Zusammenfassung des Urteils HG210156: Handelsgericht des Kantons Zürich
Der Text handelt von einem Rechtsstreit zwischen Monsieur A und Madame B bezüglich einer Scheidung und der Festlegung von Unterhaltszahlungen. Monsieur A hat gegen eine Entscheidung des Gerichts Berufung eingelegt und fordert die Annullierung der Entscheidung. Es werden neue Fakten und Beweise vorgelegt, die berücksichtigt werden müssen. Letztendlich wird entschieden, dass die bisherige Unterhaltszahlung bestehen bleibt. Die Gerichtskosten werden aufgeteilt und vorläufig vom Staat Genf übernommen. Der Richter Laurent Rieben hat das Urteil gefällt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HG210156 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 18.08.2023 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_478/2023 |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Schad; Schaden; Versicherung; Versicherungs; Recht; Leistung; Beweis; Vergleich; Beklagten; Zusatzversicherung; Klage; Schadens; Vergleichsangebot; Tatsachen; Urteil; Entschädigung; Behauptung; Gutachten; Rechtsbegehren; Parteien; Substantiierung; Auftrag; Kausalverlauf; Deckung; Vertrag; Informationspflicht; Pflicht; Informationspflichtverletzung |
Rechtsnorm: | Art. 1 OR ;Art. 106 ZPO ;Art. 17 ZPO ;Art. 229 ZPO ;Art. 236 ZPO ;Art. 398 OR ;Art. 412 OR ;Art. 42 OR ;Art. 55 ZPO ;Art. 6 ZPO ;Art. 60 ZPO ;Art. 8 ZGB ;Art. 91 ZPO ;Art. 96 ZPO ;Art. 97 OR ; |
Referenz BGE: | 106 II 224; 108 II 337; 124 III 155; 124 III 481; 127 III 365; 132 III 186; 132 III 321; 132 III 715; 133 III 462; 139 V 176; 142 III 23; 142 III 657; 144 III 155; 144 III 519; 147 III 440; |
Kommentar: | -, 2. A., Art. 183 ZPO, 2016 |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Geschäfts-Nr.: HG210156-O U
Mitwirkend: Oberrichter Roland Schmid, VizePräsident, Ersatzoberrichterin Franziska Egloff, der Handelsrichter Patrik Howald, die Handelsrichterin Verena Preisig und der Handelsrichter Marco La Bella sowie die Gerichtsschreiberin Sabrina Schalcher
Beschluss und Urteil vom 18. August 2023
in Sachen
GmbH,
Klägerin
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
AG,
Beklagte
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend Forderung
Inhaltsverzeichnis
Rechtsbegehren 3
Sachverhalt und Verfahren 3
Sachverhaltsübersicht 3
Parteien und ihre Stellung 3
Prozessgegenstand 3
Prozessverlauf 4
Erwägungen 5
Formelles 5
zuständigkeit 5
Rechtsbegehren 2 / Teilklage: Fehlendes Rechtsschutzinteresse ... 5
übrige Prozessvoraussetzungen 6
Behauptungs- und Substantiierungslast 6
überblick 7
Unbestrittener Sachverhalt 7
Hauptstandpunkte der Parteien 9
Klägerin 9
Beklagte 10
Rechtliches 11
Qualifikation des Vertragsverhältnisses 11
Haftungsvoraussetzungen 12
Zwischenfazit 12
Kausaler Schaden 14
Ausgangslage 14
Rechtliches 14
Kausalität 14
Schaden 15
Widersprächlicher Tatsachenvortrag 17
Klägerische Vorbringen und deren Würdigung 17
Fazit 21
Schaden: Entgangene Leistung der F. (EventualBegründung) 21 4.4.1. Zusammengefasste Parteistandpunkte 21
Würdigung 23
Fazit 25
Schaden: Entgangene Entschädigung gemäss standardisiertem Vergleichsangebot der E. (EventualBegründung) 26
Zusammengefasste Parteistandpunkte 26
Entgangene freiwillige Leistung eines Dritten: Kein kausaler Schad en
..................................................................................................................... 28
Fehlende Substantiierung (Sub-EventualBegründung) 31
Fazit 33
Zusammenfassung der Tat- und Rechtsfragen 35
Kosten- und Entschädigungsfolgen 35
Gerichtskosten 35
Parteientschädigungen 36
Rechtsbegehren
(act. 1 S. 2)
1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin CHF 103'125.00 zu bezahlen, nebst Zins zu 5 % seit dem Datum der Klageeinleitung.
Es sei davon Vormerk zu nehmen, dass es sich um eine Teilklage handelt und sich die Klägerin vorbehält, weitergehende SchadenersatzAnsprüche gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend zu machen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten.
Sachverhalt und Verfahren
Sachverhaltsübersicht
Parteien und ihre Stellung
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in C. , welche die führung und Beratung von Gastronomiebetrieben zum Zwecke hat. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Aktiengesellschaft mit Sitz in D. . Sie bezweckt Hauptsächlich die Vermittlung von Versicherungs- und Bankdienstleistungen sowie die Verwaltung von Immobilien und Verkaufsvermittlung (vgl. act. 3/3-4).
Prozessgegenstand
Die Klägerin verlangt Schadenersatz aus der fehlerhaften Ausübung des Beratungsmandats der Beklagten als Versicherungsmaklerin. Die Beklagte habe sie nicht darauf hingewiesen, dass der neue Versicherungsvertrag bei der E. im Unterschied zur gekündigten Police bei der F. keinerlei Deckung im Falle einer Betriebsschliessung infolge des Auftretens einer Infektionskrankheit enthalte (act. 1 Rz. 11 ff., 24 ff., 27 ff.; act. 17 Rz. 5 ff., 15) und dass bei der E. für Ertragsausfall und Mehrkosten bei Betriebsschliessung und tätigkeitsverbot eine Zusatzversicherung hätte abgeschlossen werden können (act. 1 Rz. 17, 31; act. 17 Rz. 15). Infolgedessen habe die Klägerin nach der Covid-19-bedingten, behürdlich angeordneten Betriebsschliessung 2020 weder über einen Anspruch
bei ihrer bisherigen noch bei ihrer neuen Versicherung verfügt. Weiter sei sie auch nicht in den Genuss des standardisierten Vergleichsangebots der E. für die Schliessung in der ersten Welle im März 2020 gekommen (act. 1 Rz. 16, 18, 26, 33 ff.; act. 17 Rz. 32 ff.).
Die Beklagte ersucht um vollumfängliche Abweisung der Klage (act. 10 und act. 21, je S. 2). Sie bestreitet sowohl den behaupteten Umfang des Beratungsvertrags (act. 10 Rz. 6, 8 ff., 32, 54; act. 21 Rz. 8 ff., 48, 51, 64) als auch eine Sorgfaltspflichtverletzung bei der Beratung in Zusammenhang mit dem Wechsel der Versicherung sowie den Eintritt und die Höhe des behaupteten Schadens (act. 10, insb. Rz. 9 ff., 14 ff., 17 f., 19 ff., 24, 29 f., 33 ff., 38 f., 41 f., 44 ff., 48, 58;
act. 21, insb. Rz. 3 ff., 8 ff.,18, 20 ff., 44 ff., 51, 54 ff., 59 ff., 62, 76, 78, 83 ff., 90).
Weiter seien der Schaden und die Schadenersatzforderung ungenügend begrün- det, substantiiert und belegt (act. 10 Rz. 59; act. 21 Rz. 27 ff., 79 ff., 90).
Prozessverlauf
Am 12. August 2021 (Datum Poststempel) reichte die Klägerin vorliegende Klage mit den eingangs erwähnten Rechtsbegehren hierorts ein (act. 1; act. 2; act. 3/2- 14). Mit Verfügung vom 16. August 2021 wurde der Klägerin Frist zur Leistung ei- nes Gerichtskostenvorschusses von CHF 8'900 angesetzt (act. 4). Nach dessen fristgerechtem Eingang (act. 6) wurde der Beklagten mit Verfügung vom
19. August 2021 Frist zur Erstattung der Klageantwort angesetzt (act. 7). Nach- dem die Beklagte die Klageantwort fristgerecht am 21. Oktober 2021 eingereicht hatte (act. 10; act. 9; act. 11/2-5), wurde diese mit Verfügung vom 25. Oktober 2021 der Klägerin zugestellt und die Prozessleitung an die Instruktionsrichterin delegiert (act. 12). Sodann wurde separat zur Vergleichsverhandlung vorgeladen (act. 14). Anlässlich der Vergleichsverhandlung am 10. März 2022 wurde keine Einigung erzielt (Prot. S. 6 f.). Daraufhin wurde mit Verfügung vom 31. März 2022 ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet (act. 15). In der Folge ergingen je fristgerecht am 20. Juni 2022 die Replik (act. 17; act. 18/15-22) und am 30. September 2022 die Duplik (act. 21; act. 22/6-9). Mit Verfügung vom 4. Oktober 2022 wurde der Klägerin das Doppel der Duplik unter Hinweis auf den Aktenschluss zugestellt (act. 23). Mit Eingabe vom 17. Oktober 2022 nahm die Klägerin sodann zur Duplik
Stellung (act. 25; act. 26/23). Die Stellungnahme wurde der Beklagten zugestellt (act. 27). Nach Erhalt der Verfügung vom 2. Juni 2023 welche die Androhung enthielt, dass bei Stillschweigen Verzicht auf die Hauptverhandlung angenommen werde erklärte die Klägerin, auf die Hauptverhandlung (Partei- und SchlussvortRüge) zu verzichten (act. 32). Die Beklagte liess sich nicht vernehmen und verzichtete dadurch ebenfalls auf die Hauptverhandlung. Weitere Eingaben ergingen nicht. Das Verfahren ist spruchreif, weshalb ein Urteil zu Fällen ist (Art. 236 Abs. 1 ZPO)
Erwägungen
Formelles
zuständigkeit
Die örtliche und sachliche zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons Zürich ist gegeben (ürtlich: Art. 17 ZPO und act. 3/2; sachlich: Art. 6 Abs. 1 und 2 ZPO
i.V.m. 44 lit. b GOG ZH). Die örtliche zuständigkeit ist explizit unbestritten geblieben (act. 10 Rz. 27).
Rechtsbegehren 2 / Teilklage: Fehlendes Rechtsschutzinteresse
Mit Rechtsbegehren 2 der Klage verlangt die Klägerin, dass davon Vormerk zu nehmen sei, dass es sich vorliegend um eine Teilklage handle und sich die Klägerin vorbehalte, weitergehende SchadenersatzAnsprüche gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend zu machen.
Ob eine Teilklage erhoben wurde bzw. wie weit die Rechtskraft eines über eine Klage ergangenen Urteils reicht, hängt von den gestellten Rechtsbegehren sowie vom Lebenssachverhalt, auf den diese gestützt werden, ab. Nicht ausschlaggebend ist insofern, ob das Vorliegen einer Teilklage im Erstprozess gerichtlich anerkannt vom Gericht auch nur zur Kenntnis genommen wurde. Zur Klarstellung insbesondere auch, dass hinsichtlich des nicht eingeklagten Teils kein impliziter Verzicht vorliegt kann es für eine Klägerin zwar durchaus ratsam sein, in ihren Rechtsschriften etwa mittels eines Nachklagevorbehalts auf das Vorliegen
einer Teilklage hinzuweisen. Nimmt das Gericht von einem solchen Nachklagevorbehalt nicht fürmlich Vormerk, entsteht der klagenden Partei dadurch aber we- der in diesem noch in einem Allfälligen späteren Prozess ein Nachteil. Entsprechend fehlt es ihr an einem schutzwürdigen Interesse, die Vormerknahme mittels Rechtsbegehren vom Gericht zu verlangen (Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO) (BGer Urteile 4A_427/2017 vom 22. Januar 2018 E. 1.2; 4A_113/2017 vom 6. September
2017 E. 1.2; 4A_401/2011 vom 18. Januar 2012 E. 4). Folglich ist auf Rechtsbegehren 2 der Klage mangels Rechtsschutzinteresse nicht einzutreten.
übrige Prozessvoraussetzungen
Im übrigen erweisen sich die Prozessvoraussetzungen hinsichtlich Rechtsbegehren 1 der Klage als erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass (Art. 59
i.V.m. Art. 60 ZPO).
Behauptungs- und Substantiierungslast
Das Gericht darf sein Urteil nur auf die von den Parteien behaupteten Tatsachen stätzen (Art. 55 Abs. 1 ZPO; BGE 147 III 440 E. 5.3). Die Partei, welcher die Beweislast obliegt (vgl. Art. 8 ZGB), hat die Tatsachen hinreichend darzutun und falls bestritten zu beweisen, aus deren Vorliegen sie ihren Anspruch herleitet. Inwieweit Tatsachen zu behaupten und zu substantiieren sind, ergibt sich einerseits aus den Tatbestandsmerkmalen der angerufenen Norm und andererseits aus dem prozessualen Verhalten der Gegenpartei (BGE 144 III 519 E. 5.2.1.1, 127 III 365 E. 2.b; BGer Urteil 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2).
Der Behauptungslast ist durch das Aufstellen eines schlüssigen Tatsachenvortrags Genüge getan. Das heisst, dass eine Partei diejenigen Tatsachen widerspruchsfrei und vollständig angeben muss, auf die sie ihr Begehren stätzt, so dass der Tatsachenvortrag bei Unterstellung, er sei wahr, den Schluss auf die anbegehrte Rechtsfolge zulässt. Es genügt, wenn diese Tatsachen in ihren Grundzügen behauptet werden (BGE 132 III 186 E. 8.2; BGer Urteile 4A_210/2009 vom 7. April 2010 E. 3.2; 4A_591/2012 vom 20. Februar 2013 E. 2.1; 4A_443/2017
vom 30. April 2018 E. 2.1). Kommt eine Partei ihrer Behauptungslast nicht nach,
bleiben die betreffenden Tatsachen Unberücksichtigt und erfolgt keine Beweisab- nahme (BR?-NNIMANN, in: HAUSHEER/WALTER [Hrsg.], Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band II, 2012, Art. 152 N. 30).
Eine über die Behauptungslast hinausgehende Substantiierungslast greift nur, soweit der Prozessgegner den schlüssigen Tatsachenvortrag bestreitet. Diesfalls sind die Vorbringen in Einzeltatsachen zergliedert so umfassend und klar darzulegen, dass einerseits darüber Beweis abgenommen werden könnte und andererseits substantiiertes Bestreiten möglich ist bzw. dagegen der Gegenbeweis angetreten werden kann (BGer Urteile 4A_412/2019 vom 27. April 2020 E. 4.1; 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.1; 4A_210/2009 vom 7. April 2010 E. 3.2;
BGE 127 III 365 E. 2.b; 136 III 322 E. 3.4.2). Wird dem Gebot der Substantiierung ungenügend nachgekommen, ergeht ein Sachentscheid ohne Beweisabnahme. Ein Beweisverfahren darf nicht dazu dienen, fehlende nicht genügend substantiierte Behauptungen nachträglich zu vervollständigen, führte dies ansonsten doch zu einer Aushöhlung der Substantiierungslast und damit zu einer Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes (vgl. auch BGE 108 II 337 E. 3).
überblick
Unbestrittener Sachverhalt
Die Klägerin führt seit über 15 Jahren einen Restaurationsbetrieb (act. 1 Rz. 1; act. 10 Rz. 4, 25 f.). Sie war seit dem 15. Oktober 2008 bei der F. (F. Versicherungs-Gesellschaft AG) für die Sachrisiken des Unternehmens versichert. Ab dem 1. Januar 2019 galt die Police Nr. 1 (act. 1 Rz. 8; act. 10 Rz. 28) mit einer Versicherungssumme von CHF 2.2 Millionen auf erstes Risiko mit einem Selbstbehalt von CHF 500 und einer Haftzeit von 90 Tagen bei ErtragsausFällen (act. 1 Rz. 9; vgl. act. 10 Rz. 29).
Am 7. Dezember 2018 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Vertrag mit dem Titel Auftrag und Vollmacht für die Verwaltung des Versicherungsbestan- des ab (act. 1 Rz. 6; vgl. act. 10 Rz. 27). Darin wurde die Beklagte mit der Verwaltung des Versicherungsbestandes der Klägerin beauftragt (act. 1 Rz. 1; vgl.
act. 10 Rz. 25 f.) und verpflichtet, diesen regelmässig zu überprüfen und die nötigen Anpassungen vorzunehmen (act. 1 Rz. 20; vgl. act. 10 Rz. 42; act. 17 Rz. 13; vgl. act. 21 Rz. 55 ff.; act. 3/2).
Die E. (E. AG G. ) erstellte zuhanden der Klägerin eine Versicherungsofferte datierend vom 7. Dezember 2018 inkl. Zusatzversicherung für Ertragsausfall und Mehrkosten mit den Zusatzbedingungen Erweiterte Versicherung für Nahrungs- und Futtermittel sowie Tiere KMU, Ausgabe April 2017 (act. 1 Rz. 17; act. 21 Rz. 8; vgl. act. 10 Rz. 39).
Im Juli / August 2019 holte die Beklagte Offerten sowohl bei der H. als auch bei der E. ein (act. 10 Rz. 7 f.; vgl. act. 17). Am 4. September 2019 fand ei- ne Besprechung der Offerten in Anwesenheit der Vorsitzenden der Geschäftsführung der Klägerin, I. , und des damaligen beklagtischen Beraters, J. , statt (act. 10 Rz. 8, 42; act. 17 Rz. 9, 10, 11).
Am 12. September 2019 unterzeichnete die Klägerin den Versicherungsantrag
der E.
(act. 10 Rz. 14, 24, 39, 41 f.; act. 10 Rz. 25 f.; act. 1 Rz. 1; vgl.
act. 17 Rz. 12). In der Folge war die Klägerin ab dem 19. September 2019 bei der E. versichert (act. 1 Rz. 1; vgl. act. 10 Rz. 25 f.). Ertragsausfall und Mehrkosten waren mit einer Versicherungssumme von CHF 2.2 Millionen bei einem Selbstbehalt von CHF 500 versichert, allerdings nur für die Risiken Feuer, Elementar, Diebstahl, Flüssigkeiten und Gas. Das Risiko ?Betriebsschliessung und tätigkeitsverbot? war nicht versichert (act. 1 Rz. 12; vgl. act. 10 Rz. 33). Mit Schreiben vom 18. September 2019 kündigte die Klägerin die Versicherung bei der F. (act. 1 Rz. 1; act. 10 Rz. 17, 24 ff., 32, 41 f.; act. 17 Rz. 12 ff.).
Basierend auf dem Antrag der Klägerin vom 3. März 2020 stellte die E. mit Datum vom 26. März 2020 eine neue Police aus (act. 1 Rz. 13; vgl. act. 10 Rz. 33 ff.). Bestandteil der neuen Police vom 26. März 2020 waren die Zusatzbe- dingungen Erweiterte Versicherung für Nahrungs- und Futtermittel sowie Tiere KMU. Ausgabe April 2017. Diese erweiterte Versicherung adressiert das Risiko Betriebsschliessung und tätigkeitsverbot; die dafür geltenden Zusatzbedingungen enthielten allerdings einen Ausschluss der Deckung für Schäden infolge von Erregern, für welche die WHO-Pandemiestufen 5 6 gelten (wozu das Coronavirus zählt). Die neue Police selbst sah sodann explizit vor, dass Schäden infolge des Covid-19-Ausbruchs vom 31.12.2019 nicht versichert seien (act. 1 Rz. 13, 35;
vgl. act. 10 Rz. 33 ff., 54 ff.; act. 21 Rz. 5, 7; vgl. act. 25).
Mit Verordnung 2 des Bundesrates vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) [SR 818.101.24] wurden u.a. Restaurationsbetriebe in der Schweiz ab dem 17. März 2020 geschlossen (act. 1 Rz. 14; vgl. act. 10 Rz. 37). Im Laufe des Monats Mai 2020 durften Restaurationsbetriebe
? unter Einhaltung eines Schutzkonzepts gemäss Artikel 6a Covid-19-Verordnung 2 wieder öffnen (act. 1 Rz. 14; vgl. act. 10 Rz. 37).
Hauptstandpunkte der Parteien
Klägerin
Die Klägerin bringt vor, dass sie für ErtragsAusfälle und Mehrkosten infolge Be-
triebsschliessung und tätigkeitsverbot bei der F.
eine Versicherungsdeckung besessen habe (act. 1 Rz. 2, 16 f., 26, 31 ff.; act. 17 Rz. 15, 25). Bei der neuen Versicherung, der E. , habe sie aufgrund der fehlenden Empfehlung seitens der Beklagten keine entsprechende Ertragsausfallversicherung abgeschlossen, obwohl dies mit der Zusatzversicherung Ertragsausfall und Mehrkosten infolge Epidemie möglich gewesen wäre, weswegen die Klägerin für die Betriebsschliessung ab 17. März 2020 keine Versicherungsleistungen habe beanspruchen können (act. 1 Rz. 2, 16 ff., 26, 31 ff.) bzw. keine Entschädigung unter
dem standardisierten Vergleichsangebot der E.
erhalten habe (act. 1
Rz. 35 ff.; act. 17 Rz. 31). Die Beratungstätigkeit der Beklagten habe damit zu ei- ner Verschlechterung des Versicherungsschutzes der Klägerin gefährt, was im Zusammenhang mit den Betriebsschliessungen im Frühjahr 2020 zu einem Scha- den bei der Klägerin gefährt habe (act. 1 Rz. 3, 18).
Die Klägerin bestreitet insbesondere die Auslegung der Zusatzbedingungen der F. und der E. durch die Beklagte (act. 17 Rz. 18 ff.) sowie dass der eigenhändigen Unterzeichnung von Antrag und Kündigung durch die Klägerin eine Bedeutung zukomme (act. 17 Rz. 12 ff.). Sie habe keine prämienoptimierung um jeden Preis (act. 17 Rz. 3 f.) und keine Verschlechterung des Versicherungsschutzes gewollt (act. 17 Rz. 4, 10). Sie selber habe nicht erkennen können, ob unter dem neuen Versicherungsvertrag bei der E. ein der vormaligen Versicherung gleichwertiger Schutz bestanden habe (act. 17 Rz. 9, 11).
Beklagte
Die Beklagte bestreitet sowohl Bestand als auch Höhe einer angeblichen, bestrittenen Forderung (act. 10 Rz. 27). Die Klägerin habe Versicherungsprämien optimieren respektive sparen sowie die Deckungssummen Erhöhen wollen (act. 10 Rz. 6, 24, 33, 39, 52; act. 21 Rz. 15 ff., 37, 90). Aufgrund der Anfrage und des Anliegens der Klägerin habe die Beklagte Offerten eingeholt, welche die Parteien am
4. September 2019 besprochen hätten (act. 10 Rz. 7 f., 24, 44, 52; act. 21 Rz. 18 ff., 58, 90). Die Beklagte bestreitet, dass sie der Klägerin eine Kündigung aufgrund eines Teilschadens empfohlen habe (act. 10 Rz. 31). Die Klägerin habe sich nach einer Bedenkzeit selbst für eine Versicherung entschieden, den Antrag selbst unterzeichnet unter ausDrücklicher und schriftlicher Bestätigung, den wesentlichen Inhalt des neuen Versicherungsvertrages, die versicherten Risiken sowie den Umfang des neuen Versicherungsschutzes zu kennen (act. 10 Rz. 14 ff., 25, 33, 38 f., 41 f., 44; act. 21 Rz. 58, 77, 88). Die Klägerin habe bei der E. nicht einen gleichwertigen Versicherungsschutz gewollt und das Risiko einer Epi- demie und von InfektionsFällen/-krankheiten nicht mehr separat versichern wollen (act. 21 Rz. 6 f., 8 ff., 18 ff., 46, 56 f., 62, 76, 78, 83, 89 f.). Deswegen habe die Beklagte nicht über den Abschluss einer entsprechenden Zusatzversicherung informieren müssen (act. 21 Rz. 61). Die Maklertätigkeit der Beklagten sei in sorgfältiger und genügender Weise erfolgt (act. 21 Rz. 51 ff., 90; act. 10 Rz. 12, 53 ff.).
Vor allem aber streicht die Beklagte hervor, dass der Klägerin weder unter der
bisherigen Deckung bei der F.
noch unter der Zusatzdeckung bei der
E.
ein Anspruch auf Entschädigung zugestanden habe (act. 10 Rz. 20 ff.,
29 f., 38 f., 48, 53, 58; act. 21 Rz. 40 ff., 66 ff.). Wie BGer 4A_330/2021 zeige, hätte die E. unter der Zusatzversicherung keine Leistungen erbringen mössen (act. 21 Rz. 7, 84, 90). Allfällige Leistungen der Versicherungen seien wenn
überhaupt bloss aus Kulanz erbracht worden (act. 10 Rz. 22, 58). Aus einer hypothetischen Kulanz lasse sich kein Haftungsanspruch gegen die Beklagte ableiten (act. 10 Rz. 22).
Rechtliches
Qualifikation des Vertragsverhältnisses
VertRüge wie der zwischen den Parteien abgeschlossene Auftrag und Vollmacht für die Verwaltung des Versicherungsbestandes werden in der Praxis u.a. als Brokervertrag bezeichnet.
In der Lehre ist die Qualifikation solcher BrokervertRüge umstritten. überwiegend werden sie jeweils als Innominatvertrag qualifiziert, der Elemente des Werkvertrags, Auftrags, Maklervertrags und Agenturvertrags enthält. ältere Lehrmeinungen unterstellen sie direkt dem Recht des Maklervertrags nach Art. 412 ff. OR. Eine Minderheit geht von reinen Auftragsverhältnissen aus (BISCHOF, Die Rückforderung von Retrozessionen in der beruflichen Vorsorge, HAVE 2021, S. 269 ff.,
S. 270; FELLMANN, Brokervertrag als multilateraler Innominatvertrag vom Umgang mit dem Interessenkonflikt des Brokers, in: GROLIMUND/KOLLER/LOACKER/PORTMANN [Hrsg.], Festschrift für Anton K. Schnyder zum 65. Geburtstag, 2018, S. 797 ff., S. 799).
Nachdem das Bundesgericht in BGE 124 III 481 E. 3 im Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsmakler Bestimmungen des Maklervertrags angewendet hat, bezeichnet es in einem neueren Leitentscheid die Qualifikation der Rechtsverhältnisse im Dreieck zwischen Versicherungsnehmerin, Versicherung und Versicherungsmakler als schwierig und spricht von einem multilateralen Vertragsnetz (BGE 142 III 657 E. 4). Die Auflösung eines Brokervertrags hat das Bundesgericht dem Auftragsrecht unterstellt (BGer Urteil 4A_152/2016 vom
26. August 2016 E. 6.3). Aufgrund der zentralen Rolle des Vertrauens der Auftraggeberin / Versicherungsnehmerin in das Fachwissen und die unabhängigkeit des Brokers (BISCHOF, a.a.O., S. 271) bei der Verwaltung des Versicherungsbestandes hat die auftragsrechtliche Treuepflicht nach Art. 398 Abs. 2 OR auf einen Brokervertrag wie den Vorliegenden Anwendung zu finden (vgl. Art. 412 Abs. 2 OR; vgl. BGE 106 II 224 E. 4). Folglich beurteilt sich auch die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung und einer diesbezüglichen Haftung nach Auftragsrecht.
Die auftragsrechtliche Treuepflicht nach Art. 398 Abs. 2 OR auferlegt der Beauftragten eine umfassende Aufklürungs- und Benachrichtigungspflicht. Das Mass der geforderten Aufklürung als Ausfluss der allgemeinen Treue der Beauftragten bestimmt sich nach den Umständen und der Natur des Auftrags. Die Beauftragte hat der Auftraggeberin die jeweils erforderlichen Einzelinformationen zukommen zu lassen (OSER/WEBER, in: WIDMER LCHINGER/OSER [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. A., 2020, Art. 398 N. 9). Die Pflicht dient vor und während der Abwicklung des Vertrags der Information der Auftraggeberin und sichert eine ihren Interessen entsprechende Entwicklung und Abwicklung des Auftrags (FELL- MANN, a.a.O., S. 807 f.).
Haftungsvoraussetzungen
Gemäss Art. 398 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 97 Abs. 1 OR haftet die Beauftragte der Auftraggeberin für getreue und Sorgfältige Ausführung des ihr übertragenen Geschöftes. Voraussetzungen einer solchen Haftung sind das Vorliegen einer Vertragsverletzung (Sorgfaltswidrigkeit), eines Schadens, des Kausalzusammenhanges zwischen Vertragsverletzung und Schaden sowie des Verschuldens der Beauftragten (OSER/WEBER, a.a.O., Art. 398 N. 30). Die Beauftragte trifft der Beweis des fehlenden Verschuldens (Exkulpation), während die Beweislast für die übrigen Haftungsvoraussetzungen der Auftraggeberin obliegt (OSER/WEBER, a.a.O., Art. 398 N. 32; BGE 144 III 155 E. 2.3).
3.4. Zwischenfazit
Strittig und daher nachfolgend zu prüfen sind neben dem Vertragsumfang und den Pflichten der Beauftragten die Haftungsvoraussetzungen.
Kausaler Schaden
Ausgangslage
Zusammengefasst beruft sich die Klägerin auf drei unterschiedliche Argumentationen für einen ihr wegen einer Allfälligen Informationspflichtverletzung (unterlassene Aufklürung über den Wegfall jeglicher Deckung bei Betriebsschliessung, inkl. Möglichkeit des Abschlusses einer Zusatzversicherung) entstandenen Scha- den (act. 1 Rz. 2, 16 f., 26, 31-37; act. 17 Rz. 15 f., 25-34):
Entgangene Leistung der F. betreffend Ersatz des Ertragsausfalls infolge Betriebsschliessung (geschuldet bei der Beibehaltung der dortigen Versicherungsl?sung)
Entgangene Versicherungsdeckung bei der E. schluss einer Zusatzversicherung)
(geschuldet beim Ab-
Entgangene Entschädigung gemäss standardisiertem Vergleichsangebot der E. (ausbezahlt im Falle des Abschlusses einer Zusatzversicherung)
Die Klägerin hat in der Stellungnahme zur Duplik anerkannt, dass gemäss Urteil des Bundesgerichts 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 keine Deckung im Falle eines Abschlusses einer Zusatzversicherung (Ertragsausfall und Mehrkosten infolge Epidemie) bei der E. bestanden hätte (act. 25 Rz. 6). Aus der fehlen- den Aufklürung über diese Zusatzversicherung kann daher kein kausaler, einer durchsetzbaren Versicherungsleistung der E. entsprechender Schaden resultiert sein. Daher entfällt eine weitere Prüfung dieses Szenarios (litera b), welches die Klägerin anfänglich als anspruchsbegründend vorgebracht hat (act. 1 Rz. 2, 17, 31 f.). Einzugehen ist nach Klürung der rechtlichen Grundlagen hingegen auf die beiden anderen Argumentationslinien (litera a und c).
Rechtliches
Kausalität
Eine Unterlassung wie eine Informationspflichtverletzung z.B. durch unterlasse- ne Aufklürung ist für den eingetretenen Schaden dann kausal, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung der Schaden
bei Vornahme der unterlassenen Handlung nicht eingetreten wäre (hypothetischer Kausalverlauf; BGer Urteil 4A_87/2019 vom 2. September 2019 E. 4.1.3). Das auf den hypothetischen Kausalverlauf anwendbare Beweismass ist dasjenige der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (WALTER, in: HAUSHEER/WALTER [Hrsg.], Ber- ner Kommentar, Einleitung, Art. 1-9 ZGB, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Einleitung und Personenrecht, 2012, Art. 8 N. 146; BGE 132 III 715 E. 3). Dieses ist erreicht, wenn nach Auffassung des Gerichts kein ernst zu nehmender Raum für eine von der behaupteten abweichende Sachverhaltsversion verbleibt. Ein anderer als der behauptete Hergang ist zwar denkbar, fällt aber bei vernünftig realistischer Betrachtung nicht massgeblich in Betracht (WALTER, a.a.O., Art. 8 N. 138).
grundsätzlich unterscheidet die Rechtsprechung auch bei Unterlassungen zwischen naTürlichem (hypothetischem) und adäquatem Kausalzusammenhang. während bei Handlungen die wertenden Gesichtspunkte erst bei der Beurteilung der Adäquanz zum Tragen kommen, spielen diese Gesichtspunkte bei Unterlassungen in der Regel schon bei der Feststellung des hypothetischen Kausalverlaufs eine Rolle. Daher ist es bei Unterlassungen in der Regel nicht sinnvoll, den festgestellten angenommenen hypothetischen Geschehensablauf separat noch auf seine Adäquanz zu prüfen (BGer Urteil 4A_87/2019 vom 2. September 2019 E. 4.1.3).
Eine Besonderheit der Kausalität bei Informationspflichtverletzungen ist, dass die Kausalkette mehrgliederig ist. Im ersten Schritt ist die haftungsbegründende Kausalität zwischen der Informationspflichtverletzung und dem Entscheid der Kundin betreffend Versicherungsabschluss/-kündigung darzulegen. In einem zweiten Schritt ist die haftungsausFällende Kausalität, d.h. der Zusammenhang zwischen dem Entscheid und dem Schaden zu behaupten und im Bestreitungsfalle zu substantiieren und zu beweisen (vgl. STEUDLER, Die Kausalität von Informationspflichtverletzungen, am Beispiel der KapitalanlageGeschäfte, Diss., 2021, S. 173 ff.).
Schaden
Bei einem Vermögensschaden orientiert sich der Schadensbegriff an der Differenztheorie. Nach der Differenztheorie entspricht der Schaden der ungewollten Verminderung des Reinvermögens der Geschädigten, d.h. der Differenz zwischen dem gegenwürtigen nach dem schädigenden Ereignis festgestellten Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte (BGE 142 III 23 E. 4.1; 132 III 359 E. 4; 132 III 321 E. 2.2.1) bzw. den Einkünften, die nach dem schädigenden Ereignis tatsächlich erzielt worden sind, und denjenigen, die ihr ohne dieses Ereignis zugeflossen wären (BGE 132 III 321
E. 2.2.1). Der Schaden ist die ungewollte bzw. unfreiwillige Vermögensverminderung. Er kann in einer Vermehrung der Passiven, einer Verminderung der Aktiven in entgangenem Gewinn bestehen (BGE 144 III 155 E. 2.2; 132 III 359 E. 4).
Im Vertragsrecht sind zwei unterschiedliche Differenzrechnungen denkbar: Das positive Interesse wird definiert als die Differenz zwischen dem hypothetischen Vermögensstand der Geschädigten, der sich bei richtiger VertragsErfüllung ergeben hätte, und dem tatsächlichen Vermögensstand. Als negatives Interesse gilt die Differenz zwischen dem hypothetischen Stand des Vermögens, der sich ergeben hätte, wenn der Vertrag überhaupt nicht geschlossen worden wäre, und dem tatsächlichen Vermögensstand (FELLMANN/KOTTMANN, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band I: Allgemeiner Teil sowie Haftung aus Verschulden und Persönlichkeitsverletzung, gewöhnliche Kausalhaftungen des OR, ZGB und PrHG, 2012,
N. 149). Aufgrund der Unterstellung des Brokervertrag unter das Auftragsrecht in Bezug auf Sorgfaltspflichtverletzungen ist gemäss Rechtsprechung und herrschender Lehre der klagenden Partei im Falle einer kausalen Pflichtverletzung (Art. 398 Abs. 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 OR) das Erfüllungsinteresse (positives Interesse) zu ersetzen (BGE 144 III 155 E. 2.2).
Für die Feststellung des Vorliegens und der Höhe eines Schadens gilt das Regelbeweismass (BGE 144 III 155 E. 2.3; vgl. WALTER, Berner Kommentar, Einleitung, Art. 1-9 ZGB, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Einleitung und Personenrecht, 2012, Art. 8 N. 134). Falls der strikte Beweis des Vorhandenseins sowie der Höhe des Schadens nach der Natur der Sache nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist, ist der Schaden mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die von
der Geschädigten getroffenen Massnahmen zu Schätzen (Art. 42 Abs. 2 OR). Das Beweismass wird bei der Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR auf die überwiegen- de Wahrscheinlichkeit herabgesetzt (BGer Urteil 4A_6/2019 vom 19. September 2019 E. 4.2 und 4.3). Die Klägerin hat aber auch im Rahmen dieser Norm soweit möglich und zumutbar alle Umstände zu behaupten und zu beweisen, die Indizien für den Eintritt eines Schadens darstellen und die Schätzung der Höhe erlauben. Art. 42 Abs. 2 OR bewirkt lediglich eine Beweiserleichterung, keine Umverteilung der Beweislast eine Befreiung. Die von der Geschädigten behaupteten Umstände müssen den Schaden als praktisch sicher erscheinen lassen; ei- ne blosse Möglichkeit genügt nicht für die Zusprechung von Schadenersatz. Liefert die geschädigte Person nicht alle im Hinblick auf die Schätzung des Scha- dens notwendigen Angaben, ist eine der Voraussetzungen von Art. 42 Abs. 2 OR nicht gegeben und die Beweiserleichterung kommt nicht zum Zuge (BGE 144 III 155 E. 2.3; 140 III 409 E. 4.3.1; 133 III 462 E. 4.4.2; 131 III 360 E. 5.1; 122 III 219
E. 3.a; BGer Urteile 4A_6/2019 vom 19. September 2019 E. 4.3 m.H.; 4C.350/2006 vom 9. Januar 2007 E. 2.3.2; 4A_374/2018 vom 12. September
2018 E. 3.1).
Widersprächlicher Tatsachenvortrag
Klägerische Vorbringen und deren Würdigung
Aus den Rechtsschriften der Klägerin ergibt sich weder ein vollständig stringent behaupteter hypothetischer Kausalverlauf (gesamte Kette mit haftungsbegrün- dender und haftungsausFällender Kausalität) noch eine klare Reihenfolge der behaupteten hypothetischen Kausalverläufe; zudem mangelt es an der nötigen Klarheit darüber, welcher Schaden letztlich geltend gemacht wird:
Bereits die KlageBegründung in sich ist nicht stimmig. während die Klägerin als HauptBegründung anführt, ohne Pflichtverletzung hätte sie die Versicherungsdeckung bei der F. beibehalten (act. 1 Rz. 32 1. Satz, 33 f., 36, 26, 30), be- Gründet sie den Schadensbetrag rechnerisch mit dem hypothetischen Eventual- Kausalverlauf (act. 1 Rz. 36), Nämlich der aufgrund des standardisierten Vergleichsangebots erhaltenen Entschädigung im Falle des Abschlusses der Zusatzversicherung bei der E. (act. 1 Rz. 35), mit dem Hinweis, dass sie dasjenige geltend mache, was ihr wenigstens von der E. als Schadenersatzanspruch vergleichsweise offeriert worden wäre (act. 1 Rz. 37). Gleichzeitig behält sich die Klägerin mit Verweis auf ihren tatsächlichen Anspruch gegenüber der F. vor, weitergehende SchadenersatzAnsprüche / den Mehrbetrag gegenüber der Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt gerichtlich geltend zu machen (act. 1 Rz. 37). Den Schaden für den Kausalverlauf der Beibehaltung der Versicherungsl?sung bei der F. , also die ursprängliche HauptBegründung, beziffert die Klägerin allerdings nicht.
Die gegenüberstellung von Klage und Replik zeigt weitere Widerspräche: Während aus der Klage hinsichtlich des hypothetischen Kausalverlaufs (nicht des Schadens) im Falle der genügenden Aufklürung die Beibehaltung der Versicherungsl?sung bei der F. als Haupt- und der Abschluss einer Zusatzversi-
cherung bei der E.
als Eventual-Begründung hervorgeht (act. 1 Rz. 33 ff.,
insb. 36), wird in der Replik für den Fall des Fehlens einer Pflichtverletzung der Abschluss einer Zusatzversicherung bei der E. zuerst thematisiert (act. 17 Rz. 32 ff.) und danach auf die Beibehaltung des Versicherungsschutzes bei der
F.
eingegangen, ohne eine Prüfungsreihenfolge anzugeben (act. 17
Rz. 34). In Bezug auf den Schaden erfolgt die Darstellung in der Replik in umge-
kehrter Reihenfolge, d.h. zuerst F. , dann E. 28 ff.).
(act. 17 Rz. 25 ff. und
Konkret erklärt die Klägerin in der Replik zum Kausalverlauf, dass sie die Zusatzversicherung der E. bei entsprechender Information seitens der Beklagten abgeschlossen hätte, da auch bei gleichwertiger Deckung bei der E. noch immer eine prämienersparnis resultiert hätte (act. 17 Rz. 32). Hingegen hätte die Klägerin den bisherigen Versicherungsschutz bei der F. beibehalten, wäre
die gleichwertige / erweiterte Deckung bei der E.
nicht möglich gewesen
(wofür aber keine Anhaltspunkte Beständen) (act. 17 Rz. 16). Im Widerspruch dazu führt die Klägerin alsdann weiter aus: hätte die Klägerin ihre Deckung bei der
F.
beibehalten, weil, bei richtiger Beratung und bei gleichwertiger Abde-
ckung, die Offerte der E. nicht attraktiv genug gewesen wäre, so hätte sie
auch bei der F.
eine Deckung für den Ertragsausfall genossen (act. 17
Rz. 34). Welche Lösung für die Klägerin ohne die behauptete Pflichtverletzung attraktiver gewesen wäre und für welche sie sich letztlich entschieden hätte, bleibt folglich nach Studium der Replik unklar.
Auch der abermalige Beizug der Klageschrift trägt nicht zur Klürung dieser Ungewissheit bei, obwohl auch darin auf die prämienersparnis Bezug genommen wird:
So führt die Klägerin aus, dass sie die Versicherung bei der F.
belassen
und nicht den Vertrag bei der E. neu abgeschlossen hätte. Den Vertrag mit der E. hätte sie lediglich dann abgeschlossen, wenn er zu einer wesentlich günstigeren prämie dieselbe Deckung Gewährleistet hätte wie der Versicherungsvertrag mit der F. , was nur dann der Fall gewesen wäre, wenn für einen versicherten Umsatz von CHF 2.2 Millionen die Zusatzversicherung Ertragsausfall und Mehrkosten infolge Epidemie eingeschlossen worden wäre (act. 1 Rz. 32
2. Satz). In ihrer Stellungnahme zur Duplik wobei offen gelassen bleiben kann, ob es sich dabei um eine zulässiges Novum handelt bestreitet die Klägerin so- dann, dass eine tiefere Versicherungsprämie bei der E. nur bei einer Re- duktion des bisherigen Versicherungs- und Deckungsumfangs zu erreichen gewesen sei (act. 25 Rz. 13). Ob 2019 eine prämienersparnis bei einem Wechsel zur E. unter Abschluss einer Zusatzversicherung resultiert hätte und wenn ja, wie hoch eine solche Ersparnis hätte sein müssen, damit die Klägerin gewechselt hätte, ist nach den gegensätzlichen Behauptungen nicht ersichtlich.
Aufgrund des Tatsachenvortrags der Klägerin bleibt damit worauf auch die Beklagte hinweist (act. 21 Rz. 90 Ziffer 9) die Frage unbeantwortet, für welches Vorgehen sich die Klägerin im Falle einer nicht vorhandenen (behaupteten und bestrittenen) Pflichtverletzung der Beklagten entschieden hätte und weshalb dieser hypothetische Kausalverlauf der überwiegend wahrscheinliche hätte sein sollen. Gerade den überwiegend wahrscheinlichen hypothetischen Kausalverlauf zu behaupten und dessen überwiegende Wahrscheinlichkeit zu begründen hätte aber der Klägerin oblegen. Stattdessen präsentiert die Klägerin zwei mögliche, alternative Szenarien, ohne sich auf das eine andere festzulegen zumin- dest klar eine Reihenfolge zu definieren. Aufgrund der klägerischen Darstellung
zeigt sich damit, dass (für sie) keiner der hypothetischen Kausalverläufe überwiegend wahrscheinlich sein kann.
Diese Widerspräche lassen sich nicht über die Wertung die Adäquanz lösen. Es hätte der Klägerin oblegen, die relevante Kausalkette (spezifische Pflichtverletzung spezifischer Entscheid spezifischer Schaden) kohörent zu behaupten. Es ist nicht Sache des Gerichts, den Sachverhalt allein über den gewöhnlichen Lauf der Dinge und die allgemeinen Lebenserfahrung zu ergänzen bzw. klarzustellen bzw. aus einer Auswahl von hypothetischen Kausalverläufen selbst den überwiegend wahrscheinlichen Kausalverlauf zu ermitteln und diesen sodann mit der richtigen Schadensberechnung zu kombinieren. Dies wäre aufgrund der vorhandenen Behauptungen denn auch nicht möglich; keines der beiden Szenarien erscheint aufgrund der behaupteten Tatsachen wahrscheinlicher als das andere. Beim hypothetischen Kausalverlauf greift zwar ein reduziertes Beweismass (siehe Ziffer 4.2. 1); diese Beweiserleichterung ändert aber nichts daran, dass die Beweis- und damit auch die Behauptungssowie Substantiierungslast bei der Klägerin bleibt. Im übrigen ist es keineswegs bedeutungslos, welches der einschlägige Kausalverlauf ist, ist doch auch der von der Klägerin behauptete Schaden kei- neswegs derselbe.
Hiergegen liesse sich nicht einwenden, aufgrund des Bundesgerichtsurteils 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 sei nun klar, dass keine Versicherungsdeckung über die Zusatzversicherung bei der E. möglich gewesen sei, weshalb die Klägerin klarerweise die Versicherung bei der F. beibehalten hätte und folglich dieser Kausalverlauf zu prüfen sei. Erstens hat die Klägerin dies in der Replik, welche sie nach dem genannten Bundesgerichtsurteil verfasste (Datum der Replik: 20. Juni 2022), nicht geltend gemacht. Vielmehr scheint sie darin zunächst eher den Kausalverlauf über den Abschluss der Zusatzversicherung bei der E. vorzuziehen (act. 17 Rz. 32 ff.), um dies danach sogleich wieder in Frage zu stellen (act. 17 Rz. 34). Zweitens hätte die Klägerin im Zeitpunkt der Wahl der Versicherungsl?sung auch ohne behauptete und bestrittene Pflichtverletzung kei- ne Kenntnis davon gehabt, dass das Bundesgericht diesen Entscheid Fällen wür- de; dieses nachträgliche Wissen könnte daher nicht als Grundlage für einen damaligen Entscheid herangezogen werden. Im übrigen wird auf nachfolgende EventualBegründung zum behaupteten Schaden im Sinne einer entgangenen
Leistung der F.
(im Falle der Beibehaltung der dortigen Versicherungsl? sung) verwiesen (Ziffer 4. 4). Würde Nämlich auf den Kausalverlauf bei Beibehaltung der Versicherung bei der F. abgestellt, Müsste sich auch der Schaden nach jener Argumentation richten und könnte bei der Prüfung dieser Haftungsvoraussetzung nicht auf die Ausführungen der Klägerin zur Zahlung der E. abgestellt werden.
Fazit
Da zusammengefasst ein schlüssiger (widerspruchsfreier) Tatsachenvortrags fehlt (vgl. Ziffer 2), ist Rechtsbegehren 1 der Klage abzuweisen. Mangels schlüssigem Tatsachenvortrag fehlt entsprechend auch dessen Substantiierung. Offen gelassen werden kann, ob eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt.
Die nachfolgenden Ausführungen (Ziffer 4.4 und 4.5) verstehen sich als EventualBegründung.
Schaden: Entgangene Leistung der F. (EventualBegründung)
Zusammengefasste Parteistandpunkte
Die Klägerin führt zum Schadenersatzanspruch aus, dass sie bei der F. im Rahmen der Versicherungssumme von CHF 2.2 Millionen auf erstes Risiko mit einem Selbstbehalt von CHF 500 einen Versicherungsanspruch hätte geltend machen können (act. 1 Rz. 33). sämtliche Betriebe, welche die Deckung Betriebsschliessung und tätigkeitsverbot (Zusatzbedingungen Ausgabe 1/2008) und die AVB 1/2014 (oder äquivalente Bedingungen) vereinbart hätten, seien von
der F.
für den wirtschaftlichen Ausfall (während maximal 90 Tagen) ent-
schädigt worden (act. 17 Rz. 26; act. 1 Rz. 34). Die F.
habe jeweils im
Rahmen der Haftzeit von 90 Tagen den konkret nachgewiesenen Ausfall (abzüglich anderer Entschädigungen wie Kurzarbeitsentschädigung, Mietzinsreduktion, Hürtefallgelder) entschädigt. Auch die Klägerin hätte die Voraussetzungen für ei- ne Entschädigung erfüllt. Hierfür wäre ein betriebswirtschaftliches Gutachten (bei
der K. der L. ) in Auftrag gegeben worden, sofern der mutmassliche Schaden mehr als CHF 20'000 betragen hätte. Aufgrund der Versicherungssumme, wie sie bis zur Auflösung des Vertrags bestanden habe, wäre auch für die Ansprüche der Klägerin ein solches Gutachten erstellt worden (act. 17 Rz. 26). Der Schaden, den die Klägerin erlitten habe, liege bei wenigstens
CHF 103'125. Diesen Betrag hätte auch ein Gutachten bei der K.
oder
der L. ergeben, welches nach den Massgaben der F. erstellt worden wäre. Im Bestreitungsfalle sei ein entsprechendes Gutachten gerichtlich in Auftrag zu geben auf der Basis derjenigen Unterlagen, welche von der K. der L. nach den Massgaben der F. hierfür benötigt würden. Diese Unterlagen seien von der K. der L. zu benennen und bei der Klägerin einzuverlangen (act. 17 Rz. 27). Zusammengefasst hätte bei Beibehaltung der bisherigen Deckung die F. , nach Abklärung der Verhältnisse über ein betriebswirtschaftliches Gutachten bei der K. der L. , der Klägerin ein Vergleichsangebot über wenigstens CHF 103'125 gemacht und hätte Letztere die entsprechende Entschädigung im Sommer 2020 erhalten (act. 17 Rz. 34).
Die Beklagte bestreitet sowohl den behaupteten Schaden als auch den geltend gemachten Schadenersatzanspruch (act. 21 Rz. 27 f., 82, 90; act. 10 Rz. 58 f.). Herleitung, Substantiierung und Beweis für den angeblichen, bestrittenen Scha- den von CHF 103'125 fehlten gänzlich (act. 21 Rz. 90 Ziffer 10). Sowohl bei der
F.
als auch bei der E.
seien bei Betriebsunterbrächen keine fixen
Umsätze versichert, sondern wäre auf jeden Fall der konkrete Schaden aus Betriebsunterbruch zu berechnen und festzustellen gewesen. Im vorliegenden Verfahren müsse die Klägerin diese Positionen herleiten und beweisen. Entsprechende Angaben und Beweise seien weder der Klage noch der Replik zu ent- nehmen. Die Klägerin habe einen Schaden von angeblich CHF 103'125 lediglich behauptet, die Beklagte einen solchen bestritten; bis heute fehle jede Substantiierung jeder Nachweis eines solchen Schadens (act. 21 Rz. 28). Der angebliche, bestrittene Schaden(ersatzanspruch) der Klägerin sei somit weder substantiiert, noch belegt bewiesen, sodass darüber kein Beweis abgenommen Gutachten erstellt werden könne (act. 21 Rz. 27-29, 81 f., 90; act. 10 Rz. 59). Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, welche Kurzarbeitsentschädigungen, Hürtefallgelder, ggf. Mietzinsreduktionen, -erlasse und andere Versicherungsoder Unterstätzungsleistungen sie im relevanten Zeitpunkt erhalten habe (act. 21 Rz. 79). Eine Berechnungsgrundlage Schadenskalkulation nach der
angeblichen Herleitung Entschädigungsberechnung der F.
fehle vorliegend ganz, die angebliche Berechnungsoder Forderungsgrundlage sei weder ausreichend dargelegt, noch belegt. Der angebliche Schaden bleibe unsubstantiiert (act. 21 Rz. 81). Substantiierte Behauptungen seien in den Rechtsschriften aufzustellen und könnten nicht mit der Einholung eines Gutachtens nachgeholt werden (act. 21 Rz. 30, 81). Der angebliche, bestrittene und bei Betriebsunterbrächen auf jeden Fall konkret zu bestimmende Schaden sei unsubstantiiert geblieben, weshalb weder Beweis darüber abgenommen, noch eine Begutachtung angeordnet werden könne (act. 21 Rz. 31, 80).
Würdigung
Die vorliegend seitens der Klägerin geltend gemachte Vermögensverminderung im Sinne der Differenztheorie besteht im Verlust des behaupteten Anspruchs auf Ersatz des Ertragsausfalls infolge Betriebsschliessung gegenüber der F. , somit in einer Minderung der Aktiven.
Die Klägerin hätte substantiierte Behauptungen zum Schaden aufstellen müssen. Trotz Bestreitungen der Beklagten zum Schaden und deren Hinweisen auf die mangelnde Substantiierung behauptet die Klägerin jedoch lediglich pauschal und damit unzureichend einen Schaden von wenigstens CHF 103'125 (act. 17
Rz. 27) bzw. eine von der F.
erhaltene Entschädigung von wenigstens
CHF 103'125 bei Beibehaltung der Deckung bei der F.
(act. 17 Rz. 34)
und verweist für den konkret nachzuweisenden Ausfall (abzüglich anderer Entschädigungen wie Kurzarbeitsentschädigung, Mietzinsreduktion, Hürtefallgelder) (act. 17 Rz. 26) auf ein (im Bestreitungsfall zu erstellendes) Gutachten (act. 17 Rz. 27). Sie legt jedoch nicht in Einzeltatsachen zergliedert konkret dar, wie und anhand welcher Grundlagen sich ein solcher Ausfall und dementsprechend der Schaden berechnet. üblicherweise sind für die Berechnung von Betriebsausfallschden der Ist- und Soll-Bruttoumsatz, normalerweise und tatsächlich aufgewendete Kosten/Aufwand, ev. Schadenminderungskosten und (abzuziehende)
erhaltene Entschädigungen darzulegen. Vorliegend wären zudem Allfällige prämienersparnisse sollten die prämien bei der E. tiefer als bei der F. gewesen sein zu berücksichtigen. Sodann liefert die Klägerin, für den Fall, dass sich der Schaden nicht berechnen liesse was ebenfalls von ihr darzulegen gewesen wäre , auch keine Grundlagen für eine Schadensschätzung.
Der Verweis auf ein gerichtlich in Auftrag zu gebendes Gutachten (vgl. act. 17 Rz. 27, 34) reicht zur Substantiierung des Schadens nicht aus. Ein Gutachten kann die genügend konkrete und substantiierte Parteibehauptung nicht ersetzen. Seitens des Gerichts wird ein Gutachten auf Antrag einer Partei dann eingeholt (vgl. MÜLLER, in: BRUNNER/GASSER/SCHWANDER [Hrsg.], DIKE-ZPO Kommentar,
2. A., 2016, Art. 183 N. 5), wenn rechtserhebliche streitige Tatsachen vorgetragen wurden, für deren Beurteilung es besonderer Fachkenntnisse bedarf (vgl. MÜLLER, a.a.O., Art. 183 N. 7). Die das Gutachten beantragende Partei hat konkret vorzutragen, was das Gutachten letztlich dartun soll (BGer Urteil 4A_48/2019 vom
29. August 2019 E. 5.4.1.1). Sie hat die einzelnen Tatsachen, die sie mit dem Gutachten beweisen will, zu behaupten und darzulegen, dass die zu beweisenden Tatsachen erheblich sind und (zumindest sinngemäss) ohne Beizug eines Sach- Verständigen nicht abgeklürt werden können (BR?-NNIMANN, in: HAUSHEER/WALTER [Hrsg.], Berner Kommentar, Band II: Art. 150-352 ZPO und Art. 400-406 ZPO, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, Art. 152 N. 33; BGer Urteil
4A_48/2019 vom 29. August 2019 E. 5.4.1.1; vgl. BGE 127 III 365 E. 2c). Fehlen,
wie vorliegend, diese Angaben, insbesondere die tatsächlichen Grundlagen der Schadensberechnung oder
-schätzung, so ist kein Beweis abzunehmen.
Aufgrund der vorgetragenen Behauptungen liesse sich vorliegend kein Gutachten erstellen. Dies erkennt auch die Klägerin, indem sie vorbringt, für das nach Mass-
gaben der F.
zu erstellende Gutachten seien von der K.
oder der
L. die benötigten Unterlagen zu benennen und bei der Klägerin einzuverlangen (act. 17 Rz. 27). Gleichzeitig verkennt die Klägerin damit aber zum einen, dass sie die in solchen Unterlagen enthaltenen Tatsachen bereits in den Rechtsschriften vor Aktenschluss hätte behaupten müssen. Zum anderen hätte sie solche bei ihr vorhandenen Unterlagen als Urkunden mit den Rechtsschriften einreichen müssen (vgl. Art. 221 Abs. 2 lit. c ZPO). Mit der Replik trat für sie der Aktenschluss ein. Ein Nachreichen von Unterlagen wäre lediglich gestützt auf Art. 229 ZPO zulässig. Darauf beruft sich die Klägerin nicht; überdies ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grunde solche Unterlagen zulässige Noven sein bzw. enthalten sollten (LEUENBERGER, in: SUTTER-SOMM/HASENB?-HLER/LEUENBERGER
[Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen ZPO, 3. A., 2016, Art. 221 N. 52; PAHUD, in: BRUNNER/GASSER/SCHWANDER [Hrsg.], DIKE-ZPO Kommentar, 2. A., 2016,
Art. 221 N. 16). Ergänzend ist festzuhalten, dass unklar erscheint, was eine Erstellung des Gutachtens nach Massgaben der F. bedeuten soll. Auch aus der eingereichten E-Mail der F. vom 17. Juni 2022 (act. 18/19) gehen weder die Berechnungsgrundlage noch die Berechnungsweise hervor.
Weiter können die fehlenden Parteibehauptungen zu den Grundlagen der Scha- densberechnung -schätzung nicht durch eine Zeugeneinvernahme ersetzt werden. Es wären seitens der Klägerin in den Rechtsschriften konkrete Behauptungen zu Einzeltatsachen der Schadensberechnung (oder, falls anwendbar, der Schadensschätzung) aufzustellen gewesen, zu deren Beweis der Zeuge jeweils hätte angeboten werden müssen. Wie ausgefährt, fehlen vorliegend solche Behauptungen. überdies hat die Klägerin auch nicht konkretisiert, was der angebotene Zeuge aussagen soll. Vielmehr wird er jeweils nach einem Abschnitt (act. 17 Rz. 26, 34) mit einer Vielzahl von für eine Schadenssubstantiierung ungenügenden Behauptungen angeboten. Es fehlt demnach an der eindeutigen Zuord- nung und Verknüpfung einzelner Sachvorbringen mit den jeweiligen Beweisantrügen (Art. 221 Abs. 1 lit. e ZPO; BR?-NNIMANN, a.a.O., Art. 152 N. 23; LEUENBER-
GER, a.a.O., Art. 221 N. 51; vgl. u.a. BGer Urteile 4A_381/2016 vom 29. September 2016 E. 3.3; 4A_56/2013 vom 4. Juni 2013 E. 4.4; 4A_452/2013
vom 31. März 2014 E. 2.1). Auch aus diesem Grunde wäre der Beweis nicht abzunehmen. Ohnehin vermag in komplexen Fällen eine Befragung eines sachverstündigen Zeugen ein Gutachten nicht zu ersetzen (HGer ZH Urteil HG120008 vom 23. Oktober 2013 E. 6.5.4.2 m.H.).
Fazit
Rechtsbegehren 1 der Klage ist neben den bereits ins Ziffer 4.3 dargelegten Gründen auch mangels Substantiierung des Schadens abzuweisen. Welche Pflichten die Beklagte hatte, ob eine kausale Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und ob bei der F. bei Beibehaltung der dortigen Versicherungsl?sung eine (durchsetzbare) Versicherungsdeckung bestanden hätte (act. 17 Rz. 25) und nicht, wie die Beklagte behauptet, lediglich von Kulanzleistungen gesprochen werden Müsste (act. 10 Rz. 19 ff.) kann daher offen gelassen werden.
Schaden: Entgangene Entschädigung gemäss standardisiertem Vergleichsangebot der E. (EventualBegründung)
Zusammengefasste Parteistandpunkte
Die Klägerin behauptet für die Argumentation, wonach sie bei genügender Aufkl?-
rung eine neue Versicherung bei der E.
einschliesslich einer Zusatzversicherung für Ertragsausfall bei Betriebsschliessung und tätigkeitsverbot abgeschlossen hätte, dass die E. sämtlichen Betrieben ein standardisiertes Vergleichsangebot unterbreitet habe (act. 1 Rz. 35). Das Vergleichsangebot der E. gehe aus deren Medienmitteilung vom 5. Mai 2020 hervor (Beilage 20): Die E. habe den betroffenen Betrieben 50 % der ungedeckten Kosten und des Gewinnausfalls entschädigt, basierend auf dem Jahresumsatz und für die Zeitdauer der verordneten Betriebsschliessung vom 16. März 2020 bis 11. Mai 2020 zuzüglich eines halben Monats (act. 17 Rz. 29). Aus Beilage 21 (S. 3) gehe
eine konkrete Berechnung eines Vergleichsangebots der E.
hervor. Ausgangspunkt bilde der versicherte Jahresumsatz gemäss Police, aufgrund dessen der durchschnittliche Umsatzausfall pro Monat berechnet worden sei. Hiervon sei innerhalb der Haftzeit von 90 Tagen einen Umsatzausfall von 100 % für zwei Mo- nate und einen Umsatzausfall von 50 % für einen Monat berechnet worden. Die E. habe im Vergleichsangebot pauschal 55 % an eingesparten Kosten abgezogen; von den restlichen 45 % des Umsatzausfalls habe sie eine Auszahlung der Hälfte angeboten. Im konkreten Fall der Klägerin bedeute dies bei einem versicherten Jahresumsatz von CHF 2.2 Millionen und folglich einem Umsatzausfall
pro Monat von CHF 183'333, dass die E. von einem zu entschädigenden Umsatzausfall von 2.5 Monaten von CHF 458'332 ausgegangen wäre. Hiervon hätte die
E.
55 % an eingesparten Kosten abgezogen (CHF 252'082); von den
restlichen CHF 206'250 hätte die E. eine Auszahlung von 50 % angeboten, also CHF 103'125 (act. 17 Rz. 30; act. 1 Rz. 35).
Die E. hätte der Klägerin (wie allen anderen Betrieben mit derselben Versicherungsdeckung) ein Vergleichsangebot unterbreitet (act. 17 Rz. 33). Aus einer
Medienmitteilung der E.
vom 25. August 2020 (Beilage 22) gehe hervor,
dass bis dahin 95 % der betroffenen Gastro-Unternehmen der Vergleichslösung zugestimmt hätten (act. 17 Rz. 31). Die Klägerin hätte ein Vergleichsangebot über CHF 103'125 erhalten, und die Klägerin hätte, wie die überwältigende Mehrheit der Betriebe, dieses Vergleichsangebot angenommen. Die Klägerin hätte entsprechend im Sommer 2020 eine Entschädigung von CHF 103'125 von der E. erhalten (act. 17 Rz. 33, 31). Mit der vorliegenden Teilklage mache die Klägerin dasjenige geltend, was ihr wenigstens von der E. als Schadenersatzanspruch vergleichsweise offeriert worden wäre (act. 1 Rz. 37).
Die Beklagte bestreitet sowohl den Schaden (act. 21 Rz. 27 f.) als auch den Schadenersatzanspruch (act. 10 Rz. 58). Die geltend gemachte, bestrittene Schadenersatzsumme bzw. der angebliche, bestrittene Schaden sei weder be- Gründet und substantiiert noch belegt (act. 10 Rz. 59; act. 21 Rz. 90 Ziffer 10). Allfällige Zahlungen der Versicherungen an versicherte Betriebe seien als blosse Kulanzzahlungen zu erachten, welche ohne Rechtspflicht geleistet worden seien (act. 10 Rz. 58). Die hypothetisch ausgestaltete Argumentation der Klägerin baue nicht auf einen eigentlichen Versicherungsschutz im Sinne einer versicherungsrechtlichen und versicherungsvertraglichen Deckung auf, sondern auf blossen Kulanzüberlegungen und
-angeboten (act. 21 Rz. 34). Ein angeblicher, nicht belegter, nicht substantiierter, rein hypothetischer Kulanzanspruch der Klägerin werde bestritten (act. 21 Rz. 90 Ziffer 9).
Weiter bestreitet die Beklagte neben dem Willen der Klägerin, bei der E. eine Zusatzversicherung abschliessen zu wollen , dass die E. der Klägerin ein Vergleichsangebot unterbreitet und die Klägerin ein (hypothetisches) Angebot der E. in der Folge angenommen hätte (act. 21 Rz. 21, 26, 85, 90 Ziffer 9). Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin ein Kulanzangebot der E. nicht angenommen, sondern gegen die E. geklagt hätte. Aus äusserungen des klägerischen Vertreters, der eine Vielzahl an Gastrobetrieben beraten und vertreten habe, gegenüber den Medien im Zusammenhang mit der E. und deren Kulanzangebot gehe hervor, dass dieser das Risiko der E. , den Umsatzausfall uneingeschränkt decken zu müssen, als sehr gross und das Kulanzangebot als (zu) mager erachtet habe, weshalb davon auszugehen sei, dass auch im
Falle der Klägerin ein Prozess gegen E.
gefährt worden wäre (act. 21
Rz. 85, 87, 22-25). Vor diesem Hintergrund bestreite die Beklagte die unbewiese- ne Behauptung der Klägerin, sie hätte ein E. -Kulanzangebot akzeptiert, wenn ihr ein solches unterbreitet worden wäre (act. 21 Rz. 26).
Sodann weist die Beklagte auch betreffend E. darauf hin, dass der konkrete Schaden aus Betriebsunterbruch zu berechnen und festzustellen wäre. Der angebliche, bestrittene Schaden der Klägerin sei weder substantiiert, noch belegt bewiesen, sodass darüber kein Beweis abgenommen ein Gutachten erstellt werden könne (act. 21 Rz. 28-31).
Entgangene freiwillige Leistung eines Dritten: Kein kausaler Schaden
Der vorliegend seitens der Klägerin geltend gemachte Schaden soll im ihr entgangenen standardisierten Vergleichsangebot der E. vom Mai 2020 bestehen. Das standardisierte Vergleichsangebot war unbestrittenermassen (vgl. act. 25 Rz. 2 ff.) eine freiwillige Leistung der Versicherung an Versicherungsnehmer, auf welche diese jedoch keinen Anspruch hatten.
Werden vorliegend die tatsächliche und die von der Klägerin behauptete hypothetische Kausalkette verglichen, zeigt sich, dass unabhängig davon, ob seitens der Beklagten eine Aufklürung korrekt erfolgt ist und von der Klägerin eine Zusatzversicherung abgeschlossen wurde, in beiden Szenarien keine Versicherungsdeckung der Klägerin bei der E. bestanden und damit keine (klagebare) Versicherungsleistung vorgelegen hätte (siehe Ziffer 4. 1). Folglich besteht zwischen den Kausalketten keine Differenz in Form einer entgangenen Versicherungsleistung, d.h. einer Verminderung der Aktiven, und mithin kein Schaden.
Abzuklüren bleibt, ob sich durch das behauptete Hinzutreten einer freiwilligen Leistung der Versicherung in der hypothetischen Kausalkette die Lage verändert, sprich a) ob eine Allfällige (behauptete und bestrittene) Informationspflichtverletzung für das Entgehen einer freiwilligen Leistung eines Dritten kausal sein kann und b) ob daraus ein Schaden resultiert.
Kann eine Allfällige (behauptete und bestrittene) Informationspflichtverletzung für das Entgehen einer freiwilligen Leistung eines Dritten kausal sein
Die Verletzung der Informationspflicht ist für einen eingetretenen Schaden dann kausal, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung der Schaden bei genügender Aufklürung nicht eingetreten wäre (hypothetischer Kausalverlauf; vgl. BGE 124 III 155 E. 3d).
Wie erwähnt hätte die E. vorliegend auch ohne (behauptete und bestrittene) Informationspflichtverletzung der Klägerin keine Versicherungsleistung geschuldet (hypothetische Kausalkette) (BGer Urteil 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022; Ziffer 4.1). Eine Informationspflichtverletzung wäre folglich zwar für den Entscheid der Klägerin betreffend Abschluss einer Zusatzversicherung kausal, jedoch nicht
für den Erhalt Nichterhalt einer Versicherungsleistung der E.
(haftungsausFällende Kausalität). Als Folge davon kann eine Informationspflichtverletzung auch nicht (hypothetisch) kausal für das Nichterhalten einer freiwilligen Leistung seitens der Versicherung sein. Für dieses Resultat sprechen zudem folgende Argumente: 1) Bei einer freiwilligen Leistung einer Versicherung handelt es sich um eine GeFälligkeit. Mangels eines beidseitigen rechtlichen Bindungswillens (Art. 1 Abs. 1 OR) und damit mangels vertraglicher Beziehung besteht hinsichtlich einer GeFälligkeit kein Erfüllungsanspruch (HUGUENIN, Obligationenrecht, Allgemeiner und Besonderer Teil, 3. A., 2019, N. 1662 ff.). D.h. die Versicherung haftet der Versicherten nicht auf Erfüllung. Entsprechend kann die Versicherung durch ihr (hypothetisches) Handeln in Form des Gewährens einer freiwilligen Leistung
auch keine tatsächliche Leistungspflicht des Maklers bzw. dessen Haftung auf Schadenersatz begründen. 2) Der Entscheid über die Erbringung einer freiwilligen Leistung liegt allein im Machtbereich der Versicherung. Dadurch tritt ein zusätzliches, der eigentlichen (hypothetischen) Kausalkette fremdes Element hinzu. 3) Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass aus einer Informationspflichtverletzung ein Entgehen einer freiwilligen Leistung einer Versicherung resultiert. Mit der Gewährung einer GeFälligkeit muss nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Erfahrung des Lebens im vernünftigen Rahmen der objektiv vorhersehbaren Möglichkeiten nicht gerechnet werden (vgl. BGE 139 V 176 E. 8.4.2). Mit anderen Worten ist das Dahinfallen der Chance auf Erhalt einer freiwilligen Leistung einer Versicherung nicht die übliche Folge der (behaupteten und bestrittenen) Informationspflichtverletzung.
Daraus resultiert, dass eine Allfällige (bestrittene und behauptete) Informationspflichtverletzung der Beklagten nicht kausal für das Entgehen einer freiwilligen Leistung eines Dritten sein kann. An dieser Einschätzung ändert auch das Vorbringen der Klägerin nichts, wonach die E. allen Betrieben mit Zusatzversicherung eine freiwillige Leistung erbracht habe. Die (behauptete und bestrittene) Informationspflichtverletzung erscheint unabhängig davon, ob gegeben objektiv und retrospektiv betrachtet nicht generell dazu geeignet, den Verlust einer freiwilligen Leistung einer Versicherung zu bewirken.
Stellt eine entgangene freiwillige Leistung eines Dritten ein Schaden im Rechtsinne dar?
Wird das Entgehen des standardisierten Vergleichsangebots als Verlust einer Chance auf eine freiwillige Leistung eines Dritten erachtet, ist die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur perte d'une chance heranzuziehen:
Die Theorie einer entgangenen Chance wurde entwickelt, um Situationen Rech- nung zu tragen, bei denen der Ausgang des Geschehens vom Zufall abhängig ist, so dass es unmöglich ist, den naTürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden Verhalten und dem Verlust des erhoffen Vorteils zu beweisen. Gemäss dieser Theorie besteht der zu ersetzende Schaden in einer
messbaren Chance, eine Vermögensvermehrung zu erzielen eine verminderung zu vermeiden. Der Wert der entgangenen Chance entspricht grundsätzlich dem Wert der ganzen erhofften Vermögensvermehrung multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, diese zu erreichen (BGE 133 III 462 E. 4.2). Gemäss Bundesgericht ist die perte d'une chance nicht ersatzfühig. Die Chance hat deshalb keinen vermögensrechtlichen Charakter, weil sie provisorischer, dynamischer, entwicklungsfühiger Natur ist, während der Schadensbegriff im Sinne der Differenztheorie auf dem Vergleich zweier statischer Vermögenszustände beruht (BGE 133 III 462 E. 4.4.3). Auch eine Berufung auf Art. 42 Abs. 2 OR vermag gemäss Bundesgericht nicht zu überzeugen. Die Möglichkeit, dass das Gericht nach seinem Ermessen mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge den Schaden abSchätzen kann, setzt voraus, dass der Schaden praktisch sicher ist. Im Bereich der entgangenen Chance ist jedoch nichts sicher und alles wird in AusdRücken der Wahrscheinlichkeit und der Vermutung umschrieben (BGE 133 III 462 E. 4.4.3; BGer Urteil 4A_166/2007 vom 23. August 2007 E. 3.2).
Das Erbringen einer freiwilligen Leistung durch einen Dritten ist bis zur tatsächlichen Leistung nicht sicher. gestützt auf vorstehende überlegungen stellt die entgangene freiwillige Leistung der Versicherung folglich kein Schaden im Rechtsin- ne dar.
Zusammenfassung
Zusammengefasst ist die Klage hinsichtlich der Argumentation eines Schadens wegen entgangener Entschädigung gemäss standardisiertem Vergleichsangebot
der E.
bereits deshalb abzuweisen, weil eine entgangene Entschädigung
keine kausale Folge eine Informationspflichtverletzung der Beklagten darstellt bzw. kein Schaden im Rechtsinne vorliegt.
Fehlende Substantiierung (Sub-EventualBegründung)
Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass aus dem Entgehen einer freiwilligen Leistung eines Dritten ein Schadenersatzanspruch entstehen könnte, hätte die Klägerin den Schaden zu behaupten, zu substantiieren und zu belegen.
Vorab hätte die Klägerin vorliegend zu behaupten, zu substantiieren und soweit möglich zu belegen, dass ihr die E. eine Entschädigung in der behaupteten Höhe angeboten und sie diese angenommen hätte (vgl. Ziffer 2).
Für die Annahme des Angebots fehlt es vorliegend an substantiierten Behauptungen: Die Klägerin hat nicht substantiiert behauptet, dass sie 2020 ein Kulanzan-
gebot der E.
angenommen hätte, sondern lediglich pauschal ausgefährt,
dass sie der Vergleichslösung zugestimmt bzw. das Vergleichsangebot ange- nommen hätte (act. 17 Rz. 31 und 33). Namentlich hat sie diese Behauptung trotz Bestreitens seitens der Beklagten (vgl. act. 21 Rz. 21 ff., 85 ff.) nicht mit Gründen untermauert, wieso sie dies getan hätte. Davon kann auch nicht mit dem Verweis auf 95% der betroffenen Gastro- Unternehmer, sollte dies denn zutreffen, nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, da die Vergleichsbereitschaft u.a. von der Liquidität und den Ressourcen einer Partei abhängt sowie die Annahme solcher Vergleichsangebote üblicherweise gleichzeitig eine Vertragsänderung nach sich zieht (vgl. u.a. act. 18/20; NZZ magazin, Beizen schutzlos gegen die zweite Welle: Mobiliar kippt die Epidemieversicherung, 22.08.2020). Des Weiteren hatte die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis vom späteren Bundesgerichtsurteil 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022, das einen Anspruch auf eine Versicherungsleistung verneint. Die fehlenden Behauptungen lassen sich weder durch eine Parteibefragung noch durch ein Zeugnis ersetzen, kann doch mit einer Parteibefragung bzw. einer Zeugeneinvernahme nur bewiesen werden, was vorab behauptet wurde (siehe Ziffer 2).
Im übrigen wurden sowohl die Parteibefragung als auch das Zeugnis und die eingereichten Urkunden (act. 3/13 und act. 18/22) nicht rechtsgenügend mit einzel- nen Tatsachenbehauptungen verknüpft (act. 17 Rz. 31 und 33). Den einzelnen Sachvorbringen müssen die jeweiligen einzelnen BeweisAnträge eindeutig zugeordnet werden (Art. 221 Abs. 1 lit. e ZPO), was vorliegend nicht erfolgt ist. Eine Beweisabnahme entfiele daher, selbst wenn von einer genügenden Substantiierung ausgegangen würde. Der vollständigkeit halber bleibt zu den angebotenen Beweismitteln anzumerken: Die Parteibefragung der Geschäftsführerin der Klägerin, I. , wäre von geringer Beweiskraft, da sie den vorerwähnten Entscheid
des Bundesgerichts mittlerweile kennt. Augenscheinlich untauglich wäre sodann
die Einvernahme des Zeugen M.
vom Rechtsdienst der E.
zur Behauptung, dass die Klägerin ein Vergleichsangebot angenommen hätte, ist ein solcher Entscheidungsprozess doch ein unternehmensinterner Vorgang bei der Klägerin. Sodann vermöchten auch die eingereichten Urkunden (act. 3/13 und act. 18/22) die hypothetische Annahme des hypothetischen Angebots nicht zu beweisen. Zwar kann für den hypothetischen damaligen Entscheid der Klägerin nicht ohne Weiteres die Haltung des heutigen klägerischen Rechtsvertreters herangezogen werden (wie dies die Beklagte beliebt macht), dies ändert allerdings nichts an der mangelhaften Substantiierung der Klägerin.
Weiter wäre für die Berechnung des Schadens im Sinne der Differenztheorie im Rahmen dieser Argumentation zu berücksichtigen, dass die Klägerin tatsächlich anders als bei richtiger VertragsErfüllung (wobei offen gelassen wird, ob eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt) keine prämien für die Zusatzversicherung bezahlt hat. Entsprechend Müssten für die Bestimmung des Schadens die eingesparten prämien von der freiwilligen Leistung in Abzug gebracht werden. Dies ist vorliegend nicht möglich, weil die Klägerin in den Rechtsschriften die für die Zusatzversicherung ab 2019 zu bezahlenden prämien nicht dargelegt und auch keine Tatsachen behauptet hat, welche deren Schätzung erlaubten. Damit wäre selbst wenn entgegen den vorstehenden Erwägungen von der hypothetischen Annahme des hypothetischen Angebots ausgegangen würde die Klage auch deshalb abzuweisen, weil sich der Schaden anhand der klägerischen Parteibehauptungen weder berechnen noch Schätzen liesse.
Ob die E.
der Klägerin im Falle des Abschlusses der Zusatzversicherung
ein Angebot gemacht hätte, kann aufgrund der obigen Erwägungen daher offen bleiben.
Fazit
Rechtsbegehren 1 der Klage ist neben den bereits in Ziffern 4.3 und 4.4 dargelegten Gründen sowohl aus rechtlichen überlegungen als auch mangels Substantiierung der tatsächlichen Grundlage abzuweisen. Offen bleiben kann daher,
welche Pflichten die Beklagte hatte und ob eine kausale Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt.
Zusammenfassung der Tat- und Rechtsfragen
Vorliegend fehlt es am Aufstellen eines widerspruchsfreien Tatsachenvortrags, womit die Klägerin ihrer Behauptungslast nicht nachgekommen und weshalb Rechtsbegehren 1 der Klage abzuweisen ist. Weiter wäre die Klage auch deswegen abzuweisen, weil die Klägerin trotz beklagtischer Bestreitung den Schaden nicht substantiiert behauptet (F. ) und aus dem Entgehen einer freiwilligen Leistung eines Dritten kein kausaler Schaden entsteht, wobei die Klägerin auch diesen Schaden nicht substantiiert behauptet hat (E. ). Eine Prüfung der übrigen Voraussetzungen entfällt und eine Beweisabnahme unterbleibt.
Auf Rechtsbegehren 2 der Klage ist mangels Rechtsschutzinteresse nicht einzutreten.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Gerichtskosten
Die Höhe der Gerichtskosten bestimmt sich nach der gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG; Art. 96 ZPO i.V.m. 199 Abs. 1 GOG ZH). Sie richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert ( 2 Abs. 1 lit. a GebV OG), welcher die Basis zur Berechnung der Grundgebühr bildet ( 4 Abs. 1 GebV OG). Der Streitwert wird durch das Rechtsbegehren bestimmt, wobei Zinsen nicht hinzugerechnet werden (Art. 91 Abs. 1 ZPO), und Beläuft sich vorliegend auf CHF 103'125. Bei diesem Streitwert beträgt die Grundgebühr rund CHF 8'900. Angesichts des Aktenumfangs und des Zeitaufwandes des Gerichts scheint diese Grundgebühr vorliegend angemessen und ist die Gerichtsgebühr damit auf CHF 8'900 festzusetzen.
Aufgrund ihres vollumfänglichen Unterliegens sind die Gerichtskosten der Klägerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO) und aus dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss zu decken.
Parteientschädigungen
Vorliegend hat die Beklagte eine Parteientschädigung beantragt, welche ihr aufgrund ihres vollumfänglichen Obsiegens zuzusprechen ist (act. 10 und act. 21, je
S. 2; Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 1 ZPO; JENNY, in: SUTTERSOMM/HASENB?-HLER/LEUENBERGER [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), 3. A., 2016, Art. 105 N. 6). Bei berufsmässig vertretenen Parteien richtet sich die Höhe der Parteientschädigung nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV; Art. 95 Abs. 3 lit. b und Art. 96 ZPO i.V.m. 48 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 des Anwaltsgesetzes vom
17. November 2003). Grundlage für die Festsetzung der Höhe der Parteientschä- digung bildet in erster Linie der Streitwert ( 2 Abs. 1 lit. a AnwGebV), aufgrund dessen die Grundgebühr berechnet wird ( 4 Abs. 1 AnwGebV). Die so ermittelte gebühr deckt den Aufwand für die Erarbeitung einer Rechtsschrift und die Teil- nahme an der Hauptverhandlung ab ( 11 Abs. 1 AnwGebV). Für die Teilnahme an zusätzlichen Verhandlungen und für weitere notwendige Rechtsschriften wird ein Einzelzuschlag von je höchstens der Hälfte der gebühr berechnet ( 11 Abs. 2 AnwGebV). Beim vorliegenden Streitwert beträgt die Grundgebühr rund CHF 11'100. Für die Vergleichsverhandlung und den zweiten Schriftenwechsel ist praxisgemäss ein Zuschlag von insgesamt rund 40% der Grundgebühr zu berechnen. Folglich ist die Klägerin zu verpflichten, der Beklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 15'550 zu bezahlen.
Ist einer mehrwertsteuerpflichtigen Partei eine Parteientschädigung zuzusprechen, hat dies infolge Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ohne BeRücksichtigung der Mehrwertsteuer zu erfolgen. Mangels Darlegung der fehlenden Berechtigung zum Vorsteuerabzug durch die Beklagte ist ihr entgegen ihrem Antrag die Parteientschädigung praxisgemäss ohne Mehrwertsteuerzuschlag zuzusprechen (vgl. BGer Urteil 4A_552/2015 vom 25. Mai 2016 E. 4.5; ZR 104 [2005] Nr. 76).
Das Handelsgericht beschliesst:
Auf Rechtsbegehren 2 der Klage wird nicht eingetreten.
Kosten- und Entschädigungsfolgen, schriftliche Mitteilung sowie Rechtsmittelbelehrung gemäss nachfolgendem Erkenntnis.
und erkennt:
Rechtsbegehren 1 der Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 8'900.
Die Kosten werden der Klägerin auferlegt und aus dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 15'550 zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilungen an die Parteien.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 103'125.
Zürich, 18. August 2023
Handelsgericht des Kantons Zürich
Der VizePräsident:
Roland Schmid
Die Gerichtsschreiberin:
Sabrina Schalcher
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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