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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils HE180200: Handelsgericht des Kantons Zürich

In dem Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 30. Januar 2015 ging es um einen Rechtsstreit zwischen einer Tourneeveranstalterin aus Deutschland und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus der Schweiz. Die Tourneeveranstalterin hatte bei einem Konzert nicht vollständig bezahlte Vergütungen eingefordert und Rechtsöffnung beantragt. Das Einzelgericht am Bezirksgericht Zürich hatte dem Antrag grösstenteils stattgegeben. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung legte dagegen Beschwerde ein und argumentierte unter anderem, dass die Tourneeveranstalterin nicht berechtigt sei, Rechtsöffnung zu erhalten. Das Obergericht hob das Urteil des Einzelgerichts auf und entschied, dass die Tourneeveranstalterin teilweise Rechtsöffnung erhält. Die Gerichtskosten wurden der Gesellschaft auferlegt, und sie wurde zur Zahlung einer Parteientschädigung verpflichtet.

Urteilsdetails des Kantongerichts HE180200

Kanton:ZH
Fallnummer:HE180200
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HE180200 vom 09.08.2018 (ZH)
Datum:09.08.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Vorsorgliche Beweisführung (Art. 158 ZPO)
Schlagwörter : Beweis; Escrow; Gesuch; Parteien; Beweisführung; Gericht; Property; Urteil; Gesuchsgegnerin; Edition; Beklagten; Interesse; Kantons; Vergütung; Verfügung; Leistung; Frist; Verfahren; Herausgabe; Entscheid; Streitwert; Handelsgericht; Rechtsanwalt; Dokumente; Arbitral; Parteientschädigung; Höhe
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 158 ZPO ;Art. 344 ZPO ;Art. 375 ZPO ;Art. 387 ZPO ;
Referenz BGE:141 III 564;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts HE180200

Handelsgericht des Kantons Zürich

Einzelgericht

Geschäfts-Nr.: HE180200-O U/mk

Mitwirkend: Oberrichter Dr. Johann Zürcher sowie der Gerichtsschreiber Dr. Moritz Vischer

Urteil vom 9. August 2018

in Sachen

  1. Ltd.,

    Klägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1. vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X2.

    gegen

  2. S.A.S.,

    Beklagte

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Y.

    betreffend vorsorgliche Beweisführung

    Rechtsbegehren:

    (act. 1 S. 2)

    1. Es sei C. Rechtsanwälte, [Adresse], im Rahmen einer vorsorglichen Beweisführung gemäss Art. 158 ZPO aufzufordern, Kopien der von der Gesuchstellerin und der Gesuchsgegnerin gestützt auf das Escrow Agreement vom 25. September 2014 (abgeschlossen zwischen der Gesuchstellerin, der Gesuchsgegnerin [vormals: B. Group S.A.S.] und C. Rechtsanwälte [vormals: C1. ]) bei ihr in einem Briefumschlag hinterlegten Urkunden, insbesondere

    1. die zwischen der Gesuchstellerin und der Gesuchsgegnerin abgeschlossene Vergütungsvereinbarung,

    2. die Übersicht über die von der Gesuchsgegnerin der Gesuchstellerin geschuldeten Vergütungen, sowie

    3. die von der Gesuchsgegnerin zu Gunsten der Gesuchstellerin ausgestellte Schuldanerkennung über die geschuldeten Vergütungen

dem Gericht zu edieren.

2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung.

Der Einzelrichter zieht in Erwägung:
  1. Die Parteien sie werden Klägerin und Beklagte genannt sind in der Luftfahrtbranche tätigt. Gegen Vergütung unterstützte die Klägerin die Beklagte beim Verkauf ihrer Flugzeuge in [europäischer Staat] . Letztmals schlossen die Parteien im September 2014 eine Vergütungsvereinbarung ab, die sie in Zürich bei einem Escrow Agent aufbewahren lassen. Der genaue Inhalt dieser Dokumente, mithin des Escrow Property, entzieht sich den Parteien; Kopien existieren keine. Mit dem vorliegenden Gesuch um vorsorgliche Beweisführung verlangt die Klägerin die Edition dieser Dokumente, da sie diese zur Durchsetzung ihrer Vergütungsforderung von total circa USD 170. Mio., entsprechend CHF 166 Mio., benötige.

  2. Das vorgenannte Gesuch datiert vom 8. Mai 2018 (act. 1). Mit Verfügung vom 9. Mai 2018 (act. 4) wurde die Klägerin zur Leistung eines Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, welcher fristgerecht hierorts einging (act. 5). Mit nämlicher Verfügung wurde der Beklagten Frist für die Erstattung der Gesuchsantwort angesetzt. Nach erfolgter rechtshilfeweiser Zustellung (vgl. act. 7) reichte die Beklagte ihre Stellungnahme am 9. Juli 2018 ein (act. 10). Weitere (ohne formelle Fristansetzung eingereichte) Stellungnahmen erfolgten am 23. Juli 2018 (Klägerin; act. 16) und am 6. August 2018 (Beklagte; act. 19). Der Inhalt von act. 19 und act. 20/20-22 ist nicht in den gerichtlichen Erwägungen berücksichtigt, weshalb sich auch wegen des Beschleunigungsgebotes - die Beachtung einer weiteren Replikfrist erübrigt. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

  3. Nach Art. 158 ZPO nimmt das Gericht jederzeit Beweis ab, wenn das Gesetz einen entsprechenden Anspruch gewährt (lit. a) die Klägerin eine Gefährdung der Beweismittel ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft macht (lit. b). Auf die letztere Variante, d.h. ein schutzwürdiges Interesse, beruft sich die Klägerin (act. 1 N 80 ff.; act. 16 N 24 ff.). Dies gilt es im Folgenden zu prüfen.

    1. Unstreitig standen und stehen sich die Parteien in einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren gegenüber, welche sich direkt indirekt um die Herausgabe des Escrow Property drehen (Übersicht in act. 10 N 8). Allerdings führten diese Verfahren, zuletzt ein SCAI-Schiedsverfahren, zu keiner Edition der Dokumente. Derzeit ist insbesondere noch ein (weiteres) ICC-Schiedsverfahren (ICC Case No 23197/GR) in Genf hängig, das die Beklagte anstrengte. Hier verlangt allerdings die Beklagte selbst mit nachfolgendem Antrag die Herausgabe des Escrow Porperty, was auch die Klägerin unumwunden einräumte (act. 1 N 61; act. 16 N 26):

      As Claimant (= Gesuchsgegnerin) considers the Arbitral Tribunal, once constituted, to be competent to hear the Parties' dispute ( ), it hereby petitions the Arbitral Tribunal to request that the Escrow Agent ( ) transfer the Escrow Property ( ) to the Arbitral Court.

      In Reaktion hierauf stellte die Klägerin in der Answer to the Request for Arbitration vom 10. Juli 2018 (act. 16 N 27; act. 16 S. 18) ihrerseits u.a. den prozessualen Antrag auf sofortige Edition.

    2. Das ICC-Schiedsgericht wird sich demzufolge in naher Zukunft mit der Edition des Escrow Property befassen müssen. Eine erste, diesbezügliche Frist läuft gemäss Angaben der Klägerin (act. 16 N 27) - Mitte September 2018 ab.

      Es kann unter staatlicher Mithilfe beispielsweise die zwangsweise Herausgabe veranlassen (z.B. Art. 375 Abs. 2 ZPO). Zwar dreht sich dieser ICC-Prozess auch um andere Streitgegenstände (dazu: act. 1 N 59; act. 16 N 35), doch kommt auch hier der Herausgabe des Escrow Property eine herausragende Bedeutung zu, berufen sich beide Parteien doch auf dessen Inhalt. Es rechtfertigt sich daher, die Lehre betreffend vorsorgliche Beweisführung während hängigem Hauptverfahren analog anzuwenden, zumal der Gesetzgeber von der Gleichwertigkeit der Staatsund Schiedsgerichtsbarkeit ausgeht (vgl. z.B. Art. 387 ZPO).

    3. Im Grundsatz ist von der herrschenden Lehre diesbezüglich anerkannt, dass eine vorsorgliche Beweisführung auch während hängigem Hauptverfahren möglich ist (vgl. dazu die einzelnen Nachweise in Urteil BGer 4A_128/2017 vom

      12. Mai 2017 E. 5.1). Jedoch stellt sie hierfür besondere Anforderungen an das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses (z.B. FELLMANN, in: SUTTERSOMM/HASENBÖHLER/LEUENBERGER [Hrsg.], ZPO-Komm., Art. 158 ZPO N 44f; KUKO-SCHMID, Art. 158 ZPO N 6; SCHWEIZER, Vorsorgliche Beweisabnahme nach schweizerischer Zivilprozessordnung und Patentgesetz, ZZZ 2010, S. 33; vgl. BKBRÖNNIMANN, Art. 158 ZPO N 10). Diese Mehrheitsmeinung fand auch in der kantonalen Judikatur vereinzelt ihren Niederschlag (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LB120081-O vom 31. Oktober 2012 E. 3.3 f. = ZR 112 [2013] Nr. 36 und Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern HG 16 33 vom 20. Juni 2016 E. 16 ff.).

    4. Dem ist auch im vorliegenden Entscheid mit seiner vergleichbaren Konstellation zu folgen. Besondere Gründe und Umstände im eben umschriebenen Sinn sind in casu aber weder ersichtlich noch dargetan worden. Die Klägerin führt vielmehr einzig und sehr pauschal aus, dass die Beklagte im ICCSchiedsverfahren erneut mit fadenscheinigen, sehr formalistischen Argumenten alles daran setzen werde, zu verhindern, dass sich die Klägerin des Escrow Property behändigen könne (act. 1 N 62). Dies zeige auch eine von der Beklagten beantragte (und gewährte) Fristerstreckung (act. 16 N 27). Darin ist allerdings noch kein schutzwürdiges Interesse an sofortiger Beweiserhebung zu erblicken. Der Klägerin ist ohne Weiteres zuzumuten, den Entscheid des ICC-

Schiedsgerichts betreffend Edition abzuwarten. Mangels schutzwürdigen Interesses ist das klägerische Gesuch abzuweisen (vgl. auch Verfügung vom 3. März 2016 HE150522-O E. 5.12 = ZR 115 [2016] Nr. 77).

    1. Selbst eine inhaltliche Beurteilung würde zu keinem anderen Resultat führen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung steht das Verfahren der vorsorglichen Beweisführung nach Art. 158 ZPO nämlich nicht offen, wenn die Beweisabnahme einem Urteil über den materiellen Anspruch gleichkommen würde (BGE 141 III 564 E. 4.2.2 = Pra 105 [2016] Nr. 80).

    2. Laut Ausführungen der Klägerin benötigt sie die Zustimmung der Beklagten, um das Escrow Property herausverlangen zu können (act. 1 N 53). Es wäre der Klägerin somit freigestanden, die Verweigerung dieser Zustimmung gerichtlich mittels Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung einzufordern (vgl. Art. 344 ZPO), besonders nachdem sich das zuerst angerufene SCAISchiedsgericht gemäss Schilderungen der Klägerin ausdrücklich als nicht kompetent erachtete (act. 1 N 55). Führt aber die Leistungsklage zum selben Resultat wie die Edition im vorliegenden Summarverfahren, so wird erstere in unzulässiger Weise vorweggenommen und käme die vorsorgliche Beweisführung einem definitiven Urteil in der Sache gleich. Nach der eingangs zitierten Bundesgerichtspraxis ist dieses Vorgehen nicht statthaft und dem Gesuch wäre auch aus dieser Sichtweise kein Erfolg beschieden gewesen.

    1. Die Klägerin unterliegt vollumfänglich (Art. 106 Abs. 1 ZPO), wobei ihr die Gerichtskosten definitiv aufzuerlegen sind. Die Klägerin bezifferte den Streitwert auf CHF 166 Mio. Praxisgemäss ist, wie in der Verfügung vom 9. Mai 2018 unter Hinweis auf sic! 2002 S. 493 ff. erwogen (act. 4), ein Bruchteil hiervon als Streitwert festzulegen.

    2. Angesichts des hohen Betrages rechtfertigt sich die Annahme eines Streitwertes von rund CHF 16.6 Mio. Der summarischen Natur dieses Prozesses folgend ist - unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips - die Gerichtsgebühr auf CHF 15'000.festzusetzen. Die Klägerin ist ausserdem zur Leistung einer Parteientschädigung an die Beklagte in der Höhe von CHF 17'000.zu verpflich-

ten. Auch diesbezüglich ist dem verhältnismässig geringen Aufwand Rechnung zu tragen (§ 4 Abs. 2 AnwGebV). Mangels Darlegung der Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist die Parteientschädigung der Beklagten praxisgemäss ohne Mehrwehrsteuerzuschlag zuzusprechen (vgl. Urteil BGer 4A_552/2015 vom 25. Mai 2016 E. 4.5).

Der Einzelrichter erkennt:
  1. Das Begehren betreffend vorsorgliche Beweisführung wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr in der Höhe von CHF 15'000.wird der Klägerin auferlegt und aus dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss bezogen.

  3. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 17'000.zu bezahlen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin unter Beilage eines Doppels von act. 19 und act. 20/20-22.

  5. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 16.6 Mio.

Zürich, 9. August 2018

Handelsgericht des Kantons Zürich Einzelgericht

Gerichtsschreiber:

Dr. Moritz Vischer

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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