Zusammenfassung des Urteils HG130017: Handelsgericht des Kantons Zürich
Der Gesuchsteller und Beschwerdeführer hat gegen eine Verfügung des Bezirksgerichts Winterthur Beschwerde eingereicht, die aufgrund von nicht geleisteten Gerichtskostenvorschüssen abgewiesen wurde. Der Richter, Oberrichterin Dr. L. Hunziker Schnider, hat entschieden, dass die Beschwerde nicht begründet ist und nicht weiterverfolgt wird. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 150 werden dem Gesuchsteller auferlegt. Die verlierende Partei ist männlich.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HG130017 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 21.01.2015 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Garant; Garantie; Abruf; Recht; Parteien; Auslegung; Bietungsgarantie; Beklagten; Bankgarantie; Begünstigte; Vertrag; Wortlaut; Garantietext; Vollmacht; Bundesgericht; Begünstigten; Voraussetzung; Abrufvoraussetzung; Vertretung; Rechtsanwalt; Urteil; Voraussetzungen; Garantievertrag; Bundesgerichts; Abrufvoraussetzungen |
Rechtsnorm: | Art. 1 IPRG ;Art. 106 ZPO ;Art. 111 OR ;Art. 111 ZPO ;Art. 126 IPRG ;Art. 21 IPRG ;Art. 233 ZPO ;Art. 6 ZPO ;Art. 91 ZPO ;Art. 93 ZPO ;Art. 95 ZPO ;Art. 96 ZPO ;Art. 98 ZPO ; |
Referenz BGE: | 121 III 123; 131 III 511; 131 III 611; 138 III 241; |
Kommentar: | - |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Geschäfts-Nr.: HG130017-O U
Mitwirkend: Oberrichter Dr. George Daetwyler, Vizepräsident, und die Oberrichterin Dr. Helen Kneubühler, die Handelsrichterin Ursula Suter, die Handelsrichter Dr. Felix Graber und Thomas Steinebrunner sowie der Gerichtsschreiber Dr. David Egger
in Sachen
A. Sp. z o.o.,
Klägerin
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X._ , vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X1._ ,
gegen
B._ [Bank],
Beklagte
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y._ , vertreten durch Fürsprecherin Dr. iur. Y1. ,
betreffend Forderung
(act. 1 S. 2)
Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin EUR 360'000.zuzüglich Zins zu 5% seit 30. November 2010 zu bezahlen,
unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten.
Sachverhaltsübersicht
Parteien und ihre Stellung
Die Klägerin ist eine im polnischen Handelsregister eingetragene Gesellschaft mit Sitz in C._ , welche zahlreiche Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Eisenbahnwesen erbringt (act. 3/2; act. 1 S. 6 f.). Bei der Beklagten handelt es sich um eine im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragene öffentlichrechtliche Anstalt, welche als Universalbank tätig ist (act. 3/3).
Prozessgegenstand
Im vorliegenden Verfahren geht es um eine Bankgarantie, welche die Beklagte
auf Antrag der D._
AG (im Folgenden abgekürzt: D._
AG) am
17. Dezember 2009 zugunsten der Klägerin ausgestellt hat. Die Beklagte verpflichtete sich darin, als Garantin der Klägerin als Begünstigte im Garantiefall den Betrag von EUR 360'000.zu bezahlen. Da die Beklagte trotz des Garantieabrufs durch die Klägerin vom 29. November 2010 die Auszahlung der Garantiesumme verweigerte, reichte die Klägerin die vorliegende Klage auf Zahlung der Garantiesumme ein. In einem Eventualstandpunkt macht die Klägerin in ihrer Replik eine Haftung der Beklagten wegen grober Unsorgfalt geltend.
Prozessverlauf
Am 28. Januar 2013 (Datum Poststempel) reichte die Klägerin hierorts die Klage ein (act. 1). Mit Verfügung vom 30. Januar 2013 wurde der Klägerin unter Hinweis
auf Art. 98 ZPO Frist angesetzt, um für die Gerichtskosten einen Vorschuss zu leisten (act. 4), was sie fristgerecht tat (act. 7). Mit derselben Verfügung wurde der Klägerin Gelegenheit gegeben, um ein Verzeichnis der Beweismittel einzureichen (act. 4). Mit Eingabe vom 5. Februar 2013 erklärte die Klägerin, das in der Klageschrift enthaltene Beilagenverzeichnis könne als Beweismittelverzeichnis i.S.v. Art. 221 Abs. 2 lit. d ZPO gelten (act. 6). Nachdem der Beklagten mit Verfügung vom 6. März 2013 Frist zur Einreichung der Klageantwort angesetzt worden war (act. 8), reichte die Beklagte die Klageantwort am 17. Mai 2013 (Datum Poststempel) ein (act. 12). Da die Vergleichsgespräche zwischen den Parteien vom
16. September 2013 zu keiner Einigung führten (Prot. S. 6 f.), wurde mit Verfügung vom 17. September 2013 der zweite Schriftenwechsel angeordnet (act. 18). Die Klägerin erstattete ihre Replik mit Eingabe vom 19. November 2013 (act. 20). Die Duplik datiert vom 7. Februar 2014 (act. 24). Sie wurde der Klägerin mit Verfügung vom 12. Februar 2014 zugestellt (act. 25).
Da die Parteien in Anwendung von Art. 233 ZPO auf die Durchführung einer Hauptverhandlung verzichtet haben (act. 29 und act. 30), erweist sich das Verfahren als spruchreif.
Zuständigkeit
Sowohl bezüglich der örtlichen als auch der sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons Zürich sind sich die Parteien einig (act. 1 S. 4 f.; act. 12 S. 2).
Örtliche Zuständigkeit
Die Klägerin ist ein polnisches Eisenbahnunternehmen mit Sitz in C._ ; bei der Beklagten handelt es sich um eine im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragene öffentlichrechtliche Anstalt mit Sitz in Zürich. Im vorliegenden Verfahren geht es um eine Bankgarantie; die Klägerin klagt auf Erfüllung dieser Garantie. Es liegt somit ein internationaler Sachverhalt i.S.v. Art. 1 Abs. 1 IPRG vor. Die Beklagte kann gemäss Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 LugÜ im Staat, in welchem sich ihr satzungsmässiger Sitz befindet, also in der Schweiz, verklagt werden. Die schweizerischen Gerichte sind folglich international zuständig.
Aufgrund des statutarischen Sitzes der Beklagten in Zürich sind die Gerichte in Zürich örtlich zuständig (Art. 112 i.V.m. Art. 21 IPRG).
Sachliche Zuständigkeit
Weil die Klägerin ihren Anspruch auf eine Bankgarantie der Beklagten stützt, der Streitwert EUR 360'000.beträgt und die Parteien im schweizerischen bzw. in einem vergleichbaren ausländischen Handelsregister eingetragen sind, ist das Handelsgericht des Kantons Zürich zur Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit auch sachlich zuständig (Art. 6 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 44 lit. b GOG).
Anwendbares Recht
Auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist mangels expliziter Rechtswahl - Schweizer Recht anwendbar (Art. 117 Abs. 2 und 3 lit. e IPRG), worüber zwischen den Parteien auch Einigkeit besteht (act. 1 S. 5 f.; act. 12 S. 5).
Vorbemerkungen
Im vorliegenden Verfahren geht es um eine Bankgarantie, welche die Beklagte im Auftrag der D._ AG am 17. Dezember 2009 zugunsten der Klägerin ausgestellt hat. Die Beklagte verpflichtete sich als Garantin gegenüber der Klägerin als Begünstigte, im Garantiefall den Betrag von EUR 360'000.zu bezahlen. Die vorliegende Streitigkeit dreht sich im Kern um die Frage, ob sämtliche Voraussetzungen für einen Garantieabruf erfüllt sind. Der wesentliche Sachverhalt ist zwischen den Parteien weitgehend unbestritten.
Unbestrittener Sachverhalt
Die Klägerin plante im Jahre 2009 die Anschaffung von 16 fabrikneuen, elektrobetriebenen Schienenfahrzeugen. Da die Klägerin seit 2007 zu 100% der E._ gehört, unterlag eine solche Anschaffung dem öffentlichen Beschaffungswesen von Polen und der Europäischen Union (EU). Die D._ AG hat an der Ausschreibung teilgenommen und entschied, sich eine Offerte auf die öffentliche Bekanntmachung der Klägerin vom 19. November 2009 zu unterbreiten. In der Bekanntmachung war vorgesehen, dass zusammen mit der Offerte eine Sicherheit
in Form einer Bietungsgarantie einzureichen war. Die D._
AG übermittelte
zusammen mit ihrer Offerte die geforderte Bietungsgarantie der Beklagten über den verlangten Betrag von EUR 360'000.- (act. 1 S. 8 Rz. 19 ff.; act. 12 S. 3,
S. 12 f.).
Der Wortlaut der Bietungsgarantie der Beklagten, DOK-238204 A, vom
17. Dezember 2009 lautet wie folgt (act. 3/5):
D._ [Adresse]
Am 12. Januar 2010 erteilte die Geschäftsführung der Klägerin aufgrund der vordefinierten Zuschlagskriterien der D. AG den Zuschlag für die Lieferung der 16 Schienenfahrzeuge (act. 1 S. 12 Rz. 34; act. 12 S. 16).
Die Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Klägerin und der D._ AG
verzögerte sich jedoch. Weil sowohl die Offerte als auch die Bietungsgarantie befristet waren, verlängerte die D._ AG die Gültigkeit ihrer Offerte und diejenige der Bietungsgarantie drei Mal, letztmals bis zum 30. November 2010 (act. 1
12 f. Rz. 35 ff.; act. 12 S. 3 und 16). Mit Schreiben vom 24. November 2010 informierte die D._ AG die Klägerin darüber, dass sie den Vertrag über die Lieferung der Schienenfahrzeuge nicht unterzeichnen werde (act. 1 S. 13 Rz. 39; act. 12 S. 17; vgl. auch act. 3/17).
In der Folge verlangte die Klägerin mit Schreiben vom 29. November 2010 von der Beklagten die Auszahlung der Bietungsgarantie mit der Begründung, der Garantiefall gemäss lit. A) Ziff. 1. der Bietungsgarantie sei eingetreten. Das Schreiben wurde vom damaligen Rechtsbeistand der Klägerin, Z. , unterzeichnet und mit den folgenden Beilagen im Original an die Beklagte versandt (act. 1 S. 13 Rz. 40; act. 12 S. 17; vgl. auch act. 3/18):
Bietungsgarantie DOK-238204 A vom 17. Dezember 2009;
Amendments Nr. 1-3 zur Bietungsgarantie DOK-238204 A;
Handelsregisterauszug der Klägerin vom 12. Oktober 2010, mittels Apostille beglaubigt (inkl. englische Übersetzung durch eine beeidigte Übersetzerin);
Abschrift der Vollmacht in Form einer öffentlichen Urkunde zugunsten von Herrn Z._ , mittels Apostille beglaubigt (inkl. englische Übersetzung durch eine beeidigte Übersetzerin).
Am 30. November 2010 beantwortete die Beklagte das Ersuchen der Klägerin und verweigerte die Auszahlung der Bietungsgarantie mit der Begründung, dass das Schreiben vom 29. November 2010 lit. B) der Bietungsgarantie nicht erwähne und dass die Unterschriften der Zeichnungsberechtigten der Klägerin auf der Abschrift der Vollmacht in Form der öffentlichen Urkunde vom 26. November 2010 fehlten (act. 1 S. 14 f. Rz. 42; act. 12 S. 17; act. 3/19). Noch am selben Tag legte der Rechtsvertreter der Klägerin in einem erneuten Schreiben an die Beklagte dar, warum lit. B) der Bietungsgarantie im Ersuchen um Auszahlung der Bietungsgarantie vom 29. November 2010 nicht erwähnt worden sei und warum die Vollmacht in Form der öffentlichen Urkunde vom 26. November 2010 keine Unterschriften der Zeichnungsberechtigten der Klägerin enthalten habe (act. 1 S. 14;
act. 12 S. 17). In der nachfolgenden Korrespondenz zwischen den Parteien bekräftigten diese ihre Standpunkte (act. 3/21-3/23). Der Rechtsvertreter der Klägerin legte dabei in einem weiteren Schreiben an die Beklagten erneut dar, weshalb lit. B) der Bietungsgarantie im Ersuchen um Auszahlung der Bietungsgarantie vom 29. November 2010 nicht erwähnt worden sei und warum die Vollmacht in Form der öffentlichen Urkunde vom 26. November 2010 keine Unterschriften der Zeichnungsberechtigten der Klägerin enthalten habe (act. 3/22).
Streitpunkte
Der vorliegende Streit der Parteien dreht sich im Wesentlichen um zwei Fragen: Der Hauptstreitpunkt der Parteien dreht sich um die Frage, ob sämtliche Voraussetzungen für einen Garantieabruf erfüllt seien, insbesondere, ob als zusätzliche Voraussetzung für einen Garantieabruf lit. A) und B) aber nur lit. A) oder B) des Garantievertrages erfüllt sein müssten. Nach Auffassung der Klägerin sei der Garantietext unklar und müsse ausgelegt werden, wobei eine Auslegung dazu führe, dass nur lit. A) B) erfüllt sein müssten, da diese zwei sich gegenseitig ausschliessende Garantiefälle regelten. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, die Auslegung der Bietungsgarantie habe der Garantiestrenge zu folgen, weshalb beide Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sein müssten (act. 1 S. 6 ff.; act. 12 S. 3 ff.; act. 20 S. 8 ff.; act. 24 S. 2 ff.).
Ferner ist zwischen den Parteien auch umstritten, ob der Rechtsanwalt gehörig bevollmächtigt war, den Abruf der Bankgarantie zu tätigen, und ob die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts durch die Beklagte geprüft werden könnte (act. 1 S. 18 ff.; act. 12 S. 10 ff.; act. 20 S. 26 ff.; act. 24 S. 18 ff.).
Bietungsgarantie
Anwendbares Recht
Auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist Schweizer Recht anwendbar (Art. 117 Abs. 2 und 3 lit. e IPRG), was zwischen den Parteien kein Streitpunkt ist.
Qualifikation der Tender Guarantee vom 17. Dezember 2009
Die Beklagte hat am 17. Dezember 2009 zugunsten der Klägerin eine sog. Bietungsgarantie (tender guarantee) ausgestellt, worin sich die Beklagte irrevocably and unconditionally verpflichtete, to pay you without delay on your first written demand for payment an amount up to EUR 360,000.00 [ ] provided your demand for payment is simultaneously supported by your written statement (whether in the demand itself or in a separate document(s) accompanying the demand and referred to in it) stating that: A) [ ] B) [ ] (act. 3/5).
Die Bankgarantie als Sonderform einer Garantie i.S.v. Art. 111 OR wird vom Bundesgericht als einseitige Verpflichtung der Bank definiert, die Verfügbarkeit einer bestimmten Geldsumme sicherzustellen, damit die Garantiebegünstigte die Zahlung verlangen kann, falls die mit der Garantieauftraggeberin vereinbarten Zahlungsvoraussetzungen erfüllt sind (BGE 131 III 511, 524 E. 4.1.). Die Bankgarantie ist dabei als Dreiparteienverhältnis angelegt, wobei die Bank als Garantin, die Garantieauftraggeberin und die Garantiebegünstigte daran beteiligt sind (EMMENEGGER/ZBINDEN, Die Inanspruchnahme der Bankgarantie, in: Emmenegger [Hrsg.], Kreditsicherheiten, Basel 2008, S. 139).
Die Bietungsgarantie dient als besonderer Garantietyp der Sicherstellung der Vertragsunterzeichnung im Falle des Zuschlags bei öffentlichen Ausschreibungen (Submissionen). Mit der Bietungsgarantie durch eine Bank im Land des Verkäufers kann der ausländische Importeur (Käufer) das Risiko reduzieren, dass er wegen eines Rückzugs der Offerte durch den Exporteur (Verkäufer) Verspätungen in Kauf nehmen Ersatzkäufe zu viel höheren Preisen tätigen muss. Die Bietungsgarantie hat ihren Anwendungsbereich hauptsächlich bei der Errichtung von Bauten Anlagen im Importland bei Exporten mit sehr hohen Beträgen (EMCH/RENZ/ARPAGAUS, Das Schweizerische Bankgeschäft, 7. Aufl., Zürich 2011, Rz. 1072).
Vorliegend ist die Tender Guarantee vom 17. Dezember 2009 als Bankgarantie
i.S.v. Art. 111 OR zu qualifizieren, wobei diese als sog. Bietungsgarantie ausgestaltet ist. Insofern sind sich die Parteien einig.
Unterschiedlicher Ansicht sind die Parteien jedoch darin, ob es sich bei der schriftlichen Erklärung, welche das Begehren der Klägerin um Auszahlung des Garantiebetrages enthalten muss ([ ] provided your demand for payment is simultaneously supported by your written statement [whether in the demand itself or in a separate document(s) accompanying the demand and referred to in it] stating that: [ ]; act. 3/5), um eine Bankgarantie auf erstes Auffordern mit Effektivklausel wie dies die Beklagte behauptet (act. 12 S. 6) um eine Bankgarantie auf erstes Auffordern ohne Effektivklausel wie dies die Klägerin geltend macht (act. 1 S. 15) handelt.
In Lehre und Rechtsprechung wird zwischen unterschiedlichen Abrufmechanismen einer Garantie unterschieden.
Bei der Garantie auf erstes Anfordern genügt die einfache Aufforderung des Begünstigten, damit die Bank die Garantieleistung erbringen muss. Der Begünstigte ist gegenüber der Bank nicht weiter begründungspflichtig, und die Bank trifft ihrerseits auch keine weitergehende Prüfungspflicht (EMMENEGGER/ZBINDEN, a.a.O., S. 147).
Bei der Garantie gegen Vorlage von Dokumenten wird die Garantieleistung (der formelle Garantiefall) an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft. So kann im Garantievertrag vorgesehen werden, dass der Begünstigte der Bank gewisse Dokumente vorlegen muss. Dabei kann es sich um Gerichtsoder Schiedsgerichtsurteile, Konnossemente, Lieferscheine, Expertengutachten, Bestätigungen etc. handeln. Handelt es sich beim Dokument lediglich um eine formalisierte schriftliche Erklärung des Begünstigten, der materielle Garantiefall habe sich verwirklicht, so behält die Bankgarantie ihre Liquiditätsfunktion. Ob man solche Erklärungen überhaupt der Garantie gegen Vorlage von Dokumenten zuordnen will, ist streitig. Das Bundesgericht schwankt bei der Zuordnung zwischen der dokumentären Garantie und der Garantie mit Effektivklausel (EMMENEGGER/ZBINDEN, a.a.O., S. 147 f., m.w.H.).
Schliesslich verlangt der Garantievertrag bei der Garantie auf erstes Anfordern mit Effektivklausel als Voraussetzung für den Abruf, dass der materielle Garantiefall (effektiv) eingetreten ist (EMMENEGGER/ZBINDEN, a.a.O., S. 148, m.w.H.).
Die Klägerin führt aus, es handle sich bei der vorliegend interessierenden Garantie um eine Bankgarantie auf erstes Auffordern ohne Effektivklausel (act. 1 S. 15). Es sei offensichtlich, dass es sich nicht um eine Garantie mit Effektivklausel handle, da der einschlägige Garantietext die Auszahlung der Garantiesumme nicht vom effektiven Eintritt eines das Grundverhältnis zwischen der Garantieauftraggeberin und der Begünstigten betreffenden Ereignisses, sondern ausschliesslich vom Erhalt einer bestimmten Abrufungserklärung abhängig mache. Mit anderen Worten handle es sich bei der einschlägigen Bankgarantie nicht um eine Garantie mit dahingehender Effektivklausel, dass die Klägerin beim Abruf der Bankgarantie einen Nachweis hätte erbringen müssen, dass der Garantiefall effektiv eingetreten sei. Es reiche für den gültigen Abruf der Bankgarantie vielmehr aus, dass die Klägerin bei ihrem Abruf eine bestimmte Erklärung abgebe, unabhängig davon, ob die betreffende Erklärung faktisch effektiv zutreffe nicht. Letzteres habe die Klägerin nicht zu substantiieren, geschweige denn zu beweisen, und die Beklagte habe dies auch nicht zu überprüfen (act. 20 S. 23 f.).
Die Beklagte entgegnet diesen Ausführungen der Klägerin, von der Garantie auf erstes Anfordern sei die Garantie auf erstes Anfordern mit Effektivklausel zu unterscheiden. Die Effektivklausel liege in der zusätzlichen Abrufvoraussetzung des Begünstigten, wonach dieser gewisse Angaben zum Garantiefall machen müsse. Die Effektivklausel wolle sicherstellen, dass der materielle Garantiefall effektiv eingetreten sei. Wie der Nachweis des Eintritts des materiellen Garantiefalles mangels expliziter Vereinbarung zu erfolgen habe, sei in der Lehre bis anhin kontrovers diskutiert worden. Es seien drei Meinungen vertreten worden: Nach einer ersten Meinung müsse der Begünstigte den Eintritt der in der Effektivklausel festgelegten Voraussetzungen beweisen. Nach einer zweiten Meinung sei zwar kein Beweis, aber ein Glaubhaftmachen erforderlich. Nach der dritten Meinung genüge es, wenn der Begünstigte erkläre, dass die fraglichen Voraussetzungen eingetreten seien. Das Bundesgericht habe diese Frage zwischenzeitlich entschieden und
sich der dritten Meinung angeschlossen (Urteil des Bundesgerichts 4A_505/2011 vom 13. Februar 2012). Demnach gelte: Sofern nichts anderes vereinbart worden sei, bestehe keine über den Wortlaut der Garantieklausel hinausgehende Substantiierungspflicht. Es braucht demnach weder einen Beweis noch ein Glaubhaftmachen, sondern es genüge die blosse Erklärung des Begünstigten, dass die fraglichen Voraussetzungen eingetreten seien. Im konkreten Fall liege eine Garantie auf erstes Anfordern mit Effektivklausel vor. Die Effektivklausel liege in der zusätzlichen Abrufvoraussetzung des Begünstigten, wonach dieser gewisse Angaben zum Garantiefall machen müsse, nämlich die Angaben gemäss lit. A) und
B) der Bietungsgarantie (act. 12 S. 6 f.). Das klägerische Verständnis einer Garantie mit Effektivklauseln sei daher falsch. Bei der Garantie mit Effektivklausel habe der Begünstigte nebst der Zahlungsaufforderung eine Erklärung über den effektiven Eintritt gewisser Umstände abzugeben. Dies sei nicht zu verwechseln mit dem Nachweis, dass die abgegebene Behauptung richtig sei. Im konkreten Fall werde dieser Nachweis einzig und allein durch ein written statement der Klägerin erbracht (act. 24 S. 10 f., 24).
In der vorliegend interessierenden Bietungsgarantie sahen die Parteien einerseits vor, dass die Beklagte auf erstes Verlangen (to pay you without delay on your first written demand for payment an amount up to EUR 360,000.00; act. 3/5) zu zahlen hat. Andererseits haben die Parteien aber auch die schriftlichen Erklärungen gemäss lit. A) [ ] lit. B) (provided your demand for payment is simultaneously supported by your written statement [whether in the demand itself or in a separate document(s) accompanying the demand and referred to in it] stating that: A) [ ] B) [ ]; act. 3/5) zur Zahlungsbedingung erhoben. Es handelt sich dabei um eine formalisierte schriftliche Erklärung der Begünstigten, und damit um eine formalisierte Zahlungsbedingung, der materielle Garantiefall habe sich verwirklicht. Wie man diese Erklärungen im Einzelnen qualifiziert, ist in Lehre und Rechtsprechung teilweise strittig (EMMENEGGER/ZBINDEN, a.a.O., S. 148, m.w.H.). Es handelt sich vorliegend jedoch nicht um eine Effektivklausel, wie dies die Beklagte geltend macht. Eine solche würde verlangen, dass der Nachweis für den Ausfall eines erwarteten bzw. Eintritt eines befürchteten Ereignisses erbracht werden müsste. Solche materiellen Zahlungsbedingungen sind bei Bankgarantien
jedoch unüblich, da es Banken kaum möglich ist, solche materiellen Abklärungen zu treffen (KLEINER, Bankgarantie, 4. Aufl., Zürich 1990, N 17.04). Formalisierte Zahlungsbedingungen, wie Dokumente Erklärungen, sind dagegen üblich.
Unabhängig davon, wie man die vorliegende Bietungsgarantie qualifiziert, hat das Bundesgericht in einem neueren Entscheid festgehalten, dass in Bezug auf den Eintritt des Garantiefalls eine streng formalisierte Betrachtungsweise gelte, die allein auf den Wortlaut der Garantieklausel abstelle. Der Begünstigte müsse der Garantin gegenüber nur die (aber hier auch alle) Voraussetzungen erfüllen, die in der jeweiligen Garantieklausel als Bedingungen für das Entstehen der Zahlungspflicht der Garantin ihr gegenüber festgelegt seien. So könne die Garantin etwa keine Vorleistungen verlangen, die sich nicht eindeutig aus dem Garantietext ergäben. Diese Grundsätze seien nicht vereinbar mit einer Verpflichtung der Begünstigten, den Eintritt des Garantiefalls über den Wortlaut der Garantieklausel hinausgehend näher zu substantiieren. Es liege vielmehr in der Verantwortung der Garantin, sämtliche Voraussetzungen für die Auszahlung der Garantiesumme im Garantieversprechen aufzuführen. Die Begünstigte sei insofern in ihrem Vertrauen auf den Inhalt des Garantieversprechens zu schützen (BGE 138 III 241,
E. 3.4. und 3.5. [Urteil des Bundesgerichts 4A_505/2011 vom 13. Februar 2012]).
Selbst wenn daher die vorliegende Garantie als Garantie auf erstes Anfordern mit Effektivklausel zu qualifizieren wäre, ist zwischen den Parteien unbestritten, dass die Klägerin als Abrufvoraussetzung die schriftliche Erklärung in lit. A) und/oder lit. B) der Garantie gegenüber der Beklagten machen musste und diese nicht weiter substantiieren musste.
Strittig ist dagegen wie erwähnt ob die verlangte Erklärung lit. A) und B) aber lit. A) oder B) umfassen musste.
Bevor auf die Auslegungsfrage der Abrufvoraussetzungen der vorliegenden Bietungsgarantie eingegangen wird, ist auf die zwischen den Parteien ebenfalls strittige Frage einzugehen, ob der Abruf der Garantie durch die formell richtige Begünstigte erfolgt sei.
Formalitäten des Garantieabrufs
Die Beklagte verweigerte die Auszahlung der Bankgarantie u.a. deshalb,
weil der Nachweis der Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Z._
durch die
Klägerin gegenüber der Beklagten nicht erbracht worden sei (act. 24 S. 18).
Der Abruf einer Garantie muss gemäss Lehre u.a. durch den formell richtigen Begünstigten seinen bevollmächtigten Vertreter erfolgen. Insbesondere bei juristischen Personen stellt sich die Frage, ob die Bank die Vertretungsbefugnis der Erklärungsträgerin überprüfen muss. Häufig sieht der Garantievertrag vor, dass die Begünstigte den Abruf der Bankgarantie über ihre (Haus-)Bank vornehmen muss und dass diese gegenüber der Garantiebank die Vertretungsbefugnis zu bestätigen hat. Dann kann die (Garantie-)Bank auf diese Bestätigung abstellen. Regelt der Garantievertrag diese Frage nicht, so sollte es mit Blick auf die Liquiditätsfunktion der Bankgarantie genügen, wenn die Vertretungsbefugnis dem äusseren Anschein nach vorliegt etwa, wenn die Unterzeichnenden sich selbst als Organe Zeichnungsbefugte bezeichnen (EMMENEGGER/ZBINDEN, a.a.O., S. 151).
Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang im Wesentlichen aus, dass die von der Beklagten ausgestellte Bietungsgarantie verlange, dass die Garantie von der Klägerin schriftlich abgerufen werde. Der Garantietext enthalte keine besonderen Erfordernisse bezüglich der Schriftlichkeit. Begünstigte der Bietungsgarantie sei die Klägerin. Ein Abruf der Garantie sei auch durch einen direkten Stellvertreter der Begünstigten möglich. Die Klägerin habe Rechtsanwalt Z._ als Stellvertreter bevollmächtigt. Die Vollmacht sei mittels einer öffentlichen Beurkundung erteilt und mit einer Apostille versehen worden. Für die ausreichende Legitimation des Stellvertreters zum Abruf der Garantie hätte die einfache Schriftlichkeit genügt, da der Garantietext keine besonderen, über die einfache Schriftlichkeit hinausgehenden Anforderungen enthalte. Mit der öffentlichen Beurkundung sei die Vertretungsvollmacht in einer Form erteilt worden, die über die einfache Schriftlichkeit hinausgehe. Aufgrund der Tatsache, dass die öffentliche Beurkundung die wesentlich strengere Form darstelle, sei mit ihr das Erfordernis der Schriftlichkeit (über)erfüllt worden. Nach polnischem Recht (Art. 95 und 110 des
polnischen Notariatsgesetzes), welches in Bezug auf die Stellvertretung und die Verpflichtung Dritter durch den Stellvertreter massgebend sei (Art. 126 Abs. 2 IPRG), verbleibe das Original einer öffentlichen Urkunde (die sogenannte Urschrift) beim Notariat; ausgehändigt würden nur wortgetreue Abschriften (Art. 95 des polnischen Notariatsgesetzes laute auf Englisch übersetzt: The original deeds can not be issued outside of the place of their storage.; Art. 110 § 1 laute: Copies of deeds are issued to the parties of the act or those persons for whom it has been reserved in the act the right to obtain the extract, as well as their successors.). Solche Abschriften trügen naturgemäss statt den Unterschriften der Parteien die Bestätigung des Notars, dass die Urkunde von ihnen unterzeichnet worden sei. Eine derartige Abschrift habe die volle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, was sich auch nach schweizerischem Recht nicht anders verhalte (vgl. etwa Art. 26 des bernischen Notariatsgesetzes). Die Abschrift der öffentlichen Urkunde, welche notabene durch eine beeidigte Übersetzerin ins Englische übersetzt und mit einer Apostille versehen worden sei (vgl. das Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961), genüge daher als Nachweis der Stellvertretungsvollmacht, damit Rechtsanwalt Z._ , stellvertretend für die Klägerin, die Garantie gültig habe abrufen können. Die Bietungsgarantie sei somit in der richtigen Form fristgerecht abgerufen worden. Die Beklagte gehe fehl, wenn sie meine, der Garantieabruf sei ungenügend gewesen, weil auf der Abschrift der Vollmachtsurkun-
de die Unterschriften von F._
und G._
nicht ersichtlich seien (act. 1
S. 18 f.; weiter präzisiert in act. 20 S. 26 ff.).
Die Beklagte anerkennt in ihrer Duplik ausdrücklich, dass ein Abruf der Bankgarantie durch einen rechtmässigen Vertreter grundsätzlich möglich sei. Sie bestreitet ferner auch nicht, dass Rechtsanwalt Z._ gehörig bevollmächtigt gewesen sei. Der Einwand der Beklagten beschränkt sich vielmehr darauf, dass die Beklagte die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Z. nicht habe überprüfen können (so die Beklagte ausdrücklich in der Duplik: act. 24 S. 18).
Die Beklagte wendet gegen die Vorbringen der Klägerin im Einzelnen ein, dass der Grundsatz der Garantiestrenge auch Auswirkungen auf die Frage der Abrufberechtigung zeitige. In diesem Zusammenhang besage dieser Grundsatz, dass
der Abruf durch den formell Begünstigten erfolgen müsse. Dies werde auch in der Bietungsgarantie selber festgehalten, welche eine Erklärung der Begünstigten (your written statement') verlange. Ein Abruf durch einen rechtmässigen Vertreter sei grundsätzlich möglich, soweit der Garantievertrag nicht etwas anderes vorsehe. In der Klageschrift werde die Frage der Form der Abruferklärung mit der Frage der Form der Einräumung der Vertretungsmacht vermengt. Das in der Klage diskutierte Schriftformerfordernis beziehe sich allein auf die Form der Abruferklärung. Die Schriftform sei mit dem von Rechtsanwalt Z._ unterzeichneten Schreiben der Klägerin vom 29. November 2010 (act. 3/18) grundsätzlich erfüllt worden. Eine andere Frage sei es, ob die Form der Einräumung der Vertretungsmacht gewahrt worden sei. Die Form der Einräumung der Vertretungsmacht beurteile sich nach Art. 126 IPRG. Für die Anknüpfung der Form gälten die allgemeinen Regeln des Vertragsrechtes in analoger Weise. Als auf den Vertrag anwendbares Recht im Sinne von Art. 126 Abs. 1 IPRG sei das Statut der Voraussetzungen der Vertretungsmacht gemäss Art. 126 Abs. 2 IPRG anzusehen, nicht das Recht des Grundverhältnisses. Demnach richte sich die Form der Einräumung der Vertretungsmacht nach dem Recht des Staates, in welchem der Vertretene seine Niederlassung habe, vorliegend also nach polnischem Recht. Die Klägerin mache geltend, dass der Unterzeichner, Rechtsanwalt Z._ , gehörig bevollmächtigt gewesen sei, was sie im Zeitpunkt des Garantieabrufs durch Vorlage eines notariellen Akts samt Apostille belegt haben wolle. Auf entsprechenden Einwand der Beklagten hin (act. 3/19) habe sie erläutert, dass das Original des Notariatsaktes sehr wohl die Unterschriften der vor dem Notar erschienenen Parteien trage, nicht aber ein Auszug daraus, welcher lediglich vom Notar selber unterzeichnet werde (act. 3/20). Dies gehe jedoch nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen hervor und habe somit auch nicht von der Beklagten geprüft werden können. Die Beklagte sei mit dem polnischen Notariatsrecht nicht vertraut und sie müsse dies auch nicht sein. Sie bestreite mit Nichtwissen, dass der Nachweis der Bevollmächtigung am 29. bzw. 30. November 2010 nach polnischem Recht vollstän- dig und richtig gewesen sei. Zudem sei ihr vor Garantieablauf auch nicht nachgewiesen worden, dass gemäss polnischem Recht die beglaubigte Abschrift eines Originaldokuments keine Unterschriften trage. Es habe der Klägerin obgelegen,
den Garantieabruf so vorzunehmen, dass die korrekte Beanspruchung durch die Beklagte ohne Weiteres nachvollziehbar gewesen sei. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Indem die Klägerin für die Teilnahme der D. AG an der öffentlichen Ausschreibung die von der Beklagten, einer Schweizer Bank, ausgestellte Bietungsgarantie vorbehaltlos akzeptiert habe, habe sie auch akzeptiert, dass sie sich im Verkehr mit dieser Bank zumindest an die internationalen Usanzen zu halten habe. Zu solchen Usanzen gehöre es insbesondere, dass das Schriftstück einer Unternehmung durch die Zeichnungsberechtigten dieser Unternehmung ausgestellt würden, was in aller Regel recht schnell und problemlos durch Handelsregistereinträge und dergleichen belegt werden könne. Auch die Vollmacht zugunsten einer Drittperson habe in aller Regel durch den Vollmachtgeber unterzeichnet zu werden, was mit dem Original allenfalls einer beglaubigten Kopie der Vollmacht nachgewiesen werden könne. Wer einen eher exotischen und ungebräuchlichen Weg der Unterzeichnung von Dokumenten und des Nachweises einer Vollmacht wähle, wie es die Klägerin getan habe, trage das Risiko, dass sie die erforderlichen Nachweise der gehörigen Ausstellung nicht rechtzeitig zu erbringen vermöge. Trotz Hinweises der Beklagten vom 29. November 2010 auf die mangelhafte Formalität habe es die Klägerin unterlassen, rechtzeitig ein gehörig unterzeichnetes Schreiben zumindest eine vollständige Vollmacht vorzulegen. Wie die Reaktion ihres Rechtsvertreters noch am 30. November 2010 gezeigt habe (act. 3/20), wäre jedenfalls noch genug Zeit verblieben, um vor Garantieablauf am gleichen Tag ein von den Gesellschaftsorganen ordnungsgemäss unterzeichnetes Abrufschreiben eine vollständige Vollmacht vorzulegen (act. 12 S. 10 ff.; weiter präzisiert in act. 24 S. 18 ff.).
Für den Abruf der Bietungsgarantie wurde zwischen den Parteien die Schriftform vereinbart. Der Abruf erfolgte vorliegend mit dem von Rechtsanwalt
Z._
als Stellvertreter unterzeichneten Schreiben vom 29. November 2010
(act. 3/18). Damit wurde die Schriftform für den Abruf der Garantie erfüllt, was auch die Beklagte anerkennt (act. 12 S. 10 Rz. 30).
Es ist zwischen den Parteien ferner grundsätzlich unbestritten, dass ein Abruf der vorliegenden Bankgarantie auch durch einen rechtmässigen Vertreter der Klägerin erfolgen konnte. Diese Ansicht der Parteien verdient Zustimmung, denn mit der Formulierung your written statement wollten die Parteien eine Stellvertretung nicht ausschliessen. Ein solcher Ausschluss hätte zudem klar formuliert werden müssen, da grundsätzlich ein Abruf einer Garantie durch einen rechtmässigen Stellvertreter möglich ist (was auch die Beklagte anerkennt). Auch eine Erklärung, die von einem bevollmächtigten Vertreter abgegeben wird, kann daher als your written statement im Sinne der vorliegenden Garantie betrachtet werden, da eine solche Erklärung dem Begünstigten zuzurechnen ist. Weiter bestreitet die Beklag-
te auch nicht, dass Rechtsanwalt Z._
gehörig bevollmächtigt gewesen sei
und dass sich die Form der Einräumung der Vertretungsvollmacht nach polnischem Recht richte (Art. 126 Abs. 2 IPRG).
Hingegen wird seitens der Beklagten bestritten, dass die Bevollmächtigung von
Rechtsanwalt Z._
durch die Beklagte habe geprüft werden können (act. 24
S. 18). Auf der Abschrift der Vollmachtsurkunde seien die Unterschriften von F._ und G._ nicht ersichtlich. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sei auch nicht ersichtlich gewesen, dass nach polnischem Recht keine Originalunterschriften erforderlich seien (act. 12 S. 11). Trotz Hinweises der Beklagten vom 29. November 2010 auf die mangelhafte Formalität habe es die Klägerin unterlassen, rechtzeitig ein gehörig unterzeichnetes Schreiben zumindest eine vollständige Vollmacht vorzulegen. Es wäre jedenfalls noch genug Zeit verblieben, um vor Garantieablauf am gleichen Tag ein von den Gesellschaftsorganen ordnungsgemäss unterzeichnetes Abrufschreiben eine vollständige Vollmacht vorzulegen. Der Garantieabruf sei daher ungenügend gewesen (act. 12 S. 12).
Es stellt sich somit die Frage, ob die Klägerin gemäss Garantievertrag internationalen Usanzen verpflichtet war, für die Bevollmächtigung nicht nur die Vorschriften nach polnischem Recht innerhalb der Abruffrist einzuhalten, sondern auch in nachvollziehbarer Weise nachzuweisen, dass gemäss polnischem Recht die beglaubigte Abschrift eines Originaldokuments keine Unterschriften tragen müssten. Die Beklagte leitet dies aus dem Grundsatz der Garantiestrenge ab. In diesem Zusammenhang besage dieser Grundsatz, dass der Abruf durch die formell Begünstigte erfolgen müsse und verweist dazu auf die Lehrmeinung von EMMENEGGER/ZBINDEN, a.a.O., S. 151 f. Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass die gleichen Autorinnen im selben Absatz noch die Meinung vertreten, dass sich insbesondere bei juristischen Personen die Frage, ob die Bank die Vertretungsbefugnis der Erklärungsträger überprüfen müsse, stelle. Regle der Garantievertrag diese Frage nicht, so solle es mit Blick auf die Liquiditätsfunktion der Bankgarantie genügen, wenn die Vertretungsbefugnis dem äusseren Anschein nach vorliegt, etwa, wenn die Unterzeichnenden sich selbst als Organe Zeichnungsbefugte bezeichneten.
Die Vertreterin der Beklagten vertritt somit in der oberwähnten Publikation selbst die Meinung, dass es mangels expliziter Regelung dieser Frage im Garantievertrag mit Blick auf die Liquiditätsfunktion der Garantie genügen muss, wenn die Vertretungsbefugnis des Vertreters dem äusseren Anschein nach vorliegt, etwa, wenn die Unterzeichnenden sich selbst als Organe Zeichnungsbefugte bezeichnen (vgl. EMMENEGGER/ZBINDEN, a.a.O., S. 151 f.). Folgt man dieser Lehrmeinung, dann lag die Vertretungsbefugnis von Rechtsanwalt Z._ mit Einreichung eines mittels Apostille beglaubigten Handelsregisterauszugs der Klägerin (inkl. englische Übersetzung durch eine beeidigte Übersetzerin) sowie einer Abschrift der Vollmacht in Form einer öffentlichen Urkunde zugunsten von Z._ , mittels Apostille beglaubigt (inkl. englische Übersetzung durch eine beeidigte Übersetzerin), dem äusseren Anschein nach ohne Weiteres vor.
Selbst wenn man jedoch von der Beklagten fordern würde wie dies ein Teil der Lehre verlangt -, dass ihr bezüglich der Frage der Vertretungsbefugnis eine weitergehende Prüfungspflicht der ordnungsgemässen Vertretungsbefugnis beim Garantieabruf zukommt (vgl. GRAF VON WESTPHALEN, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, Heidelberg 1982, S. 111 f.), dann hätte die Beklagte spä-
testens mit den weiteren Erläuterungen von Rechtsanwalt Z._
mit zureichender Gewissheit von der Vertretungsbefugnis Kenntnis erhalten (vgl. GRAF VON WESTPHALEN, a.a.O., S. 111; auch DOHM, Bankgarantien in internationalen Handel, Bern 1985, Rz. 191). Dies aus den folgenden Gründen:
Die Beklagte macht wie erwähnt - nicht geltend, dass Rechtsanwalt Z._ nicht gehörig bevollmächtigt war. Geltend gemacht wird vielmehr, dass diese Bevollmächtigung durch die Beklagte nicht habe geprüft werden können. Die Be-
vollmächtigung von Rechtsanwalt Z._
konnte gemäss der klägerischen Ansicht deshalb nicht überprüft werden, weil der eingereichte notarielle Akt samt Apostille keine Unterschriften der vor dem Notar erschienenen und die Vollmacht an Rechtsanwalt Z._ erteilenden Parteien aufweise. Es sei indessen üblich so die Beklagte -, dass (i) eine Vollmacht, die schriftlich erteilt werde, die Unterschriften der Vollmachtgeber enthalte, (ii) der Notar ebendiese Unterschriften prüfe und (iii) die Apostille die Unterschrift des Notars prüfe. Fehle eines dieser Elemente, sei die Kette nicht vollständig und Zweifel der Garantin bezüglich der Abrufberechtigung seien angebracht (act. 24 S. 18 f.).
Mit dem von der Klägerin eingereichten notariellen Akt samt Apostille konnte die Beklagte die von ihr genannten drei Voraussetzungen prüfen. Erstens ist auf der notariell beglaubigten und mit Apostille versehenen Vollmacht ausdrücklich und unzweifelhaft bescheinigt, dass die betreffende Vollmacht rechtsgültig von zwei zur Vertretung der Klägerin befugten Organen erteilt wurde, nämlich von F._ und G. . Zweitens wurden diese Unterschriften durch den Notar geprüft, was sich ebenfalls aus dem Text der Vollmacht ergibt. Drittens wurde mit der Apostille die Unterschrift des Notars geprüft (act. 3/18). Damit hat die Klägerin den Nachweis erbracht, dass die für sie handelnden Personen vertretungsberechtigt waren, und die Beklagte hat damit ihrerseits zureichende Gewissheit über die Vertretungsbefugnis erlangen können (vgl. DOHM, a.a.O., Rz. 191).
Selbst wenn man aber von der Klägerin verlangen würde, dass sich die Bank im Zweifel bei Inanspruchnahme auf geeignete Weise über das Bestehen einer ordnungsgemässen Vertretungsbefugnis vergewissern muss und der entsprechende Nachweis durch die Begünstigte zu erbringen wäre (vgl. GRAF VON WESTPHALEN, a.a.O., S. 111), so wäre dieser Nachweis vorliegend von der Klägerin erbracht worden. Die Klägerin legte auf entsprechenden Einwand der Beklagten hin der Beklagten noch innerhalb der Gültigkeit der Bietungsgarantie dar, warum die Vollmacht in Form der öffentlichen Urkunde vom 26. November 2010 keine Unterschriften der Zeichnungsberechtigten der Klägerin enthielt (act. 3/20). Da der Garantievertrag aber auch nirgends verlangt, dass innerhalb der Abruffrist nachzuweisen ist, dass die Bevollmächtigung den Vorschriften des polnischen Rechts entspricht, wäre auch der Nachweis des polnischen Rechts nach Ablauf der Abruffrist (aber vor Auszahlung des Garantiebetrages) durch die Klägerin noch möglich gewesen (vgl. GRAF VON WESTPHALEN, a.a.O., S. 111); ein Nachweis, den die Klägerin mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 erbracht hat (act. 3/23).
Die Beklagte geht fehl, wenn sie von der Klägerin fordert, diese hätte vor Garantieablauf am gleichen Tag ein von den Gesellschaftsorganen ordnungsgemäss unterzeichnetes Abrufschreiben eine vollständige Vollmacht vorlegen müssen (act. 12 S. 10 ff.; weiter präzisiert in act. 24 S. 18 ff.). Denn die Klägerin musste der Bank nur die zureichende Gewissheit über die Vertretungsbefugnis vermitteln, dass die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Z._ gemäss polnischem Recht korrekt erfolgt sei. Dabei kann von der Klägerin nicht verlangt werden, dass sie der Beklagten ein Rechts(kurz)gutachten dergleichen über diese Frage einreicht.
Schliesslich konnte die Beklagte weder substantiiert darlegen noch nachweisen, dass die von ihr erwähnten Usanzen bestünden, dass der Abruf einer Bankgarantie einer Unternehmung durch die Zeichnungsberechtigten dieser Unternehmung selber unterzeichnet werden muss, bzw. dass die Vollmacht zugunsten einer Drittperson durch den Vollmachtgeber unterzeichnet zu werden muss, was mit dem Original allenfalls einer beglaubigten Kopie der Vollmacht nachgewiesen werden könne.
Zusammenfassend geht der diesbezügliche Einwand der Beklagten ins Leere und wirkt reichlich konstruiert.
Auslegung der Abrufvoraussetzungen der vorliegenden Bietungsgarantie
Neben der soeben behandelten Frage, ob der Abruf der Bankgarantie durch die formell richtige Begünstigte erfolgt sei, ist vorliegend zwischen den Parteien primär auch die Auslegung der Abrufvoraussetzungen der Bankgarantie
umstritten. Im Text der Bietungsgarantie vom 17. Dezember 2009 (act. 3/5) wird bekanntlich nicht ausdrücklich statuiert, ob die Zahlungsvoraussetzungen gemäss lit. A) bzw. lit. B) kumulativ alternativ erfüllt sein müssen, denn die beiden Absätze sind nicht mit einem und bzw. einem miteinander verbunden. Da sich der Garantietext insoweit als unklar erweist, ist er auszulegen.
Im Allgemeinen besteht das Ziel der richterlichen Vertragsauslegung in der Feststellung des übereinstimmenden wirklichen Willens, den die Parteien ausdrücklich stillschweigend erklärt haben (subjektive Auslegung). Lässt sich dieser übereinstimmende wirkliche Wille feststellen, so bestimmt sich der Vertragsinhalt nach dem festgestellten wirklichen Willen der Parteien. Lässt sich der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien indes nicht mehr mit Sicherheit feststellen, dann hat der Richter durch objektivierte Auslegung den Vertragswillen zu ermitteln, den die Parteien mutmasslich gehabt haben. Hierbei hat der Richter das als Vertragswille anzusehen, was vernünftig und korrekt handelnde Parteien unter den gegebenen, auch persönlichen Umständen durch die Verwendung der auszulegenden Worte ihr sonstiges Verhalten ausgedrückt und folglich gewollt haben würden. Massgebend ist hier also der objektive Sinn des Erklärten, dessen Ermittlung eine Wertung erfordert: Das Gericht hat nach einem sachgerechten Resultat zu suchen, weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung gewollt haben (statt vieler GAUCH ET AL., Schweizerisches Obligationenrecht, AT, 9. Aufl., Zürich 2008, N 1200 f.; BGE 131 III 611, 132 III 632, 119 II 372). Dabei ist jede einzelne Willenserklärung nach dem Vertrauensprinzip so auszulegen, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durfte und musste (GAUCH ET AL., a.a.O., N 207 ff. und N 1226 m.w.H.).
Bei der Auslegung bildet der Wortlaut das primäre Auslegungsmittel. (Urteil des Bundesgerichts 5C.87/2002 vom 24. Oktober 2002 E. 2.2 ff.). Im Rahmen dieser grammatikalischen Auslegung ist auch das systematische Element zu berücksichtigen. Ein einzelner Ausdruck ist im Zusammenhang, in dem er steht, als Teil eines Ganzen aufzufassen. Auch wenn der Wortlaut für sich allein nicht als entscheidend anzusehen ist, kommt ihm doch im Verhältnis zu den ergänzenden Mitteln der Vorrang zu: Immer dann, wenn die übrigen Auslegungsmittel, insbesondere der Vertragszweck, nicht sicher einen anderen Schluss erlauben, hat es beim Wortlaut sein Bewenden (Urteil des Bundesgerichts 5C.87/2002 vom
24. Oktober 2002 E. 2.2 ff.).
Die Behauptungsund Beweislast für den Bestand und den Inhalt eines vom objektivierten Auslegungsergebnis abweichenden subjektiven Vertragswillens trägt jene Partei, welche aus diesem Willen zu ihren Gunsten eine Rechtsfolge ableitet (GAUCH ET AL., a.a.O., N 1201a; BGE 121 III 123).
Aufgrund der Eigenheiten eines Garantievertrags gilt es bei dessen Auslegung im Besonderen zu beachten, dass der Grundsatz der Dokumentenstrenge, auf den die Beklagte verweist, zwar auch bei Bankgarantien gilt, dieser jedoch keine Auslegung des Garantietextes verbietet. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird die Dokumentenstrenge im Zusammenhang mit Bankgarantien in der Regel lediglich auf jene Dokumente bezogen, welche die Begünstigte einzureichen hat, wenn sie die Bankgarantie in Anspruch nehmen will. Der Gebrauch des zunächst beim Akkreditiv verwendeten Terminus Dokumentenstrenge hinsichtlich der Prüfung des Eintritts einer in der Garantie stipulierten Bedingung ist mithin nur sinnvoll, sofern die Garantiepflicht mit der Einreichung bestimmter Belege durch den Begünstigten auflebt, es sich in diesem Sinne um eine dokumentäre Garantie handelt (Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003 vom
10. September 2003 E. 2.2). Soweit die Erfüllung der Bedingung nicht an einen dokumentarischen Nachweis geknüpft ist, kann von einer bedingten Garantie im engeren Sinne gesprochen werden. Auch diesfalls hat eine streng formalisierte Betrachtungsweise zu greifen. Gemeint ist damit, dass in Bezug auf die Erfüllung der in der Garantie bezeichneten Voraussetzung vom Wortlaut der betreffenden Klausel auszugehen ist. Dieser Grundsatz der Garantiestrenge folgt aus der Unabhängigkeit der Garantie von den dieser zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen und der weitgehenden Formalisierung dieses Geschäftstyps. Der Begünstigte hat zwar sämtliche für die Auslösung der Garantiepflicht erwähnten Voraussetzungen zu erfüllen, aber nur diese. Vorleistungen, die sich nicht eindeutig aus dem Garantietext ergeben, kann der Garant nicht verlangen, hat er es sich doch
selbst zuzuschreiben, wenn er bei der Formulierung der Garantie nicht die erforderliche Sorgfalt walten liess. Auch der Begünstigte verdient einen gesteigerten Schutz seines Vertrauens auf den Inhalt der Garantieurkunde (Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.2).
Ist ein übereinstimmender tatsächlicher Wille der Parteien darüber nicht feststellbar, welche Abrufvoraussetzungen sie vereinbart haben, hat das Gericht auch bei der Auslegung einer Garantie - die Vertragsbestimmungen nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Es hat zu ermitteln, wie eine Erklärung unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben verstanden werden durfte musste. Der klare Wortlaut ist dabei nicht ausschlaggebend, sofern sich aus anderen Vertragsbestimmungen, dem damit verfolgten Zweck aus anderen Umständen klar ergibt, dass der Wortlaut das Vereinbarte nicht genau wiedergibt. Fehlen ernsthafte Gründe für eine solche Annahme, ist der Wortlaut massgebend (Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.3).
Gemäss KLEINER beschränkt das Prinzip von Treu und Glauben, das der objektivierten Auslegung einer Garantie zugrunde liegt, sie gleichzeitig. Es dürfen nur Umstände und Erfahrungssätze berücksichtigt werden, welche der durch die Auslegung zu belastende Partner kannte hätte kennen müssen und die für ihn erkennbar waren. Wer sich auf Umstände verlässt, die nur ihm allein bekannt sind, handelt auf eigene Gefahr. Das Kriterium der Erkennbarkeit des normativen Wissenmüssens zerfällt in zwei Komponenten, in eine sachbezogene und eine personenbezogene. Die sachbezogene Erkennbarkeit ist dann gegeben, wenn ein Auslegungselement in den Wahrnehmungsbereich des betreffenden Partners gelangt ist. Die personenbezogene hängt davon ab, ob der Partner das in seinen Wahrnehmungsbereich gelangte Element hätte wahrnehmen müssen.
Bezüglich der Bankgarantie ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass über die abzugebende Sicherungserklärung in der Regel nur zwischen der Begünstigten und der Auftraggeberin der Bank sowie zwischen Letzterer und der Bank verhandelt wird, nicht aber zwischen den Vertragspartnern des Sicherungsvertrages, der Bank und der Begünstigten. Die sachbezogene Erkennbarkeit mag deshalb in der Praxis weitgehend auf Umstände beschränkt sein, die sich aus der
Erklärung selbst ergeben. Erkennbarkeit liegt z. B. dann vor, wenn der Auftraggeber der Bank die Unterlagen, Submissionsordnungen, Korrespondenzen Verträge unterbreitet mit dem Ersuchen, den notwendigen Sicherungsvertrag selbst aufzusetzen, wobei diesen Unterlagen die Erwartung des Begünstigten entnommen werden kann, dass eine selbständige Sicherung erfolge. Die Garantin bestätigt die Erkennbarkeit, wenn sie dem Begünstigten erklärt, sie verpflichte sich zum Zwecke der Erfüllung der Garantiestellungspflicht des Auftraggebers aus einem bestimmten Vertrag (KLEINER, a.a.O., N 3.09 ff.).
Die personenbezogene Erkennbarkeit unterliegt so KLEINER weiter objektiven Massstäben und hängt vom Grade der Aufmerksamkeit der Adressatin ab, die sie der Erklärung gegenüber zur Anwendung zu bringen hat, um ihren Sinn zu verstehen. Je nach diesem Grade ist ihr die Berücksichtigung der Umstände in einem engeren weiteren Rahmen zuzumuten. Der objektive Massstab ist allerdings zu differenzieren, und zwar in dreierlei Hinsicht: bezüglich der persönlichen Eigenschaften des Partners, bezüglich des Geschäftstypus und schliesslich des Grades der Deutlichkeit der Willenserklärung, sofern diese Elemente ihrerseits erkennbar waren. Was die persönlichen Eigenschaften betrifft, ist zu berücksichtigen, dass wer Garantieerklärungen gibt geben will, entgegennimmt erwartet, in der Regel geschäftserfahren ist. Diese Erkenntnis wird regelmässig als Begründung dafür herangezogen, dass es für Garantien im Gegensatz zur Bürgschaft keines Formzwanges bedürfe. Unterschiedlich mag somit höchstens noch der Grad der Geschäftsgewandtheit sein, wobei Banken wohl als professionelle Geber von Garantien zu beurteilen sind, gleichzeitig aber zu berücksichtigen ist, dass Bankgarantien angesichts der Vielfalt ihrer Ausgestaltung kaum formularmässig abgegeben werden können. Oft wird sogar die Begünstigte im Vorteil sein, da sie regelmässig aus Garantien begünstigt wird, die auf ihr Gewerbe zugeschnitten und dementsprechend gleichartig sind. Sie kennt ihre Garantiegeschäfte möglicherweise besser als die Bank, die das Garantiegeschäft im allgemeinen besser kennen mag. Was die Differenzierung nach der Art des Geschäftes betrifft, würde die Garantie als unentgeltliches, einseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft nach allgemeiner Regel zu einer verstärkten Prüfung seitens des Adressaten verpflichten. Man erinnere sich der Regel des Bürgschaftsrechtes,
wonach eine Bürgschaft eher zugunsten des Bürgen auszulegen ist. Da Garantien - namentlich Bankgarantien im Geschäftsverkehr wohl im Rechtssinne, meist aber nicht im kaufmännischen Sinne, unentgeltlich sind - das Entgelt wird nicht vom Vertragspartner, sondern von dritter Seite erbracht -, ist diese Auslegungsregel bezüglich der Garantie im kaufmännischen Verkehr von beschränkter Bedeutung. Dagegen ist zu berücksichtigen, dass die Garantie, soweit ihre Unterscheidung von verwandten Rechtsgeschäften in Frage steht, hohe Anforderungen stellt. Aus diesem Grunde trifft die Adressatin eine verstärkte Pflicht zur Prüfung des Sinnes einer als Garantie erwarteten Erklärung. Je undeutlicher eine Erklärung nach allgemeinem Sprachgebrauch und allgemeinen Erfahrungssätzen ist, desto höher sind die Anforderungen an die Prüfungspflicht zu stellen. Dieses Kriterium ist im Zusammenhang mit den Abgrenzungsfaktoren einer Garantieerklärung von besonderer Bedeutung, da Garantietexte zufolge ihres komplizierten rechtlichen Charakters erfahrungsgemäss besonders in dieser Hinsicht sehr oft unzulänglich sind (KLEINER, a.a.O., N 3.11 ff.).
Bei der Auslegung können ferner sowohl Indizien innerhalb als auch ausserhalb des Garantietextes berücksichtigt werden (KLEINER, a.a.O., N 3.14). So etwa das Motiv, die Erwartung und das Interesse der Parteien, Zeit und Ort der Erklärung, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten, die Vertragsverhandlungen (KLEINER, a.a.O., N 3.14). Im internationalen Verkehr ist auch internationalen Usanzen Rechnung zu tragen.
Da sich die vorliegende Streitigkeit im Wesentlichen um die Frage der Auslegung der Abrufvoraussetzungen der Garantie dreht, machen die Parteien zahlreiche Ausführungen zur Auslegung.
Die Klägerin macht zusammengefasst geltend, dass die Bietungsgarantie zwei Erklärungen lit. A) und lit. B) enthalte, welche sie als Begünstigte gegenüber der Beklagten schriftlich abgeben müsse, um die Garantieleistung abzurufen. Aus dem Garantietext gehe allerdings nicht deutlich hervor, ob diese beiden Erklärungen kumulativ alternativ abgegeben werden müssten, da zwischen der Erklärung gemäss lit. A) und der Erklärung gemäss lit. B) ein and ein or als sprachliches Verbindungselement fehle. Der Garantietext enthalte mithin Unklarheiten bezüglich der Abrufvoraussetzungen. Wenn Unklarheiten hinsichtlich der Abrufvoraussetzungen beständen, müsse der Garantietext ausgelegt werden. Bei der Auslegung einer Garantie bilde zwar der Wortlaut das primäre Auslegungsmittel; in casu führe der Wortlaut der Abrufvoraussetzungen jedoch nicht weiter, da er die vereinbarten Abrufvoraussetzungen nicht klar wiedergebe. Stattdessen müsse aus den Umständen des Garantievertrages, insbesondere aus dem mit der Garantie verfolgten Zweck, ermittelt werden, wie die Abrufvoraussetzungen genau zu verstehen seien (act. 1 S. 16 f.). Da vorliegend hinsichtlich der streitigen, vorstehend erwähnten Auslegungsfrage kein tatsächlicher Konsens bestehe, was weder von der Klägerin noch von der Beklagten behauptet werde, habe das Gericht die Willenserklärung den Vertrag nach Treu und Glauben auszulegen, um den mutmasslichen Willen der Parteien zu ermitteln (act. 20 S. 12).
Die Abruferklärung gemäss lit. A) erfasse den Zeitraum, nachdem der Garantieauftraggeberin der Zuschlag erteilt, der Vertrag zwischen der Garantieauftraggeberin und der Klägerin aber noch nicht unterzeichnet worden sei (was geradezu typisch sei bei einer Bietungsgarantie). Demgegenüber erfasse die Abruferklärung gemäss lit. B) den Zeitraum des öffentlichen Beschaffungsverfahrens, bevor also der Zuschlag erteilt worden sei. Es sei offenkundig, dass die Bietungsgarantie zwei verschiedene, sich gegenseitig ausschliessende Sicherungsfälle garantiere. Folglich sei es schlicht unmöglich, dass die Begünstigte sowohl die Abruferklärung gemäss lit. A) als auch die Abruferklärung gemäss lit. B) abgebe bzw. abgeben müsse / könne; diese beiden Abruferklärungen würden sich gegenseitig ausschliessen. Wären die beiden Abruferklärungen gemäss lit. A) und lit. B) kumulativ, so hätte die Bietungsgarantie einen unmöglichen Inhalt. Auch mit Blick auf die Aushilfsregel in favorem validitatis könne nur der Schluss gezogen werden, dass die Bietungsgarantie nach Treu und Glauben so verstanden werden durfte und musste, dass die Begünstigte für den Abruf der Garantie entweder die Erklärung gemäss lit. A) die Erklärung gemäss lit. B) abgeben musste, jedoch nicht beide zusammen. Die Voraussetzungen für den Abruf der Bankgarantie seien mit besonderer Sorgfalt zu redigieren; die Garantin, also die Beklagte, habe es sich selbst zuzuschreiben, wenn diese Voraussetzungen nicht sorgfältig genug formuliert worden seien. Auch bei einer Bankgarantie gelte der Grundsatz in dubio cont-
ra stipulatorem. Dass die Beklagte beim Formulieren der Bietungsgarantie nicht sorgfältig genug gewesen sei und daher vergessen habe, das unverkennbar zwischen den Abruferklärungen gemäss lit. A) und gemäss lit. B) erforderliche or einzufügen, damit die Alternativität dieser beiden Erklärungen explizit aus dem Garantiewortlaut hervorgehe, dürfe sich nicht zulasten der Begünstigen, d.h. der Klägerin, auswirken (act. 1 S. 23 f.).
Die Beklagte führt demgegenüber aus, dass der Abruf einer Bankgarantie dem Grundsatz der Garantiestrenge unterliege, den das Bundesgericht aus der Dokumentenstrenge beim Akkreditiv abgeleitet habe. Es habe festgehalten, dass die Garantiestrenge insgesamt für die Voraussetzungen des Garantieabrufes gelte, also nicht nur für dokumentenbezogene Voraussetzungen. Konkret besage die Garantiestrenge bezüglich des Garantieabrufs, dass (i) die im Garantievertrag festgehaltenen Abrufvoraussetzungen genau eingehalten werden müssten und (ii) für den Inhalt und die Tragweite (d.h. die Auslegung) der Abrufvoraussetzungen massgeblich auf den Garantietext abgestellt werden müsse. Die grammatikalische Auslegung umfasse nicht nur den Wortlaut im engen Sinne, sondern mitunter auch die Syntax und damit die Lehre des Satzbzw. Textaufbaus. Die hier interessierende Frage, ob der Garantieabruf mangels expliziter Verwendung der Wörter und bzw. im Garantievertrag - Iit. A) und B) bzw. Iit. A) B) erwähnen müsse, sei demnach eine Frage der Syntax und somit eine Frage der grammatikalischen Auslegung (act. 12 S. 5 f. und S. 6 f.). Die Beklagte führt sodann aus, weshalb aufgrund der grammatikalischen Auslegung die Voraussetzungen gemäss lit. A) und lit. B) zweifelsohne kumulativ erfüllt sein müssten und aufgrund des Grundsatzes der Garantiestrenge der grammatikalischen Auslegung der Vorrang zu geben sei (act. 12 S. 8 f.).
Aber auch die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip so die Beklagte weiter führe zu keinem anderen Ergebnis. Es könne nicht die Aufgabe der Beklagten als Garantin sein, ein polnisches Gesetz auf der Basis einer inoffiziellen (und sprachlich verunglückten) englischen Übersetzung auszulegen. Es könne auch nicht Pflicht der Garantin sein, für die Ausstellung einer Garantie immerhin ein alltäglicher Vorgang bei einer grossen Bank einen polnischen Rechtsberater beizuziehen sonstige Abklärungen zu treffen. Der für die Teilnahme der D._ AG an der Ausschreibung erforderliche Garantietext sei der Beklagten von ihrer Auftraggeberin, der D. AG, übermittelt und nicht weiter geprüft worden. Er enthalte weder sprachliche noch inhaltliche Unklarheiten und sei von der Klägerin nach Erhalt stillschweigend akzeptiert worden. Es wäre eine Obliegenheit der polnischen Begünstigten gewesen, einen ungenügenden bzw. unklaren Garantietext zu rügen und zurückzuweisen. Zudem verlange sie bereits mit der Bekanntmachung der öffentlichen Ausschreibung, dass die Offerenten eine Bietergarantie andere Sicherheit einreichen müssten. Wer dieser Anforderung nicht nachgekommen sei, sei nicht zum Ausschreibungsverfahren zugelassen bzw. daraus ausgeschlossen worden. Das gleiche Schicksal erleide logischerweise auch ein Anbieter, dessen Garantie nicht den Anforderungen der Ausschreibung und des
PPL entspreche. Die D._
AG sei von der Klägerin weder mangels Einreichens einer Garantie noch wegen Einreichens einer unzureichenden Garantie ausgeschlossen worden. Dies belege, dass die Bietungsgarantie den Anforderungen der Klägerin entsprochen habe. Mit ihren heutigen Vorbringen zum angeblich unklaren Wortlaut verhalte sich die Klägerin widersprüchlich, was keinen Rechtsschutz finden dürfe (act. 12 S. 9 f.).
Die Bietungsgarantie verlangt wie erwähnt für den Abruf der Garantieleistung als formalisierte Zahlungsbedingung eine Erklärung, welche die Klägerin als Begünstigte gegenüber der Beklagten schriftlich abgeben musste. Dass die Klägerin beim Abruf der Garantie diese schriftliche Erklärung abgeben musste, um die Garantie abzurufen, ist zwischen den Parteien nicht strittig (act. 20 S. 12; act. 24 S. 5). Unbestritten ist zwischen den Parteien ferner, dass die Klägerin die Garantie mit dem Abrufschreiben vom 29. November 2010 (act. 3/18) auch abgerufen hat (bzw. gemäss der Darstellung der Beklagten abzurufen versuchte) (act. 20 S. 12; act. 24 S. 5). Strittig ist zwischen den Parteien dagegen, ob die Klägerin in ihren Abrufschreiben inhaltlich die geforderte Erklärung abgegeben hat; denn aus dem Garantietext geht nicht ohne weiteres hervor, ob diese Erklärung die Voraussetzungen gemäss lit. A) und lit. B) kumulativ alternativ enthalten muss, da im Garantietext zwischen lit. A) und lit. B) ein and ein or fehlt. Der Garantietext enthält insoweit Unklarheiten bezüglich der Abrufvoraussetzungen und muss daher ausgelegt werden. Der Grundsatz der Garantiestrenge verbietet dabei keine Auslegung der Bietungsgarantie.
Die Klägerin führt aus, dass hinsichtlich der streitigen, vorstehend erwähnten Auslegungsfrage kein tatsächlicher Konsens bestehe, was weder von der Klägerin noch von der Beklagten behauptet werde (act. 20 S. 12). Die Beklagte will dagegen aus dem gemäss ihrer Ansicht klaren Wortlaut der Bietungsgarantie ableiten, das Abrufschreiben der Klägerin müsse eine Erklärung gemäss lit. A) und lit. B) umfassen. Dem klaren Wortlaut gebühre Vorrang vor ergänzenden Auslegungsmitteln; erst wenn sich aufgrund von ergänzenden Auslegungsmitteln eindeutig ergebe, dass der Wortlaut nicht dem wirklichen Willen der Parteien entspreche, dürfe vom Wortlaut abgewichen werden; es gebe aber keine ergänzenden Auslegungsmittel, welche auch nur ansatzweise darauf hindeuteten, dass ex tunc und nach Treu und Glauben betrachtet der Wortlaut des Abrufschreibens nicht dem wirklichen Willen entspreche. Entsprechend sei die Bietungsgarantie durch das Abrufschreiben der Klägerin nicht korrekt in Anspruch genommen worden und die Beklagte habe die Honorierung verweigern dürfen und müssen (act. 24 S. 12).
Der Klägerin macht in ihren Rechtsschriften ausdrücklich keinen vom normativen Auslegungsergebnis abweichenden subjektiven Vertragswillen geltend. Sofern die Beklagte mit ihren Ausführungen einen solchen abweichenden subjektiven Vertragswillen geltend zu machen versucht, würde sie dafür die Behauptungslast treffen. Die Beklagte hat zu einem allfälligen tatsächlichen Konsens der Parteien aber weder genügend substantiierte Behauptungen aufgestellt noch in ihren Rechtsschriften die Beweismittel dazu bezeichnet. Gemäss neuer ZPO müssten die von einer Partei angerufenen Beweismittel in der Rechtsschrift selber angeführt und eindeutig der jeweiligen Tatsachenbehauptung zugeordnet werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_56/2013 vom 4. Juni 2013). Ferner ist der tatsächliche Wille der Parteien alleine gestützt auf den Wortlaut wie dies die Beklagte behauptet - nicht feststellbar, lässt dieser doch offen, ob lit. A) und lit. B) kumulativ alternativ erfüllt sein müssen.
Die Vertragsbestimmungen sind daher nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Das Gericht hat zu ermitteln, wie eine Erklärung unter den gegebenen Umständen
nach Treu und Glauben verstanden werden durfte musste. Dabei können auch aus den Umständen des Garantievertrages, insbesondere aus dem mit der Garantie verfolgten Zweck ermittelt werden, wie die Abrufvoraussetzungen genau zu verstehen sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.2 f.).
Bei der Auslegung einer Garantie bildet zwar der Wortlaut das primäre Auslegungsmittel. Dieser führt vorliegend jedoch hinsichtlich der Abrufvoraussetzungen für sich alleine betrachtet - d.h. ohne Berücksichtigung von Syntax und Systematik, welche im Rahmen der Auslegung nach dem Wortlaut, der grammatikalischen Auslegung, ebenfalls zu berücksichtigen sind - noch zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis, da der Wortlaut ja offen lässt, ob lit. A) und lit. B) kumulativ alternativ erfüllt sein müssten.
Der Beklagten ist jedoch darin zu folgen, dass die Auslegung nach dem Wortlaut nicht nur die Interpretation des Textes, sondern stets auch die Syntax und die Systematik des Vertrages umfasst. Berücksichtigt man neben dem Wortlaut auch die Syntax und Systematik spricht einiges dafür, dass lit. A) und lit. B) kumulativ erfüllt sein müssen:
Gemäss Garantietext hatte die Abruferklärung der Beklagten die folgende schriftliche Erklärung zu enthalten: stating that: A) [ ] B). Nach dem Doppelpunkt folgen somit systematisch betrachtet zwei Absätze, die mit lit. A) und lit. B) nummeriert sind. Der englische Satzteil provided your demand for payment is simultaneously supported by your written statement [ ] stating that, auf welchen die beiden lit. A) und lit. B) folgen, wird von der Klägerin dabei wie folgt übersetzt: [...] vorausgesetzt, Ihre Zahlungsaufforderung ist gleichzeitig versehen mit einer schriftlichen Erklärung, dass: [. .. ] (vgl. act. 20 S. 19). Die schriftliche Erklärung der Klägerin musste daher mit lit. A) [ ] lit. B versehen sein, diese Literas angeben bzw. A) [ ] B) aussagen (stating that). Berücksichtigt man daher die Stellung der beiden Literas A) und B) im Kontext des Garantievertrages und ihre Stellung im Gesamtkonzept des Vertrages spricht einiges dafür, dass lit. A) und lit. B) kumulativ erfüllt sein müssen.
Dieses, die Systematik und die Syntax berücksichtigende Auslegungsergebnis wird auch durch den optischen Aufbau der Abrufvoraussetzungen bekräftigt, folgen doch auf den Doppelpunkt nach stating that zwei gleichrangig nacheinander stehende Textblöcke mit lit. A) einerseits und lit. B) andererseits (vgl. act. 3/5), welche weder mit and noch or miteinander verbunden sind; dies im Unterschied etwa zu den einzelnen Unterabsätze unter lit. A), welche optisch eingerückt sind und ausdrücklich durch ein or miteinander verbunden sind und damit klar die Alternativität der einzelnen Unterabsätze von lit. A) zum Ausdruck bringen. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen hätte es sich daher aufgedrängt hätten die Parteien effektiv die Alternativität der Literas A) und B) vereinbaren wollen - die beiden Absätze mit einem or miteinander zu verbinden.
Bei diesem Auslegungsergebnis, welches wohl für eine Kumulation von lit. A) und lit. B) spricht, hat es einstweilen sein Bewenden, sind doch neben dem Wortlaut stets auch weitere Auslegungsmittel herbeizuziehen, wie der mit der Garantie verfolgte Zweck, andere Umstände (Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O.,
E. 2.3), aber auch etwa das Motiv, die Erwartung und das Interesse der Parteien, Zeit und Ort der Erklärung, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten und die Vertragsverhandlungen (KLEINER, a.a.O., N 3.14). Fehlen jedoch ernsthafte Gründe, die vom einstweiligen Auslegungsergebnis gestützt auf den Wortlaut - unter Berücksichtigung der Syntax und der Systematik klar abweichen, ist dieses Auslegungsergebnis massgebend (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.3); denn dem Wortlaut - unter Berücksichtigung der Syntax und der Systematik kommt bei der Vertragsauslegung im Allgemeinen und bei der Auslegung von Garantieverträgen im Besonderen im Verhältnis zu den ergänzenden Mitteln eine vorrangige Bedeutung zu (Urteil des Bundesgerichts 5C.87/2002, a.a.O., E. 2.2 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.2).
Bei der Herbeiziehung weiterer Auslegungsmittel ist jedoch die weiter oben wiedergegebene bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung einer Garantie in Erinnerung zu rufen, wonach aufgrund des Grundsatzes der Garantiestrenge
eine streng formalisierte Betrachtungsweise zu greifen hat (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.2).
Die Klägerin wendet gegen die sich eng am Wortlaut der Garantie haltende Auslegung der Beklagten ein, die Abruferklärung gemäss lit. A) erfasse den Zeitraum, nachdem die Garantieauftraggeberin der Zuschlag erteilt, der Vertrag zwischen der Garantieauftraggeberin und der Klägerin aber noch nicht unterzeichnet worden sei (was geradezu typisch sei bei einer Bietungsgarantie); demgegenüber erfasse die Abruferklärung gemäss lit. B) den Zeitraum des öffentlichen Beschaffungsverfahrens, bevor der Zuschlag erteilt worden sei. Es sei offenkundig, dass die Bietungsgarantie zwei verschiedene, sich gegenseitig ausschliessende Sicherungsfälle garantiere. Folglich sei es schlicht unmöglich, dass die Begünstigte sowohl die Abruferklärung gemäss lit. A) als auch die Abruferklärung gemäss lit. B) abgebe; diese beiden Abruferklärungen würden sich gegenseitig ausschliessen (act. 1 S. 23 f.).
Bezüglich der Auslegung einer Bankgarantie ist zu berücksichtigen, dass über die abzugebende Garantieerklärung in der Regel nur zwischen der Begünstigten (vorliegend der Klägerin) und der Auftraggeberin der Bank (vorliegend der D._ AG) sowie zwischen der Letzteren und der Bank verhandelt wird, nicht aber zwischen den Vertragspartnern des Garantievertrages (vorliegend der Klägerin und der Beklagten; vgl. KLEINER, a.a.O., N 3.09 ff.). Im vorliegend zu beurteilenden Fall verhielt es sich nicht anders; es ist zwischen den Parteien zumindest unbe-
stritten, dass die D._
AG mit Blick auf die Teilnahme an der klägerischen
Ausschreibung die Beklagte im Dezember 2009 mit der Ausstellung der geforderten Bietungsgarantie beauftragte, dieser den bereits vorformulierten Text einreichte und die Beklagte auf Antrag und mit einem vorformulierten Text der D._ AG und ohne weitere Prüfung (so wörtlich: act. 12 S. 10 oben, S. 14 f.) die Bietungsgarantie ausstellte (act. 1 S. 11 Rz. 29; act. 12 S. 3 Rz. 5, S. 10 Rz. 26 und
S. 14 f. Rz. 45 f.). Nicht einig sind sich die Parteien dagegen darin, inwiefern die Beklagte diesen vorformulierten Text hätte überprüfen müssen. Die Beklagte erläutert - und dies wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen -, dass sie die Bietungsgarantie auf Antrag und gemäss den ihr von D._ übermittelten Angaben am 17. Dezember 2009 ausgestellt habe. Unzutreffend sei allerdings, dass die Beklagte den Text der Bietungsgarantie geprüft hätte, jedenfalls soweit damit eine inhaltliche Prüfung der Abrufvoraussetzungen gemeint sei. Da es sich bei der D._ AG und der Klägerin um geschäftserfahrene Parteien handle, verlasse sich die Beklagte usanzgemäss auf die ihr übermittelten Textangaben und prüfe lediglich den aus Bankensicht unerlässlichen Inhalt, wie z.B. die Angabe eines hinsichtlich Währung und Höhe genau bestimmten Maximalbetrages sowie auch eine klare Befristung ihrer Verpflichtungen unter der Garantie. Hingegen überlasse sie es ihren geschäftserfahrenen Kunden, vorliegend der D._ AG, die Bedingungen für einen Abruf zu formulieren, welche sie hernach nicht prüfe und auch nicht prüfen könne, da sie die Einzelheiten der (beabsichtigten) Vertragsbeziehung der Parteien des Grundgeschäftes nicht kenne (act. 12 S. 14 f.; act. 20
50 f.). Die Klägerin hält jedoch daran fest, dass es die Pflicht der Beklagten gewesen sei, die Garantiebedingungen näher zu prüfen.
Als Bank, die für den internationalen Geschäftsverkehr Bankgarantien ausstellt, war es der Beklagten durchaus zuzumuten, den Garantietext sorgfältig zu prüfen und insbesondere auch gesetzliche Bestimmungen, auf welche im Garantietext in lit. B) verwiesen wird (Art. 25 Ziff. 1 und Art. 26 Ziff. 3 PPL [polnisches Public Procurement Law]), zu konsultieren und allenfalls nachzufragen, wenn sie nicht selber in der Lage war, dies zu verstehen. Es vermag die Beklagte deshalb nicht zu entlasten, falls sie den Garantietext unbesehen, wie sie einräumt (act. 12 S. 10 Rz. 26 a.E.), von ihrer Auftraggeberin übernommen hat. Allerdings kennt diese Prüfung des Garantietextes durch die Beklagte auch Grenzen, und es können der Beklagten aufgrund der streng formalisierten Betrachtungsweise im Garantierecht nur diejenigen Umstände entgegengehalten werden, die sich aus der Garantieerklärung selbst ergeben (vgl. KLEINER, a.a.O., N 3.09 ff.; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.2). Aufgrund der streng formalisierten Betrachtungsweise hatte die Beklagte somit die Garantieerklärung und die darin erwähnten Gesetzesbestimmungen zu konsultieren und zu prüfen. Vorliegend ergibt sich jedoch weder aus der Garantieerklärung noch aus den in der Garantieerklärung erwähnten Bestimmungen des PPL (Art. 25 und 26 PPL) jedenfalls für sich allein betrachtet mit genügender Klarheit, dass die Abruferklärung gemäss lit. A)
einen anderen Zeitraum (Phase nach dem Zuschlag) als die Abruferklärung gemäss lit. B) (Phase vor dem Zuschlag) erfasst und es deshalb unmöglich ist, dass beide Erklärungen gleichzeitig abgegeben werden können. So statuiert Art. 25 Ziff. 1 PPL gemäss der klägerischen Übersetzung in die englische Sprache lediglich was folgt (act. 3/6):
1. In contract award procedures the awarding entity may request from economic operators only declarations and documents necessary to conduct procedures. Declarations and documents proving:
that they satisfy the conditions for participation in the procedure;
that the tendered supplies, services and works satisfy the requirements specified by the awarding entity
the awarding entity shall indicate in the contract notice, specification of the essential terms of contract or in the invitation to tender.
Gleiches gilt auch für Art. 26 Ziff. 3 PPL, der wie folgt lautet (act. 3/6):
3. The awarding entity shall call on economic operators who did not submit declarations or documents, referred to in Article 25 paragraph 1, or the economic operators who did not submit plenipotentiaries, or the economic operators who submitted declarations or documents referred to in Article 25 paragraph I, that contain errors or those who submitted defective plenipotentiaries to supplement the documents in a defined time Iimit unless, despite the supplement, the tender of the economic operator is rejected or the cancellation of the procedure is necessary. The declarations or documents, submitted on request of the awarding entity, shall confirm that the economic operator satisfies the conditions for participation in the award procedure and shall confirm the fulfilment by supplies, services or works of conditions specified by the awarding entity, not later than on the day when the time Iimit for submission oft he requests to participate in the contract award procedure expires.
Selbst wenn man aber wie die Klägerin - über den Garantietext hinausgehen und von der Beklagten auch die Konsultation und Prüfung von dem von der Klägerin genannten aber im Garantietext nicht erwähnten - Art. 46 PPL verlangen würde (und damit wohl auch die Konsultation von Bestimmungen des polnischen PPL), ergibt sich die Kumulation der beiden Literas A) und B) nicht mit der genügenden Klarheit. Vielmehr wird in Art. 46 PPL festgehalten, dass die Sicherheiten nach dem Zuschlag an die Bewerber zurückgegeben werden, mit Ausnahme der Sicherheit desjenigen, welcher den Zuschlag erhielt (Ziff. 1), wobei auf Ziff. 4a
verwiesen wird. Aus diesem Hinweis auf Ziff. 4a ergibt sich vielmehr, dass sich auch diese Ziff. 4a auf denjenigen Bieter bezieht, der den Zuschlag erhalten hat. Aufgrund der streng formalisierten Betrachtungsweise ist die Beklagte zur Konsultation und Berücksichtigung von Art. 46 PPL (und damit des ganzen PPL) jedoch nicht verpflichtet.
Aus dem Garantietext den dort erwähnten Bestimmungen des polnischen PPL ergibt sich somit nicht ohne Weiteres, dass die umstrittenen lit. A) und lit. B) der Bietungsgarantie zwei voneinander unterschiedliche und sich gegenseitig ausschliessende Garantiefälle abdecken, wodurch die gleichzeitige Erfüllung unmöglich wäre. Es wäre durchaus möglich, dass auch nach dem Zuschlag die Einreichung von Dokumenten verweigert wird. Die Nichteinreichung von Dokumenten und die Verweigerung der Vertragsunterzeichnung schliessen sich nicht aus.
Eine Unmöglichkeit, gleichzeitig lit. A) und lit. B) der Bietungsgarantie zu erfüllen, ist daher aufgrund des Garantietextes und der darin genannten Bestimmungen des polnischen PPL nicht ersichtlich. Auch falls ein umfassendes Studium des polnischen PPL allenfalls für den Standpunkt der Klägerin sprechen sollte, so könnte dies aufgrund der vom Bundesgericht vertretenen, streng formalisierten Betrachtungsweise bei Bankgarantien nicht Berücksichtigung finden. Massgebend ist primär der Garantietext, und es kann von einer ausländischen Bank keine umfassende Kenntnis des polnischen PPL erwartet werden, denn eine bankenmässige Abwicklung muss rasch erfolgen können. Ferner handelt im Garantierecht auf eigene Gefahr, wer sich auf Umstände verlässt, die nur ihm allein bekannt sind (vgl. KLEINER, a.a.O., N 3.09 ff.). Die vorliegend aus der Garantie begünstigte Vertragspartei ist überdies geschäftserfahren. Sie ist aufgrund der besonderen Natur des Geschäfts (es handelt sich um polnisches Beschaffungswesen) bezüglich der Einzelheiten der Formulierung der Bankgarantie im Vorteil, da sie aus einer Garantie begünstigt wird, die auf ihr Gewerbe zugeschnitten ist. Entspricht die Garantie daher nicht den Vorstellungen der Begünstigten, trifft sie eine verstärkte Pflicht zur Prüfung des Sinnes einer Garantie (KLEINER, a.a.O., N 3.11 ff.).
Fehlen somit ernsthafte Gründe, die vom einstweiligen Auslegungsergebnis gestützt auf den Wortlaut - unter Berücksichtigung der Syntax und der Syste-
matik klar abweichen, ist dieses Auslegungsergebnis massgebend (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.3); denn dem Wortlaut kommt bei der Vertragsauslegung im Allgemeinen und bei der Auslegung von Garantieverträgen im Besonderen im Verhältnis zu den ergänzenden Mitteln eine vorrangige Bedeutung zu. Immer dann, wenn die übrigen Auslegungsmittel nicht sicher einen anderen Schluss erlauben, hat es beim Wortlaut sein Bewenden (Urteil des Bundesgerichts 5C.87/2002, a.a.O., E. 2.2 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4C.144/2003, a.a.O., E. 2.2).
Aufgrund des Grundsatzes der Unabhängigkeit der Garantie von den dieser zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen und der weitgehenden Formalisierung dieses Geschäftstyps sind auch die Editionsbegehren der Klägerin betreffend Edition des Garantieauftrags zwischen der Beklagten und der D._ AG und betreffend
Korrespondenz etc. zwischen der Beklagten und der D._ (act. 20 S. 61 f.).
Einrede des Rechtsmissbrauchs
AG abzuweisen
Für einen rechtsmissbräuchlichen Garantieabruf, welchen die Beklagte en passant in der Klageantwort noch erwähnt (act. 12 S. 17 Rz. 54), fehlen jegliche Anhaltspunkte; dieser wurden von der Beklagten auch nicht weiter substantiiert vorgetragen.
Haftung der Beklagten wegen Unsorgfalt
Schliesslich macht die Klägerin in ihrer Eventualbegründung noch geltend, die Beklagte hafte wegen grober Unsorgfalt.
Die Klägerin führt aus, das Garantieverhältnis zwischen der als Garantin handelnden Bank und der Begünstigten sei gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als Vertragsverhältnis zu qualifizieren. Sollte die Klägerin mit ihrem vorstehend dargelegten Hauptstandpunkt so die Klägerin weiter - nicht durchdringen und die einschlägige Bankgarantie tatsächlich so zu interpretieren sein, dass die erforderliche Abruferklärung sowohl den Text gemäss lit. A) als auch den Text gemäss lit. B) hätte aufführen müssen, dann wäre eine rechtswirksame Abrufung
der Bankgarantie unmöglich gewesen, da rein sachlogisch nicht gleichzeitig Tatbestände gemäss lit. A) (nach Auswahl der Offerte im Bieterverfahren) und lit. B) (vor Auswahl der Offerte im Bieterverfahren) vorliegen könnten. Hätte die Beklagte der Klägerin eine unmögliche Garantie ausgestellt, dann hätte es sich hierbei um eine grobe Unsorgfalt der Beklagten gehandelt und eine grobe Verletzung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses. Ob es sich in casu dogmatisch um eine Verletzung einer leistungsbegleitenden Nebenpflicht, um eine verschuldete anfängliche Unmöglichkeit eine andere dogmatische Qualifikation handle, sei nicht entscheidrelevant. Ausreichend und entscheidend wäre, dass die Ausstellung einer unmöglichen Garantie eine grobe Unsorgfalt der Beklagten und damit eine Verletzung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses bedeute (act. 20 S. 32 f.).
Unsorgfältig hätte die Bank gehandelt, weil sie bezüglich Bankgarantien hohe Sorgfaltspflichten zu erfüllen habe. Die Bank sei als Beauftragte verpflichtet, bei der Formulierung einer Bankgarantie sorgfältig zu handeln. Eine Bank, die ein bestimmtes Geschäft als Beauftragte professionell gegen Entgelt betreibe, müsse einen hohen Sorgfaltsmassstab erfüllen. Da die Bank ihre Fachkompetenz öffentlich anpreise und dieses Geschäft gegen Entgelt ausübe, habe sie im Zusammenhang mit der Stellung von Bankgarantien hohe Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Die Formulierung von Garantietexten erfolge ferner nicht von der Stange, sondern sei Massarbeit. Sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, dass die Beklagte in der Tat die ihr von der D. AG übermittelten Angaben ohne grössere Prüfung übernommen habe, so würde dies die Beklagte nicht entlasten, sondern im Gegenteil eine grobe Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten darstellen (act. 20 S. 33 ff.).
Die Beklagte bestreitet den Schadenersatzanspruch der Klägerin, denn diese verlange Vertragserfüllung und nicht Schadenersatz (act. 24 S. 28).
Es gilt sich vor Augen zu halten, dass die Interessenlage der drei an einem derartigen Garantieverhältnis beteiligten Parteien oft nicht die gleiche ist. Es wurde bereits im Zusammenhang mit der Auslegung der Abrufvoraussetzungen der vorliegenden Bankgarantie ausgeführt, dass die Bank ihren Prüfungspflichten nachgekommen ist, indem sie den Garantietext sorgfältig prüfte und die darin erwähnten gesetzliche Bestimmungen konsultierte. Eine weitergehende Prüfungspflicht traf die Beklagte nicht, weshalb sie sich auch nicht unsorgfältig verhalten hat. Eine Unmöglichkeit - und dies wurde bereits ausgeführt -, gleichzeitig lit. A) und lit. B) der Bietungsgarantie zu erfüllen, ist aufgrund des Garantietextes und der darin genannten Bestimmungen des polnischen PPL nicht ersichtlich. Auch falls ein umfassendes Studium des polnischen PPL allenfalls für den Standpunkt der Klägerin sprechen sollten, so könnte dies aufgrund der vom Bundesgericht vertretenen streng formalisierten Betrachtungsweise bei Bankgarantien nicht Berücksichtigung finden. Massgebend ist primär der Garantietext, und es kann von einer ausländischen Bank keine umfassende Kenntnis des polnischen PPL erwartet werden, denn eine bankenmässige Abwicklung muss rasch erfolgen können.
Auch mit ihrem Eventualstandpunkt dringt die Beklagte daher nicht durch.
2.4.7. Fazit
Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass der Abruf der Bankgarantie durch die Klägerin zwar von einem gehörig durch die Klägerin bevollmächtigten Stellvertreter erfolgte, die Klägerin die Garantie jedoch nicht in rechtsgenügender Weise abrief. Die bankmässige Abwicklung der Garantie soll rasch erfolgen können, weshalb eine Bank auch keine materiellen Abklärungen in Bezug auf das Grundverhältnis zwischen Auftraggeberin und Begünstigte zu treffen hat. Sie kann sich in der Regel auf die formelle Prüfung von Dokumenten und Erklärungen beschränken. Auch wenn eine Auslegung des Garantievertrages bei Unklarheiten durchaus möglich ist, hat gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine streng formalisierte Betrachtungsweise zu erfolgen.
Die Klage der Klägerin ist somit abzuweisen.
Die Prozesskosten, welche die Gerichtskosten und die Parteientschädigung umfassen (Art. 95 Abs. 1 ZPO), werden grundsätzlich der unterliegenden
Partei auferlegt (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden die Prozesskosten nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Ausgangsgemäss wird die Klägerin vorliegend somit kostenund entschädigungspflichtig.
Die Höhe der Gerichtsgebühr bestimmt sich nach der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (Art. 96 ZPO i.V.m. § 199 Abs. 1 GOG), die Höhe der Parteientschädigung nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren gleichen Datums (Art. 96 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 des zürcherischen Anwaltsgesetzes vom 17. November 2003). Sowohl die Gerichtsgebühr als auch die Parteientschädigung richten sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach dem Streitinteresse (§ 2 Abs. 1 lit. a GebV OG; § 2 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Der Streitwert wird in erster Linie durch das Rechtsbegehren bestimmt (Art. 91 ZPO) und beträgt demnach vorliegend nach Massgabe der bei Klageeinreichung geltenden Währungskurse CHF 448'794.- (EUR 360'000.-; Kurs EUR 1 = CHF 1.24665 am 28. Januar 2013; Art. 93 Abs. 1 ZPO; act. 1 S. 2).
In Anbetracht des Schwierigkeitsgrades und des Aufwandes, auch des Verfahrensaufwandes mit Durchführung einer Vergleichsverhandlung, rechtfertigt es sich, die Gerichtsgebühr gemäss § 4 Abs. 1 GebV OG um einen Drittel zu erhöhen (§ 4 Abs. 2 GebV OG). Sie beträgt CHF 26'500.-, ist ausgangsgemäss der Klägerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO) und vorab aus dem von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss zu decken (Art. 111 Abs. 1 ZPO).
Die Höhe der Parteientschädigung wird nach der Anwaltsgebührenverordnung vom 8. September 2010 (AnwGebV) festgesetzt. Die Grundgebühr ist mit der Beantwortung der Klage verdient, wobei auch der Aufwand für die Teilnahme an der Hauptverhandlung abgedeckt wird; für jede weitere Rechtsschrift ist ein Zuschlag zu gewähren (§ 11 Abs. 1 und 2 AnwGebV). Bei der Festsetzung der Parteientschädigung an die Beklagte ist vorliegend zu berücksichtigen, dass eine Vergleichsverhandlung stattfand und die Beklagte zwei Rechtsschriften einreichte (§§ 4 und 11 AnwGebV). Die genannten Faktoren führen in Anwendung von §§ 2, 4 und 11 AnwGebV zu einer Parteientschädigung in der Höhe von CHF 28'000.-,
die vorliegend der Beklagten ausgangsgemäss zuzusprechen ist. Ein Mehrwertsteuerzusatz wurde von der Beklagten nicht beantragt.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 26'500.-.
Die Kosten werden der Klägerin auferlegt und aus dem von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung von CHF 28'000.zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 448'794.-.
Zürich, 21. Januar 2015
Handelsgericht des Kantons Zürich
Vorsitzender:
Dr. George Daetwyler
Gerichtsschreiber:
Dr. David Egger
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