. ebenfalls festgehalten, dass das Anstellungsverhältnis (hier wird nicht der Begriff Arbeitsvertrag bzw. Arbeitsverhältnis verwendet) eingegangen werde, um die delegierte Psychotherapie zu ermöglichen, was Voraussetzung sei, um Leistungen zu Lasten der Grundversicherung der Krankenkasse abrechnen zu können (Urk. 5/3 Ziff. 3 S. 2 unten/S. 3 oben). Dieses Motiv für das Anstellungsverhältnis spielt bei der nachfolgenden Qualifizierung desselben eine entscheidende Rolle. Die Klägerin beabsichtigte mit der Eingehung dieses Vertragsverhältnisses offensichtlich nicht, als eigentliche Arbeitnehmerin in die Dienste des Beklagten einzutreten und ihre Zeit in einer fremden Arbeitsorganisation dem Arbeitgeber vollumfänglich zur Verfügung zu stellen, sondern ihre Intention ging dahin, ihre weitgehend selbständige Tätigkeit als Psychotherapeutin so ausüben zu können, dass die Leistungen auch über die obligatorische Grundversicherung der Krankenkasse abgerechnet werden konnten und sie damit einen grösseren Patientenkreis, nämlich wie erwähnt nicht nur Privatpatienten und Selbstzahler, erreichen konnte. Dafür musste sie gewisse Einschrän- kungen ihrer weitestgehend selbständig organisierten Berufstätigkeit auf sich nehmen, jedoch nicht, weil der Beklagte dies verlangte, sondern weil dies krankenversicherungsrechtlich bei diesem Modell so vorgegeben ist.

  1. Vorab kann festgehalten werden, dass die Ausführungen der Vorinstanz zu den wesentlichen Begriffsmerkmalen und zur Abgrenzung des Arbeitsvertrages von anderen Verträgen auf Arbeitsleistung (Urk. 49 S. 11 ff.) den von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entsprechen (vgl. etwa BK ORRehbinder/Stöckli, Art. 319 N 42 ff.; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, Art. 319 N 2 ff.; Brühwiler,

    Einzelarbeitsvertrag, Kommentar zu den Art. 319-343 OR, 2014, Art. 319 N 10). Zwecks Vermeidung von Wiederholungen kann vollumfänglich darauf verwiesen

    werden. Besonders hervorzuheben ist, dass die Vertragsqualifikation aufgrund einer Gesamtwürdigung und -gewichtung der verschiedenen Typuselemente bzw. sämtlicher Elemente des konkreten Vertragsverhältnisses vorzunehmen ist (Vischer/Müller, Der Arbeitsvertrag, Schweizerisches Privatrecht Bd. VII/4, 2014,

    § 5 Rz. 5; BSK OR I-Portmann/Rudolph Art. 319 N 15; BK OR-Rehbinder/Stöckli

    Art. 319 N 43; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 319 N 2; Brühwiler, a.a.O.,

    Art. 319 N 10).

  2. Die Vorinstanz ging davon aus (Urk. 65 S. 12 ff.), dass die Klägerin grundsätzlich fachlich weisungsungebunden gewesen sei, mit Ausnahme einer gemeinsamen Sitzung mit dem Beklagten bei Neuaufnahme von Patienten. Zudem habe auch alle sechs Monate eine weitere Sitzung mit dem Beklagten stattgefunden. Die Klägerin sei jedoch durch die Regelungen für die Zusammenarbeit in arbeitsorganisatorischer und administrativer Hinsicht weisungsgebunden gewesen. Sie habe Weisungen erhalten, welche über das hinaus gegangen seien, was für die Einhaltung des Krankenversicherungsgesetzes im Zusammenhang mit der delegierten Psychotherapie notwendig gewesen wäre. Durch die Übermittlung sämtlicher Unterlagen zur Abrechnung mit der Ärztekasse an den Beklagten habe dieser die Möglichkeit gehabt, nebst der Arbeit auch Abrechnungen der Leistungen der Klägerin zu kontrollieren. In tatsächlicher Hinsicht sei die Klägerin somit fest in die Arbeitsorganisation des Beklagten eingebunden gewesen, und es sei ihr kein hohes Mass an Selbständigkeit zugekommen.

    Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Bei den Regelungen für die Zusammenarbeit handelt es sich - wie erwähnt - um einen verbindlichen Bestandteil der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung (Urk. 5/3). Sie enthalten verschiedene Fach-, Zielund Verhaltensanweisungen, wie beispielsweise die Kostenbeteiligung, eine Dokumentationspflicht, die Pflicht zur Archivierung der Krankengeschichte, Organisationsabläufe sowie das Vorgehen in einem Notfall. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Klägerin (Urk. 71 S. 5 f.) handelt es sich dabei jedoch lediglich um generell-abstrakte Regelungen, welche eine Grundorganisation gewährleisten und somit erst eine Zusammenarbeit ermöglichen, wie dies der Beklagte zutreffend festhielt (Urk. 64 S. 8). Es wurden nur die

    unabdingbaren Fakten festgehalten, damit die Voraussetzungen für die Abrechnung der Leistungen der Psychotherapeuten über die Grundversicherung der Krankenkasse eingehalten sind und sie als solche anerkannt werden. Auch diese Vereinbarung ist somit im Lichte des Modells der delegierten Psychotherapie zu interpretieren. Allein schon der Titel . Zusammenarbeit deutet daraufhin, dass es nicht um Anweisungen und Forderungen, sondern um Regeln für die Zusammenarbeit im Rahmen dieses Konstrukts ging. Die Fachanweisungen beschrän- ken sich weitgehend auf ein Rahmenweisungsrecht wie es für das Modell der delegierten Psychotherapie vorausgesetzt ist. Die allein in der Vereinbarung vermerkte (theoretische) Weisungsbefugnis des Beklagten gegenüber der Klägerin begründet noch kein Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 319 ff. OR. Ausschlaggebend sind die tatsächlich gelebten Verhältnisse. Die Klägerin vermochte nicht rechtsgenügend zu belegen, dass der Beklagte die einzelnen Therapieabläufe kontrolliert und gegebenenfalls auch gerügt habe bzw. seine Weisungen über die Erstbesprechung und eine weitere Besprechung alle sechs Monate hinausgegangen seien (vgl. Urk. 65 S. 14). Auch wird nicht geltend gemacht, dass der Beklagte individuell-konkrete Weisungen für die tägliche Arbeit mit den Patienten gegeben habe. Solche sind denn dieser Vereinbarung in fachlicher Hinsicht auch nicht zu entnehmen. Die Klägerin behauptete auch nicht, dass der Beklagte die von ihr gewählten Therapien generell überwacht habe. Ebenso behauptete sie nicht - was die Vorinstanz trotzdem vermutete (Urk. 65 S. 14) -, dass der Beklagte auch die Möglichkeit gehabt habe, ihre Abrechnungen zu kontrollieren, oder dies gar getan habe. Dass der Beklagte nichtfachliche Weisungen erteilt hätte, machte die Klägerin ebenfalls nicht substantiiert geltend. Den Regelungen für die Zusammenarbeit ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass der Beklagte sich damit weitestgehend absichern wollte, damit er in fachlicher und finanzieller Hinsicht kein Risiko würde tragen müssen. Die meisten Punkte dieser Zusammenarbeitsregelung betreffen denn auch finanzielle Belange (vgl. Urk. 5/3 S. 3 ff.). Dass die Abrechnungen gegenüber der Krankenkasse über den Beklagten erfolgen mussten, kann nicht als Kriterium für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses herangezogen werden, da gerade dies eines der Kernanliegen der delegierten Psychotherapie ist, zwingend vorgegeben ist und von den Parteien nicht frei gewählt werden

    konnte (vgl. Urk. 13 S. 16). Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich - wie der Beklagte zu Recht kritisierte (Urk. 64 S. 8 ff.) - aus den zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen kein eigentliches Subordinationsverhältnis ergibt, wie es für ein Arbeitsverhältnis typisch ist. Dass die Klägerin bezüglich Lohnzahlungen völlig vom Beklagten abhängig war (Urk. 71 S. 12), erscheint nicht plausibel. Laut Vertrag hatte die Klägerin zwar Anspruch auf einen Nettolohn (Entgelt nach Umfang der erbrachten und tarifisch verrechenbaren Leistungen abzüglich von der Klägerin zu tragende Kosten, Urk. 5/2 S. 2). Dieser bestand aber grundsätzlich in dem von ihr erwirtschafteten Nettogewinn (vgl. dazu die Ausführungen weiter unten).

  3. Die Vorinstanz hielt fest, dass im Arbeitsvertrag (Urk. 5/2) wie auch in den Regelungen der Zusammenarbeit (Urk. 5/3) bezüglich der Arbeitszeit nichts festgehalten war. Die Klägerin habe ihre Termine mit den Patienten selbst vereinbart und koordiniert. Ebenfalls sei sie bezüglich ihrer Feriengestaltung frei und an keine Anordnungen des Beklagten gebunden gewesen. Sie habe denn auch immer mehrere Wochen Ferien pro Jahr bezogen (Urk. 65 S. 15). Dies wurde von der Klägerin nicht bestritten. Demnach ist davon auszugehen, dass die Klägerin keinerlei Arbeitsverpflichtung hatte. Sie musste weder regelmässig erscheinen noch Sollstunden absolvieren. Die Klägerin war in der Gestaltung ihrer Arbeitstä- tigkeit sehr selbständig; auch in zeitlicher Hinsicht bestand keine Abhängigkeit vom Beklagten (vgl. auch Urk. 64 S. 13). Diese Regelung ist somit atypisch für ein Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 319 OR; es fehlt mithin an einer vertraglichen Hauptleistung des Arbeitsvertrages. Zwar gibt es Arbeitsverhältnisse, bei denen die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit in einem gewissen Rahmen selbst wählen kön- nen, doch auch sie sind in der Regel zur Erbringung eines gewissen Pensums in einem bestimmten Zeitraum im Dienste des Arbeitgebers verpflichtet, was in concreto wie erwähnt nicht der Fall war. Die Klägerin konnte nach ihrem Belieben zur Arbeit erscheinen oder eben auch nicht und so viele Patienten (der delegierten Psychotherapie) behandeln, wie sie wollte. Die Klägerin musste in diesem Sinne keine Arbeitsleistungen im Dienste des Beklagten erbringen. Es wurden ihr diesbezüglich keine Weisungen erteilt (Urk. 64 S. 14 f.). Dies geht weit über eine freie Arbeitsgestaltung hinaus, bei welcher z.B. Home Office etc. erlaubt sind (vgl.

    Urk. 71 S. 9). Bei diesen Konstellationen ist der Arbeitnehmer zu Leistungen im Dienste des Arbeitgebers verpflichtet, auch wenn er die Erbringung hinsichtlich Zeit und Ort (teilweise) frei wählen kann. Die Klägerin konnte kein konkretes Beispiel eines Arbeitsvertrages nennen, bei dem keinerlei Arbeitsverpflichtung für den Arbeitnehmer wie vorliegend besteht. In diesem Sinne stand die Klägerin weder in einem Subordinationsverhältnis zum Beklagten noch war sie in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert. Sie konnte ihre Arbeitsleistung unabhängig wie eine Selbständigerwerbende anbieten.

  4. Die Vorinstanz erwog, dass gemäss Vertrag die delegierte Psychotherapie in den Praxisräumen des Beklagten auf seine Weisung und unter seiner Aufsicht habe stattfinden müssen. Die Klägerin habe den Praxisraum mit niemandem teilen dürfen und dafür Nutzungsgebühren (Miete) bezahlen müssen (Urk. 65 S. 15; Urk. 5/3 S. 8; Urk. 64 S. 16: Dies wird vom Beklagten bestritten). Die Klägerin habe ihre Tätigkeit während der gesamten Anstellungsdauer in den Praxisräumen des Beklagten verrichtet. Dabei habe sie nicht nur einen der Therapieräume benutzt, sondern von der gesamten Infrastruktur einer bestens ausgerüsteten Psychotherapiepraxis profitiert (Urk. 65 S. 15 f.). Offenbar will die Vorinstanz damit zum Ausdruck bringen, dass die Klägerin in örtlicher Hinsicht in die Arbeitsorganisation des Beklagten eingegliedert und nicht frei gewesen sei, wo sie ihre Arbeitsleistung erbringen wolle. Dieses Argument überzeugt nicht. Wiederum ist - wie der Beklagte zu Recht bemerkte (Urk. 64 S. 16) - an das von den Krankenversicherungen oben beschriebene und vorgegebene Modell der delegierten Psychotherapie zu erinnern. Die Klägerin brauchte dazu zwingend die Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Psychiatrie und konnte ihre Arbeit - sofern sie über die obligatorische Grundversicherung abrechnen wollte - nur im Rahmen einer solchen Praxisgemeinschaft mit entsprechenden Rahmenbedingungen ausüben, damit die fachliche Aufsicht gewährleistet war. Dieser Umstand spricht deshalb für sich allein nicht für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, sondern war notwendige Begleiterscheinung dieses Modells. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht nur Miete für ihren Therapieraum bezahlen musste, sondern auch zahlreiche weitere Kosten übernehmen musste. Die Klägerin beteiligte sich in hohem Masse an den Infrastrukturkosten des Beklagten. Eine solch umfassende Beteiligung an den Kosten der Infrastruktur ist völlig unüblich für ein Arbeitsverhältnis und spricht entgegen der Auffassung der Vorinstanz gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu die weiteren Ausführungen unter lit. h).

  5. Die Parteien vereinbarten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zuweisung einer bestimmten Mindestzahl von Patienten durch den Beklagten habe (vgl. Urk. 31 S. 17). Die Klägerin war für die Akquisition von Patienten selbst verantwortlich. Weder war der Beklagte verpflichtet, der Klägerin im Rahmen der delegierten Psychotherapie Patienten zuzuweisen, noch war die Klägerin verpflichtet, Therapieaufträge zu übernehmen. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass diese Umstände keine eindeutigen Hinweise für oder gegen eine selbständige bzw. unselbständige Erwerbstätigkeit liefern würden (Urk. 65 S. 16 f.). Dem kann nicht beigepflichtet werden. Da die Klägerin keine Verpflichtung hatte, Therapieaufträge vom Beklagten zu übernehmen, bestand kein diesbezügliches Weisungsrecht des Beklagten. Somit hatte sie keine Arbeitsverpflichtung und der Beklagte konnte ihr keine Arbeit zuweisen. Die Klägerin konnte den Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmen. Dies spricht sowohl gegen ein ausgeprägtes Subordinationsverhältnis als auch gegen eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Beklagten und somit gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.

  6. Die Vorinstanz bejahte eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin vom Beklagten, weil die Klägerin ihre psychotherapeutischen Leistungen ohne die Zusammenarbeit mit dem Beklagten nicht über die obligatorische Krankenversicherung hätte abrechnen können. Sie ging daher von einer unselbständigen Tätigkeit der Klägerin aus (Urk. 65 S. 17). Diese Auffassung wurde vom Beklagten zu Recht kritisiert (Urk. 64 S. 17 ff.). Diese wirtschaftliche Abhängigkeit ist lediglich formaler Natur und liegt im Wesen der delegierten Psychotherapie. Es kann hiezu auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Der von der Vorinstanz in diesem Zusammenhang erwähnte Entscheid des Bundesgerichts (4A_553/2008 vom

    9. Februar 2009) ist nicht einschlägig. Darin wurde nämlich festgehalten, dass ein Kriterium für die Unterscheidung zwischen einer selbständigen und einer unselbständigen Tätigkeit die Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit bilde. Dabei komme es letztlich darauf an, ob durch die vertragliche Bindung die Dispositionsmöglichkeit über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft in dem Sinne verloren gehe, dass über das Entgelt als Gegenleistung hinaus nicht mehr am wirtschaftlichen Erfolg des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft partizipiert werden könne (E. 4. 2.). Da die Klägerin für die Abgeltung ihrer Leistungen keine Entschädigung vom Beklagten erhielt, sondern den von ihr selbst erwirtschafteten Gewinn (nach Abzug sämtlicher Unkosten für Infrastruktur, Abgaben an den Beklagten sowie Sozialversicherungsbeiträge etc.; vgl. auch Urk. 13 S. 23 f.) als Einkommen generierte (vgl. dazu die Ausführungen weiter unten), partizipierte sie direkt am wirtschaftlichen Erfolg ihres eigenen Arbeitseinsatzes. Insofern hatte sie die Dispositionsmöglichkeit bezüglich des Einsatzes ihrer Arbeitskraft selbst inne. Die Klägerin leistete Arbeit für sich und nicht für den Beklagten bzw. im Dienste des Beklagten. Daneben hatte die Klägerin die Möglichkeit, auch noch Privatpatienten in der Praxis des Beklagten zu behandeln, bei denen sie ihre Leistungen nicht via Ärztekasse des Beklagten bei der Krankenkasse, sondern direkt bei der Krankenkasse geltend machen und das Honorar vollumfänglich für sich behalten konnte. In diesem Sinne bestand keine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin. Dass der Klä- gerin vom Beklagten Akontolohnzahlungen ausbezahlt wurden (Urk. 71 S. 10), ändert nichts daran, dass sie letztlich den von ihr erwirtschafteten Nettogewinn erhielt.

  7. Ebenfalls unüblich für ein Arbeitsverhältnis ist die Abgeltung sowie die Übernahme von Kosten, welche die Klägerin im Rahmen der Zusammenarbeit dem Beklagten zahlen musste. In den Regelungen der Zusammenarbeit hielten die Parteien ausdrücklich fest, dass das für den Beklagten aus dem Anstellungsverhältnis resultierende Risiko von der Klägerin selbst zu tragen und zu verantworten sei, z.B. Regresse der Krankenkasse gegenüber dem Beklagten, sämtliche geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge (inkl. BVG-Beiträge, Urk. 1 S. 4 f., 7; Urk. 13 S. 17, 23), Gebühren gegenüber Behörden und Ämtern etc., Versicherungskosten (Urk. 5/3 S. 3). All diese Kosten müsse die Klägerin selbst tragen. Insbesondere im Krankheitsfall dürften keine Belastungen im Sinne von faktischen Zahlungen (über den Rahmen der Fakturierung der von der Klägerin vor der Erkrankung erarbeiteten Einnahmen hinaus) des Beklagten auf das Lohnkonto der Klägerin erfolgen. Die Versicherungskosten (auch Kosten für die Kranken-

versicherung gemäss Arbeitsvertrag [Urk. 5/2]) wie auch alle übrigen Kosten, welche durch die Klägerin entstünden, seien von ihr zu übernehmen (Urk. 5/3 S. 3). Daneben hatte die Klägerin dem Beklagten Nutzungsgebühren für die Benutzung der Räume zwecks Behandlung von Privatpatienten zu bezahlen: Einen Sockelbetrag von monatlich Fr. 150.-- für die Nutzung der Praxisinfrastruktur wie Berufsverbandsbeiträge, Beiträge für Notfalldienste, die Fortbildungspflicht des Beklagten etc.; einen weiteren Betrag von Fr. 170.-- pro Monat vereinbarten die Parteien für die Praxisgründungskosten (Mietkaution, Kaufpreis, Instandstellungskosten bei Beendigung des Mietverhältnisses, Abwassergebühren, Nachzahlungen Heizkosten etc.). Spezielle Kosten, welche dem Beklagten für die Erstellung der Praxisbilanz zu Steuerzwecken durch die angestellten Psychotherapeutinnen entstanden, mussten ebenfalls von diesen übernommen werden. Kosten für die Reinigung der Praxis und die Kaffeekasse mussten anteilsmässig finanziert werden (Urk. 5/3 S. 4). Diese Abmachungen wurden offenbar so umgesetzt; die Klägerin entrichtete diese geforderten Abgaben im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Beklagten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Klägerin sich somit vertraglich ausdrücklich verpflichtet hatte, praktisch für alle Kosten, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit beim Beklagten anfielen, selbst aufzukommen (vgl. Urk. 5/3

  1. 3). Das finanzielle Risiko des Beklagten aus dieser Zusammenarbeit mit der Klägerin war auf ein absolutes Minimum beschränkt. Dagegen hatte der Beklagte einen gewissen finanziellen Nutzen aus der Zusammenarbeit mit der Klägerin, indem er 5% des Umsatzes der delegierten Therapie direkt von der Ärztekasse vergütet erhielt als Kompensation dafür, dass die Klägerin in diesem Modell arbeiten konnte (Urk. 5/3). Der Feststellung der Vorinstanz, wonach aus diesen Umständen zu schliessen sei, dass die Klägerin ohne grossen organisatorischen oder finanziellen Aufwand die Möglichkeit gehabt habe, ihre Tätigkeit als Psychotherapeutin auszuüben (Urk. 65 S. 20 f.), kann - wie der Beklagte zu Recht bemerkte (Urk. 64 S. 20 ff.) - angesichts dieser Umstände nicht gefolgt werden. Aufgrund der vereinbarten Fixkosten musste die Klägerin - wollte sie keine Verluste erleiden - eine gewisse Anzahl von Patienten behandeln. Da sie keinen Anspruch auf Zuweisung von Patienten durch den Beklagten hatte, musste sie diese selbst akquirieren und trug insofern ein unternehmerisches Risiko wie eine selbständig

    tätige Person. Auch die Ausführungen der Vorinstanz im Zusammenhang mit den der Klägerin überwiesenen, monatlich schwankenden Nettolöhnen erscheinen nicht plausibel (Urk. 65 S. 20). Wenn die Klägerin keine Patienten behandelte, hatte sie auch keinen Lohn, da ihr kein Basissalär oder Fixlohn ausbezahlt wurde. Der Lohn richtete sich nach dem Umfang der erbrachten und tarifisch verrechenbaren Leistungen. Die monatlichen Lohnzahlungen waren lediglich Akontozahlungen (Urk. 5/2 S. 2 Ziff. 5.).

    1. Die Vorinstanz zog das Fazit (Urk. 65 S. 21 f.), dass sich zwar in den Regelungen für die Zusammenarbeit einige Abmachungen befunden hätten, die für ein Arbeitsverhältnis atypisch seien, so zum Beispiel die diversen Kostenbeteiligungen der Klägerin. Die Klägerin habe jedoch kein erhebliches unternehmerisches Risiko innegehabt, da sie bei Misserfolg mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten aus dem Vertrag hätte aussteigen können. Zudem würden noch weitere Elemente für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages sprechen, wie die Tatsache, dass der Beklagte die Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherungen abgeführt habe etc. Als gewichtigstes Argument erscheine aber, dass die Klägerin weitgehend betriebswirtschaftlich, persönlich und wissenschaftlich-konzeptuell in die Praxis des Beklagten eingebunden und seiner diesbezüglichen Kontrolle unterstanden sei. Diesen Schlussfolgerungen der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Es kann dazu auf die obigen Erwägungen zu den einzelnen Themenbereichen verwiesen werden. Die vereinzelten Regelungen, die auf einen Arbeitsvertrag hindeuten könnten, sind vor dem Hintergrund der Rechtsprechung der delegierten Psychotherapie zu sehen und gehen mit einer Praxisund Unkostengemeinschaft einher. Vorliegend fehlt es am für den Arbeitsvertrag typischen Subordinationsverhältnis, der Pflicht zur Arbeitsleistung und einem eigentlichen Lohn. Zudem spricht auch die fast vollumfängliche Tragung des unternehmerischen Risikos durch die Klägerin gegen ein Arbeitsverhältnis. Aufgrund einer Gesamtwür- digung sämtlicher gegebener Umstände kann das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht als Arbeitsvertrag qualifiziert werden. Die Bezeichnung des Vertrages als Arbeitsvertrag und die teilweise Bezeichnung des Beklagten als Arbeitgeber ist nicht relevant, sondern allein der vereinbarte Inhalt.

Die Berufung ist daher gutzuheissen. Die Klage ist abzuweisen.

IV.

  1. Ausgangsgemäss sind die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von Fr. 6'500.-- der Klägerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO); sie sind aus dem von ihr geleisteten Vorschuss zu beziehen. Die Kosten des Schlichtungsverfahrens (Fr. 1'040.--) hat die Klägerin selbst zu tragen. Die Klägerin ist zu verpflichten, dem Beklagten für das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 11'240.-- plus 7,7% MwSt (Fr. 12'105.50) zu bezahlen.

  2. Auch im Berufungsverfahren unterliegt die Klägerin vollumfänglich. Die Entscheidgebühr von Fr. 6'130.-- ist daher von ihr zu begleichen (Art. 106

Abs. 1ZPO). Die Gerichtskosten sind aus dem vom Beklagten geleisteten Kostenvorschuss (Fr. 6'130.--) zu beziehen. Die Klägerin ist zu verpflichten, dem Beklagten den Kostenvorschuss zu ersetzen.

Ausserdem ist die Klägerin zu verpflichten, dem Beklagten ausgangsgemäss eine Parteientschädigung von Fr. 3'250.-- (inkl. 7,7% MwSt) zu bezahlen (§ 4 Abs. 1, § 13 Abs. 1 und 2 AnwGebVO). Die Parteientschädigung beträgt für beide Instanzen zusammen Fr. 15'355.50 (inkl. MwSt).

Es wird erkannt:
  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren werden auf Fr. 6'500.-- festgesetzt.

  3. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 6'130.-- festgesetzt.

  4. Die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren werden der Klägerin auferlegt und mit ihrem Kostenvorschuss verrechnet.

  5. Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Klägerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. Die Klägerin wird verpflichtet, dem Beklagten den geleisteten Vorschuss von Fr. 6'130.-- zu ersetzen.

  6. Die Klägerin wird verpflichtet, dem Beklagten für beide Verfahren eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 15'355.50 zu bezahlen.

  7. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  8. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

    Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

    Es handelt sich um eine arbeitsrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 57'255.35.

    Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG,

    Zürich, 23. Dezember 2019

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

Dr. L. Hunziker Schnider

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. N. A. Gerber

versandt am: sf

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