Zusammenfassung des Urteils HG200195: Handelsgericht des Kantons Zürich
Die Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln hat eine Haftbeschwerde gegen B.________ eingereicht, um die Haftentlassung abzulehnen. Nachdem die aufschiebende Wirkung erteilt wurde, zog die Staatsanwaltschaft die Beschwerde zurück. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von CHF 300 gehen zu Lasten des Staates. Der Richter ordnete die Abschreibung des Verfahrens an und entschied, dass die Entschädigung des amtlichen Verteidigers bei der Hauptsache verbleibt. Die Beschwerde kann innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HG200195 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 30.06.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Abtretung; Beklagten; Abtretungsverbot; Recht; SchKG; Geltendmachung; Parteien; Verhalten; Verzicht; Vergleich; Gläubiger; Ansprüche; Forderung; Sinne; Zession; Klage; Zahlung; Vertrauen; Gericht; Vergleichsgespräche; Zahlungen; Verfügung; Frist; Hinweis; Zeitpunkt |
Rechtsnorm: | Art. 1 OR ;Art. 105 ZPO ;Art. 106 ZPO ;Art. 164 OR ;Art. 17 KG ;Art. 2 ZGB ;Art. 260 KG ;Art. 325 KG ;Art. 55 ZPO ;Art. 59 ZPO ;Art. 6 OR ;Art. 6 ZPO ;Art. 60 ZPO ;Art. 8 ZGB ;Art. 95 ZPO ;Art. 96 ZPO ; |
Referenz BGE: | 118 III 57; 118 Ia 129; 125 III 257; 126 III 59; 132 III 342; 136 III 534; 139 III 278; 144 III 552; 146 III 441; 79 III 6; |
Kommentar: | -, Berner Obligationenrecht, Art. 1 OR, 2018 |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Geschäfts-Nr.: HG200195-O U
Mitwirkend: Oberrichterinnen Dr. Claudia Bühler, Vizepräsidentin, und Judith Haus Stebler, die Handelsrichter Christoph Pfenninger, Bernhard Lauper und Jakob Haag sowie die Gerichtsschreiberin Susanna Schneider
in Sachen
Klägerin
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. et dipl. Bauing. X.
gegen
Beklagte
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.
betreffend Forderung
(act. 1 S. 3)
1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 400'073.40 (inkl. MwSt.) zzgl. Zins nicht unter 5% seit dem 20.07.2011 zu bezahlen.
Die Klägerin behält sich ein Nachklagerecht ausdrücklich vor (Teilklage).
Alles unter Kosten und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer zu Lasten der Beklagten.
Sachverhaltsübersicht
Parteien und ihre Stellung
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in C. . Sie bezweckt sämtliche Arten von Immobilientransaktionen (act. 3/5). Sie macht geltend, die streitge-
genständliche Forderung durch den mit der D.
AG geschlossenen Abtre-
tungsvertrag vom 31. Dezember 2011 erworben zu haben. Die D. AG (seit
11. September 2013 in Nachlassliquidation; act. 3/6) hatte als Unternehmerin mit der Beklagten am 4. bzw. 25. März 2008 einen Werkvertrag über die Baumeister-
arbeiten betreffend die Erstellung der Arealüberbauung E. schlossen.
in F.
geBei der Beklagten handelt es sich um eine Aktiengesellschaft mit Sitz in G. . Sie bezweckt den Handel mit und die Verwaltung von Liegenschaften, … von Personal (act. 3/8). Sie ist Bestellerin der obigen Werkvertragsleistungen der D. AG.
Prozessgegenstand
Die Klägerin klagt vorliegend im Sinne einer Teilklage die letzte Teilzahlung des zwischen der D. AG und der Beklagten vereinbarten Pauschalpreises von CHF 6'370'000.– in der Höhe von CHF 400'073.40 ein, wobei sie sich die Geltendmachung von (aus ihrer Sicht noch offenen) Mehr- und Minderleistungen der
D.
AG ausdrücklich vorbehält. Die Beklagte macht an die Pauschalwerklohnsumme geleistete Zahlungen von insgesamt CHF 6'326'350.70 sowie Gegenforderungen (u.a. aus (angeblich) nicht ausgeführten Arbeiten) im Gesamtumfang von rund CHF 800'000.– geltend und bringt Letztere – für den Fall, dass eine For- derung der Klägerin bestünde – zur Verrechnung. Sodann ist zwischen den Parteien die im Hauptstandpunkt der Klägerin geltend gemachte Aktivlegitimation der Klägerin gestützt auf den mit der D. AG geschlossenen Abtretungsvertrag vom 31. Dezember 2011 bzw. die von ihr eventualiter behauptete Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung der Ansprüche der Nachlassmasse der
D.
AG gestützt auf Art. 325 i.V.m. Art. 260 SchKG strittig. Die Beklagte
schliesst auf Abweisung der Klage.
Prozessverlauf
Klageeinleitung
Am 28. Oktober 2020 (Datum Poststempel) reichte die Klägerin hierorts die Klage ein (act. 1).
Wesentliche Verfahrensschritte
Mit Verfügung vom 2. November 2020 wurde der Klägerin Frist zur Bezahlung ei- nes Gerichtskostenvorschusses in der Höhe von CHF 19'000.– angesetzt, welcher fristgerecht einging (act. 4, 6). Mit Verfügung vom 10. November 2020 wurde der Beklagten Frist zur Klageantwort angesetzt, welche sie mit Eingabe vom
28. Januar 2021 erstattete (act. 7, 9). Mit Verfügung vom 19. Februar 2021 wurde der vorliegende Prozess an Oberrichterin Dr. H. als Instruktionsrichterin delegiert (act. 12). Am 20. Mai 2021 fand eine Vergleichsverhandlung statt, anlässlich welcher zwischen den Parteien keine Einigung erzielt werden konnte (Prot.
S. 6 f.). Mit Verfügung vom 25. Mai 2021 wurde ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet und der Klägerin Frist zur Replik angesetzt, welche mit Eingabe vom
27. August 2021 erfolgte (act. 15, 17). Mit Verfügung vom 2. September 2021 wurde der Beklagten Frist zur Duplik angesetzt (act. 19). Die Duplik datiert vom
3. November 2021 (act. 21). Mit Verfügung vom 8. November 2021 wurde die Duplik der Klägerin zugestellt (act. 23), welche mit Eingabe vom 16. November
2021 um Ansetzung einer Frist von mindestens 30 Tagen zur Erstattung einer Stellungnahme ersuchte (act. 25). Mit Verfügung vom 17. November 2021 wurde das klägerische Begehren um Fristansetzung abgewiesen mit dem Hinweis, dass zu allfälligen neuen relevanten Behauptungen bzw. Beilagen der Duplik nach erfolgter Bearbeitung mit entsprechend konkreten Hinweisen Frist angesetzt würde, soweit die Klägerin dazu nicht bereits im Rahmen ihres Replikrechts Stellung nehme (act. 26). Mit Verfügung vom 20. Januar 2022 wurde den Parteien im Hinblick auf die Pensionierung von Oberrichterin Dr. H. Ende Januar 2022 die Umteilung des vorliegenden Verfahrens an Oberrichterin lic. iur. Judith Haus Stebler als Instruktionsrichterin bekannt gegeben (act. 29).
Die Parteien haben auf die Durchführung einer Hauptverhandlung verzichtet (act. 33 f.). Die Duplik enthält keine relevanten Noven, weshalb unter Hinweis auf die Verfügung vom 17. November 2021 von einer Fristansetzung zur Stellung- nahme an die Klägerin abzusehen ist. Das Verfahren ist spruchreif. Auf die Parteivorbringen wird in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen, soweit sich dies als zur Entscheidfindung notwendig erweist.
Formelles
Zuständigkeit
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons Zürich ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 lit. b ZPO sowie Art. 6 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 44 lit. b GOG und ist im Übrigen unbestritten (act. 9 S. 2 Rz. 2).
Prozessführungsbefugnis gestützt auf Art. 325 i.V.m. Art. 260 SchKG
Die Klägerin beruft sich – im Sinne einer Eventualbegründung für den Fall, dass ihre Aktivlegitimation gestützt auf den mit der D. AG geschlossenen Abtretungsvertrag vom 31. Dezember 2011 verneint würde – auf ihre Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung der Ansprüche der Nachlassmasse der D. AG gestützt auf Art. 325 i.V.m. Art. 260 SchKG. Demzufolge wird darauf gegebenenfalls nach Prüfung der Aktivlegitimation zurückzukommen sein.
Weitere Prozessvoraussetzungen
Nachdem die Klägerin den Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet hat und hinsichtlich der klägerischen Hauptbegründung (Geltendmachung der eigenen Ansprüche gestützt auf den Abtretungsvertrag mit der D. AG vom 11. Dezember 2011) auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Klage einzutreten (Art. 59 ZPO).
Aktivlegitimation der Klägerin
Unbestrittener Sachverhalt
Die Beklagte schloss am 4. bzw. 25. März 2008 mit der D. AG einen Werkvertrag über die Baumeisterarbeiten betreffend die Erstellung der Arealüberbau- ung E. in F. mit insgesamt 56 Doppel-Einfamilienhäusern ab (act. 1
S. 3; act. 9 S. 3 f. Rz. 1-4; act. 3/2; nachfolgend: WV E. ). Vertragsbestandteile bildeten unter anderem das Angebot der D. AG vom 4. März 2008 mit den Allgemeinen Bedingungen des Architekten (nachfolgend: ABA) und die Norm SIA 118 Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten (Ausgabe 1977; act. 1 Rz. 26;
act. 9 S. 7 f. Rz. 15-17).
Ziff. 9 Abs. 2 der ABA enthält ein Abtretungsverbot mit folgendem Wortlaut (act. 1 Rz. 32; act. 3/2 S. 7):
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, seine Guthaben aus Werkleistungen Lieferungen, nicht an Dritte zu übertragen.
Am 17. bzw. 18. September 2008 schloss die D. AG mit der I. AG ei- nen Factoring-Vertrag (nachfolgend: Factoring-Vertrag). Gestützt darauf hat die
D.
AG gegenüber der I.
AG erklärt, ihr sämtliche Forderungen aus
Warenlieferung und Dienstleistungen im Sinne einer Globalzession abzutreten
(act. 1 Rz. 33; act. 9 S. 8 f. Rz. 18-20; act. 3/16). In der Folge wurde während der Laufzeit des Factoring-Vertrages auf der Titelseite sämtlicher Rechnungen der
D.
AG auf die Factoringbeziehung mit der I.
AG und auf den Umstand, dass mit befreiender Wirkung nur auf das Konto des Factors geleistet wer- den könne, mit folgendem Vermerk hingewiesen (act. 1 Rz. 34; act 9 S. 8 f. Rz. 18-20):
Im Rahmen einer Factoringvereinbarung sind alle Forderungen der D. AG an die I. AG, J. , abgetreten worden. Die Rechnung kann deshalb mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das Konto … (K.
KB) der I.
AG bezahlt werden. Allfällige Beanstandungen der Rechnung sind uns innerhalb von 10 Tagen schriftlich zu melden und die I. AG mittels Kopie in Kenntnis zu setzen.
Die Beklagte leistete in der Folge ihre Vergütungszahlungen aus dem WV E. regelmässig und während Jahren an die I. AG (act. 1 Rz. 20, 112; act. 9 S. 5 ff. Rz. 8-14). Sodann bezahlte die Beklagte in Absprache mit der
D.
AG und in Anrechnung an den zu leistenden Pauschalwerklohn am
13. März 2010 einen Betrag von CHF 140'000.– an einen Kreditor der D. AG (L. AG; act. 1 Rz. 38; act. 9 S. 9 Rz. 21 f.).
Im Zusammenhang mit einer im Oktober 2010 gemäss Klägerin geplanten, gemäss Beklagten erfolgten Direktzahlung der Beklagten an eine Gläubigerin der D. AG, die M. bzw. M'. AG, gab die Beklagte der D. AG Folgendes bekannt (act. 1 Rz. 39; act. 9 S. 10 Rz. 23; act. 3/25):
Der Betrag von Fr. 22 071.95 wird Ihrer Rechnung 10-50081 an die I. AG in Abzug gebracht.
Der Factoring-Vertrag wurde per 30. November 2011 und die Globalzession am
20. Dezember 2011 aufgehoben (act. 17 Rz. 72; act. 21 Rz. 92; act. 18/56 f.). Am
31. Dezember 2011 schlossen die Klägerin und die D.
AG einen Abtre-
tungsvertrag betreffend die Ansprüche der D. AG gegenüber der Beklagten
aus dem streitgegenständlichen Werkvertrag (act. 1 Rz. 21; act. 9 S. 7 Rz. 14;
act. 3/3, 29).
Am 21. August 2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die D. AG der Klägerin sämtliche ausstehenden Forderungen aus dem WV E. abgetreten habe, fasste die Parteistandpunkte zum damaligen Zeitpunkt zusammen und bot der Beklagten an, die Angelegenheit auf dem Verhandlungsweg zu berei- nigen (act. 3/26). Der Rechtsvertreter der Beklagten stellte daraufhin ohne Anerkennung eines materiellen Anspruchs in Aussicht, dass die Beklagte bereit sei, an einer Gesprächsrunde teilzunehmen, vorausgesetzt die Klägerin belege die Abtretung der Ansprüche von der D. AG bzw. weise sich über ihre Sachlegitimation aus. Ein Vorbehalt hinsichtlich eines Abtretungsverbotes wurde nicht angebracht. In der Folge wurde der Beklagten der Abtretungsvertrag zwischen der D. AG und der Klägerin vom 31. Dezember 2011 zugestellt. Im Dezember 2017 fand zwischen den Parteien eine erste Gesprächsrunde statt, anlässlich welcher seitens der Beklagten wiederum kein Vorbehalt hinsichtlich der Sachlegitimation der Klägerin vorgebracht wurde. Im Mai 2018 wurden die Verhandlungen zwischen den Parteien abgebrochen (act. 1 Rz. 23, 42-47; act. 9 S. 5 Rz. 11,
S. 11 Rz. 26, 28).
Parteistandpunkte
Die Klägerin macht geltend, sie sei zur vorliegenden Klage aktivlegitimiert. Sie bringt dazu vor, dass die D. AG ihr am 31. Dezember 2011 sämtliche For- derungen gegenüber der Beklagten abgetreten habe (act. 1 Rz. 2). Die Beklagte habe durch Zahlung abgetretener Forderungen an die Zessionarin (I. AG) und durch vorbehaltlose Einlassung auf Vergleichsgespräche mit ihr nach notifizierter Abtretung konkludent auf das in Ziff. 9 der ABA verankerte Abtretungsverbot verzichtet (act. 1 Rz. 31 f.). Hätte die Beklagte das Abtretungsverbot durchsetzen wollen, hätte sie vor der ersten Zahlung an die I. AG interve- nieren müssen. Stattdessen habe die Beklagte die Teilzahlungen der Werklohnvergütung auf das Konto des Factors geleistet. Damit habe sie der von der D. AG vorgenommenen Globalabtretung an die I. AG konkludent zugestimmt und diese Zustimmung mit jeder neuen, vorbehaltlosen Zahlung bestätigt. Diese konkludente und wiederholte rechtsgeschäftliche Willensbestätigung der Beklagten habe insofern eine konstitutive Bedeutung gehabt, als sie von ihr selbst erfolgt sei und als verbindliche, dauerhafte Anpassung des Vertrages bzw. als definitiver Verzicht auf die Geltendmachung des Abtretungsverbotes zu werten sei (act. 1 Rz. 53). Gleiches gelte für den von der Beklagten im Rahmen der (zumindest geplanten) Direktzahlung an die M. angebrachten Hinweis, diesen
Betrag bei der Rechnung der D.
AG mit der I.
AG als Zahlstelle in
Abzug zu bringen (act. 1 Rz. 55; act. 17 Rz. 75 f.). Alsdann wertet die Klägerin, wie erwähnt, den Umstand, dass die Beklagte nach Notifizierung derselben über die zwischen der D. AG und der Klägerin (angeblich) erfolgten Forderungsabtretung und Vorlage der entsprechenden Zessionsurkunde keine Einreden vorgebracht hat, als Verzicht auf Geltendmachung des Abtretungsverbotes durch die Beklagte (act. 1 Rz. 56). Sie macht weiter geltend, dass eine Berufung auf das Abtretungsverbot durch die Beklagte im vorliegenden Prozess als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sei (act. 1 Rz. 58, 114). Die Beklagte habe durch ihr Verhalten in verschiedenen Konstellationen und über einen langen Zeitraum hinweg zuerst bei der D. AG und später bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen ausgelöst, dass auf die Geltendmachung des Abtretungsverbots vorbehaltlos verzichtet werde. Indem sich die Beklagte plötzlich auf das Abtretungsverbot berufen habe, als sich zwischen den Parteien keine Einigung abgezeichnet habe, habe sie das bei der Klägerin und deren Rechtsvorgängerin durch ihr Verhalten geweckte Vertrauen enttäuscht. Die Beklagte wäre nach dem Vertrauensgrundsatz verpflichtet gewesen, jeweils einen Vorbehalt hinsichtlich des Abtretungsverbotes anzubringen, wenn sie nicht stillschweigend darauf habe verzichten wollen (act. 17 Rz. 248 f.). Die Klägerin habe denn auch gestützt auf den (angeblichen) stilschweigenden Verzicht erhebliche Dispositionen (Abgeltung der ze- dierten Ansprüche, führen von Verhandlungen, Einleiten eines Prozesses usw.) getroffen (act. 17 Rz. 249).
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie beruft sich dabei auf Ziff. 9 der ABA, wonach sich der Auftragnehmer verpflichte, seine Guthaben aus Werkleistungen Lieferungen nicht an Dritte zu übertragen. Entsprechend sei die von der Klägerin geltend gemachte Zession unwirksam (act. 9 S. 3 Rz. 2). Die
Beklagte bestreitet alsdann, auf das Abtretungsverbot verzichtet zu haben. Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass sie je damit einverstanden gewesen sei, dass die D. AG unbestimmte, künftige Forderungen nach freiem Belieben an – der Beklagten nicht bekannte – Dritte abtrete. Sie sei gezwungen gewesen, die Abtretung an die I. AG zu akzeptieren, weil der Fortgang der Bauarbeiten stark gefährdet gewesen sei (act. 9 S. 8 f. Rz. 18 f.). Auch der Umstand, dass die Beklagte bereit gewesen sei, Gespräche mit der Klägerin zu führen, lasse nicht auf einen Verzicht auf die Einrede der Unzulässigkeit der Abtretung schliessen. Es sei denn auch nicht widersprüchlich, Gespräche über eine angebliche Forderung zu führen mit dem Ziel, die Sache allenfalls erledigen zu können, auch wenn dafür – nach einer Einigung über den Betrag – noch sicherzustellen wäre, dass eine allfällige Zahlung auch der richtigen Partei zugutekomme bzw. diese auf die Erhebung allfälliger eigener Ansprüche verbindlich verzichte bzw. dass der Vergleich mit der richtigen Partei geschlossen werde (act. 9 S. 9 Rz. 20, S. 11 f. Rz. 28 f., S. 31 Rz. 84). Die Beklagte habe unter diesen Umständen nie auf die Geltendmachung des Abtretungsverbotes verzichtet. Auch sei ihr Verhalten nicht als rechtsmissbräuchlich zu werten. Vielmehr habe sich die Klägerin widersprüchlich verhalten, indem die Abtretung in einem Zeitpunkt erfolgt sein solle, in welchem die Verhandlungen über die Abrechnungen zwischen der D. AG und der Beklagten noch im vollen Gang gewesen seien. Weiter habe sich die Klägerin in ihren Schreiben vom 22. Mai 2020 [recte: 2019] und 28. Mai 2020 auf die Zession bezogen, obwohl gemäss Bescheinigung vom 20. März 2020 eine Rückzession erfolgt sei. Es entstehe dadurch der Eindruck, dass es sich bei der (angeblichen) Abtretung vom 31. Dezember 2011 um ein nachträglich rückdatiertes Dokument handle, dessen Datum in Hinblick auf die Fristen gemäss Art. 286 und 287 SchKG gewählt worden sei (act. 9 S. 13 f. Rz. 37 f., S. 31 Rz. 85). Die Beklagte verneint alsdann ein durch sie bei der D. AG der Klägerin erwecktes schutzwürdiges Vertrauen (act. 21 Rz. 348 f.). Die Klägerin sei sich bewusst gewesen, dass kein konkludenter Verzicht auf das vertragliche Abtretungsverbot erfolgt sei, weshalb sie im Nachgang zu den Vergleichsgesprächen um schriftliche Bestätigung desselben ersucht habe (act. 21 Rz. 109).
Rechtliches
Die Aktiv- und Passivlegitimation werden durch das materielle Grundrecht bestimmt. Ihr Fehlen führt zur Abweisung der Klage. Sie sind von Amtes wegen frei zu prüfen (BGE 126 III 59 E. 1a = Pra 89 (2000) Nr. 117), im (vorliegenden) Anwendungsbereich der Verhandlungsmaxime (Art. 55 Abs. 1 ZPO) allerdings nur nach Massgabe des behaupteten und festgestellten Sachverhalts (BGE 118 Ia 129 E. 1).
Der Gläubiger kann eine ihm zustehende Forderung ohne Einwilligung des Schuldners an einen anderen abtreten, soweit nicht Gesetz, Vereinbarung Natur des Rechtsverhältnisses entgegenstehen (Art. 164 Abs. 1 OR). Art. 164 Abs. 1 OR erlaubt es, die Abtretbarkeit einer Forderung vertraglich auszuschliessen (pactum de non cedendo). Dieser Ausschluss der Abtretung kann in Form ei- nes besonderen Vertrages als Vertragsklausel ausdrücklich stillschweigend vereinbart werden. Das Abtretungsverbot kann mit Einverständnis des Schuldners wieder aufgehoben werden. Der vertragliche Ausschluss der Abtretbarkeit ist Dritten gegenüber, d.h. auch gegenüber dem vermeintlichen Zessionar, wirksam. Im Einzelfall kann ein grundsätzlich wirksames Abtretungsverbot infolge Rechtsmissbrauch unwirksam werden (GIRSBERGER/HERMANN, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2020, N. 32 zu Art. 164 OR; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4C.129/2002 vom 3. September 2002 E. 1.1). Ein Abtretungsverbot hat zur Folge, dass eine dennoch erfolgte Abtretung ungültig ist (BE- CKER, in: Berner Kommentar, Obligationenrecht, Allgemeine Bestimmungen, Art. 1-183 OR, 2. Aufl. 1945, N. 44 zu Art. 164 OR).
Eine konkludente Willensäusserung liegt vor, wenn der Wille des Erklärenden, mit der Äusserung eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen, nicht unmittelbar in der Erklärung zum Ausdruck kommt, sondern sich lediglich mittelbar aus dem Verhalten des Erklärenden anderen Umständen ergibt. Um aus dem Verhalten des Erklärenden anderen Umständen auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen schliessen zu können, müssen in Nachachtung des Vertrauensprinzips hinreichend schlüssige tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden sein, welche nach
Treu und Glauben keine andere Schlussfolgerung zulassen. Mit anderen Worten wird der Empfänger der Äusserung nur dann in seinem Vertrauen auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen des Erklärenden geschützt, wenn dessen Verhalten bzw. andere Umstände nach Treu und Glauben nur den Schluss auf diesen Rechtsfolgewillen zulassen. Eine stillschweigende Willensäusserung im Sinne von Art. 6 OR zeichnet sich – als Unterfall der konkludenten Willensäusserung – durch blosses passives Stillschweigen aus, während die konkludente Willensäusserung ansonsten meist in einem aktiven Tun besteht (MÜLLER, in: Berner Kommentar, Obligationenrecht, Allgemeine Bestimmungen, Art. 1-18 OR, 2018, N. 38-40, 43 zu Art. 1 OR).
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung kennt keinen allgemeinen Grundsatz der Gebundenheit an das eigene Handeln (BGE 125 III 257 E. 2.a). Grundsätzlich ist es jedermann gestattet, sein Verhalten und seine Meinung aufgrund besserer Einsicht im Laufe der Zeit zu ändern. Dies gilt indessen nicht uneingeschränkt (HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, in: Berner Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Einleitung, Art. 1-9 ZGB, 2012, N. 268 f. zu Art. 2 ZGB). Setzt sich jemand zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, ist darin dann ein Verstoss gegen Treu und Glauben zu sehen, wenn das frühere Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen begründet hat, welches durch die neuen Handlungen enttäuscht würde. Der Vertrauende muss aufgrund des geschaffenen Vertrauens Dispositionen getroffen haben, die sich nun als nachteilig erweisen (BGE 125 III 257 E. 2a). Ein Verschulden jener Partei, die sich widersprüchlich verhält, ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn aus objektiver Sicht eine berechtigte Erwartung geweckt und durch das spätere Verhalten enttäuscht wurde (HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, a.a.O., N. 269 zu Art. 2 ZGB). Wer Rechtsmissbrauch behauptet, trägt die Beweislast für das Vorliegen der besonderen Umstände, welche den Rechtsmissbrauch begründen (HONSELL, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl. 2018, N. 34 zu Art. 2 ZGB).
Würdigung
Ausgangslage
Im Rahmen der vorliegenden Würdigung ist zunächst zu prüfen, ob die Handlungen der Beklagten als konkludenter Verzicht auf das Abtretungsverbot bzw. als eine in dieser Hinsicht erfolgte konkludente Anpassung des WV E. zu werten sind. Diesfalls könnte sich die Beklagte – unabhängig vom Rechtsmissbrauchsverbot im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB – nicht mehr auf das Abtretungsverbot berufen. Unter diesem Aspekt sind jedoch ausschliesslich die gegenüber der D. AG getätigten Handlungen der Beklagten (Zahlungen an I. AG, Hinweis betreffend Abzug Direktzahlung) zu würdigen, weil sich nur in diesem
Verhältnis die Vertragsparteien des WV E.
gegenüberstanden. Nicht nur
der Vertragsschluss an sich, sondern auch die Abänderung eines Vertrages setzt den Austausch übereinstimmender gegenseitiger Willensäusserungen der Parteien voraus (Art. 1 Abs. 1 OR). Das gegenüber der Klägerin an den Tag gelegte Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit den (Vergleichs-)Gesprächen ab der zweiten Hälfte des Jahres 2017 ist demzufolge einzig unter dem Aspekt des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) zu prüfen (vgl. nachstehend Ziff. 2.4. 3). Allfällige in diesem Verhältnis abgegebene Willenserklärungen vermochten den WV E. nach dem Gesagten nicht abzuändern, da die Klägerin nicht Vertragspartei desselben war/ist.
Konkludente Abänderung WV E.
Die Klägerin stützt sich – als dafür behauptungs- und beweisbelastete Partei (Art. 8 ZGB) – für einen konkludenten Verzicht auf das Abtretungsverbot bzw. ei-
ne konkludente Abänderung des WV E.
auf den Umstand, dass die
D. AG mit dem Factoring-Vertrag erklärte, der I. AG sämtliche Forderungen aus Warenlieferung und Dienstleistungen im Sinne einer Globalzession abzutreten, sie auf ihren Rechnungen einen entsprechenden Vermerk betreffend die bestehende Factoring-Beziehung anbrachte und die Beklagte in der Folge ihre Vergütungszahlungen regelmässig und während Jahren an die I. AG leistete sowie im Rahmen einer (zumindest geplanten) Direktzahlung darauf hingewiesen hat, dass sie diesen Betrag von der Rechnung der I. AG in Abzug bringen werde. Es handelt sich mithin um ein aktives Tun, weshalb Art. 6 OR vorliegend nicht zur Anwendung gelangt (WIEGAND/HURNI, in: Kurzkommentar, Obligationenrecht, 2014, N. 6 zu Art. 6 OR; KUT, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Obligationenrecht, Allgemeine Bestimmungen, 3. Aufl. 2016, N. 4 zu Art. 6 OR; MÜLLER, a.a.O., N. 13, 21 f. zu Art. 6 OR). Es stellt sich somit allein die Frage, ob die D. AG aufgrund des Umstands, dass die Beklagte trotz des in Ziff. 9 der ABA vereinbarten Abtretungsverbots die Werklohnvergütungen an die I. AG leistete, nach Treu und Glauben von einem generellen Verzicht auf die Geltendmachung desselben bzw. auf eine entsprechende Abänderung des Werkvertrages schliessen durfte und musste.
Klar erscheint, dass die wiederholten Zahlungen der Beklagten an die I. AG von der D. AG – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der in jenem Zeitpunkt bestehenden und der Beklagten bekannten Liquiditätsprobleme der D. AG (act. 1 Rz. 16, 19 f.) und der daraus resultierenden Interessenslage der Beklagten im Hinblick auf die Realisierung ihres Bauprojekts (vgl. dazu die Klägerin act. 1 Rz. 54) – als Verzicht auf die Geltendmachung des Abtretungsverbotes hinsichtlich dieser Globalzession verstanden werden durfte und musste. Aus den wiederholten Zahlungen an die I. AG und dem obgenannten Hinweis im Zusammenhang mit der (zumindest geplanten) Direktzahlung an die M. auf einen allgemeinen Verzicht auf das Abtretungsverbot gar eine dahingehende Abänderung des WV E. zu schliessen, ginge hingegen – wie die Beklagte zu Recht geltend macht (act. 9 S. 8 Rz. 18) – zu weit. Die genannten Zahlungen erfolgten denn auch stets an ein und dieselbe Zessionarin aufgrund
eines zur Finanzierung der Geschäftstätigkeit der D.
AG geschlossenen
Factoring-Vertrages (act. 1 Rz. 16). Es handelte sich mithin um eine bestimmte Konstellation, welcher eine spezielle Interessenslage beider Parteien während laufendem Bauprojekt zugrunde lag. Dementsprechend geben die genannten Zahlungen nicht hinreichend schlüssige Anhaltspunkte für einen umfassenden Verzicht der Beklagten auf das vereinbarte Abtretungsverbot. Die (allfällig) erfolgten Direktzahlungen der Beklagten an einzelne Kreditoren der D. AG änder-
ten nichts an der Gläubigerstellung der D.
AG gegenüber der Beklagten
bzw. führten nicht zu einer Übertragung der Werklohnforderung der D. AG auf die jeweiligen Kreditoren. Entsprechend erweisen sie sich für die vorliegende Würdigung als irrelevant (so auch die Klägerin in act. 17 Rz. 75 f.). Ein konkludenter Verzicht der Beklagten auf das vereinbarte Abtretungsverbot bzw. eine dahingehende konkludente Abänderung des WV E. ist demzufolge zu verneinen, weshalb davon auszugehen ist, dass im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Abtretung (Dezember 2011) das vertragliche Abtretungsverbot gemäss Ziff. 9 der ABA in Kraft war. Demzufolge ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob die Beklagte sich vorliegend gegenüber der Klägerin auf das Abtretungsverbot berufen kann.
Venire contra factum prorium
Zunächst ist festzuhalten, dass es vorliegend ausschliesslich um ein durch das Verhalten der Beklagten bei der Klägerin (und nicht bei der D. AG) erwecktes schutzwürdiges Vertrauen geht. Die Klägerin war in die Zahlungen der Beklagten an die I. AG nicht involviert. Jedenfalls wird das von ihr – als in diesem Punkt behauptungs- und belastete Partei (vgl. Ziff. 2. 3) – nicht behauptet. Insofern kann sie sich vorliegend nicht im Sinne einer vertrauensbegründenden Handlung der Beklagten darauf berufen. Sie bringt denn auch nicht vor, im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Abtretung um den Factoring-Vertrag zwischen der D. AG und der I. AG sowie die von der Beklagten geleisteten Zahlun-
gen an die I.
AG gewusst und deshalb auf einen generellen Verzicht der
Beklagten auf das mit der D. AG vereinbarte Abtretungsverbot bzw. auf die Gültigkeit der hier interessierenden Abtretung vertraut zu haben. Sie macht vielmehr geltend, die Beklagte habe zunächst bei der D. AG und später (wohl durch die Vorgänge ab August 2017) bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen begründet, dass sie auf die Geltendmachung des Abtretungsverbotes vorbehaltlos verzichte (act. 17 Rz. 248). Auch genügt der Umstand der Personalunion von N. als Verwaltungsratspräsident bzw. -mitglied der D. AG und der Klägerin (act. 1 Rz. 21; act. 3/5 f.) allein nicht, um auf ein erwecktes Vertrauen der Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Abtretungsvertrages zu schliessen, zumal die Zessionsvereinbarung seitens der Klägerin auch nicht von N. unterzeichnet worden ist (act. 3/3). Demzufolge sind die Zahlungen der Beklagten an die I. AG für die Frage des widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB vorliegend nicht relevant. Selbst wenn
sich die Klägerin auf ein bei der D.
AG dadurch (allfällig) erwecktes Ver-
trauen berufen bzw. sich ein solches zurechnen lassen könnte, änderte dies an
der vorliegenden Würdigung nichts. Die D.
AG durfte nämlich angesichts
der dargelegten Umstände (vgl. dazu Ziff. 2.4. 2) aufgrund der von der Beklagten gegenüber der I. AG vorgenommenen Zahlungen – aus objektiver Sicht – nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte ohne Weiteres auch jeder künftigen Abtretung zustimmen würde, sodass diesbezüglich eine berechtigte Erwartung oh- nehin zu verneinen wäre. Demzufolge sind so anders unter diesem Titel einzig die Vorgänge zwischen der Klägerin und der Beklagten in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 zu beleuchten.
Hinzu kommt, dass der Sachverhalt des von der Klägerin zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit angerufenen Bundesgerichtsentscheids (act. 17 Rz. 249; zit. Urteil 4C.129/2002) denn auch nicht mit der vorliegenden Situation vergleichbar ist. In jener Konstellation war die Schuldnerin der Abtretungsforderung eigentliche Initiantin der später – trotz bestehendem Abtretungsverbot – vereinbarten Zession. Anlässlich der in jenem Fall vertrauensbegründenden Handlung der Schuldnerin waren beide Parteien anwesend. Das Verhalten der Schuldnerin führte unmittelbar zur Vereinbarung der dort strittigen Zession und veranlasste die Zessionarin einen zuvor gegenüber der Schuldnerin verhängten Lieferstopp aufzuheben und ihr gegenüber wieder Leistungen zu erbringen. Aus der Zessionsvereinbarung resultierende Vorteile der Beklagten werden vorliegend nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Zudem wird eine Interaktion zwischen der Klägerin und der Beklagten vor Vereinbarung der streitgegenständlichen Zession und (angeblichen) Leistung eines diesbezüglichen Entgeltes von CHF 400'000.– an die D. AG, geschweige denn eine dahingehende Initiative der Beklagten, nicht behauptet. Dementsprechend kann auch die (von der Beklagten bestrittene; act. 9 S. 7 Rz. 14, act. 21 Rz. 348) Vergütung der Forderungsabtretung vorliegend nicht als relevante Disposition der Klägerin berücksichtigt werden.
Als – direkt ihr gegenüber an den Tag gelegtes – vertrauensbegründendes Verhalten wertet die Klägerin den Umstand, dass die Beklagte, nachdem sie im August 2017 von der Klägerin für die Bereinigung der vorliegenden Angelegenheit
kontaktiert worden war, als Voraussetzung für eine allfällige Aufnahme von Gesprächen den Nachweis der Zession der Ansprüche der D. AG und damit den Ausweis der Sachlegitimation der Klägerin verlangte und, nachdem die Klägerin die Zessionsurkunde vom 31. Dezember 2011 vorgelegt hatte, im Dezember 2017 ohne weiteren Vorbehalt hinsichtlich Abtretungsverbot mit der Klägerin (Vergleichs-)Gespräche geführt hat (act. 17 Rz. 89 f.). Es ist mithin aus objektiver Sicht zu prüfen, ob dieses Verhalten der Beklagten bei der Klägerin berechtigterweise die Erwartung weckte, dass die Beklagte sich nicht mehr auf das Abtretungsverbot berufen werde. Der Klägerin ist insoweit zuzustimmen, als dass sie gestützt auf die Korrespondenz der Parteien vor den Vergleichsgesprächen zumindest darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte ihre Sachlegitimation bzw. die Rechtsgültigkeit der streitgegenständlichen Zession im Rahmen der Vergleichsgespräche und im Hinblick auf einen allfälligen Vergleichsabschluss nicht in Frage stellen würde. Allerdings wurden die im Dezember 2017 aufgenommenen Vergleichsgespräche im Mai 2018 abgebrochen und kam es zu keiner gütlichen Einigung der Parteien (act. 1 Rz. 23). Es stellt sich mithin die Frage, ob die Klägerin darauf vertrauen durfte, dass sich die Beklagte weiterhin nicht auf das Abtretungsverbot berufen würde bzw. der Beklagten rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen ist, wenn sie sich hernach wieder auf das Abtretungsverbot berief. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Teilnahme an Vergleichsgesprächen mit verschiedenen Akteuren grundsätzlich unpräjudizieller Natur ist. Den in diesem Rahmen Zusammenhang abgegebenen Erklärungen kann – auch ohne aus- drücklichen Vorbehalt – in der Regel keine vertrauensbegründende Wirkung zugemessen werden, geht es doch um gegenseitige Zugeständnisse, welche zwecks Erzielung einer einvernehmlichen Lösung in diesem Hinblick abgegeben werden. Kommt es in der Folge indessen nicht zum Vergleichsabschluss, müssen hernach weitere Elemente hinzutreten, damit von einer berechtigten Erwartung im Rechtssinne ausgegangen werden kann. Vorliegend kontaktierte die Klägerin die Beklagte nach dem Scheitern der Vergleichsbemühungen im Frühjahr 2018 in zwei Schreiben (act. 1 Rz. 49, 52). Im Schreiben vom 22. Mai 2019 teilte der klägerische Rechtsvertreter der Beklagten mit, dass er davon ausgehe, sie habe der streitgegenständlichen Abtretung spätestens im Jahr 2018 konkludent zugestimmt
(act. 3/30). Im Schreiben vom 28. Mai 2020 wurde um Klarstellung ersucht, ob die Beklagte die streitgegenständliche Abtretung vorbehaltlos anerkenne (act. 3/31), was die Beklagte ab dem Zeitpunkt des ersten Schreibens indessen konsequent verneinte. Zudem leistete sie der Aufforderung der Klägerin, die Aufhebung der Abtretungsvorbehaltsklausel zu bestätigen, keine Folge (act. 1 Rz. 50, 52). Vor diesem Hintergrund erscheint bereits zweifelhaft, ob die Klägerin im Zeitpunkt ihrer Schreiben tatsächlich auf einen Verzicht der Beklagten auf das Abtretungsverbot vertraute, zumal sie im Schreiben vom 28. Mai 2020 ausdrücklich um diesbezügliche Klarstellung ersuchte. Letztere Kontaktaufnahme erfolgte gemäss Schreiben sodann gerade im Hinblick auf ein mögliches Gerichtsverfahren. Somit kannte die Klägerin spätestens ab jenem Zeitpunkt die Position der Beklagten und durfte dementsprechend ab dann nicht mehr (berechtigterweise) darauf vertrauen, dass sie sich inskünftig und insbesondere in einem allfälligen Prozess nicht auf das Abtretungsverbot berufen würde, sodass auch die Einleitung des vorliegen- den Gerichtsverfahrens nicht als nachteilige Disposition der Klägerin aufgrund ei- nes von der Beklagten geschaffenen Vertrauens zu qualifizieren ist. Zwischen der Aufnahme von Vergleichsgesprächen im Dezember 2017, deren Abbruch im Mai 2018 und der Korrespondenz der Parteien ab Mai 2019 bzw. Mai 2020 macht die Klägerin – abgesehen von den vorerwähnten Vergleichsgesprächen – keine von ihr getätigten (nachteiligen) Dispositionen geltend. Nachdem die im Dezember 2017 aufgenommenen Vergleichsbemühungen im Mai 2018 nicht an der Frage der Gültigkeit der streitgegenständlichen Zession bzw. der Sachlegitimation der Klägerin scheiterten (vgl. act. 1 Rz. 23, 47), ist nicht ersichtlich, wie sich die von der Klägerin im Hinblick auf diese Vergleichsgespräche bzw. -bemühungen getätigten Aufwendungen durch den Umstand, dass sich die Beklagte hernach wieder auf das Abtretungsverbot berief, als nachteilig erwiesen. Entsprechendes wird von der Klägerin auch nicht weiter dargelegt (act. 17 Rz. 249). Somit sind eine berechtigte Erwartung der Klägerin, dass die Beklagte über die Vergleichsgespräche hinaus auf die Geltendmachung des Abtretungsverbots verzichten werde, und gestützt darauf getätigte nachteilige Dispositionen der Klägerin zu verneinen.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass sich die Beklagte vorliegend auf das Abtretungsverbot gemäss Ziff. 9 der ABA berufen kann, ohne sich dem Vorwurf rechtmissbräuchlichen Verhaltens im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB auszusetzen. Demzufolge ist die Abtretungsvereinbarung zwischen der D. AG und der Klägerin vom 31. Dezember 2011 ungültig und die Aktivlegitimation der Klägerin zu verneinen.
Fazit
Ein konkludenter Verzicht der Beklagten auf das in Ziff. 9 der ABA vereinbarte Abtretungsverbot bzw. eine dahingehende konkludente Abänderung des WV
E.
ist zu verneinen. Ein in dieser Hinsicht widersprüchliches bzw. rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB liegt nicht vor. Die Abtretung der Forderung der D. AG gegen die Beklagte an die Klägerin ist nicht rechtswirksam erfolgt. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist demnach nicht gegeben. Auf eine (allfällige) Rückzession ist unter diesen Umständen nicht weiter einzugehen. Es ist demzufolge die im Eventualstanpunkt geltend gemachte Prozessführungsbefugnis der Klägerin für die Geltendmachung der Ansprüche der Nachlassmasse der D. AG gestützt auf Art. 325 i.V.m. Art. 260 SchKG zu prüfen.
Prozessführungsbefugnis gestützt auf Art. 325 i.V.m. Art. 260 SchKG
Unbestrittener Sachverhalt
Mit rechtskräftigem Urteil vom 5. August 2013 bestätigte das Bezirksgericht Bülach den Nachlassvertrag mit vollständiger Vermögensabtretung zwischen der D. AG und ihren Gläubigern und nahm von der Wahl der Liquidationsorga- ne (Liquidatorin und Gläubigerausschuss) Vormerk (act. 1 Rz. 60; act. 3/32). Am
20. März 2020 bestätigten die Liquidatorin und der Gläubigerausschuss, namens
der D.
AG auf die Geltendmachung der Rechtsansprüche gegenüber der
Beklagten zu verzichten und diese gestützt auf Art. 325 i.V.m. Art. 260 SchKG an die Klägerin abzutreten (act. 1 Rz. 61; act. 9 S. 13 Rz. 36; act. 3/4). Die streitgegenständlichen Ansprüche wurden nie im Nachlassinventar der D. AG aufgenommen (act. 9 S. 13 Rz. 36; act. 17 Rz. 106; act. 21 Rz. 133). Am 2. Juni
2021 bekräftigten bzw. präzisierten die Liquidationsorgane die Abtretung vom 20. März 2020 (act. 18/62; act. 17 Rz. 110).
Parteistandpunkte
Im Sinne einer Eventualbegründung – für den Fall dass die Abtretung der Ansprü-
che der D.
AG aus dem WV E.
vom 31. Dezember 2011 als nicht
rechtsgültig erachtet würde – bringt die Klägerin vor, sie sei gestützt auf Art. 325
i.V.m. Art. 260 SchKG zur vorliegenden Geltendmachung der Ansprüche der
Nachlassmasse der D.
AG gegenüber der Beklagten legitimiert. Am
20. März 2020 hätten die Liquidatorin und der Gläubigerausschuss namens der D. AG bestätigt, auf die Geltendmachung der Rechtsansprüche gegenüber der Beklagten zu verzichten und diese an die Klägerin zur gerichtlichen Durchsetzung abzutreten (act. 1 Rz. 3, 59-61, 115).
Die Beklagte bestreitet, dass die Voraussetzungen gemäss Art. 325 SchKG erfüllt seien. Die Klägerin behaupte lediglich, dass die Liquidatorin und der Gläubigerausschuss bestätigt hätten, auf die Geltendmachung der Rechtsansprüche gegenüber der Beklagten zu verzichten und diese an die Klägerin abzutreten. Die Klägerin behaupte damit nicht einmal, dass alle Voraussetzungen gemäss Art. 325 SchKG erfüllt seien (act. 9 S. 13 Rz. 36, S. 31 Rz. 86). Die Beklagte macht insbesondere geltend, die Gläubiger seien nie über den beabsichtigten Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten in Kenntnis gesetzt worden. Alsdann sei ihnen (d.h. den übrigen Gläubigern) die Abtretung des Anspruchs auch nie angeboten worden. Demzufolge sei die Abtretung gemäss Art. 325 SchKG nichtig (act. 21 Rz. 125-130).
Rechtliches
Verzichten Liquidatoren und Gläubigerausschuss auf die Geltendmachung eines bestrittenen schwer einbringlichen Anspruches, welcher zum Massevermögen gehört, so haben sie die Gläubiger davon durch Rundschreiben öffentliche Bekanntmachung in Kenntnis zu setzen und ihnen die Abtretung des Anspruches zur eigenen Geltendmachung gemäss Art. 260 SchKG anzubieten (Art. 325
SchKG). Die Rechtsnatur der Abtretung nach Art. 325 SchKG entspricht jener gemäss Art. 260 SchKG, weshalb die dazu entwickelten Grundsätze auch für eine im Nachlassverfahren erfolgte Abtretung sinngemäss anzuwenden sind (BAU- ER/WÜTHRICH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, 3. Aufl. 2021, N. 14 zu Art. 325 SchKG). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist es nicht Sache des Richters, sondern der SchKG- Aufsichtsbehörde, die Abtretungsverfügung der Konkursverwaltung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu überprüfen. Im Verfahren, welches der Abtretungsgläubiger anstrengt, beschränkt sich der Richter dementsprechend grundsätzlich darauf festzustellen, dass sich die Legitimation der klagenden Partei, welche nicht persönliche, sondern Rechtsansprüche der Masse geltend macht, aus einer Abtretungsverfügung ergibt (Urteil des Bundesgerichts 5A_318/2018 vom 18. Juli 2018
E. 4.3.1 mit Hinweis auf BGE 132 III 342). Die Nichtigkeit einer Abtretung ist hingegen auch im Abtretungsprozess von Amtes wegen zu beachten (BGE 136 III 534 E. 4.1; Urteil des Bundesgerichts 4C.165/2000 vom 23. Oktober 2000 E. 4b; BACHOFNER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, 3. Aufl. 2021, N. 28 zu Art. 260 SchKG). Eine Abtretung im Sinne von Art. 260 SchKG, welche vor einem ohne einen gültigen Verzichtsbeschluss der Masse, d.h. der Mehrheit der Konkursgläubiger, betreffend die Geltendmachung eines strittigen Anspruchs der Masse an einzelne Gläubiger erfolgt, ist dann nichtig, wenn die Abtretung zudem nicht allen Gläubigern offeriert worden ist. Wurde in einem solchen Fall aber ein Abtretungsangebot allen Gläubigern unterbreitet, ist die Abtretung (lediglich) im Sinne von Art. 17 SchKG anfechtbar (BGE 136 III 636 E. 2.1 = Pra 100 (2011) Nr. 64 in Präzisierung von
BGE 136 III 534 E. 4.1; BGE 118 III 57 E. 4 = Pra 84 Nr. 44; BGE 79 III 6 E. 2;
BACHOFNER, a.a.O., N. 28 zu Art. 260 SchKG). Daraus ist zu folgern, dass die Abtretung jedenfalls dann nichtig ist, wenn die übrigen Konkursbzw. Nachlassgläubiger überhaupt nicht einbezogen wurden.
Bei der Abtretung im Sinne von Art. 260 SchKG handelt es sich um ein betreibungs- und prozessrechtliches Institut sui generis, welches als eine Art Prozessstandschaft betrachtet werden kann, durch welche der Abtretungsempfänger in eigenem Namen und auf eigene Rechnung einen Prozess einleiten diesen
unter denselben Voraussetzungen übernehmen kann, ohne dass er jedoch durch die Abtretung Rechtsträger des streitigen Anspruchs wird. Ihm wird lediglich das Prozessführungsrecht der Masse abgetreten (BGE 146 III 441 E. 2.5.1; BGE 144 III 552 E. 4.1.1 = Pra 108 (2019) Nr. 69). Die Befugnis, in eigenem Namen das Recht eines Dritten gerichtlich geltend zu machen, ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage. Es handelt sich dabei um eine Prozessvoraussetzung, welche der Richter von Amtes wegen zu prüfen hat (BGE 144 III 552
E. 4.1.2 = Pra 108 (2019) Nr. 69) und deren Fehlen zum Nichteintreten auf die Klage führt (Art. 59 ZPO e contrario).
Bei der amtswegigen Prüfung der Prozessvoraussetzungen (Art. 60 ZPO) gilt die eingeschränkte Untersuchungsmaxime. Es handelt sich dabei nicht um eine allgemeine Feststellung Erforschung des Sachverhaltes, sondern um eine beschränkte richterliche Überprüfung desselben, bei der sich das Gericht vom Bestehen der behaupteten klagebegründenden Tatsachen zu überzeugen hat. Die eingeschränkte Untersuchungsmaxime zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich für beide Prozessparteien asymmetrisch auswirkt, indem für die klagende Partei weiterhin der Verhandlungsgrundsatz gilt, während der beklagten Partei die Bestreitungslast abgenommen wird. Das Gericht muss lediglich von Amtes wegen erforschen, ob Tatsachen bestehen, welche gegen das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen sprechen. Nicht verlangt wird dagegen, Tatsachen, welche für das Vorhandensein der Prozessvoraussetzungen sprechen, zu berücksichtigen, wenn solche von der klagenden Partei nicht verspätet vorgebracht worden sind. Mit anderen Worten findet eine amtswegige Tatsachenerforschung, ob die gemäss dem Tatsachenvortrag der klagenden Partei unzulässige Klage doch zulässig ist, nicht statt (Urteil des Bundesgerichts 4A_229/2017 vom 7. Dezember 2017 E. 3.4, 3.4.1 mit Hinweis auf BGE 139 III 278 E.. 3.4.1).
Würdigung
Die Klägerin ist vorliegend in Bezug auf die Voraussetzungen von Art. 325 SchKG behauptungs- und beweisbelastet. Sie führt in dieser Hinsicht einzig aus, dass der Gläubigerausschuss und die Liquidatorin am 20. März 2020 den Verzicht auf Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche und die Abtretung derselben
an die Klägerin bestätigt hätten. Dass die übrigen Gläubiger der D. AG dar- über in Kenntnis gesetzt wurden und ihnen ein Abtretungsangebot unterbreitet wurde, behauptet die Klägerin – trotz des von der Beklagten im Rahmen der Klageantwort erhobenen Einwandes, wonach von der Klägerin nicht sämtliche Voraussetzungen gemäss Art. 325 SchKG behauptet worden seien – auch in der Replik nicht. Dies hat zur Folge, dass vorliegend davon auszugehen ist, dass die am 20. März 2020 bescheinigte Abtretung an die Klägerin erfolgte, ohne dass die
übrigen Gläubiger der D.
AG dazu je begrüsst wurden. Dies wiegt vorliegend umso schwerer, als die Ansprüche der D. AG aus dem WV E. nie inventarisiert wurden, sodass davon auszugehen ist, dass sich die übrigen Gläubiger auch der Massezugehörigkeit derselben nicht bewusst waren. Nach- dem zwei wesentliche und zwingende Voraussetzungen einer Abtretung gemäss Art. 325 SchKG fehlen, welche die diesbezügliche Orientierung der (übrigen) Nachlassgläubiger sicherstellen, ist vor dem Hintergrund obiger Rechtsprechung die unter diesen Umständen erfolgte Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche an die Klägerin vom 20. März 2020 als nichtig zu betrachten. Daran än- dert auch die am 2. Juni 2021 erfolgte Präzisierung bzw. Bekräftigung der Abtretung durch die Liquidationsorgane nichts (act. 18/62).
Fazit
Die am 20. März 2020 bescheinigte Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche im Sinne von Art. 325 SchKG an die Klägerin ist nichtig. Die im Eventualstandpunkt der Klägerin geltend gemachte eigene Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung der Ansprüche der Nachlassmasse der D. AG gestützt auf Art. 325 i.V.m. Art. 260 SchKG ist zu verneinen.
Zusammenfassung der Tat- und Rechtsfragen
Die im Hauptstandpunkt der Klägerin geltend gemachte Aktivlegitimation der Klägerin gestützt auf den mit der D. AG geschlossenen Abtretungsvertrag vom
31. Dezember 2011 ist zu verneinen. Dies führt zur Abweisung der Klage insoweit, als die Klägerin – gestützt auf eine Forderungsabtretung im Sinne von Art. 164 ff. OR – ihre eigenen Ansprüche geltend macht. Auch die im Eventualstandpunkt geltend gemachte und eine Prozessvoraussetzung bildende Prozessführungsbefugnis der Klägerin gestützt auf Art. 325 i.V.m. Art. 260 SchKG ist nicht gegeben. Dementsprechend ist auf die Klage insoweit nicht einzutreten, als die Klägerin in eigenem Namen die Ansprüche der D. AG in Nachlassliquidation geltend macht.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Verteilungsgrundsätze
Die Prozesskosten bestehen aus Gerichtskosten und Parteientschädigung (Art. 95 Abs. 1 ZPO). Die Prozesskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt. Bei Nichteintreten gilt die klagende Partei als unterliegend (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Klägerin unterliegt vorliegend vollständig, weshalb sie kosten- und entschädigungspflichtig wird.
Gerichtskosten
Die Höhe der Gerichtsgebühr bestimmt sich nach der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebVOG; Art. 96 ZPO i.V.m. § 199 Abs. 1 GOG) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach dem tatsächlichen Streitinteresse (§ 2 Abs. 1 lit. a GebVOG). Der Streitwert beträgt vorliegend CHF 400'073.40. In Anwendung von § 4 Abs. 1 und Abs. 2 GebVOG ist die Gerichtsgebühr auf rund die Höhe der Grundgebühr und damit auf CHF 18'800.– festzusetzen. Sie ist ausgangsgemäss der Klägerin aufzuerlegen und aus dem von ihr geleisteten Vorschuss zu beziehen (Art. 111 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).
Parteientschädigung
Die Höhe der Parteientschädigung ist nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 zu bemessen (AnwGebV; Art. 105 Abs. 2 ZPO). Grundlage ist auch hier der Streitwert (§ 2 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Die Grundgebühr ist mit der Begründung bzw. Beantwortung der Klage verdient und deckt auch den Aufwand für die Teilnahme an einer allfälligen Hauptverhandlung ab. Für die Teilnahme an zusätzlichen Verhandlungen und für weitere notwendige Rechtsschriften wird ein Zuschlag von je höchstens der Hälfte der Grundgebühr berechnet (§ 11 Abs. 1 und 2 AnwGebV i.V.m. § 4 Abs. 1 AnwGebV). Bei der Festsetzung der Parteientschädigung ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Parteien eine zweite Rechtsschrift verfassten und an einer Vergleichsverhandlung
teilnahmen. In Anwendung von §§ 4 und 11 AnwGebV ist der Beklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 30'000.– zuzusprechen.
Die Klage wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 18'800.–.
Die Kosten werden der Klägerin auferlegt und aus dem von ihr geleisteten Vorschuss bezogen.
Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 30'000.– zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 400'073.40.
Zürich, 30. Juni 2022
Handelsgericht des Kantons Zürich
Vizepräsidentin:
Dr. Claudia Bühler
Gerichtsschreiberin:
Susanna Schneider
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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