Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HG170033 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 03.07.2017 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_453/2017 |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Gerinnen; Klägerinnen; Unfall; Regress; Kanalisation; Geschädigte; Partei; Digten; Geschädigten; Klagte; Arbeit; Recht; Beklagten; Beweis; Gutachten; Kanalisationsleitung; Haftung; Verschulden; Schaden; Haftpflicht; Regressprivileg; Hafte; Gasleitung; Bundesgericht; Rohrleitung; Schacht; Propan; Klage |
Rechtsnorm: | Art. 101 OR ; Art. 106 ZPO ; Art. 111 BV ; Art. 111 ZPO ; Art. 236 ZPO ; Art. 328 OR ; Art. 36 ZPO ; Art. 41 OR ; Art. 44 OR ; Art. 5 BV ; Art. 50 OR ; Art. 51 OR ; Art. 55 ZGB ; Art. 55 ZPO ; Art. 57 ZPO ; Art. 6 ZPO ; Art. 60 SVG ; Art. 61 UVG ; Art. 63 AHVG ; Art. 72 ATSG ; Art. 75 ATSG ; Art. 8 ZGB ; Art. 91 ZPO ; Art. 96 ZPO ; Art. 97 OR ; |
Referenz BGE: | 107 II 269; 112 II 87; 127 III 365; 128 III 271; 132 III 715; 134 III 636; 135 III 334; 137 III 352; 137 V 210; 140 III 221; 140 III 24; 142 I 93; |
Kommentar zugewiesen: | KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl., Zürich, 2015 BREHM, Berner Kommentar, Die Entstehung durch unerlaubte Handlungen, 2013 PORTMANN, RUDOLPH, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 2015 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Geschäfts-Nr.: HG170033-O U/dz
(vormals: HG140095)
Mitwirkend: der Oberrichter Roland Schmid, Vizepräsident, die Oberrichterin Dr. Claudia Bühler, die Handelsrichter Dr. Thomas Lörtscher und Dr. Alexander Müller, die Handelsrichterin Verena Preisig sowie der Gerichtsschreiber Dr. Moritz Vischer
in Sachen
SUVA,
Eidgenössische Invalidenversicherung (IV),
Schweizerische Altersund Hinterlassenenversicherung (AHV), Klägerinnen
1, 2, 3 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
Beklagte
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.
betreffend Forderung
Rechtsbegehren: 3
Sachverhalt und Verfahren 3
Sachverhaltsübersicht 3
Prozessverlauf 4
Erwägungen 6
Tragweite der Rückweisung 6
Zuständigkeit 7
Parteiund Prozessfähigkeit 7
Gesamtgläubigerschaft 13
Allgemeine Regressberechtigung 16
Voraussetzungen des Ersatzanspruchs des Geschädigten 17
Unfallhergang 17
Unfallereignis infolge des Betriebes einer Rohrleitungsanlage 19
Regressprivileg 36
Gesundheitliche Beeinträchtigungen und Arbeitsfähigkeit 56
Kausalität 57
Schadenersatzbemessung/Schadensberechnung/Regressansprüche . 57
Regresszins 57
Zusammenfassung der Tatund Rechtsfragen 57
Kostenund Entschädigungsfolgen 58
Erkenntnis 58
(act. 1)
Die Beklagte sei zu verpflichten, den Klägerinnen den Betrag von CHF 1'321'242.35 nebst Zins zu 5% auf CHF 1'315'340.00 seit 01.03.2014 zu bezahlen.
Unter Kostenund Entschädigungsfolgen, einschliesslich Mehrwertsteuerzusatz, zu Lasten der Beklagten.
Sachverhaltsübersicht
Parteien und ihre Stellung
Bei der Klägerin 1 handelt es sich um die grösste Unfallversicherung der Schweiz. Sie ist eine Sozialversicherung in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und hat ihren Sitz in Luzern (Art. 61 UVG). Die Klägerinnen 2 und 3 bilden (zusammen mit den Ergänzungsleistungen) die erste Säule der Schweizerischen Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge nach Art. 111 BV. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Versicherungsgesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft mit Sitz in [Ort]. Ihr Zweck ist der Betrieb aller Arten von Versicherungsund Rückversicherungsgeschäften mit Ausnahme der direkten Lebensversicherung.
Prozessgegenstand
Mit der vorliegenden Klage machen die Klägerinnen gegenüber der Beklagten Regressansprüche für von ihnen an B. (nachfolgend Geschädigter) ausgerichtete Sozialversicherungsleistungen geltend. Dieser erlitt am 8. September 2004 bei einem Arbeitsunfall in einem Abwasserkontrollschacht in C. Verbrennungen, als sich darin befindliches Gas entzündete. Nach Auffassung der Klägerinnen stammte das betreffende Gas aus einer lecken Gasleitung der bei
der Beklagten haftpflichtversicherten D.
AG (heute: E.
AG), womit
diese gestützt auf das Rohrleitungsgesetz für den Schaden des Geschädigten
hafte. Dessen Verbrennungen seien zwar ausgeheilt, er habe aufgrund des Unfalles jedoch eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, weswegen er auf Dauer arbeitsunfähig sei. Die Beklagte beantragt Nichteintreten auf die Klage der Klägerinnen 2 und 3, da diese nicht parteifähig seien. Im Übrigen beantragt sie Klageabweisung. Sie bestreitet zum einen, dass das Gas aus Leitungen ihrer Versicherten ausgetreten sei. Zum anderen verneint sie sowohl die psychischen Beschwerden des Geschädigten als auch, dass diese adäquat durch den Unfall
verursacht worden seien. Zudem könne sich die E.
AG nach den Regeln
des Rohrleitungsgesetzes von der Haftung befreien, da der Geschädigte den Unfall grobfahrlässig herbeigeführt habe, indem er unter Missachtung der Sicherheitsvorschriften im Abwasserschacht geraucht habe. Schliesslich könne sie sich auf das Regressprivileg der Arbeitgeberin des Geschädigten berufen.
Prozessverlauf
Am 5. Juni 2014 (Datum Poststempel) reichten die Klägerinnen die Klage mit obigem Rechtsbegehren hierorts ein (act. 1). Mit Verfügung vom 12. Juni 2014 wurde den Klägerinnen Frist zur Zahlung eines Kostenvorschusses in der Höhe von CHF 34'000.- angesetzt, welchen sie fristgerecht leisteten (act. 5 und 9). In der Folge wurde der Beklagten Frist zur Einreichung der Klageantwort angesetzt (act. 10). Mit Eingabe vom 15. September 2014 beantragte die Beklagte eine formlose Sistierung des Verfahrens durch Abnahme der genannten Frist bis zum Vorliegen der bundesgerichtlichen Urteilsbegründung im Fall 4A_260/2014 (act. 12), welcher Antrag am 16. September 2014 abgewiesen wurde (act. 13). Am 24. September 2014 reichte die Beklagte die Klageantwort ein (act. 15). Am
12. März 2015 fand eine Vergleichsverhandlung statt, an der keine Einigung erzielt werden konnte (Prot. S. 8 f.). Mit Verfügung vom 16. März 2015 wurde ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet (act. 26). Die Replik datiert vom 2. Juni 2015 (act. 28), die Duplik vom 25. August 2015 (act. 32). Letztere wurde mit Verfügung vom 26. August 2015 den Klägerinnen zugestellt (act. 34). Mit Datum vom
28. September 2015 reichten die Klägerinnen eine Stellungnahme zu den Noven in der Duplik ein (act. 37). Die Beklagte stellte in Aussicht, im Rahmen der Parteivorträge an der Hauptverhandlung zur besagten Eingabe der Klägerinnen Stellung zu nehmen (act. 38). Mit Verfügung vom 18. Februar 2016 (act. 39) wurde den Parteien Frist angesetzt zur Erklärung, ob sie auf die Durchführung der mündlichen Hauptverhandlung - vorbehalten der Durchführung eines Beweisverfahrens - verzichteten. Mit Eingabe vom 26. Februar 2016 verlangte die Beklagte die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung (act. 41). Die Klägerinnen erklärten, auf deren Durchführung zu verzichten (act. 43). Die Hauptverhandlung fand am 4. April 2016 statt. Zulässige Noven wurden keine vorgebracht (Prot.
S. 16 f.). Mit Urteil vom 4. April 2016 verpflichtete das hiesige Gericht die Beklagte zur Bezahlung von CHF 1'015'490.35, zuzüglich 5 % Zins auf CHF 864'637.15 ab Urteilstag. Im Mehrbetrag wurde die Klage abgewiesen.
Gegen das genannte Urteil erhoben sowohl die Klägerinnen als auch die Beklagte Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Die Beklagte beantragte, das Urteil kostenfällig aufzuheben und die Klage abzuweisen; eventuell sei der Prozess an das Handelsgericht zur Durchführung des Beweisverfahrens und neuer Entscheidung zurückzuweisen. Demgegenüber verlangten die Klägerinnen im Wesentlichen, in Abänderung des angefochtenen Urteils sei die Beklagte kostenfällig zu verpflichten, ihnen CHF 1'305'767.90 zuzüglich Zins von 5 % auf CHF 1'087'238.15 ab 4. April 2016 zu bezahlen. Mit Urteil vom 15. Dezember 2016 vereinigte das Bundesgericht die beiden Beschwerdeverfahren, hob in teilweiser Gutheissung der Beschwerde der Klägerinnen und der Beschwerde der Beklagten das Urteil vom 4. April 2016 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung der Klage an das hiesige Gericht zurück (Urteil des Bundesgerichts 4A_301/2016; 4A_311/2016 [fortan Rückweisungsentscheid] = act. 56). Das Verfahren des Handelsgerichts wurde unter der Geschäftsnummer HG170033 fortgesetzt. Der Prozess ist nunmehr spruchreif, weshalb das Urteil zu fällen ist (Art. 236 Abs. 1 ZPO). Am Urteil vom 4. April 2016 wirkte noch Rafael Rutgers als Gerichtsschreiber mit, welcher in der Zwischenzeit das hiesige Gericht verlassen hat. An seiner Stelle wirkt Gerichtsschreiber Dr. Moritz Vischer am vorliegenden Entscheid mit. Eine solche personelle Veränderung ist, weil begründet, zulässig (vgl. BGE 142 I 93 E. 8.2). Seitens der Richterschaft hat sich der Spruchkörper nicht verändert.
Tragweite der Rückweisung
Heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut und weist es die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an die kantonale Instanz zurück, wird der Streit in jenes Stadium vor der kantonalen Instanz zurückversetzt, in dem er sich vor Erlass des angefochtenen Entscheids befand. Die kantonale Instanz hat ihre neue Entscheidung auf die rechtlichen Erwägungen des bundesgerichtlichen Entscheids zu stützen. Sie hat sich von Bundesrechts wegen nur noch mit jenen Punkten zu befassen, die das Bundesgericht kassierte. Die anderen Teile des Urteils haben Bestand und sind in das neue Urteil zu übernehmen. Irrelevant ist, dass das Bundesgericht mit seinem Rückweisungsentscheid formell in der Regel das ganze angefochtene Urteil aufhebt. Entscheidend ist nicht das Dispositiv, sondern die materielle Tragweite des bundesgerichtlichen Entscheids. Die neue Entscheidung der kantonalen Instanz ist somit auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen (BGE 135 III 334 E. 2 und 2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_824/2016 E. 5.2.1).
Betreffend die Beschwerde der Beklagten hält das Bundesgericht in seinem Rückweisungsentscheid fest, dass das hiesige Gericht einerseits über die Berücksichtigung des Regressprivilegs neu zu entscheiden habe, andererseits kam es zum Schluss, dass die Vorinstanz ohne Willkür ein Gutachten (eventuell weitere Beweismassnahmen im Sinne der Erwägungen des bestehenden Gutachtens) zu den medizinischen Folgen des Unfalls und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit nicht habe verweigern können, womit die Sache zur Abnahme weiterer Beweise zurückzuweisen sei. Demzufolge erübrigten sich vorläufig Ausfüh- rungen zum adäquaten Kausalzusammenhang (act. 56 E. 6 und 8.). In Bezug auf die Beschwerde der Klägerinnen erachtet das Bundesgericht betreffend Behandlungskosten einen Betrag von CHF 24'893.25 als anerkannt und somit ausgewiesen (act. 56 E. 12). Im Übrigen bestätigte das Bundesgericht die Erwägungen des
Urteils vom 4. April 2016, soweit es auf die Beschwerden der Parteien überhaupt eintrat. Damit sind die Erwägungen des aufgehobenen Urteils vom 4. April 2016 mit den erwähnten Ausnahmen in den vorliegenden Entscheid zu übernehmen und allenfalls um die bundesgerichtlichen Überlegungen zu ergänzen, sofern sich nicht aufgrund der neu zu beurteilenden Sachbzw. Rechtsfragen notwendige Anpassungen ergeben.
Zuständigkeit
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons Zürich ist unbestritten und ergibt sich aus Art. 36 ZPO und Art. 6 Abs. 2 und 3 ZPO
i.V.m. § 44 lit. b GOG.
Parteiund Prozessfähigkeit
Rechtliche Grundlagen
Parteiund Prozessfähigkeit sind Prozessvoraussetzungen, bei deren Fehlen auf die Klage nicht einzutreten ist (Art. 59 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b. ZPO). Dabei ist parteifähig, wer rechtsfähig ist oder von Bundesrechts wegen als Partei auftreten kann, und prozessfähig, wer handlungsfähig ist (Art. 66 f. ZPO).
Parteistandpunkte
Die Klägerinnen erklären, dass für die Klägerinnen 2 und 3 das Bundesamt für Sozialversicherungen unter Mitwirkung der Ausgleichskassen und der IV-Stellen die Rückgriffsansprüche geltend mache. Würde die Klägerin 1 das Rückgriffsrecht ausüben, mache sie auch die Rückgriffsansprüche der Klägerinnen 2 und 3 geltend. Die Klägerinnen 2 und 3 seien parteifähig und nach Art. 14 Abs. 1 ATSV dafür zuständig, die Rückgriffsansprüche über das Bundesamt für Sozialversicherungen geltend zu machen. Seit Inkrafttreten des ATSG per 1. Januar 2003 hätten die Klägerinnen 2 und 3 denn auch zahlreiche Prozesse gegen die Beklagte geführt, in welchen die Beklagte die Parteifähigkeit zu Recht nicht in Frage gestellt habe (act. 28 Rz 2).
Die Beklagte bestreitet die Parteifähigkeit der Klägerinnen 2 und 3. Sie bringt zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass gemäss Art. 72 ATSG einzig Versicherungsträger in die Haftpflichtansprüche der Versicherten subrogierten. Die Versicherungsträger der AHV seien seit Inkrafttreten des ATSG die Ausgleichskassen, diejenigen der IV die IV-Stellen, welche jeweils als selbständige öffentlich-rechtliche Anstalten ausgestaltet seien. Die AHV und IV seien zwei unterschiedliche und funktional zu unterscheidende, gesetzlich bloss in der Leistungskoordination als vereinigt geltende Sparten des Sozialversicherungsrechts, hätten keine Rechtspersönlichkeit und seien damit beide weder einzeln noch mit / gemeinsam aufgeführt parteifähig, auch wenn sie im Rubrum noch das Etikett Eidgenössisch erhielten. Auch dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) und seinem Bereich Regress fehle seit Inkrafttreten des ATSG in Regressprozessen die Parteifähigkeit (inkl. Subrogationsfähigkeit), die Prozessund die Postulationsfähigkeit, weil es kein Versicherungsträger sei. Das BSV habe keine Rechtspersönlichkeit, sondern sei als Verwaltungseinheit der Eidgenossenschaft zwar die Fachbehörde für die soziale Sicherheit, aber Rechtsträger in zivilrechtlichen Angelegenheiten gegenüber natürlichen und juristischen Personen sei allein die Eidgenossenschaft, vertreten durch den Bundesrat, allenfalls das Departement. Das BSV sei gemäss der organisatorischen Regressordnung in Art. 14 Abs. 1 und 2 ATSV nur dann für die Geltendmachung von Regressforderungen der AHV oder der IV zuständig und beauftragt, wenn kumulativ Ausgleichskassen bzw. IVStellen (als Versicherungsträger mit Rechtspersönlichkeit) dabei mitwirkten und kein Fall von Art. 14 Abs. 2 ATSV vorliege. Nach letzterer Bestimmung habe die Klägerin 1, wenn sie wie vorliegend Rückgriffsansprüche geltend mache, im Auftrag des BSV auch Rückgriffsanspürche der Klägerinnen 2 und 3 geltend zu machen. Die Teilnahme der Klägerinnen 2 und 3 am Verfahren sei somit nicht nur unzulässig, sondern auch völlig redundant. Der Bundesrat habe mit dieser Bestimmung dem BSV im vorliegenden Fall die Befugnis nach Art. 14 Abs. 1 ATSV, mit den Sparten AHV und IV selber Rückgriffsrechte geltend zu machen und im Prozess aufzutreten, entzogen. Ihr (der Beklagten) stehe somit einzig die Klägerin 1 als Gegenpartei gegenüber (act. 15 Rz 4 ff.; act. 32 Rz 2 ff.).
Parteifähigkeit der Klägerinnen 2 und 3
Ausgangslage
Während Parteiund Prozessfähigkeit der Klägerin 1 sowie der Beklagten ohne Weiteres gegeben sind, stellt die Beklagte die Parteifähigkeit der Klägerinnen 2 und 3 sowie die Parteiund Prozessfähigkeit des BSV in Frage.
Situation bis zum Inkrafttreten des ATSG
Das Bundesgericht bestätigte in BGE 112 II 87 die Parteiund Prozessfähigkeit der AHV und der IV in Regressprozessen. Konkret hielt es in Erwägung 1 des genannten Entscheides dazu fest:
Ob und inwiefern eine Behörde Rechtspersönlichkeit hat und daher Träger eigener Rechte und Pflichten sein kann, oder ob sie selber als blosses Organ eines Rechtssubjektes anzusehen ist, bestimmt das jeweils massgebliche öffentliche Recht. Dazu ist hier vorweg festzuhalten, dass der Gesetzgeber in Art. 48ter ff. AHVG die Altersund Hinterlassenenversicherung selber als Anspruchsberechtigte bezeichnet, indem er sie und nicht etwa die Eidgenossenschaft in die Ansprüche des Versicherten und seiner Hinterlassenen eintreten lässt, wenn auf haftpflichtige Dritte zurückzugreifen ist. Diese Ordnung gilt sinngemäss auch für die Eidgenössische Invalidenversicherung (Art. 52 IVG). Sie wird ergänzt durch die vom Bundesrat gestützt auf Art. 48sexies AHVG erlassenen Vorschriften über die Ausübung des Regressrechtes (Art. 79quater AHVV); danach ist der Rückgriff im Einzelfall unter Mitwirkung der Ausgleichskassen durch das Bundesamt für Sozialversicherung geltend zu machen, das sich ferner im Falle konkurrierender Regressrechte mit der SUVA und der Militärversicherung zu verständigen hat, die nötigen Vereinbarungen treffen und den Rückgriff auch kantonalen Ausgleichskassen übertragen kann. Nach dieser gesetzlichen Ordnung ist die Auffassung der Klägerin über ihre Rolle und Vertretung in Streitigkeiten um Regressforderungen bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht dem Sinn und Zweck der angeführten Normen sowie praktischen Bedürfnissen und ist daher auch sachlich gerechtfertigt.
Das Bundesgericht hat sodann auch in seiner jüngeren Rechtsprechung die Parteiund Prozessfähigkeit der AHV bzw. der IV in Regressprozessen nie verneint, wobei - soweit ersichtlich - diesen Entscheiden Vorfälle zugrunde lagen, welche sich vor Inkrafttreten des ATSG ereigneten (vgl. beispielhaft BGE 140 III 221,
BGE 134 III 636 und Urteile des Bundesgerichts 4A_275/2013, 4A_404/2013, 4A_588/2014 sowie 4A_51/2014).
Situation heute
Am 1. Januar 2003 ist der neue allgemeine Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Kraft getreten. Gemäss Art. 72 Abs. 1 ATSG tritt gegenüber einem Dritten, der für den Versicherungsfall haftet, der Versicherungsträger in die Ansprü- che der versicherten Person und ihrer Hinterlassenen ein. Der Begriff des Versicherungsträgers ist im ATSG nicht definiert. Er bezieht sich auf diejenigen Behör- den, Personen und Stellen, welche die Verwaltung der jeweiligen Sozialversicherung vornehmen (KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2015, Vorbemerkungen N 99). Der Beklagten ist dahingehend zuzustimmen, dass Träger der AHV und IV insbesondere die AHV-Ausgleichskassen bzw. die IV-Stellen sind, nicht jedoch die Sozialversicherungen selber. Es stellt sich vorliegend jedoch die Frage, ob der Gesetzgeber mit der Einführung des Begriffs des Versicherungsträgers in der deutschen Fassung von Art. 72 ATSG an der bis anhin bestehenden Rechtslage etwas ändern wollte, mithin ob er die AHV und die IV vom Eintritt in die Rechtsstellung des Geschädigten zugunsten der jeweiligen Versicherungsträ- ger bewusst ausschliessen wollte. Gegen eine solche Betrachtung spricht aus systematischer Sicht, dass weder den AHV-Ausgleichskassen noch den IVStellen in den entsprechenden Gesetzen und Verordnungen eine Kompetenz zur Geltendmachung von Regressansprüchen erteilt wurde (vgl. Art. 63 AHVG i.V.m. Art. 128 ff. AHVV; Art. 57 IVG i.V.m. Art. 41 IVV). Dies zeigt, dass es nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein kann, an der herrschenden Rechtslage etwas zu ändern. Vielmehr scheint hier einfach eine versicherungszweigneutrale Formulierung gewählt worden zu sein. Diese Einschätzung wird auch durch die Gesetzgebungsmaterialen gestützt. Diesen ist zwar zur Bedeutung der Verwendung des Begriffes Versicherungsträger in Art. 72 Abs. 1 ATSG direkt nichts zu entnehmen, es wird jedoch festgehalten, dass die Regelung dem geltenden Recht entspreche (BBl 1999, 4653). Gegen den beklagtischen Standpunkt spricht sodann auch die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung (vgl. dazu act. 56 E. 3). Weiter hat das Bundesgericht bereits im zitierten BGE 112 II 87 festgehalten,
dass die Zuständigkeit der AHV bzw. der IV zur Geltendmachung von Regressansprüchen einem praktischen Bedürfnis entspreche und daher sachlich gerechtfertigt sei. Schliesslich geht das Verständnis der Beklagten zu sehr vom deutschen Begriff Versicherungsträger aus. Die französischen und italienischen Begriffe assureur und assicuratore - also Versicherer zeigen deutlicher, dass allein wegen des Begriffs Versicherungsträger die Parteifähigkeit von AHV und IV als Gesamtinstitutionen nicht ausgeschlossen ist (vgl. act. 56 E. 3).
Kommt hinzu, dass unter den Begriff des Versicherungsträgers die Gesamtheit der organisatorischen Einheiten verstanden wird, die eine Sozialversicherung durchführen. Danach bildet z.B. in der AHV jede Ausgleichskasse zusammen mit den gemeinsamen Organen, wie z.B. dem AHV-Ausgleichsfond und der zentralen Ausgleichsstelle, die Trägerschaft (SCARTAZZINI/HÜRZELER/MAURER, Bundessozialversicherungsrecht, 4. Aufl., Basel 2012, § 11 lit. A). Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob Art. 72 Abs. 1 ATSG allein selbst bei Annahme einer bewussten Wortwahl des Gesetzgebers eine genügende gesetzliche Grundlage für die Geltendmachung von Regressansprüchen durch die AHV-Ausgleichskassen bzw. die IV-Stellen darstellt, da unklar bleibt, welches Organ der AHV/IV genau in welchem Fall zu klagen hätte. Das Bundesamt für Justiz hielt dazu bereits in einem Gutachten vom 13. Januar 1982 fest, dass die Aufgaben der AHV/IV im Aussenverhältnis auf die einzelnen Organe verteilt seien, wobei für die meisten Forderungen der AHV/IV gegenüber den Versicherten und Dritten der Gesetzgeber selbst regle, welches Organ mit der Geltendmachung beauftragt werde. Die Möglichkeit des einzelnen Organs, als selbständige Rechtsperson aufzutreten, beschränke sich aber auf die ihm übertragenen Aufgaben. Keines der AHV/IV-Organe repräsentiere die Gesamtinstitution AHV/IV, womit sich auch nicht bestimmen lasse, wer die AHV/IV zu vertreten habe, wenn dies nicht durch das Gesetz selbst geregelt werde (VPB 1982 NR. 56 S. 311). Auch aus diesem Grund müssen AHV und IV als Gesamtinstitutionen legitimiert sein, Regressansprüche (prozessual) geltend zu machen.
Insgesamt ergibt die Auslegung von Art. 72 Abs. 1 ATSG damit, dass auch nach Inkrafttreten des ATSG weiterhin die AHV und die IV als Gesamtinstitutionen Regressansprüche geltend zu machen haben und ihnen damit diesbezüglich Parteifähigkeit zukommt (so auch KIESER, a.a.O., Art. 72 Rz 15 f.; KRAUSKOPF, Der Regressprozess - Der Regress der Sozialversicherung und der privaten Schadensversicherung, HAVE, Haftpflichtprozess 2013, S. 69 ff.). Daran ändert auch die Regelung in Art. 14 Abs. 2 ATSV nichts, nach welcher die SUVA auch die Ansprüche von AHV und IV geltend macht, wenn sie ihr Rückgriffsrecht ausübt. Diese Bestimmung schränkt nicht etwa die Klagelegitimation der AHV/IV ein, sondern berechtigt die SUVA lediglich ex lege zu deren Vertretung im Regressprozess. Es handelt sich dabei entgegen der Meinung der Beklagten nicht um eine Forderungsabtretung zum Inkasso, sondern um eine Vertretung, welche die SUVA im vorliegenden Verfahren denn auch wahrnimmt. Beachtlich erscheint schliesslich, dass in Art. 14 ATSV nicht mehr von den Versicherungsträgern, sondern von der AHV und der IV selber gesprochen wird, was deren Legitimation untermauert.
AHV/IV als unterschiedliche Parteien
Es stellt sich weiter die Frage, ob die AHV und die IV zusammen als eine Partei zu betrachten sind oder ob jede Sozialversicherung eigenständig zu behandeln ist. Auch wenn sich die AHV und die IV als Teil der ersten Säule zweifellos nahestehen und sich in vielen Bereichen koordinieren, handelt es sich dennoch um zwei unterschiedliche Sozialversicherungen, welche ihre Leistungen aufgrund verschiedener Bundesgesetze ausrichten und je eigene Organe aufweisen. Weiter haben sie auch je einen eigenen Ausgleichsfond. Es ist zwischen den Leistungen der AHV und denjenigen der IV klar zu unterscheiden, was denn auch in der Klageschrift so gemacht wird. Es existiert keine Gesamtinstitution AHV/IV. Deshalb kommt die Klagelegitimation für Regressansprüche und in diesem Rahmen demnach die Parteifähigkeit der AHV und der IV je einzeln zu. Damit sind sie auch im vorliegenden Prozess je einzeln Klägerinnen und entsprechend als Klä- gerinnen 2 (IV) und 3 (AHV) im Rubrum aufzunehmen. Da es sich dabei nicht um einen Parteiwechsel handelt und der Beklagten daraus kein rechtlicher Nachteil erwächst, weil ihr von Beginn an offensichtlich (neben der Klägerin 1) die AHV und die IV gegenüberstanden, welche ohnehin von der Klägerin 1 vertreten werden, ist dies ohne Weiteres zulässig und von Amtes wegen vorzunehmen (vgl. Urteil des Bundesgericht 4P.184/2005 E. 3.1.).
Parteiund Prozessfähigkeit des BSV
Vorweg ist festzuhalten, dass das BSV im vorliegenden Verfahren nicht Partei ist, womit sich die Frage nach dessen Parteifähigkeit erübrigt. Gestützt auf Art. 72 Abs. 5 ATSG hat der Bundesrat Ausführungsbestimmungen zur Ausübung des Regressrechtes erlassen. Gemäss Art. 14 Abs. 1 ATSV macht für die AHV sowie die IV das BSV unter Mitwirkung der Ausgleichskassen und der IV-Stellen die Rückgriffsansprüche geltend. Damit ist das BSV von Bundesrechts wegen prozessfähig. Darüber hinaus tritt das BSV im vorliegenden Prozess ohnehin gar nicht in Erscheinung. Vielmehr werden die Klägerinnen 2 und 3 von der Klägerin 1 vertreten. Dieses Vertretungsverhältnis leitet sich direkt aus Art. 14 Abs. 2 ATSV ab, womit die Klägerin 1 weder von den Klägerinnen 2 und 3 selber noch durch das BSV mandatiert werden musste. Vor diesem Hintergrund erscheint es für das vorliegende Verfahren gar nicht relevant, ob dem BSV Prozessfähigkeit zukommt, solange es sich im Prozess nicht äussert.
Fazit
Die Klägerinnen 2 und 3 sind parteiund prozessfähig, das BSV zumindest prozessfähig (vgl. dazu act. 56 E. 3).
Gesamtgläubigerschaft
Parteistandpunkte
Die Klägerinnen machen geltend, sie seien von Gesetzes wegen Gesamtgläubiger und formulierten entsprechend ein gemeinsames Rechtsbegehren (act. 1 Rz 5).
Die Beklagte führt demgegenüber aus, es sei nicht so, dass die Klägerinnen Gesamtgläubiger seien, schon gar nicht von Gesetzes wegen, denn ein solches Gesetz sei unbekannt. Das klägerische Rechtsbegehren sei als Dispositiv gar nicht vollstreckbar, da unklar sei, wer von den Klägerinnen wieviel von der Beklagten
fordere. Art. 16 ATSV sei dabei bloss die Teilungsregel im Falle eines erfolgreichen Regressinkassos durch die SUVA. Zutreffend sei, dass die Klägerin 1 aus ihrer Aufgabe gemäss Art. 14 Abs. 2 ATSV ein gesamthaftes (nicht: gemeinsames) Rechtsbegehren stellen könne, was sie aber nicht von der Substantiierungspflicht für alle Teilforderungen bzw. subrogierten Leistungen jeder Sparte entbinde. Es sei zudem längst bekannt, dass eine Mehrheit von Gläubigern oder gar eine Solidargläubigerschaft nicht einfach mittels Verordnung für Dritte verbindlich geschaffen werden könne, sondern nur mit einem Gesetz im formellen Sinne (act. 15 Rz 5d).
Rechtliche Grundlagen
Nach Art. 16 ATSV sind mehrere am Rückgriff beteiligte Sozialversicherungen Gesamtgläubiger und einander im Verhältnis der von ihnen zu erbringenden kongruenten Leistungen ausgleichspflichtig. Die Gesamtgläubigerschaft ist eine Form der gemeinschaftlichen Gläubigerschaft. Merkmal der gemeinschaftlichen Gläubigerschaft ist, dass die gesamte Forderung mehreren Gläubigern ungeteilt zusteht, und zwar gemeinschaftlich. Das bedeutet, dass alle Gläubiger die Forderung nur gemeinsam geltend machen können. Umgekehrt kann der Schuldner sich nicht durch Leistung an einen einzelnen Gläubiger befreien, sondern nur durch Gesamtleistung an alle Gläubiger (oder deren gemeinsamen Vertreter). Die Gesamtgläubigerschaft entspricht dem sachenrechtlichen Gesamteigentum und entsteht nur, wenn die Gläubiger untereinander durch ein Gesamthandverhältnis verbunden sind (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, 10. Aufl., Band II, N. 3672 ff.).
Würdigung
Dass mit den vorerwähnten Bestimmungen der ATSV tatsächlich eine Gesamtgläubigerschaft angeordnet werden sollte, wird in der Lehre entgegen dem an sich klaren Wortlaut überwiegend verneint (HÜRZELER, § 36 Extrasystemische Koordination: Regress der Sozialversicherer auf Haftpflichtige, in: STEIGER SACKMANN/MOSIMANN, Handbücher für die Anwaltspraxis, Band XI, Recht der Sozialen Sicherheit, Basel 2014, Rz 36.49; KRAUSKOPF, a.a.O., S. 87; PRIBNOW/BENJAMIN,
Haftpflichtund Versicherungsrecht, 2012, S. 365; SCHMID, Entwicklungen im Koordinationsrecht / Ausgewählte Fragen zu Problemen bei der Durchsetzung der Regressansprüche des Sozialversicherungsträgers, Tagungsbeiträge zum HAVE Personenschadenforum 2012, S. 304 f.). BECK vertritt die Meinung, dass es sich um eine Koordinationsgemeinschaft sozialversicherungsrechtlicher Art handelt (BECK, Bundesgesetz über den ATSG, Referate der Tagungen vom 16. September sowie 6. Dezember 2002 in Luzern/Zürich, 2003, S. 149, Fn. 88). RUMOJUNGO geht davon aus, dass die mehreren Regressberechtigten nicht Gesamtgläubiger, sondern Solidargläubiger sind und im Aussenverhältnis somit eine Solidarforderung besteht (RUMO-JUNGO, ZBJV 138/2002 S. 433, Zusammenspiel zwischen Haftpflicht und beruflicher Vorsorge unter Berücksichtigung des Vorentwurfs für die Haftpflichtrevision).
In Bezug auf die genannte Bestimmung und mit Blick auf die zitierte Lehre rechtfertigt es sich, trotz des Wortlautes nicht von einer Gesamtgläubigerschaft auszugehen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber die Sozialversicherer verpflichten wollte, ihre Regressansprüche immer gemeinsam geltend zu machen. Eine gewisse Koordinationsabsicht liegt Art. 14 Abs. 2 und Art. 16 ATSV indessen offenkundig zugrunde. Der zweite Halbsatz von Art. 16 ATSV (so sind sie [ ] einander im Verhältnis der von ihnen zu erbringenden kongruenten Leistungen ausgleichspflichtig.) impliziert jedenfalls, dass die Sozialversicherer ihre Forderungen als eine einzige Forderung geltend machen können. Es erscheint daher naheliegend, dass der Gesetzgeber bei mehreren regressierenden Sozialversicherern die Geltendmachung der ganzen Regressforderung durch einen Sozialversicherer ermöglichen wollte. Es ist damit davon auszugehen, dass es sich um eine Solidargläubigerschaft handelt, welche jeden Gläubiger berechtigt, ohne Mitwirkung der andern das Ganze und nicht nur einen Teil der Leistung zu verlangen. Der Schuldner hat dabei nur einmal zu leisten und wird dadurch befreit (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., N 3661). Eine Aufteilung der Forderungen auf die einzelnen Sozialversicherer im Rechtsbegehren ist daher nicht erforderlich. Selbstverständlich entbindet dies die regressierenden Sozialversicherer nicht, ihre Ansprüche hinreichend zu substantiieren. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt mit Art. 16 ATSV i.V.m. Art. 72
Abs. 5 ATSG auch eine genügende gesetzliche Grundlage für die Solidargläubigerschaft vor.
Fazit
Unter den Klägerinnen besteht kein Gesamthandverhältnis, womit sie nicht gezwungen sind, eine ihnen zustehende Forderung gemeinsam einzuklagen. Dies bedeutet aber nicht, dass sie die geforderten Leistungen im Rechtsbegehren aufteilen müssen. Aufgrund von Art. 16 ATSV ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen berechtigt sind, die gesamte Regressforderung in einem Rechtsbegehren einzuklagen und später im Innenverhältnis auszugleichen, da die korrekte Aufteilung des Regresssubstrates auf die einzelnen Gläubiger, nicht im Verhältnis mit dem Schuldner, sondern zwischen den Gläubigern unter sich zu geschehen hat (vgl. dazu act. 56 E. 4, wobei das Bundesgericht die rechtliche Qualifikation des Verhältnisses der Sozialversicherer offenlässt).
Allgemeine Regressberechtigung
Nach Art. 72 ATSG tritt der Versicherungsträger im Zeitpunkt des Ereignisses bis auf die Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche der versicherten Person ein, wobei mehrere Haftpflichtige für die Rückgriffsansprüche solidarisch haften. Dabei steht ein direktes Forderungsrecht der geschädigten Person gegen- über dem Haftpflichtversicherer auch dem in ihre Rechte eingetretenen Versicherungsträger zu. Die Klägerinnen stützen ihre Ansprüche auf das Rohrleitungsgesetz (RLG), welches in Art. 37 Abs. 1 ein unmittelbares Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer vorsieht.
Da es sich bei der Beklagten unstrittig um den Haftpflichtversicherer der D. AG nach Art. 35 RLG handelt, können die Klägerinnen grundsätzlich bis zur Höhe ihrer gesetzlichen Leistungen direkt auf sie Regress nehmen, sofern die D. AG gestützt auf das RLG dem Geschädigten aus seinem Unfall vom
8. September 2004 tatsächlich haftet. Dies ist nachfolgend zu prüfen.
Voraussetzungen des Ersatzanspruchs des Geschädigten
Der Ersatzanspruch des Geschädigten gegenüber der D.
AG stützt sich
gemäss den Klägerinnen auf das Rohrleitungsgesetz (RLG). Nach Art. 33 Abs. 1 RLG haftet der Inhaber einer Rohrleitungsanlage, wenn durch deren Betrieb oder durch einen Mangel oder die fehlerhafte Behandlung einer nicht in Betrieb stehenden Anlage ein Mensch getötet oder in seiner Gesundheit geschädigt oder Sachschaden verursacht wird. Weist der Inhaber nach, dass der Schaden durch ausserordentliche Naturvorgänge, kriegerische Ereignisse oder durch grobes Verschulden des Geschädigten verursacht wurde, ohne dass ihn selbst oder eine Person, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft, wird er von der Haftpflicht befreit (Art. 33 Abs. 2 RLG).
Die D.
AG war unstrittig Inhaberin der in Betrieb stehenden Gasrohrleitungsanlage in C. . Damit setzt eine Haftung der D. AG bzw. der Beklagten als deren Haftpflichtversicherer positiv voraus, dass der Geschädigte durch den Betrieb der Rohrleitungsanlage der D. AG kausal in seiner Gesundheit geschädigt wurde. Negative Voraussetzung einer Haftung ist zudem das Fehlen von Entlastungsbzw. Befreiungsgründen (vgl. dazu OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band II/3, 4. Aufl., Zürich 1991, § 30 N 88 ff.; FELLMANN, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band III, Bern 2015, § 21 Rz 191 ff.). Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist nachfolgend zu prüfen.
Unfallhergang
Vorbemerkung
Die Thematisierung des Unfallherganges gehört eigentlich ins Kapitel Kausalzusammenhang, wird jedoch zur besseren Lesbarkeit des vorliegenden Urteils vorgezogen.
Unbestrittener Sachverhalt
Der Geschädigte war Arbeitnehmer der F. AG, welche zusammen mit einer
Spezialfirma vom Tiefbauamt des Bezirkes C.
beauftragt worden war, die
Kanalisationsleitungen und die Schächte in der Hauptstrasse in C. zu sanieren und abzudichten. Am Unfalltag waren die Arbeiten an der Kanalisationsleitung selber abgeschlossen. Diese war abgedichtet und stand vollumfänglich wieder in Betrieb. Am Vormittag war anstelle eines abgebrochenen, alten Kontrollschachtes ein neuer Schacht mit Betonrohren auf ca. zwei Meter Höhe aufgebaut und mit einem Konus versehen worden, wobei noch keine Schachtabdeckung angebracht worden war. Nach der Mittagspause war der Geschädigte damit beschäftigt, die Fliessrinne am Schachtboden auszubilden und die Schachtfugen abzudichten, wobei der Polier G. und der Maschinist H. , beide ebenfalls Mitarbeiter der F. AG, auf der Baustelle mitanwesend waren. Während der Geschädigte im Schacht arbeitete, entzündete sich an einer Zigarette, welche der Geschädigte rauchte, im Schacht befindliches Gas, wodurch Oberkörper und Haare des Geschädigten Feuer fingen. Dieser konnte aus eigener Kraft bzw. mit Hilfe seiner Arbeitskollegen aus dem Schacht steigen, wo das Feuer an seinem Körper gelöscht werden konnte. Gleichzeitig kam es zu einer Gasexplosion (so die Klägerinnen) bzw. zu einer Gasverpuffung (so die Beklagte), wodurch entlang der Kanalisationsleitung an mehreren Stellen Schachtdeckel zumindest abgehoben wurden.
Parteistandpunkte
Nicht einig sind sich die Parteien einzig über den genauen Unfallablauf und die Heftigkeit der Gasentzündung. Die Klägerinnen schildern, dass es zu einer Stichflamme gekommen sei, durch die der Oberkörper und die Haare des Geschädigten Feuer gefangen hätten. Dieser sei mit Hilfe zweier Kollegen aus dem Schacht gelangt, wo das Feuer an seinem Körper gelöscht worden sei. Gleichzeitig sei es zu einer heftigen Gasexplosion gekommen, wodurch verschiedene Schachtdeckel in benachbarten Kanalisationsschächten hochund weggeschleudert worden seien, so dass sie zu Schaden gekommen seien (act. 1 Rz 10). Die exakte pyrotechnische Bezeichnung des Unfalles sei nicht von Bedeutung (act. 28 Rz 8). Die Be- klagte wendet dagegen ein, die wirkliche Abfolge der Ereignisse in den entscheidenden Sekunden sei aufgrund der Aussagen der Beteiligten unklar und jedenfalls nicht gesichert. Zudem bestreite sie das Vorliegen einer Explosion begrifflich. Vielmehr habe es sich um eine Verpuffung gehandelt. Eine Explosion sei unter
den Bedingungen möglich, dass ein mit genügend Luft zündfähiges Gasgemisch in einem geschlossenen Behälter mit einer Zündquelle reagiere, woraus eine Volumenausdehnung entstehe, der Behälter gesprengt werde und grosse Energiemengen freigesetzt würden. Die Verpuffung sei dagegen bloss eine Verbrennungsreaktion. Bei einer Verpuffung entstehe zwar auch eine Volumenerweiterung, aber kein massiver Druckaufbau wie bei einer Explosion. Eine Verpuffung könne sich zudem fortpflanzen, weil der geschlossene Behälter fehle. Zutreffend sei, dass durch die Verpuffung entlang der neuen Kanalisationsleitung an mehreren Stellen Schachtdeckel zwischen dem Restaurant I. ( strasse ) und dem Rand des Dorfplatzes ( strasse ) abgehoben worden seien, ebenso in einzelnen Häusern, die an die Kanalisationsleitung angeschlossen seien. Schaden sei dort allerdings nicht entstanden. Falsch sei, dass es durch die Verpuffung/Explosion im Kanalisationsschacht zu Druckentlastungen in den Schächten gekommen sei (act. 15 Rz 10.a; act. 32 Rz 43).
Würdigung
Der Unfallhergang ist in den wesentlichen Zügen unbestritten. Ob es sich nun um eine Gasexplosion oder um eine Gasverpuffung handelte, ist für die Frage der Haftung grundsätzlich nicht relevant. Denn es ist unstrittig, dass der Geschädigte nicht durch die Wucht der Explosion aus dem Schacht geschleudert wurde. Ebenso ist für eine Haftung unwesentlich, wann genau der Geschädigte seine Verbrennungen erlitt und wie er genau aus dem Schacht gelangte. Wo und wann genau der Geschädigte sich die Zigarette ansteckte, welche unstrittig das Gas entzündete, spielt schliesslich höchstens bei der Frage des Selbstverschuldens eine Rolle.
Unfallereignis infolge des Betriebes einer Rohrleitungsanlage
Parteistandpunkte
Die Klägerinnen führen in ihrer Klagebegründung zusammengefasst aus, es sei zur Explosion gekommen, weil eine Gasleitung an der J. -Strasse in C. gebrochen gewesen sei. Durch den grossen Ringspalt des Rohrbruches
sei eine erhebliche Menge des Propan-/Luftgemisches, welches schwerer sei als Luft, in den Erdboden ausgetreten und von dort über die noch nicht sanierte Kanalisationsleitung bis zur Unfallstelle gelangt, wo es sich am tiefsten Punkt gesammelt habe (act. 1 Rz 11).
Die Beklagte bestreitet in der Klageantwort diese Darstellung der Klägerinnen und führt aus, diese basiere zwar auf dem Rapport der Kantonspolizei Schwyz und dem Gutachten TISG, letzteres sei jedoch erst sieben Monate nach dem Unfall vom 8. September 2004 erstellt worden. Bestritten werde, dass damals bereits ein Rohrbruch der Gasleitung in der J. -Strasse bestanden habe und dass dieser die Ursache der Verpuffung gewesen sei, ferner dass ein Propan/Luftgemisch entzündet worden sei, und dass es beim J. -StrasseRohrbruch in den Erdboden ausgetreten und über die Kanalisationsleitung zur Unfallstelle gelangt sei, weil die Kanalisationsleitung noch nicht saniert gewesen sei, und schliesslich dass sich Propangas an einem tiefsten Punkt gesammelt habe (act. 15 Rz 11).
Diese Bestreitungen begründet die Beklagte im Wesentlichen damit, dass erst viele Tage nach dem Unfall in einer Querstrasse ein Leck in einer Verbindungsleitung aus Grauguss gefunden worden sei. Dieses könne vor dem 8. September 2004 kaum bedeutend gewesen sein, da weder vom Werk ein Gasverlust registriert worden sei, noch das TISG von Meldungen berichtet habe, dass es irgendwo nach Gas gerochen habe, obwohl dieses odoriert gewesen sei. Es sei nicht auszuschliessen, dass der Rohrbruch die Folge der Verpuffung in der parallel laufenden Kanalisationsleitung gewesen sei. Sofern der Bruch im Unfallzeitpunkt schon bestanden habe, sei davon auszugehen, dass er durch das verdichtete Erdreich gegenüber der sanierten, also dichten Kanalisationsleitung zureichend abgedämmt gewesen sei. Es sei unterlassen worden, im Kanalisationssystem mit Gasmessgeräten und Rohrleitungs-TV nach einer Quelle zu suchen. Eine Undichtigkeit des Gas-Netzwerkes, die sich auf den Gasgehalt im Kanalisationsnetz auswirke, sei auch nicht leicht vorstellbar. Denn eine Kanalisationsleitung sei gegenüber dem umgebenden Erdreich dicht bzw. in den Strassenzügen sogar verdichtet abgeschlossen. Es sei zudem nicht untersucht worden, ob Kanalgase eine Rolle gespielt hätten, wobei Methan (CH4) und Ammoniak (NH3) in Betracht kämen. Da Propan erheblich schwerer sei als Luft und jede Kanalisation so angelegt sei, dass sie ein Gefälle aufweise, sei das Entstehen eines Propangas-Sees
im Kanalisationssystem [in] C.
undenkbar. Wahrscheinlicher sei eine Ammoniak-, eventuell eine Methangasverpuffung. Eine Explosion eines Gemisches von Propan mit Luft hätte eine viel stärkere Wirkung zeitigen müssen als das blosse Abheben von Schachtdeckeln. Zudem würden aus früheren Zeiten etliche Altlastendepots vermutet, die Gase produzieren und unkontrolliert in die Kanalisation absetzen könnten (act. 15 Rz 11 ff.).
Die Klägerinnen halten in der Replik daran fest, dass der Rohrleitungsbruch an der J. -Strasse schon vor dem 8. September 2004 bestanden und das von dort austretende Propangas sich am Boden des neu erstellten Kanalisationsschachtes gesammelt habe, wo es sich entzündet und die Verbrennungsverletzungen des Geschädigten hervorgerufen habe. Jede andere Ursache sei mit ausreichender Sicherheit auszuschliessen. Die Beklagte sei daran zu erinnern, dass sie am 14. April 2008 gegenüber der Klägerin 1 erklärt habe (act. 3/6), dass die D. AG aus Art. 33 RLG hafte. Sie habe selber anerkannt, dass die Rohrleitungsanlage dem Unfall zugrunde gelegen habe. Die Beklagte habe zwar keine Haftung anerkannt, jedoch dass aus der Rohrleitung entweichendes Gas Unfallursache gewesen sei. Auf dieses Zugeständnis sei die Beklagte zu behaften, und wenn sie es heute in Frage stelle, handle sie treuwidrig. Schon im Schreiben vom
11. Januar 2006 (act. 3/7) habe die Beklagte eine Haftung aus RLG als wahrscheinlich bezeichnet. Das TISG sei nicht erst nach sieben Monaten, sondern bereits im vorläufigen Zwischenbericht vom 25. November 2004 zum Schluss gekommen, im Kanalisationsschacht sei ein Brenngas/Luftgemisch entzündet worden, so dass es zu einer heftigen Explosion gekommen sei. Die D. AG habe am 11. Oktober 2004 bestätigt, dass sie mehr als zwei Monate vor dem Unfall festgestellt habe, dass Gasverluste und Messdifferenzen zugenommen hätten, weswegen der Gasmeister bereits im Sommer 2004 mit einer systematischen Lecksuche begonnen habe. Eine Bildung von Biogas sei nicht denkbar, da Biogasbildung nur unter Sauerstoffausschluss möglich sei. Bei fliessendem Abwasser sei aber immer ausreichend Sauerstoff in der Leitung vorhanden. Im Weiteren
sei der Gehalt an organischem Material im Abwasser viel zu niedrig, als dass sich eine ausreichende Menge Biogas bilden könnte. Ebenso könne ausgeschlossen werden, dass Ammoniak in grösseren Mengen in die Kanalisationsleitung gelangt sei. Die Geruchsschwelle von Ammoniak liege unter 0.0005 Vol.-%, die untere Explosionsgrenze hingegen bei 15.4 Vol-%. Wären auf der Baustelle dermassen hohe Ammoniakkonzentrationen aufgetreten, welche eine Explosion denkbar gemacht hätten, hätte dies zu einem grösseren Polizeiund Chemiewehreinsatz und zu einer Evakuation von Anwohnern geführt. Bei Ammoniak würden schon bei Konzentrationen von 0.1 Vol.-% sofortige Hustenreizungen auftreten und bei Konzentrationen von 0.17 Vol-% bestehe bereits akute Lebensgefahr für den Menschen. Schliesslich sei auch eine Methangasverpuffung auszuschliessen, da eine Bildung von ausreichenden Mengen von Biogas ausgeschlossen werden könne. Ebenso könne die These der Beklagten ausgeschlossen werden, der Rohrbruch an der J. -Strasse sei nicht Ursache, sondern Folge des Unfalls gewesen. Es sei nicht erklärlich, wie sich in der Kanalisationsleitung ein Druck hätte aufbauen können, der über die Distanz bis zur J. -Strasse einen Gasleitungsbruch hätte zur Folge haben können, da es zu Druckentlastungen in den Schächten gekommen sei, und noch weniger verständlich, wie die Kanalisationsleitung selber im Bereich des Lecks der Gasleitung unbeschädigt geblieben sein könne, wenn sich über diese Leitung die Druckwelle zur Bruchstelle an der Gasleitung ausgebreitet haben soll. Beim Rohrbruch handle es sich um einen kompletten Rohrbruch mit einem erheblichen Spalt, aus dem wesentlich mehr Gas ausgeströmt sei, als durch die Kanalisationsleitung habe abfliessen können. Aufgrund des Dichtungsunterschiedes zur Luft sammle sich das Propan-/Luftgemisch an tiefen Stellen, wie dem neu angelegten Schacht an der Hauptstrasse. Auch wenn durch die abfallende Kanalisationsleitung ein Teil abfliesse, erkläre es die Grösse des Bruches der Rohrleitung und die damit verbundenen Mengen an austretendem Gas, das sich am Boden des neu erstellten Kanalisationsschachtes ein Propan/Luftgemisch angesammelt habe. Dass der Geschädigte das odorierte Propangas nicht gerochen habe, liege darin begründet, dass für die Odorierung üblicherweise leicht flüchtige, typisch riechende organische Schwefelverbindungen verwendet
würden, die nach faulen Eiern röchen. Dieser Geruch gleiche dem typischen Abwassergeruch (act. 28 Rz 5 ff.).
Die Beklagte hält in der Duplik an ihren Einwendungen fest und erklärt zusammengefasst, einen opinio-communis-Beweis als rechtsfehlerhaft abzulehnen. Es sei unzulässig, die bloss gemutmasste Schlussfolgerung des TISG-Berichtes zum Beweis zu erheben, da sich dieser nicht auf Erhebungen oder Messungen abstüt- ze. Weiter ergänzt die Beklagte, dass das TISG von einem grossen DauerMandat der SUVA abhängig sei, weshalb dessen Bericht den Charakter eines Parteigutachtens habe. Das TISG sei am Tag nach dem Unfallereignis am Unfallort gewesen und hätte zwingend sogleich Messungen vornehmen oder Proben entnehmen müssen. Solches habe die Klägerin in der Replik nicht geltend gemacht. Damit sei eine Verursachung durch Gas aus dem Netz der D. AG ausgeschlossen. Das stärkste Indiz dafür, dass auch andere Gase die Ursache der Verpuffung gewesen sein könnten, liefere die Wahrnehmung des Geschädigten selber, welcher berichtet habe, es habe nach Ammoniak gestunken. Gegen eine Verpuffung von Propan spreche zudem der Umstand, dass vom odorierten Propan in den Häusern an der K. -Gasse vor und nach dem Unfallereignis nie ein Gasgeruch wahrgenommen worden sei. Da bei einem Rohrleitungs-Leck Gas entlang der Anschlussrohre durchs Erdreich in die Häuser diffundiert wäre, solches aber nicht gerochen worden sei, sei das ein schlüssiger Gegenbeweis. Wäre das potente Brenngas Propan verpufft, wären die Schachtdeckel auch nicht bloss abgehoben, sondern fortgeschleudert worden, und es wäre auch mit namhaften Schäden in den Häusern der K. -Gasse zu rechnen gewesen. Der Brief vom 14. April 2008 (act. 3/6) enthalte keine Anerkennung, dass die Rohrleitung dem Unfall zugrunde liege. Er enthalte eine Ablehnung der Haftung und ende mit einer Rückforderung. Es werde lediglich auf das TISG-Gutachten vom
15. April 2005 verwiesen. Wenn die Schreiben der Beklagten (act. 3/6, 3/7) den Eindruck eines Zugeständnisses erweckt haben sollten, so sei dieser unberechtigt gewesen. Der Zwischenbericht des TISG vom 25. November 2004 (act. 29/67) enthülle die Zusammenkunft vom 19. November 2004 als gemeinsame Besprechung Suva/SVGW/TISG. Damit sei die Unfallursache quasi zur Verhandlungssache zwischen der Klägerin 1, dem für den Unfall unzuständigen Verband
SVGW und dem TISG geworden. Die klägerische Annahme, ausgetretenes Gas habe sich einen Weg in die Kanalisationsleitung gesucht, würde eine grössere Undichtigkeit der Kanalisationsleitung in der Nähe des Gasrohrbruches in der J. -Strasse als Eintrittspforte in die Kanalisation voraussetzen. Derlei sei aber weder behauptet noch in den Beilagen vermerkt worden. Gemäss Auskunft
der E.
AG könne davon ausgegangen werden, dass es sich beim
Odorierungsmittel um ein Mercaptangemisch gehandelt habe. Es habe ein starker (gasartiger) Fäkalgeruch geherrscht, womit ein starker Methananteil in der Luft im Kanalisationsschacht erwiesen sei. Sie halte daran fest, dass eventuell Ammoniak in zündbzw. abbrandfähiger Konzentration im Schacht vorhanden gewesen sei. Die Prozentangaben der Klägerinnen würden sich offenbar auf die Explosionsgrenze beziehen und seien irrelevant (act. 32 Rz 33 ff.).
Die Klägerinnen nahmen mit Eingabe vom 28. September 2015 Stellung zu den Dupliknoven (act. 37). Darin bestreiten sie, dass das Gutachten des TISG unsorgfältig und nur ein Parteigutachten sei. Das TISG führe die ihm übertragenen Aufgaben unabhängig und selbständig aus. Weiter bestreiten die Klägerinnen, dass ein Propan-/Luftgemisch im Gefälle der Kanalisationsleitungsrohre Richtung Klär- anlage geflossen wäre, dass der Bereich, in dem sich Brenngas befinde, der tiefste in einem Rohrleitungssystem sei und dass die Verbrennung in der Mischzone über dem Brenngas mit der Luft starte. Weiter bestreiten die Klägerinnen, dass das Gas in der Gasleitung der E. AG im Unfallzeitpunkt den starken Warngeruch von Mercaptan gehabt habe (act. 37 Rz 3 ff.).
Beweis
Gemäss Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, jene Partei das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, die aus ihr Rechte ableitet. Grundsätzlich ist das Verhältnis der anwendbaren materiellen Normen für die Beweislastverteilung massgebend. Dieses bestimmt im Einzelfall, ob eine rechtsbegründende, rechtsaufhebende bzw. rechtsvernichtende oder rechtshindernde Tatsache zu beweisen ist. Wer einen Anspruch geltend macht, hat die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen. Demgegenüber liegt die Beweislast für die rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei, welche den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet (BGE 128 III 271 E. 2aa). Die beweisbelastete Partei hat die zu beweisenden Tatsachen zu behaupten, weshalb mit der Beweislast die Behauptungslast einhergeht. Die beweisfreie Partei trifft hingegen die Bestreitungslast. Ein Aspekt der Behauptungsist die Substantiierungslast: Tatsachenbehauptungen sind so konkret zu formulieren, dass sie einerseits ohne Weiteres als Beweissatz formuliert und in eine allfällige Beweisverfügung aufgenommen werden können, und andererseits substantiiertes Bestreiten möglich ist bzw. der Gegenbeweis angetreten werden kann (LARDELLI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 5. Aufl., Basel 2014, Art. 8 N 29 und 33). Der Behauptungsgegner hat demgegenüber im einzelnen darzulegen, welche Tatsachenbehauptungen der Gegenpartei er anerkennt und welche er bestreitet. Pauschale Bestreitungen reichen zwar nicht aus, doch dürfen die Anforderungen an die Bestreitung nicht so hoch angesetzt werden, dass im Ergebnis die Beweislast gewendet wird (WALTER, in: Berner Kommentar, Bd. I/1, Einleitung, Art. 1-9 ZGB, Bern 2012, Art. 8 N 191 ff.).
Für den Hauptbeweis im Zivilprozess gilt grundsätzlich das Regelbeweismass des strikten Beweises. Dieser ist erbracht, wenn das Sachgericht nach objektiven Gesichtspunkten von der Wahrheit einer Behauptung und damit vom Vorliegen einer Tatsache voll überzeugt ist. Dabei hat eine Tatsache nicht mit Sicherheit festzustehen, sondern es genügt die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, selbst wenn eine abweichende Möglichkeit nicht völlig auszuschliessen ist (WALTER, a.a.O., Art. 8 N 134 ff.). Ausnahmen vom Regelbeweismass des strikten Beweises ergeben sich einerseits aus dem Gesetz und sind andererseits durch Rechtsprechung und Lehre herausgearbeitet worden. Danach wird insbesondere eine überwiegende Wahrscheinlichkeit als ausreichend betrachtet, wo ein strikter Beweis nicht nur im Einzelfall, sondern der Natur der Sache nach nicht möglich oder nicht zumutbar ist und insofern eine Beweisnot besteht. Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit namentlich für den Nachweis des natürlichen bzw. hypothetischen Kausalzusammenhangs (BGE 132 III 715 E. 3; BGE 128 III 271; BGE 107 II 269).
Vorliegend haben nach dem Gesagten die Klägerinnen das Unfallereignis zu beweisen. Dazu ist der Beweis erforderlich, dass es sich beim entzündeten Gas tatsächlich um ein Propan-/Luftgemisch aus den Leitungen der D. AG handelte. Da unstrittig nach dem Unfall keine Messungen des Gasvorkommens an der Unfallstelle vorgenommen wurden und dies heute auch nicht mehr nachgeholt werden kann, müssen die Klägerinnen, um den Beweis erfolgreich zu führen, rechtsgenügend darlegen, dass der Spalt in der Gasleitung an der J. - Strasse bereits vor dem Unfall bestand und von dort Gas in die Kanalisationsleitung und schliesslich bis zum Kontrollschacht gelangte. Gelingt ihnen dieser Beweis, erscheint es an sich unerheblich, ob sich dieses Gas allenfalls noch mit Kanalgasen vermischt haben könnte. Der Betrieb der Rohrleitungsanlage hätte diesfalls den Unfall des Geschädigten zumindest mitverursacht, was für eine Haftung der D. AG nach RLG genügen würde. Das Vorliegen des eigentlichen Unfallereignisses, nämlich dass sich überhaupt aufgrund des Betriebes einer Rohrleitungsanlage ein Unfall ereignete, ist grundsätzlich strikt nachzuweisen (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4A_633/2011 E. 2). Der Beklagten steht demgegen- über der Gegenbeweis offen, dass das fragliche Gas eine andere Herkunft hatte.
Die Klägerinnen stützen ihre Behauptungen in erster Linie auf das Gutachten des Technischen Inspektorats des Schweizerischen Gasfaches TISG vom 15. April 2005 (act. 3/1; nachfolgend: TISG-Gutachten), den Bericht der Kantonspolizei Schwyz vom 13. April 2005 (act. 3/2) sowie die Befragung als polizeiliche Auskunftsperson von L. durch die Kantonspolizei Schwyz (act. 3/4). Ferner reichen sie den vorläufigen Bericht des TISG vom 25. November 2004 (act. 29/67), das polizeiliche Befragungsprotokoll des Geschädigten (act. 3/3), eine Fotodoku-
mentation (act. 29/68) sowie Schreiben der D.
AG vom 11. Oktober 2004
(act. 3/14) bzw. der Beklagten vom 14. April 2008 (act. 3/6) sowie vom 11. Januar 2006 (act. 3/7) ins Recht. Schliesslich offerieren sie zu diesen Punkten ein technisches/physikalisches bzw. ein technisches/physikalisches/chemisches Gutachten. Die Beklagte nennt zum Beweis ihrer Darstellung der Unfallursache selber keine Beweismittel. Einzig in Bezug auf den Beweiswert des TISG-Gutachtens offeriert sie Urkunden bzw. Augenscheine im Internet (act. 33/40 und 33/41).
Würdigung
Ausgangslage
Unstrittig entzündete sich am 8. September 2004 im neu erstellten Kanalisationskontrollschacht in der Hauptstrasse von C. Gas, was zu den Verletzungen des Geschädigten führte. Weiter ist anerkannt, dass in der Folge in einer in Betrieb stehenden Gasleitung an der J. -Strasse ein beträchtlicher Spalt ge-
funden wurde. Schliesslich ist unbestritten, dass die D.
AG im Sommer
2004 unerklärliche Gasverluste und Messdifferenzen feststellte, weshalb ihr Gasmeister daran war, eine systematische Lecksuche vorzunehmen, ohne jedoch bis zum Unfalltag ein entsprechendes Leck gefunden zu haben (act. 1 Rz 31; act. 15 Rz 31). Bereits diese Umstände machen es sehr wahrscheinlich, dass das Gas, welches sich im Kontrollschacht entzündete, auch tatsächlich aus dem Betrieb der Rohrleitungsanlage der D. AG stammte. Die von den Klägerinnen eingereichten Beweismittel vermögen zudem die noch vorhandenen Zweifel zu beseitigen:
TISG-Gutachten
Das TISG-Gutachten führt zur Unfallursache aus, dass das Zusammentreffen von den folgenden drei wichtigen Fakten schliesslich zum Unfallereignis geführt habe: Ein Rohrbruch in der Gasleitung J. -Strasse habe einen grösseren Gasaustritt (Propan-/Luftgemisch, schwerer als Luft) ins Erdreich und von dort in die Kanalisationsleitung bis zum Unfallort an der Hauptstrasse ermöglicht, die neu sanierte Kanalisationsleitung in der Hauptstrasse habe fortan ein Entweichen des Gas-/Luftgemisches in die Umgebung verunmöglicht und mit dem Anzünden der Zigarette sei auch eine Zündquelle für die Zündung des explosiven Gas-/Luftgemisches im Kanalisationsbauwerk gegeben gewesen (act. 3/1 S. 2). Betreffend Unfallursachenabklärung führt das TISG weiter aus, in einer zweiten Phase habe das D. die Gasleitungen in der weiteren Umgebung der Unfallstelle untersucht und bei der Gaslecksuche und der Dichtheitsprüfung an der bestehenden Gasleitung in der J. -Strasse (Abschnitt M. -Strasse bis Hauptstrasse) einen grösseren Rohrbruch an einer ND-Grauguss-Gasleitung
DN80 gefunden. Dieser ganze Leitungsabschnitt habe umgehend ausser Betrieb genommen und saniert werden müssen. Durch den grossen Ringspalt des Rohrbruches dürften erhebliche Mengen des Propan-/Luftgemisches in den Erdboden ausgetreten und von dort über die noch nicht sanierte Kanalisationsleitung bis zur Unfallstelle gelangt sein. Ob sich das Propan-/Luftgemisch im Kanalisationsbauwerk eventuell auch mit Kanalgasen vermischt habe, habe im Nachhinein nicht mehr eruiert werden können (act. 3/1 S. 6). Diese Einschätzung des TISG zeigt auf, dass die Ersteller des Gutachtens keinerlei Zweifel daran hatten, dass Brenngas aus einem bereits bestehenden Spalt in der Gasleitung der D. AG an der J. -Strasse am Ursprung des Unfalles des Geschädigten stand. Der Beklagten ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass die verwendete Formulierung, Gas dürfte aus dem Spalt an der J. -Strasse ausgetreten und über die Kanalisationsleitung an die Unfallstelle gelangt sein, darauf hinweist, dass die TISG-Experten diesen Ablauf nicht mit absoluter wissenschaftlicher Sicherheit feststellten und das Gutachten keine getätigten Messungen festhält. Dies zeigt jedoch auch, dass die TISG-Experten bereits ohne eine solche Messung vom geschilderten Geschehen überzeugt waren und es keinerlei Anlass dafür gab, an diesem zu zweifeln und weitere Untersuchungen vorzunehmen. Der Unfallhergang passte für die Experten ohne Weiteres zu einer Entzündung eines Propan/Luftgemisches.
Der Beweiswert des TISG-Gutachtens wird von der Beklagten in verschiedener Hinsicht beanstandet. Vorauszuschicken ist dazu, dass es sich beim TISGGutachten nicht um ein vom Handelsgericht angeordnetes Gutachten handelt. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Privatgutachten reine Parteibehauptungen und keine Beweismittel (Urteil des Bundesgericht 4A_178/2015, zur Publikation vorgesehen), wohingegen von einem Sozialversicherer im entsprechenden Verfahren eingeholte Gutachten Fremdgutachten sind und grundsätzlich auch im Zivilprozess taugliche Beweismittel darstellen (BGE 140 III 24
E. 3.3.1.3). Dies gilt auch im Regressverfahren, in welchem ein Sozialversicherer als Partei auftritt. Denn ein solcher handelt im Verwaltungsverfahren nicht als Partei, sondern als zur Neutralität und Objektivität verpflichtetes Organ des Gesetzesvollzugs. Solange kein Beschwerdeverfahren angehoben ist, läuft ohnehin ein
Einparteienverfahren. Nach dem Übergang zum Anfechtungsstreitverfahren wird die Verwaltung zwar im prozessualen Sinne zur Partei; sie bleibt lite pendente indessen weiterhin an die rechtsstaatlichen Grundsätze (Art. 5 BV) gebundenes, der Objektivität und Neutralität verpflichtetes Organ. Daher hat sie nicht auch im materiellen Sinn Parteieigenschaft (BGE 137 V 210 E. 2.2.2.). Die grundsätzliche Verwertbarkeit des TISG-Gutachtens wird denn auch von keiner Partei in Frage gestellt, und beide Parteien stützen gewisse ihrer Vorbringen auf das genannte Gutachten.
Die Beklagte äussert sich zum TISG-Gutachten diskrepant. Auf der einen Seite erklärt sie, es gebe in der Schweiz keine höhere Autorität als das TISG mit Doppelunterschrift des Unfallexperten und des Inspektors, und stellt sich auf den Standpunkt, die Klägerinnen müssten das TISG-Gutachten als strikten Beweis des Nichtverschuldens der D. AG am Unfall des Geschädigten vorbehaltlos akzeptieren (act. 15 Rz 29), auf der anderen Seite führt sie aus, mit der durchgeführten Untersuchung habe das TISG seine fachliche und methodische Autorität bezüglich Kompetenz zur Unfallursachenforschung untergraben. Zudem sei das TISG als Dauerauftragnehmer der Klägerin 1 mit dem entsprechenden Interesse an der Erhaltung dieses Auftragsverhältnisses der Klägerin 1 subordiniert, was das Gutachten beweiswertlos mache (act. 32 Rz 36 ff.). Demgegenüber führen die Klägerinnen aus, die Abklärungen des TISG seien sorgfältig gewesen und bildeten eine genügende Grundlage für die gezogenen Schlüsse. Sollte das Gutachten tatsächlich mangelhaft sein, hätte es innert beweistauglicher Weise verbessert werden können, wenn die Beklagte das Gutachten bereits zum damaligen Zeitpunkt in Frage gestellt hätte, was sie nicht getan, sondern es im Gegenteil mit Schreiben vom 14. April 2008 als beweistauglich bezeichnet habe. Zudem führe das TISG die ihm übertragenen Aufgaben unabhängig und selbständig aus. Die Klägerin 1 habe im Sinne von Art. 51 VUV einen Vertrag mit dem Schweizerischen Verein des Gasund Wasserfachs (SVGW) abgeschlossen, der für das TISG ein Pflichtenheft erstellt habe, aus welchem Organisation und Tätigkeiten des TISG hervorgingen. Dieser Vertrag sei von der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) genehmigt worden (act. 37 Rz 3).
Zur Unabhängigkeit des TISG von den Klägerinnen ist auszuführen, dass es sich dabei um das Inspektorat des Schweizerischen Vereins des Gasund Wasserfachs (SVGW) handelt. In diesem Verein sind Gasund Wasserversorgungsunternehmen sowie weitere interessierte Parteien zusammengeschlossen. Von daher ist nicht ersichtlich, inwiefern das TISG ein grundsätzliches Interesse daran gehabt haben könnte, ein Gutachten wider die Interessen der D. AG zu er-
statten. Zudem attestiert das Gutachten der D.
AG, dass diese kein Verschulden am Unfall treffe, was ebenfalls gegen ein abhängiges Parteigutachten spricht. Allein die Tatsache, dass das Gutachten im Sozialversicherungsverfahren von der Klägerin 1 in Auftrag gegeben wurde, vermag dessen Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel zu ziehen. Dies umso weniger als das TISG als entsprechende Fachorganisation aufgrund des genehmigten Vertrages mit der Klägerin 1 unabhängig vom Inhalt des Gutachtens von dieser in anderen Fällen wieder zu berücksichtigen gewesen wäre. Damit ist von der Unabhängigkeit der TISGGutachter auszugehen.
Betreffend die fachliche und methodische Autorität des TISG in Bezug auf die Erstellung des vorliegenden Gutachtens ist auszuführen, dass es sich beim TISG um ein von der schweizerischen Akkreditierungsstelle (SAS) als Inspektionsstelle Typ A für Gasanlagen akkreditiertes Inspektorat handelt, das insbesondere auch als Unfallexperte beigezogen werden kann (Quelle: http://www.svgw.ch /- index.phpid=87). Die grundsätzliche Sachverständigkeit des TISG zur Untersuchung von Gasunfällen kann damit vorausgesetzt werden, was auch von der Beklagten an sich anerkannt wird. In Bezug auf die konkrete Unfallabklärung kann dem TISG zudem kein unsorgfältiges Vorgehen vorgeworfen werden. Denn das TISG wurde erst mit Schreiben vom 5. Oktober 2004, rund einen Monat nach dem Unfall, von der Klägerin 1 mit der gasfachlichen Unfallabklärung beauftragt (act. 3/1 S. 4). Zu diesem Zeitpunkt konnte das TISG offensichtlich keine Untersuchung mehr vornehmen, wie sie die Beklagte mit Verweis auf die Webseite der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle verlangt (vgl. act. 32 Rz 36). Insbesondere waren unfallnahe Messungen und Spurensicherungen am Unfallort nicht mehr möglich. Das TISG-Gutachten beruht demgegenüber immerhin auf Be-
fragungen der involvierten Mitarbeiter und Vorgesetzten der F.
AG, der
D. AG und der N. AG sowie auf einer Ortsbegehung der Unfallstelle durch die TISG-Experten. Damit besteht kein Grund, die Untersuchungsmethodik der unbestritten fachkundigen TISG-Experten in Frage zu stellen. Dass das TISGGutachten nicht auf konkreten Messungen beruht, ist selbstverständlich bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen und erklärt wohl auch die zum Teil zurückhaltenden Schlussfolgerungen des TISG [dürfte]. Dafür, dem TISG-Gutachten jedoch jeglichen Beweiswert abzusprechen, besteht kein Anlass. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Klägerinnen die beklagtische Behauptung nicht bestreiten, dass das TISG von der D. AG umgehend über das Schadenereignis orientiert worden und schon anderntags auf dem Unfallplatz erschienen sei (act. 15 Rz 11a und 32 Rz 36). Denn die Beklagte führt nicht aus, dass das TISG bereits zu diesem Zeitpunkt (bzw. überhaupt) von der D. AG mit der Unfallursachenabklärung betraut worden wäre. Es ist jedenfalls unbestritten, dass das TISG zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Untersuchungen vornahm.
Da es sich bei den TISG-Experten auch nach der Ansicht der Beklagten um die Schweizer Autoritäten im vorliegenden Fachbereich handelt und weder deren Unabhängigkeit noch die konkrete Gutachtenserstellung ungenügend erscheint, kann auf das TISG-Gutachten abgestellt werden.
Weitere Beweismittel
Weiter ergaben auch die Ermittlungen der Kantonspolizei Schwyz, dass dem Leitungsnetz der D. AG Propangas aus Lecks entwichen und ebenfalls durch Lecks in das Kanalisationsleitungsnetz im Dorf C. gelangt sei. Als sich der Geschädigte eine Zigarette rauchend im Schachtinnern hingekauert habe, sei es zur Verpuffung des in der Kanalisationsleitung fliessenden Propangases gekommen (act. 3/2 S. 4). Die Kantonspolizei Schwyz hegte offensichtlich keinerlei Zweifel daran, dass es sich beim entzündeten Gas um solches aus den Leitungen der D. AG gehandelt hat. Auch wenn dem Polizeibericht - mit Ausnahme der getätigten Befragungen - nicht entnommen werden kann, auf welchen Grundlagen die Kantonspolizei Schwyz zu ihrer Einschätzung gelangte, spricht der Polizeibericht doch klar für die Sachverhaltsdarstellung der Klägerinnen. Beim genannten Bericht handelt es sich um ein offizielles Ermittlungsergebnis des mit den
lokalen Gegebenheiten bestens vertrauten Hauptpostens C.
der Kantonspolizei Schwyz, was bei der Beweiswürdigung entsprechend zu berücksichtigen ist.
Auch L. , Tiefbauingenieur des Bezirks C. , bestätigte in seiner polizeilichen Einvernahme als Auskunftsperson, dass die Gasleitungen undicht seien. Das Gas ströme wegen leichtem Überdruck aus den Lecks und fliesse in die defekten Abwasserleitungen (act. 3/4 S. 2). Als lokaler Tiefbauingenieur des Bezirks C. ist insbesondere seine Beurteilung über den Zustand der Gasund Abwasserleitungen sowie seine Beurteilung über den Gasfluss relevant. Seine Aussage widerlegt insbesondere das Argument der Beklagten, dass in C. die Gasleitungen durch verdichtetes Erdreich so abgedämmt gewesen seien, dass trotz eines erheblichen Lecks kein Gas in die Kanalisationsleitung habe gelangen können. Dies wäre L. bekannt gewesen.
Zudem zeigen auch die eingereichten Schreiben der Beklagten bzw. der D. AG deutlich auf, dass beide zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Zweifel daran hat-
ten, dass Propan aus den Leitungen der D.
AG Ursache des Unfalls des
Geschädigten war. So erklärte die Beklagte im Schreiben vom 14. April 2008, zu welchem Zeitpunkt das TISG-Gutachten längst bekannt war, dass ihre Versicherungsnehmerin, die D. AG, aus Art. 33 RLG hafte, wobei sie sich von der
Haftung befreien könne (act. 3/6). Die D.
AG selber erklärte bereits mit
Schreiben vom 11. Oktober 2004 an den SVGW bzw. das TISG, dass es eine Explosion gegeben habe, die durch Propan-Gas in einer Kanalisationsleitung verursacht worden sei (act. 3/14). Im selben Schreiben führte die D. AG zudem aus, dass nachströmendes Gas in der Kanalisationsleitung abgesaugt worden sei. Hätte die D. AG nach dem Unfall auch nur mit der Möglichkeit gerechnet, dass die Gasentzündung nicht mit dem Betrieb ihrer Gasleitungen in Zusammenhang stehen könnte, hätte sie dies zweifellos sofort vorgebracht, um sich zu entlasten.
Einwendungen der Beklagten
Was die Beklagte dagegen einwendet, verfängt nicht. Insbesondere fehlen irgendwelche Anzeichen dafür, dass der Rohrbruch der Gasleitung an der J. - Strasse erst nach bzw. aufgrund der Gasentzündung entstanden sein könnte. Die Beklagte bringt nicht vor, dass auch in der J. -Strasse bzw. in der M. - Strasse Schachtdeckel abgehoben worden wären. Dies beschränkte sich gemäss Polizeibericht auf die Hauptstrasse, was gegen einen hohen Druck in der Kanalisation in der M. -Strasse spricht (act. 3/2 S. 3). Weiter behauptet die Beklagte nicht, und ist denn auch nicht ersichtlich, wie ein allfälliger Überdruck in der Kanalisationsleitung sich - trotz Entlastungen am Unfallort und entlang der Hauptstrasse - derart durchs Erdreich hätte auswirken können, dass die Gasleitung an der J. -Strasse geborsten wäre. Und dass die entsprechende Gasleitung aus einem anderen Grund genau in der Zeit zwischen dem Unfall und dem Auffinden des Lecks gebrochen sein könnte, ist doch sehr unwahrscheinlich. Die Beklagte widerspricht sich hier auch selber, wenn sie auf der einen Seite ausführt, die Gasleitung sei durch dichtes Erdreich von der Kanalisationsleitung abgeschirmt gewesen, und andererseits erklärt, das Leck sei durch die Gasentzün- dung in der Kanalisation entstanden. Hier vertritt offenbar auch die Beklagte den Standpunkt, dass das Erdreich zwischen Gasund Kanalisationsleitung eben doch nicht so hermetisch abgeschlossen gewesen sein kann. Damit ist davon auszugehen, dass der Ringspalt in der Gasleitung an der J. -Strasse bereits vor dem 8. September 2004 existierte.
Zudem anerkannte auch die Beklagte, es treffe zu, dass die D.
AG im
Sommer 2004 unerklärliche Gasverluste und Messdifferenzen festgestellt habe (act. 15 Rz 31). Vor diesem Hintergrund ist ihre Bestreitung, dass vom Werk kein bedeutender Gasverlust registriert worden sei, nicht stichhaltig. Und dass in C. vor dem Unfall niemand Gasgeruch wahrgenommen hat, spricht ebenfalls nicht gegen vorhandenes Gas in der Kanalisation. Denn da dieses schwerer ist als Luft, erscheint durchaus wahrscheinlich, dass es durch die Kanalisationsleitungen fliessen konnte, ohne an die Oberfläche bzw. entlang den Leitungen in die Häuser zu gelangen.
Weiter ist der Beklagten zwar zuzustimmen, dass sich im Kontrollschacht wohl kein erheblicher Propangassee angesammelt haben kann, da das Gas durch die Kanalisationsleitung wieder aus dem Schacht abfliessen konnte. Hätte sich eine erhebliche Menge Propangas im Schacht angesammelt gehabt, wären die Konsequenzen für den Geschädigten denn auch noch gravierender gewesen. Zudem bestand der Kontrollschacht auch erst wenige Stunden, weshalb eine grössere Gasansammlung unwahrscheinlich ist. Dies bedeutet aber nicht, dass nicht durch permanentes Ausströmen von Propangas aus der Kanalisationsleitung in den genannten Schacht darin solches Gas in einer genügenden Menge vorhanden war, um sich zu entzünden. Propangas ist unstrittig schwerer als Luft. Damit blieb aus der Kanalisationsleitung ausströmendes Gas am Schachtboden und konnte sich nicht nach oben verflüchtigen. Um wieder durch die Kanalisation aus dem Schacht abfliessen zu können, musste das Gas zumindest durch die Fliessrinne am Schachtboden durchströmen. Damit war es im Schacht vorhanden und konnte sich an der Zigarette des Geschädigten auch entzünden. Das permanente Ausströmen von Gas aus der Kanalisationsleitung zeigt auch, dass offenbar andernorts auch permanent Gas in die Kanalisationsleitung eindrang. Wo - wenn nicht an der J. -Strasse - dies gewesen sein soll, legt die Beklagte nicht dar.
Schliesslich überzeugen auch die Vorbringen der Beklagten betreffend alternativ vorhandene Gase nicht. Wie Ammoniak konkret in die Kanalisationsleitungen gelangt sein soll, erklärt die Beklagte nicht. Die bloss denkbare Möglichkeit eines entsprechenden Vorkommens bleibt theoretischer Natur. Dass der Geschädigte teilweise davon sprach, er habe Ammoniakgeruch wahrgenommen, vermag in keiner Weise dessen Vorkommen zu beweisen. Denn dass ein in Bezug auf Gase Unkundiger den Fäkalgeruch einer Kanalisation als Ammoniakgeruch beschreibt, ist nicht erstaunlich. Dies zeigt auch, dass der Geschädigte ausführte, es sei ein unvergesslicher und unverwechselbarer Geruch gewesen, schlimmer als früher im Raubtierhaus des Zoos (act. 32 Rz 60). Im Zoo dürfte der Geschädigte insbesondere den Uringeruch der Raubkatzen wahrgenommen haben, sicher nicht eigentliches Ammoniak-Gas. Dieser starke Fäkalgeruch erklärt vielmehr, dass der Geschädigte das unstrittig odorierte Propangas nicht als solches wahrnahm.
Was das behauptete Vorhandensein von Methan angeht, ist zu berücksichtigen, dass der Kontrollschacht, in welchem sich die Gasentzündung ereignete, erst am Vormittag des Unfalltages, mithin lediglich wenige Stunden vor dem Unfall überhaupt errichtet und noch nicht mit einer Abdeckung versehen worden war. Damit kann ausgeschlossen werden, dass sich in diesem Schacht selber über einen längeren Zeitraum Methan hätte ansammeln können. Eine Ansammlung von Methan ist ohnehin auszuschliessen, da dieses Gas unstrittig leichter ist als Luft, womit es aus dem offenen Kontrollschacht hätte entweichen können und müssen. Die Fortpflanzung des Brandes durch die Kanalisationsleitung, welche sich in den abgehobenen Schachtdeckeln entlang der Hauptstrasse in Richtung des gefundenen Spaltes an der J. -Strasse manifestierte, zeigt darüber hinaus, dass die Kanalisationsleitung Richtung Spalt zu diesem Zeitpunkt über eine gewisse Strecke mit Gas gefüllt gewesen sein muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in einer in Betrieb stehenden Kanalisationsleitung, durch welche ständig Abwässer fliessen, so viel Methan angesammelt haben könnte, dass es sich in der geschehenen Weise entzündet hätte, erscheint äusserst gering. Schliesslich verlässt die Beklagte mit der Argumentation, dass allenfalls Phosphine von früher im Bereich des Kanalisationsystems bestatteten Toten Unfallursache gewesen sein könnten (act. 32 Rz 46), das Feld einer vernünftigen juristischen Argumentation.
Das Propan-/Luftgemisch bliebe zudem für den Unfall des Geschädigten auch dann zumindest mitursächlich, wenn es sich tatsächlich mit Kanalgasen gemischt haben sollte. Ein entsprechender Gegenbeweis, dass Kanalgas alleinige Ursache für den Unfall des Geschädigten war, kann der Beklagten schon mangels offerierter Beweismittel nicht gelingen.
Fazit
Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass - mit Ausnahme der Beklagten im vorliegenden Prozess - sämtliche involvierten Personen und Institutionen da-
von ausgehen, dass es Gas aus den Leitungen der D.
AG war, welches
sich im Kanalisationskontrollschacht entzündete. Auch wenn es theoretisch weitere denkbare Möglichkeiten gäbe, wie Gas in die Kanalisationsleitung gelangt sein könnte, sind diese aufgrund der konkreten Umstände und den vorliegenden fachkundigen Einschätzungen - insbesondere derjenigen des TISG - alle so abwegig, dass keine vernünftigen Zweifel mehr an dieser Einschätzung bestehen. Es ist demnach davon auszugehen, dass aus dem Ringspalt in der Leitung der D. AG an der J. -Strasse ein Propan-/Luftgemisch austrat, von dort in die Kanalisation gelangte und schliesslich bis zum Unfallort fliessen konnte, wo es sich entzündete, was die Verletzungen des Geschädigten verursachte. Damit ist erstellt, dass der Unfall des Geschädigten auf den Betrieb der Rohrleitungsanlage durch die D. AG zurückzuführen ist. Es erübrigt sich daher, zusätzlich die von den Klägerinnen offerierten gerichtlichen Gutachten einzuholen (vgl. dazu act. 56 E. 7).
Regressprivileg
Rechtliches
Gemäss Art. 75 Abs. 2 ATSG steht dem Versicherungsträger ein Rückgriffsanspruch aus einem Berufsunfall gegen den Arbeitgeber der versicherten Person nur zu, wenn dieser den Versicherungsfall absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat.
Parteistandpunkte
Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, sie profitiere indirekt vom Regressprivileg von Art. 75 Abs. 2 ATSG der Arbeitgeberin des Geschädigten, der F'.
AG (nachfolgend F.
AG), da diese für die Unfallfolgen des Geschädigten
grundsätzlich haftbar sei. Derjenige Anteil, den der haftpflichtrechtlich privilegierte Arbeitgeber als Solidarschuldner zu verantworten habe, gehe zulasten des Sozialversicherers und könne im Regress nicht dem verbleibenden Haftpflichtigen überbürdet werden. Das Regressprivileg sei ein sozialversicherungsrechtliches und kein zivilrechtliches Institut. Zwischen der F. AG und der D. AG bestehe aus Haftpflichtrecht keine Solidarität und die Klägerinnen könnten diese auch nicht begründen. Es bestehe kein Rechtsgrund dafür, dass die D. AG für eine Regressprivilegierte einstehen müsse, welche den Klägerinnen auch für dieses Regressprivileg Prämien bzw. Beiträge abgeliefert habe (act. 15 Rz 15.b;
act. 32 Rz 70 ff.). Demgegenüber erklären die Klägerinnen, dass auch wenn einer von zwei solidarisch Haftpflichtigen sich auf ein Regressprivileg nach Art. 75 Abs. 2 ATSG berufen könne, dem Sozialversicherer seine Subrogationsforderung uneingeschränkt zustehe. Derjenige Haftpflichtige, der nicht privilegiert sei, könne aus dem Regressprivileg zugunsten des anderen Haftpflichtigen nichts für sich ableiten; umgekehrt könne der privilegierte Haftpflichtige jenem das Regressprivileg im Rahmen von Art. 51 OR auch nicht entgegenhalten (act. 28 Rz 22).
Erwägungen des Bundesgerichts zum Regressprivileg (Rückweisungsentscheid E. 6)
Das Bundesgericht hält diesbezüglich für das hiesige Gericht verbindlich fest, dass das Regressprivileg gemäss Art. 75 Abs. 2 ATSG bedeute, dass bei gegebenen Voraussetzungen keine Forderung des Sozialversicherers gegenüber dem Arbeitgeber bestehe. Auch ein interner Rückgriff des dem Sozialversicherer voll leistenden Haftpflichtigen auf den Arbeitgeber sei sodann ausgeschlossen, da sonst das Regressprivileg auf diesem Weg unterlaufen würde und der Arbeitgeber des Vorteils, den er sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers mit der Prämienleistung erkaufe, verlustig gehen würde (act. 56 E. 6.1.3.2 f.).
Es fehle eine innere Rechtfertigung dafür, dass sich die Sozialversicherer voll am nicht privilegierten Haftpflichtigen schadlos halten könnten. Ihre Gegenleistung für die das Privileg rechtfertigenden Prämienzahlungen sei die entsprechende Versicherungsdeckung für die Arbeitnehmer. Bei einer vollen Regressmöglichkeit auf den nicht privilegierten Haftpflichtigen wären die Sozialversicherer daher bereichert. Es erscheine jedenfalls wertungsmässig gerechtfertigt, dass der nicht privilegierte Haftpflichtige dem Sozialversicherer nur insoweit hafte, wie er im internen Verhältnis mit dem Arbeitgeber den Schaden tragen müsse, wenn kein Regressprivileg bestünde und demzufolge zwischen ihnen der interne Regress zwischen Solidarschuldnern spielen würde (act. 56 E. 6.1.3.3). Dogmatisch lasse sich das Regressprivileg des Mitverursachers als Reduktionsgrund für die Haftung des nicht privilegierten Haftpflichtigen verstehen. Der Sozialversicherer müsse sich den Vorteil anrechnen lassen, der seinen versicherten Arbeitgebern zugestanden werde. Es handle sich um einen Umstand aus dem Verantwortungsbereich des Gläubigers, für den dieser im Sinne von Art. 44 Abs. 1 OR einzustehen habe (act. 56 E. 6.1.3.4). Insgesamt erscheine es gerechtfertigt, das Regressprivileg bei der Bemessung des Regressanspruchs des Sozialversicherers auf einen Dritten zu berücksichtigen (act. 56 E. 6.1.3.5).
Gemäss Rückweisungsentscheid sei prozessual davon auszugehen, dass der Sozialversicherer zunächst den ungekürzten Anspruch behaupten dürfe. Es sei dann Sache des in Anspruch genommenen Haftpflichtigen darzulegen, in welchem Ausmass sein Anteil wegen des Arbeitgeberprivilegs zu reduzieren sei (act. 56 E. 6.2). Es genüge, wenn der Haftpflichtige die Tatsachen behaupte und nachweise, die es dem Gericht erlaubten, den Betrag nach Art. 51 i.V.m. Art. 50 OR festzusetzen. Es sei nicht notwendig, dass er darlege, welcher Anteil des Schadens seiner Meinung nach vom Arbeitgeber zu tragen gewesen wäre (act. 56 E. 6.2.2).
Die Reduktion des Regressanspruches erfolge grundsätzlich, indem eine interne Haftungsaufteilung zwischen den beiden Haftpflichtigen stattfinde, wie wenn das Sonderrecht nicht spielen würde. Die sich aus dieser Operation ergebende Quote des Privilegierten trage definitiv der subrogierende Versicherer, so dass der Dritthaftpflichtige nur für seinen internen Anteil geradestehe (E. 6.2.1). Mit Art. 72 Abs. 2 ATSG habe erreicht werden sollen, dass gegenüber dem Versicherungsträger gleich wie gegenüber dem Geschädigten je nach Gesetzesbestimmung echte Solidarität (gem. Art. 50 OR und Regelungen in Spezialgesetzen, z.B. Art. 60 SVG) oder unechte Solidarität (gem. Art. 51 OR) gelte. Gemäss Art. 34 RLG richte sich der Rückgriff unter den Haftpflichtigen bei einer Haftung nach Rohrleitungsgesetz nach den Bestimmungen des Obligationenrechts über unerlaubte Handlungen, was sich insbesondere auf Art. 51 OR beziehe (act. 56 E. 6.2.1).
Das Regressprivileg setze voraus, dass die Arbeitgeberin gegenüber dem Geschädigten haftpflichtig sei, ohne dass ihr ein grobes Verschulden oder Absicht vorgeworfen werden könne. Sofern der Beklagten dieser Nachweis gelinge, kön- ne sie sich der Regressforderung der Klägerinnen insoweit widersetzen, als der
Schaden im internen Verhältnis ohne Regressprivileg von der Arbeitgeberin zu tragen wäre (act. 56 E. 6.2.2).
Ausgangslage
Zusammengefasst bedeuten die soeben dargestellten, für das hiesige Gericht verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts im Rückweisungsentscheid für das vorliegende Verfahren das Folgende:
Es ist zunächst zu ermitteln, ob die F. AG als Arbeitgeberin des Geschädigten für dessen Schaden haftet, ohne dass sie den Versicherungsfall absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat. Nur in diesem Fall ist der Rückgriff der Klä- gerinnen überhaupt eingeschränkt und nur dann könnte sich das Regressprivileg auch auf die D. AG bzw. die Beklagte auswirken.
Wird dies bejaht, ist in einem zweiten Schritt gemäss Art. 51 OR zu ermitteln, wer im Innenverhältnis zwischen der F. AG und der D. AG welche Quote zu tragen hat.
Ob und in welchem Umfang mehrere Haftpflichtige, die aus verschiedenen Rechtsgründen haften, Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt (Art. 51 Abs. 1 i.V.m. Art. 50 Abs. 2 OR), wobei nach Art. 51 Abs. 2 OR in der Regel in erster Linie derjenige den Schaden trägt, der ihn durch unerlaubte Handlung verschuldet hat, an zweiter Stelle derjenige, der aus Vertrag haftet, und in letzter Linie derjenige, der ohne eigene Schuld und ohne vertragliche Verpflichtung nach Gesetzesvorschrift haftbar ist.
Gemäss den vorstehenden Erwägungen, bestätigt in diesem Punkt durch das
Bundesgericht (act. 56 E. 7), haftet die D.
AG dem Geschädigten im
Grundsatze gestützt auf das Rohrleitungsgesetz. Dabei handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Kausalhaftung. Die F. AG würde demgegenüber
nach den beklagtischen Ausführungen - aus Arbeitsvertrag haften. Gemäss der Stufenfolge von Art. 51 Abs. 2 OR hätte die F. AG im Innenverhältnis gegenüber der kausalhaftpflichtigen D. AG den gesamten Schaden zu tragen, sollte sie dem Geschädigten tatsächlich aus Vertrag haften. Auf die D. AG
entfiele diesfalls eine Quote von 0 % und die vorliegende Klage wäre vollumfänglich abzuweisen.
Abzuklären bliebe indes, ob zur Kausalhaftung der D.
AG auch noch ein
Verschulden am Schaden des Geschädigten hinzu kommt, da die D. AG in diesem Fall bei Anwendung von Art. 51 Abs. 2 OR gegenüber einer aus Vertrag haftbaren Person wiederum den gesamten Schaden zu tragen hätte. Das Regressprivileg hätte in diesem Fall keinen Einfluss auf den Regressanspruch der Klägerinnen.
Schliesslich stellte sich noch die Frage, ob auch die F. AG neben der vertraglichen Haftung zusätzlich aus Art. 41 OR belangt werden könnte, wobei sie diesfalls nur ein leichtes Verschulden am Schaden des Geschädigten treffen dürfte (bei grobem Verschulden entfiele das Regressprivileg ohnehin). Diesfalls wäre die Stufenfolge von Art. 51 OR nicht relevant.
Behauptungsund Beweislast
Nach der allgemeinen Regel von Art. 8 ZGB hat diejenige Partei eine Tatsache zu behaupten und zu beweisen, aus der sie einen Anspruch ableitet.
Die Beklagte beruft sich auf das Regressprivileg der F. AG, um ihre eigene Haftungsquote zu verringern. Damit hat sie die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus welchen auf ein solches Regressprivileg geschlossen werden kann. Dafür hat sie insbesondere die Haftungsvoraussetzungen von Art. 328 OR darzulegen.
Auf der anderen Seite tragen die Klägerinnen die Behauptungsund Beweislast
dafür, dass die D.
AG ein Verschulden trifft, insofern sie dadurch für die
Regressordnung nach Art. 51 OR etwas zu ihren Gunsten ableiten wollen.
Haftung der F. AG
Parteibehauptungen
Zur Haftung der F. AG erklärt die Beklagte in der Klageantwort, der Schlüs- sel für die Verhütung dieses Gasunfalles habe ganz eindeutig beim Baugeschäft F. gelegen, worauf die Klägerinnen mit der Einreichung von act. 3/10 und dem Hinweis auf die Pflichten eines Arbeitgebers in act. 1 Rz 18 zu Recht verwei-
sen würden. Die Verantwortlichen bei der F'.
AG hätten alle gebotenen
Vorsichtsund Schutzmassnahmen unterlassen, obwohl sie von der parallel zur Kanalisation laufenden Gasleitung gewusst hätten (act. 15 Rz 15.a).
Die Klägerinnen bestreiten diese Ausführungen der Beklagten in der Replik nicht. Vielmehr halten sie fest, dass es richtig sei, dass die Beklagte gemeinsam mit einem Dritten, d.h. dem Arbeitgeber, gegenüber dem Geschädigten hafte. Die Beklagte könne keinen Anteil ausscheiden, sondern habe für diesen solidarisch miteinzustehen (act. 28 Rz 21).
In der Duplik ergänzt die Beklagte, da die F.
AG mit ihrem Arbeitnehmer
B. vertraglich verbunden sei und ihre Schutzpflichten aus Art. 328 OR nicht erfüllt habe, hafte sie in zweiter Linie, bevor allenfalls das bei der Beklagten versi-
cherte D.
belangt werden könne (act. 32 Rz 69). Die Klägerinnen hätten
das Regressprivileg von B. s Arbeitgeberin F.
AG festgestellt und
würden damit implizit die Haftung derselben aus Art. 328 OR anerkennen, wofür sie zwar subrogierten, aber durch das Regressprivileg am Regress gehindert würden (act. 32 Rz 70). Speziell störend wäre eine solche Umlastung im vorliegenden Fall, weil dem privilegierten Arbeitgeber F. AG mehrere Pflichtverletzungen anzulasten seien, während die Beklagte keine Pflichtverletzungen zu verantworten habe, sondern rein kausal haften würde (act. 32 Rz 74).
Diese Ausführungen bestreiten die Klägerinnen in ihrer Novenstellungnahme vom
28. September 2015 nicht.
Würdigung
Haftungsvoraussetzungen
Nach Art. 328 OR hat der Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit Rücksicht zu
nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Er hat zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmer die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes oder Haushaltes angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung ihm billigerweise zugemutet werden kann.
Die vertragliche Haftung des Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer aus Art. 97 OR setzt einen Schaden, eine Vertragsverletzung, einen genügenden Kausalzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden sowie ein Verschulden voraus, wobei sich die Vertragsverletzung auch aus Unterlassungen ergeben kann, insb. aus der Nichterfüllung von Schutzpflichten (PORTMANN/RUDOLPH, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 6. Aufl., Basel 2015, Art. 328 N 53).
Ausgangslage
Die Klägerinnen bestreiten die diesbezüglichen beklagtischen Äusserungen nicht, sondern führen selber aus, dass neben der Beklagten auch die F. AG hafte, wobei sie diese Haftung als nicht relevant für das vorliegende Verfahren erachten. Die Frage der Haftung als solche ist eine Rechtsfrage. Da das Gericht das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat (Art. 57 ZPO), ist es nicht an übereinstimmende rechtliche Ausführungen der Parteien gebunden. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob die tatsächlichen Ausführungen der Parteien genügen, damit auf eine Haftung der F. AG geschlossen werden kann. Dies ist nachfolgend zu prü- fen. Dabei ist indes zu beachten, dass die Anerkennung der Haftung der F. AG durch die Klägerinnen die Anforderungen an die Behauptungen der Beklagten deutlich herabsetzen.
Arbeitsunfall
Die Klägerinnen führen selber in der Klage aus, dass der Geschädigte seit dem Jahre 1986 bei der F. AG beschäftigt gewesen sei, zunächst als Saisonnier, ab 1. Januar 1999 in einem festen Arbeitsverhältnis als Bauarbeiter (act. 1 Rz 9).
Dies blieb unbestritten (act. 15 Rz 47) und davon geht auch die Beklagte aus (z.B. act. 32 Rz 69). Sodann handelte es sich beim streitgegenständlichen Vorfall unstrittig und ohne Weiteres um einen Arbeitsunfall.
Vertragsverletzung
Zu einer allfälligen Vertragsverletzung durch die F. AG erklärt die Beklagte lediglich sehr pauschal, die Verantwortlichen bei der F. AG hätten - trotz Kenntnis der parallel verlaufenden Gasleitung - alle gebotenen Vorsichtsund Schutzmassnahmen unterlassen (act. 15 Rz 15.a) bzw. die F. AG habe ihre
Schutzpflichten aus Art. 328 OR nicht erfüllt. Der F.
AG seien mehrere
Pflichtverletzungen anzulasten (act. 32 Rz 69 ff.). Was für Schutzpflichten wer bei der F. AG in welcher Weise verletzt haben soll, führt die Beklagte hingegen nicht aus. Immerhin verweist sie auf die von den Klägerinnen eingereichte SUVABroschüre (act. 3/10), zu welcher sie - allerdings unter dem Titel Selbstverschulden des Geschädigten - ausführt, dieser habe zu keinem Zeitpunkt eine Luftspü- lung des Schachtes verlangt und trotz starkem Ammoniakgeruch im Schacht geraucht. In act. 3/10 sei die allgemeine Sicherheitsregel enthalten, dass das Rauchen während der Arbeit in Schächten, Gruben und Kanälen zu unterlassen sei (act. 15 Rz 18 ff.). Der Geschädigte und sein Equipenchef hätten als erfahrene Tiefbauarbeiter in Schächten wissen müssen, dass der Arbeitsplatz des Geschä- digten ausreichend hätte belüftet werden müssen (act. 32 Rz 83).
Es stellt sich die Frage, ob die Beklagte mit diesen zwar unsubstantiierten, jedoch von den Klägerinnen nicht bestrittenen Ausführungen ihrer Behauptungslast genügend nachgekommen ist.
Nach Brönnimann wird der Behauptungslast durch das Anführen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale genügt, wenn der Gegner nicht bestreitet, sofern die Subsumtion unzweifelhaft ist (BRÖNNIMANN, Die Behauptungsund Substanzierungslast im schweizerischen Zivilprozess, Diss Bern 1989, S 144). Dem ist zuzustim-
men. Die Beklagte behauptet, die F.
AG habe ihre Schutzpflichten nach
Art. 328 OR verletzt. Da klar ist, dass die Beklagte eine Haftung der F. AG für den Schaden des Geschädigten aus dem streitgegenständlichen Unfall gestützt auf die genannte Bestimmung behauptet und die Klägerinnen diese Behauptungen nicht bestreiten, war die Beklagte nicht gehalten, genauer auszufüh- ren, um was für Schutzpflichten es sich gehandelt und auf welche Weise wer bei der F. AG dagegen verstossen haben soll. Aufgrund der Ausführungen zum Selbstverschulden des Geschädigten scheint die Beklagte auch der F. AG bzw. dem Equipenchef des Geschädigten vorzuwerfen, kein Rauchverbot durchgesetzt und die Baustelle nicht genügend belüftet zu haben. Eine Verletzung einer Schutzpflicht stellt eine Verletzung des Arbeitsvertrages dar. Mit ihren Ausführungen ist die Beklagte ihrer Behauptungslast demnach noch genügend nachgekommen. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit der Geltendmachung einer Haftung der F. AG nach Art. 328 OR implizit auch eine Verletzung des Arbeitsvertrages behauptet hat.
Kausalzusammenhang und Schaden
Zum Kausalzusammenhang führt die Beklagte wiederum nur sehr pauschal aus, der Schlüssel für die Verhütung dieses Gasunfalles habe ganz eindeutig beim
Baugeschäft F.
gelegen. Damit erklärt sie sinngemäss, dass die F.
AG durch die Einhaltung ihrer Schutzpflichten den Unfall des Geschädigten hätte verhindern können und somit, dass deren Unterlassung natürlich kausal zum Unfall des Geschädigten geführt habe. Da diese Ausführungen unbestritten geblieben sind und die Klägerinnen selber von einer Haftung ausgehen, kann der (natürliche) Kausalzusammenhang zwischen der Unterlassung der F. AG und dem Unfall des Geschädigten als genügend behauptet und - da unbestritten geblieben - erstellt angesehen werden.
Demgegenüber bestreitet die Beklagte selber den geltend gemachten Schaden des Geschädigten sowie auch die Kausalität zwischen dessen Unfall und den geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen. Damit behauptet sie selber auch nicht, dass durch die Pflichtverletzung der F. AG dem Geschädigten kausal ein Schaden entstanden sei. Dies gereicht der Beklagten indes vorliegend nicht zum Nachteil, da die Klägerinnen die genau gleiche Kausalität und den selben geltend gemachten Schaden für die Begründung der Haftung der D. AG behauptet haben. Gelingt es den Klägerinnen, den entsprechenden kausalen
Schaden zu beweisen, ist von dessen Bestehen im gesamten Verfahren - also auch im vorliegenden Zusammenhang - auszugehen. Misslingt den Klägerinnen der entsprechende Beweis, entfällt neben der Haftung der F. AG auch diejenige der D. AG, womit ein Regress auf die Beklagte ohnehin nicht in Frage käme. Nichts anderes gilt im Übrigen in Bezug auf die (Rechts-)Frage der Adäquanz.
Verschulden
Bei der vertraglichen Haftung nach Art. 328 in Verbindung mit Art. 97 OR wird das Verschulden vermutet. Die Klägerinnen hätten dieses entsprechend zu widerlegen gehabt. Dies haben sie nicht getan.
Schliesslich ist unerheblich, wer bei der F.
AG für die Einhaltung der
Schutzpflichten verantwortlich gewesen wäre und dies unterlassen hat. Waren es
keine Organe, deren Handlungen der F.
AG ohnehin anzurechnen wären
(Art. 55 ZGB), kommt Art. 101 OR zur Anwendung. Auch diese Haftung ist unter die vertraglichen zu subsumieren (BREHM, in: Berner Kommentar, Die Entstehung durch unerlaubte Handlungen, 4. Aufl., Bern 2013, Art. 51 N 58).
Ein Haftpflichtiger kann gleichzeitig aus mehreren Haftungsgründen für denselben Schaden einstehen müssen. Wer durch eine objektiv unerlaubte Handlung eines Vertragspartners schuldhaft bei der Vertragsausführung geschädigt wird, kann sowohl aufgrund des Vertrages als auch gestützt auf Art. 41 OR klagen. Das Verschulden bei einer unerlaubten Handlung ist gleich zu bewerten und zu bemessen wie das Verschulden bei schlechter Vertragsausführung. Dementsprechend fällt derjenige, der schuldhaft einen Vertrag schlecht erfüllt, indem er gleichzeitig eine unerlaubte Handlung begeht, in die erste Linie von Art. 51 Abs. 2 OR. Das mangelnde Erbringen des Nichtverschuldensbeweises bedeutet nun aber umgekehrt nicht, dass damit der Verschuldensbeweis erbracht wäre (BREHM, a.a.O., Art. 51 N 54 f und 82). Da keine der Parteien behauptet, geschweige denn Beweismittel dafür nennt, dass die F. AG ein Verschulden treffe, ist ein solches (weder ein leichtes, noch ein grobes - welches das Regressprivileg entfallen liesse) zu verneinen.
Schliesslich müsste ohnehin ein Organ der F. AG ein Verschulden treffen, damit dieses der Arbeitgeberin selber angerechnet werden könnte. Insofern dies bei einer Hilfsperson zutreffen sollte, müssten die Klägerinnen, wenn sie sich auf eine Verschuldenshaftung stützen wollten, gegen die Hilfsperson persönlich vorgehen.
Fazit
Die Beklagte behauptet zwar die Anspruchsvoraussetzungen für eine Haftung der F. AG nach Art. 328 OR nur sehr pauschal, da diese Ausführungen jedoch unbestritten geblieben sind und die Klägerinnen sogar die Haftung der F. AG explizit anerkennen, ist davon auszugehen, dass die Beklagte alle Anspruchsvoraussetzungen genügend behauptet hat.
Da sich damit gemäss unbestrittenem Sachverhalt der Arbeitsunfall des Geschä- digten nicht ereignet hätte und damit durch diesen auch kein Schaden entstanden wäre, wenn die F. AG bzw. deren Angestellte ihre Pflichten zum Schutz der Persönlichkeit des Geschädigten eingehalten hätten, ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass die F. AG für den (allfälligen) kausalen Schaden des Geschädigten nach Art. 328 OR haftet.
Eine (zusätzliche) Haftung aus Verschulden ist dagegen - mangels entsprechender Behauptungen - zu verneinen.
Verschulden der D. AG
Ausgangslage
Aufgrund der Regressordnung von Art. 51 OR ist vorliegend entscheidend, ob die D. AG ein Verschulden trifft, womit sie an erster Stelle haften würde und die Klägerinnen voll auf die Beklagte Regress nehmen könnten, oder ob sie bloss kausal haftpflichtig ist, in welchem Fall aufgrund des Regressprivilegs nicht auf sie bzw. die Beklagte zurückgegriffen werden könnte.
Parteivorbringen
Die Klägerinnen erklären in der Klage, dass der Unfallexperte des TISG der
E.
AG bescheinigt habe, dass die verlangten periodischen Kontrollen
durchgeführt worden seien und das Gasverteilnetz bei Bedarf instand gesetzt worden sei. Dies alleine begründe jedoch noch nicht die ausreichende Sorgfalt. Zum einen habe das TISG festgestellt, dass die Protokollierung der periodischen Kontrolle lückenhaft und verbesserungswürdig sei, womit zu fragen sei, wie der Unfallexperte überhaupt habe feststellen können, dass bezüglich der Überwachung des Netzes keine Sorgfaltspflichten verletzt worden seien. Zum anderen habe die E. AG bereits mehr als zwei Monate vor dem Unfall festgestellt, dass die Gasverluste und die Messdifferenzen zugenommen hätten. Der Gasmeister habe bereits im Sommer 2004 mit einer systematischen Lecksuche begonnen, die aber keine erkennbaren Resultate gezeigt habe. Obwohl die E. AG damit gewusst habe, dass im Leitungsnetz ein Leck gegeben sein müsse, und sie gewusst habe, dass sich das austretende Gas durch die Kanalisation weiter verbreiten und sich an der tiefsten Stelle sammeln würde, und obwohl sie gewusst habe, dass mit der Kanalschachtsanierung an der Hauptstrasse an einem Ort gearbeitet würde, wo sich solches austretendes Gas sammeln könnte, habe die E. AG zu keinem Zeitpunkt die F. AG als verantwortlichen Bauunternehmer oder aber das Tiefbauamt des Bezirks C. informiert. Damit habe die D. AG ihre Sorgfaltspflichten verletzt (act. 1 Rz 27 ff.).
Die Beklagte verneint dagegen in der Klageantwort ein Verschulden der D. AG. Der Betrieb des Gasnetzes werde von dieser sehr sorgfältig geführt. Die Klä- gerinnen könnten keine Unsorgfalt substantiiert behaupten. Sodann habe das TISG bestätigt, dass sie keine Verletzung der Sorgfaltspflicht hätten feststellen können. Offenbar hätten sich die Kontrollen immerhin rekonstruieren lassen. Zwar treffe es zu, dass die D. AG aufgrund ihrer dauernden Netzüberwachung im Sommer 2004 unerklärliche Gasverluste und Messdifferenzen festgestellt habe, bestritten werde jedoch die simple Vorstellung der Klägerinnen, dass Gas entwichen sei. In einem Gasnetz herrschten ständige Bewegungen, durch die Verteilung bzw. die Bezüge und deren zeitliche Spitzen nach oben und unten sowie durch Temperatur-, Feuchtigkeitsund Fliessrichtungswechsel im komprimierund expandierbaren Gas. Messungen seien demzufolge nie genau. Zudem liege
es in der Natur von Gasen, dass sie flüchtig seien. Alle technischen Massnahmen in einem Gasnetz seien deshalb darauf angelegt, diese Probleme unter Kontrolle zu behalten, aber eine absolute Genauigkeit sei nie möglich. Dennoch müsse man jedem Anzeichen, dass das Gasnetz nicht zuverlässig dicht sei, nachgehen,
was der Gasmeister P.
getan habe. Es treffe zwar zu, dass Gasmeister
P.
über die Sanierungsarbeiten an der Kanalisation im Bild gewesen sei,
das für die Kanalisationssanierung verantwortliche Tiefbauamt umgekehrt von den parallel verlaufenden Gasleitungen, doch habe Herr P. nur anfänglich an den Baubesprechungen teilgenommen. Es könne nicht von einer Begleitung gesprochen werden, denn das sei nicht notwendig gewesen, da die Bauarbeiten die Trasse der Gasleitungen nicht tangiert hätten. Die D. AG bzw. ihr Gasmeister hätten zwar im Unfallzeitpunkt nach der Möglichkeit eines Lecks oder einer anderen Erklärung für die in der Überwachung erkannten Schwankungen suchen müssen und auch gesucht, ein Wissen von einem Leck müsse aber bestritten werden. Dass der Gasmeister an der Bausitzung eine allgemeine Gaswarnung hätte herausgeben sollen, wäre übertrieben gewesen. Wenn er das bei jeder Baustelle gemacht hätte, würde eine wirklich ernste Warnung nicht mehr ernst genommen. Die Klägerinnen könnten nicht dartun, welche Sorgfaltspflicht die D. AG verletzt habe. Es habe keine Anzeichen dafür gegeben, dass im Bereich der Kanalisationsbaustelle Gas ausgetreten sei. Der Gasmeister P. sei zwar in ärztlicher Behandlung, aber im Unfallzeitpunkt noch voll im Einsatz gewesen (act. 15 Rz 27 ff.).
In der Replik erklären die Klägerinnen, den Ausführungen der Beklagten, es sei eine falsche Vorstellung, dass Gas entwichen sei, stehe offenkundig entgegen,
dass die D.
AG eine Lecksuche unternommen habe. Wenn diese davon
ausgehe, es liege ein Leck vor, dann gehe sie also davon aus, dass durch dieses Leck Gas entweiche, was ja auch logisch sei. Es bestehe nicht erst dann eine Notwendigkeit, die an den Bauarbeiten an der Kanalisation von C. beteiligten Firmen zu informieren, wenn ein festes Wissen um ein Leck gegeben sei. Die blosse Möglichkeit reiche aus, um eine Informationspflicht zu begründen, zumal die D. AG zugestandenermassen davon gewusst habe, dass Bauarbeiten an der Kanalisation stattgefunden hätten. Aufgrund der unerklärlichen Gasverluste und Messdifferenzen habe die reale Gefahr eines Lecks bestanden, weswegen es eine überaus ernste Warnung gewesen wäre, bei den Kanalisationsarbeiten auf diese Gefahr Rücksicht zu nehmen. Die D. AG habe jedes Mal schon dann eine Warnung auszusprechen, wenn auch nur die Möglichkeit einer ernst zu nehmenden Gefahr bestehe, die von ihrer Rohrleitung ausgehe. Dass der Gasmeister trotz schwerer Krankheit noch voll arbeitsfähig gewesen sei, widerspreche den Ausführungen im Polizeirapport vom 13. April 2005. So oder anders treffe die D. AG ein Verschulden. Sofern Gasmeister P. voll arbeitsfähig gewesen sei, es aber unterlassen habe, die beteiligten Baufirmen über die Gefahr eines Gasaustrittes ins Erdreich und in die Kanalisation zu informieren, sei dieses Verschulden der D. AG ohne Weiteres zuzurechnen; sei er hingegen nicht arbeitsfähig gewesen, so treffe die D. AG ein Verschulden, nicht dafür gesorgt zu haben, dass seine Aufgaben von einer Ersatzperson oder Ersatzorganisation wahrgenommen worden seien. Die D. AG habe es unterlassen, den Ursachen der Gasverluste nachzugehen und die beteiligten Baufirmen über das Risiko von Gasansammlungen auf der Baustelle zu informieren (act. 28 Rz 31 ff.).
In der Duplik erklärt die Beklagte sodann, der Umstand dass die D. AG aufgrund ihrer dauernden Netzüberwachung im Sommer 2004 unerklärliche Gasverluste und Messdifferenzen festgestellt und auch sofort reagiert habe, bedeute entgegen der Meinung der Klägerinnen nicht, dass sie davon ausgegangen wäre oder hätte davon ausgehen müssen, es müsse ein Leck vorliegen. Eine Undichtigkeit i.S. von Art. 32 RLG sei bis zum Fund an der J. -Strasse am
15. November 2004 trotz aller Anstrengungen nicht feststellbar gewesen. Sodann macht die Beklagte geltend, die D. AG sei im Konzessionsvertrag zum Betrieb des Gasnetzes und zur Belieferung der Kunden verpflichtet. Es sei also nicht so, dass ein Gaswerk nach der Vermutung von Unstimmigkeiten im Gasnetz den Haupthahn einfach zudrehen könne, sondern die Lieferpflicht bleibe, und die Suche nach Ursachen und eine allfällige Reparatur müssten wenn immer möglich unter Betrieb erfolgen. Eine allgemeine Information von Herrn P. , er gehe unerklärlichen Phänomenen im Netz nach, wäre für niemanden hilfreich gewesen, denn das sei die tägliche Aufgabe des Gasmeisters: Netzüberwachung und Analyse sowie Behebung von Problemen. Das wüssten die Bausitzungsteilnehmer
aber schon, bevor sie am Tisch Platz nehmen würden. Die Bauarbeiten an der Kanalisation hätten die Trasse der Gasleitungen gar nicht tangiert. Mit einem Konflikt zwischen den Kanalisations-Sanierungsarbeiten und dem Gasnetz sei demnach gar nicht zu rechnen gewesen. Es sei sodann lediglich darum gegangen, den Kanalisationsschacht auszuwechseln, also um ein vertikales Bauteil. Es werde bestritten, dass Gasmeister P. nicht arbeitsfähig gewesen sei. Zwar seien der D. AG Gasverluste bekannt gewesen, diese hätten aber auch jenseits der Schnittstelle zu Verbrauchern entstanden sein können. Eine Orientierung der an der Kanalisation beteiligten Baufirmen mit einem allgemeinen Gasalarm wäre übertrieben und für diese nicht hilfreich gewesen, solange keine wenigstens grobe räumliche Eingrenzung möglich und ausserhalb des Netzes überhaupt kein Gasgeruch feststellbar gewesen sei (act. 32 Rz 86 ff.).
Würdigung
Ausgangslage
Die Klägerinnen werfen der D. AG einerseits sinngemäss vor, dass sie ihr Rohrleitungsnetz nicht genügend gewartet/kontrolliert hätte, indem sie die Ausfüh- rungen des TISG aufgrund der festgestellten mangelhaften Protokollierung infrage stellen. Andererseits führen sie aus, dass die D. AG die F. AG über die von ihr festgestellten Gasverluste hätte informieren müssen. Beides wird von der Beklagten bestritten.
Kontrollen / Instandsetzung der Gasleitung
Das TISG-Gutachten hält explizit fest, dass die Gutachter anhand von Stichpro-
benkontrollen im D.
festgestellt hätten, dass die verlangten periodischen
Kontrollen durchgeführt und das Gasverteilnetz bei Bedarf Instand gesetzt worden
sei. Eine Verletzung einer Sorgfaltspflicht beim D. werden können (act. 3/1 Rz 6.3).
habe nicht festgestellt
Dies bestätigen auch die Klägerinnen in der Klagebegründung (act. 1 Rz 29). Sie erklären einzig, es sei fraglich, wie der Unfallexperte angesichts einer lückenhaften Protokollierung dies überhaupt habe feststellen können (act. 1 Rz 30). Ausser
dieser pauschalen Kritik am TISG-Gutachten führen die Klägerinnen nichts aus, was auf eine mangelhafte Kontrolle oder Instandsetzung der Anlage durch die
D.
AG schliessen lassen würde. Damit können sie die Feststellung des
TISG nicht in Zweifel ziehen. Es ist davon auszugehen, dass die TISG-Gutachter die Kontrollen der D. AG trotz der lückenhaften und verbesserungswürdigen Protokollierung nachvollziehen konnten, ansonsten sie nicht auf eine so eindeutige Schlussfolgerungen gekommen wären.
Das TISG-Gutachten ist in dieser Hinsicht denn auch klar. Die Gutachter verneinen ein Verschulden der D. AG. Dass auf das TISG-Gutachten vollumfänglich abgestellt werden kann, wurde sodann vom Bundesgericht bestätigt. Damit kann vorliegend als bewiesen erachtet werden, dass die D. AG ihren Pflichten in Bezug auf Kontrolle und Instandhaltung des Gasnetzes nachgekommen ist.
Sodann offerieren die Klägerinnen neben dem TISG-Gutachten keine weiteren Beweismittel zu dieser Frage. Hätten sie das TISG-Gutachten in diesem Punkt in Frage stellen wollen, hätten sie ein neues Gutachten verlangen oder zumindest die Zeugeneinvernahmen der Gutachter oder weiterer Personen offerieren müs- sen. Dies haben sie nicht getan.
Warnung vor Gasverlust
Diesbezüglich ist unstrittig, dass die D. AG im Sommer 2004 Messdifferenzen und Gasverluste feststellte und mit einer bis zum Unfallzeitpunkt erfolglosen Lecksuche begonnen hatte. Während es die Klägerinnen aufgrund dieser Tatsa-
chen als erstellt erachten, dass die D.
AG zum Unfallzeitpunkt mit einem
Leck in ihren Leitungen rechnen musste und damit verpflichtet gewesen wäre, in Leitungsnähe tätige Bauunternehmen entsprechend zu warnen, stellt die Beklagte sich auf dem Standpunkt, dass die D. AG nicht von einem Leck in den Gasleitungen ausgegangen sei und auch nicht mit einem solchen habe rechnen müs- sen, da in einem Gasnetz aufgrund der flüchtigen Natur von Gasen ständig Bewegung herrsche und Messungen damit nie genau seien.
Wie dargelegt, tragen die Klägerinnen im vorliegenden Zusammenhang die Beweislast für ein Verschulden der D. AG. Damit haben sie darzulegen, dass es von dieser mindestens fahrlässig war, aufgrund der festgestellten Gasverluste keine Warnung gegenüber der F. AG auszusprechen. Vorwerfbar ist bei der Fahrlässigkeit ein jeweils objektiv zu messender Mangel an Sorgfalt, wobei sich Sorgfaltspflichten in erster Linie aus gesetzlichen Regelungen, die der Unfallverhütung und der Sicherheit dienen, sowie aus allgemein anerkannten Verhaltensregeln ergeben. Sodann kann auf den allgemeinen Gefahrensatz abgestellt werden (KESSLER, in: Basler Kommentar Obligationenrecht I, 6. Aufl., Basel 2015, Art. 41 N 48). Ist das Verschulden einer juristischen Person zu beurteilen, so ist auf das Verschulden der Organe abzustellen (Art. 55 Abs. 2 ZGB; KESSLER, a.a.O., Art. 41 N 46).
Gemäss Art. 32 RLG hat eine Unternehmung unverzüglich alle geeigneten Massnahmen zu treffen, um das Entstehen oder die Ausbreitung eines Schadens zu verhindern und entstandene Schäden oder Gefahren raschestens zu beheben, wenn eine Rohrleitungsanlage undicht wird. Insbesondere sind das Bundesamt und die von der Kantonsregierung bezeichnete Alarmstelle unverzüglich zu benachrichtigen. Wussten die Verantwortlichen der D. AG tatsächlich von einer Undichtigkeit ihrer Rohrleitungsanlage, hätten entsprechende Meldungen demnach erfolgen müssen. Gleiches gilt für den Fall, dass sie aufgrund der festgestellten Gasverluste von einer undichten Gasleitung hätten ausgehen müssen, das Leck jedoch (noch) nicht entdeckt hätten.
Damit haben die Klägerinnen in rechtsgenügender Weise darzulegen und zu beweisen, dass ein Organ der D. AG von einem Leck in der Rohrleitungsanlage wusste oder zumindest mit einem solchen hätte rechnen müssen, und dennoch die entsprechenden Stellen und die F. AG über die Gefahrensituation nicht informierte.
Nach Art. 55 Abs. 1 ZPO haben die Parteien dem Gericht die Tatsachen darzulegen, auf die sie ihre Begehren stützen, und die Beweismittel anzugeben. Die konkreten Anforderungen an die Substantiierung der anspruchsbegründenden Tatsachen ergeben sich einerseits aus den Tatbestandsmerkmalen der angerufenen
Norm und andererseits aus dem prozessualen Verhalten der Gegenpartei. Tatsachenbehauptungen sind so konkret zu halten, dass ein gezieltes Bestreiten mög- lich ist und der Gegenbeweis angetreten werden kann. Bestreitet der Prozessgegner das Vorbringen der behauptungsbelasteten Partei schlüssig und widerspruchsfrei, muss diese die rechtserheblichen Tatsachen nicht nur in den Grundzügen, sondern so umfassend und klar darlegen, dass darüber Beweis abgenommen werden kann. Nur hinreichend substantiierte Sachvorbringen begründen einen Beweisanspruch (WALTER, a.a.O., Art. 8 N 199 f.; BGE 127 III 365 E. 2b mit Hinweisen).
Die klägerischen Ausführungen beschränken sich auf die Aussage, dass Gasverluste festgestellt worden seien und mit einer Gaslecksuche begonnen worden sei, weshalb die D. AG mit einem Gasleck gerechnet habe. Nachdem die Beklagte in der Klageantwort und insbesondere in der Duplik bestreitet, dass allein aufgrund dieser beiden (unstrittigen) Tatsachen darauf geschlossen werden kön- ne, dass auch tatsächlich mit einer lecken Gasleitung habe gerechnet werden müssen, und eine nicht unplausible Erklärung für ihren Standpunkt wiedergibt, hätten die Klägerinnen substantiiert und detailliert dazulegen gehabt, wer bei der
D.
AG wann genau Gasverluste in welchem Umfang festgestellt hat bzw.
darüber in Kenntnis gesetzt wurde, damit die Frage einer Pflichtverletzung hätte beurteilt werden können. Dies haben sie nicht gemacht.
So führen die Klägerinnen gar nicht aus, dass ein Organ der D. AG überhaupt von den Gasverlusten Kenntnis hatte oder hätte Kenntnis haben müssen. Sie erklären nicht einmal, wer im Zeitpunkt des Unfalles bzw. in den Monaten zuvor überhaupt Organ bei der D. AG war. Eine allfällige schuldhafte Missachtung einer Meldepflicht durch die D. AG hätte jedoch nur bei Kenntnis (oder selbst verschuldeter Unkenntnis) ihrer Organe über die konkrete Situation bestehen können. Entsprechend legen die Klägerinnen kein Verschulden der D. AG dar.
Denn während für eine Befreiung von der Haftung nach Rohrleitungsgesetz gemäss expliziter Bestimmung in Art. 33 Abs. 2 RLG auch keine Person, für welche der Inhaber oder Eigentümer einer Rohrleitungsanlage verantwortlich ist, ein Verschulden treffen darf und insofern eine auf gesetzlicher Regelung beruhende Verschuldenszurechnung für Hilfspersonen besteht, ist für den Regress im Innenverhältnis mehrerer Haftpflichtiger nur das eigene Verschulden einer beteiligten Partei relevant. Damit könnte ein allfälliges Verschulden von Gasmeister P. der D. AG diesbezüglich nicht angerechnet werden.
Sodann können die Klägerinnen auch mit dem (bestrittenen) Vorwurf, dass die
D.
AG trotz einer (teilweisen) Arbeitsunfähigkeit von Gasmeister P.
nicht dafür gesorgt habe, dass dessen Aufgaben von einer Ersatzperson oder Ersatzinstitution wahrgenommen worden seien, kein Verschulden der D. AG am Schaden des Geschädigten konstruieren. Denn Gasmeister P. war unstrittig zumindest noch in der Lage, Gasverluste festzustellen und mit einer Lecksuche zu beginnen. Somit war er zweifellos auch noch dazu fähig, wenn nötig eine Gefährdungsmeldung an die F. AG zu übermitteln. Eine andere Pflichtverletzung werfen dem Gasmeister auch die Klägerinnen nicht vor. Damit ist selbst bei Annahme einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit des Gasmeisters nicht ersichtlich, inwiefern die D. AG für den Schaden des Geschädigten ein Verschulden treffen sollte. Weiter haben die Klägerinnen ohnehin kein taugliches Beweismittel für die Arbeits(un)fähigkeit bzw. den Gesundheitszustand des Gasmeisters im relevanten Zeitpunkt genannt. Aus dem Polizeirapport der Kantonspolizei Schwyz vom 13. April 2005 geht jedenfalls nicht mit der nötigen Sicherheit hervor, dass er in einem solchen Grade arbeitsunfähig war, dass die D. AG seine Ersetzung nicht schuldhaft unterlassen konnte.
Hinzu kommt, dass die Klägerinnen auch die Umstände, welche eine Meldepflicht auslösen könnten, nicht genügend darlegen. Sie hätten diesbezüglich insbesondere zu behaupten gehabt, wie gross die festgestellten Gasverluste tatsächlich waren. Dies wäre nötig gewesen, um Rückschlüsse auf eine allfällige Meldepflicht ziehen zu können. Denn bei nur marginalen Gasverlusten muss ein Gaswerk nicht von einem Leck in ihren Leitungen ausgehen, wohingegen sich bei grossen Verlusten der entsprechende Schluss geradezu aufdrängt. Dazu liessen sich die Klägerinnen jedoch nicht vernehmen. Sie hätten sodann zumindest taugliche Beweismittel dafür offerieren müssen, dass die Menge des entwichenen Gases hätte
festgestellt werden können. Auch dies haben die Klägerinnen unterlassen. Ohne die Feststellung der entsprechenden Grundlagen ist es jedoch - auch für einen Experten - nicht möglich, die Frage einer Pflichtverletzung zu beurteilen. Nur bei Kenntnis über den Umfang der festgestellten Gasverluste könnte somit überhaupt Beweis darüber geführt und beurteilt werden, ob das Unterlassen einer Gefährdungsmeldung tatsächlich eine Pflichtverletzung darstellte. Auch aus diesem Grund ist ein Verschulden der D. AG nicht dargetan.
Schliesslich könnten die Klägerinnen, selbst wenn man ihre Behauptungen in diesen Punkten genügen lassen wollte, den entsprechenden Beweis dafür nicht erbringen, da sie keine tauglichen Beweismittel genannt haben. Der Umstand, dass die D. AG mit einer Lecksuche begann, zeigt zwar, dass ein Leck für mög- lich gehalten wurde. Dies beweist aber nicht mit dem erforderlichen Mass, dass sie tatsächlich hätte davon ausgehen müssen, dass wirklich ein Gasleck vorlag. Ohne Anmassung von entsprechenden technischen Kenntnissen kann das hiesige Gericht dies nicht willkürfrei feststellen. Die unter diesem Titel offerierten Urkunden sagen nichts über eine allfällige Meldepflicht der D. AG aus. Vielmehr wird dieser im TISG-Gutachten explizit bescheinigt, dass sie kein Verschulden treffe. Ein (technisches/chemisches/physikalisches) Gutachten offerieren die Klägerinnen sodann unter dem Titel des Verschuldens der D. AG einzig zu Randziffer 36 der Replik. In dieser Ziffer machen die Klägerinnen jedoch - wie dargelegt - weder Behauptungen über die Menge des entwichenen Gases, noch führen sie andere Umstände aus, aufgrund welcher das Vorliegen einer Meldepflicht für einen Gutachter beurteilbar würde.
Sodann wäre ein Verschulden der D. AG für einen Regress auf die Beklagte im Innenverhältnis gar nicht relevant. Denn die Beklagte hat als Versicherer gemäss Art. 35 RLG die Risiken einer Haftung nach den Art. 33 und 34 RLG zu decken. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie gemäss dem Versicherungsvertrag zusätzlich auch für schuldhaftes Verhalten im Sinne von Art. 41 OR einzustehen hat. Dies wurde zumindest von keiner der Parteien vorgebracht. Damit müsste auf die D. AG selber Regress genommen werden, wenn man einen aus Verschulden haftpflichtigen, der an erster Stelle der Regressordnung nach
Art. 51 OR steht, ins Recht fassen wollte. Der Beklagten wäre ein solches nicht anzurechnen. Und ein eigenes Verschulden der Beklagten am Schaden des Geschädigten ist ohnehin zu verneinen.
9.8. Fazit
Nach dem Gesagten ist vorliegend davon auszugehen, dass die F. AG als Arbeitgeberin gegenüber dem Geschädigten aus dem Arbeitsvertrag haftbar ist. Daneben haftet auch die D. AG aus dem Rohrleitungsgesetz, ohne dass sie zusätzlich ein Verschulden am eingetretenen Schaden trifft.
Nach der gesetzlichen Ordnung von Art. 51 Abs. 2 OR haftet damit die F. AG an zweiter Stelle und die D. AG (bzw. die Beklagte) erst an dritter Stelle. Somit beträgt die Quote, welche von der D. AG bzw. der Beklagten zu tragen ist, vorliegend 0 %. Für eine Abweichung von der Stufenfolge nach Art. 51 Abs. 2 OR besteht sodann kein Anlass, zumal das Bundesgericht - entgegen der Lehrmeinung zur Vorwegtragung der Betriebsgefahr - an der wortlautgemässen Anwendung dieser Bestimmung festgehalten hat (BGE 137 III 352). Dafür fehlt es auch an genügenden Parteibehauptungen zum Verhältnis der beiden haftpflichtigen Parteien. Das Regressprivileg der F. AG schlägt damit voll auf die Beklagte durch, womit ein Regress auf sie nicht möglich ist. Somit ist die Klage voll- umfänglich abzuweisen.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen und Arbeitsfähigkeit
Da die Klage nach dem Gesagten aufgrund der ausgedehnten Wirkung des Regressprivilegs der F. AG auf die Beklagte auch dann vollumfänglich abzuweisen wäre, wenn ein Regressanspruch der Klägerinnen grundsätzlich bestün- de, kann vorliegend offen bleiben, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Geschädigte tatsächlich erlitten hat und wie sich diese auf seine Arbeitsfähigkeit ausgewirkt haben. Somit ist die Einholung eines entsprechenden Gutachtens vorliegend obsolet.
Kausalität
Aufgrund der dargestellten Wirkung des Regressprivilegs erübrigen sich sodann Ausführungen zur Kausalität. Festzuhalten bleibt, dass das Bundesgericht im Rückweisungsentscheid auf die Rüge der Beklagten in Bezug auf das (verneinte) Selbstverschulden des Geschädigten nicht eingetreten ist (act. 56 E. 9).
Schadenersatzbemessung/Schadensberechnung/Regressansprüche
Die diesbezüglichen Ausführungen entfallen. Zu bemerken ist immerhin, dass das Bundesgericht in Bezug auf den Rentenschaden im Rückweisungsentscheid bestätigt hat, dass eine Subrogation der Klägerinnen unabhängig davon erfolge, ob der Rentenschaden aus Finanzierungslücken bei der AHV oder solchen bei der BVG-Rente resultiert (act. 56 E. 5).
Regresszins
Auch diesbezügliche Erwägungen sind obsolet. Anzumerken ist, dass das Bundesgericht im Rückweisungsentscheid nicht auf die Rüge der Beklagten eingetreten ist, dass den Klägerinnen im aufgehobenen Entscheid ein Regresszins zugesprochen worden war (act. 56 E. 10).
Zusammenfassung der Tatund Rechtsfragen
Der Geschädigte erlitt am 8. September 2004 in einem Kanalisationskontrollschacht in C. infolge einer Entzündung von Gas, welches aus der Rohrleitungsanlage der D. AG ausgetreten war, einen Unfall. Für dessen Folgen haftet die Beklagte grundsätzlich gegenüber dem Geschädigten als Haftpflichtversicherer der D. AG kausal nach Art. 33 Abs. 1 RLG. Sodann ist davon auszugehen, dass vorliegend neben der Beklagten auch die Arbeitgeberin des Geschädigten, die F. AG, für den Schaden des Geschädigten aus Arbeitsvertrag haftet. Da letztere im Innenverhältnis mit der D. AG bzw. der Beklagten nach Art. 51 Abs. 2 OR den gesamten Schaden zu tragen hätte, profitiert die Beklagte gemäss den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts im Rückweisungsentscheid vollumfänglich vom Regressprivileg der F. AG nach Art. 75
Abs. 2 ATSG. Damit ist die Klage abzuweisen und es kann offen bleiben, ob der Geschädigte tatsächlich kausal den geltend gemachten Schaden erlitten hat.
Kostenund Entschädigungsfolgen
Die Höhe der Gerichtskosten bestimmt sich nach der Gebührenverordnung des Obergerichts (GebV OG) vom 8. September 2010 (Art. 96 ZPO i.V.m. Art. 199 Abs. 1 GOG) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach dem tatsächlichen Streitinteresse (§ 2 Abs. 1 lit. a GebV OG). Der Streitwert wird durch das Rechtsbegehren bestimmt (Art. 91 ZPO) und beträgt vorliegend CHF 1'321'242.35 (act. 1 S. 2). In Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 GebV OG sind die Gerichtskosten unter Berücksichtigung des besonderen Zeitaufwandes sowie der teilweise komplexen Rechtsfragen auf rund vier Drittel der Grundgebühr festzusetzen und ausgangsgemäss den Klägerinnen - unter solidarischer Haftung
aufzuerlegen. Sie sind (soweit möglich) vorab aus dem von der Klägerin 1 geleisteten Vorschuss in Höhe von CHF 34'000.- zu decken (Art. 111 Abs. 2 ZPO).
Ausserdem haben die Klägerinnen als unterliegende Parteien - unter solidarischer Haftung - der Beklagten eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Höhe der Parteientschädigung wird nach der Anwaltsgebührenverordnung vom 8. September 2010 (AnwGebV) festgesetzt (Art. 105 Abs. 2 und Art. 96 ZPO). Die Grundgebühr ist mit der Begründung oder Beantwortung der Klage verdient, wobei auch die Teilnahme an der Hauptverhandlung abgedeckt ist. Für die Teilnahme an zusätzlichen Verhandlungen und für jede weitere notwendige Rechtsschrift ist ein Zuschlag zu berechnen (§ 11 Abs. 1 und 2 AnwGebV). In Anbetracht der eingereichten Rechtsschriften und der durchgeführten Vergleichsverhandlung (Prot. S. 8 f.) ist die Parteientschädigung in Anwendung von §§ 2, 4 und 11 AnwGebV auf CHF 52'000.- festzusetzen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 45'000.-.
Die Kosten werden den Klägerinnen - unter solidarischer Haftung - auferlegt und (soweit möglich) vorab aus dem von der Klägerin 1 geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
Die Klägerinnen werden - unter solidarischer Haftung - verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung von CHF 52'000.- zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 1'321'242.35.
Zürich, 3. Juli 2017
Handelsgericht des Kantons Zürich
Vorsitzender:
Roland Schmid
Gerichtsschreiber:
Dr. Moritz Vischer
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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