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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:HE170139
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HE170139 vom 10.08.2017 (ZH)
Datum:10.08.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Vorsorgliche Beweisführung
Schlagwörter : Beweis; Konkurs; Unterlagen; Revision; Vorsorglich; Recht; Vorsorgliche; Klagten; Urkunden; Beklagten; Geschäftsjahr; Beweisführung; Begehren; Gesuch; Anspruch; Partei; Bundesgericht; Edierende; Konkursverschleppung; Vorliegenden; Herausgabe; Klägern; Urteil; Sachverhalt; Verfahren; Revisionsstelle; Rechtsbegehren; Beantragte; Rechtlich; FELLMANN
Rechtsnorm: Art. 103 BGG ; Art. 106 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 158 ZPO ; Art. 160 ZPO ; Art. 164 ZPO ; Art. 260 KG ; Art. 40 ZPO ; Art. 727a OR ; Art. 730c OR ; Art. 755 OR ; Art. 757 OR ;
Referenz BGE:127 III 453; 130 II 193; 132 III 342; 132 III 564; 136 III 322; 138 III 76; 140 III 16; 140 III 264; 141 III 564; 143 III 113;
Kommentar zugewiesen:
HASENBÖHLER, Kommentar zur ZPO, Art. 160 ZPO; Art. 730 OR; B, 2016
EBERLLENGAUER, Kommentar, Die Aktengesellschaft, Art. 160 ZPO; Art. 730 OR; B, 2016
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Handelsgericht des Kantons Zürich

Einzelgericht

Geschäfts-Nr.: HE170139-O U/ei

Mitwirkend: der Oberrichter Dr. Johann Zürcher sowie die Gerichtsschreiberin Helene Lampel

Urteil vom 10. August 2017

in Sachen

1. A. Holding Ltd, 2. B. ,

Kläger

1 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1. 2 vertreten durch Rechtsanwalt X2.

gegen

C. AG

Beklagte

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.

betreffend vorsorgliche Beweisführung

Rechtsbegehren:

(act. 1 S. 2 ff.)

Erwägungen:

1. Das Gesuch betreffend vorsorgliche Beweisführung mit oben genannten Rechtsbegehren ging am 3. Mai 2017 ein (act. 1; Beilagen act. 4/1 - 32). Mit Verfügung vom selben Tag wurde der Beklagten mit sofortiger Wirkung befohlen, die in den Rechtsbegehren genannten Unterlagen - soweit vorhanden - für die Dauer des vorliegenden Verfahrens aufzubewahren bzw. nicht zu vernichten. Im Übrigen wurde das Dringlichkeitsbegehren abgewiesen. Des Weiteren wurden Fristen angesetzt, den Klägern zur Leistung eines Kostenvorschusses für die Gerichtskosten in der Höhe von CHF 6'000 und der Beklagten zur Stellungnahme zum klägerischen Gesuch (act. 5). Der Gerichtskostenvorschuss wurde von den Klägern je zu einem Teil fristgerecht geleistet (act. 7). Die Stellungnahme der Beklagten wurde innert erstreckter Frist (act. 8) am 15. Juni 2017 erstattet. Darin beantragte die Beklagte die vollumfängliche Abweisung des klägerischen Begehrens und die Aufhebung des superprovisorisch angeordneten Befehls (act. 11 S. 2, S. 8

Rz. 27). Die Stellungnahme der Beklagten samt Beilagen (act. 11 und act. 12/1-3) wurde den Klägern zugestellt und am 20. Juni 2017 in Empfang genommen

(act. 13).

    1. Folgender Sachverhalt ist unbestritten (Kläger: act. 1 Rz. II.2, Rz. II.4,

      Rz. III.1 f., Rz. III.21; Beklagte: act. 11 Rz. 30 ff., Rz. 36 ff.) und aufgrund der eingereichten Unterlagen belegt: Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in F. , welche u.a. als Revisionsgesellschaft tätig ist (act. 4/4). Von Oktober 2003 bis Mitte 2011 war sie die Revisionsstelle der D. SA in liquidazione, über welche Gesellschaft mit Wirkung ab 30. April 2015 der Konkurs eröffnet wurde (act. 4/1; fortan D. genannt). Die Kläger 1 (act. 4/2) und 2 (fortan Kläger genannt) sind Gläubiger im Konkursverfahren der D. ; ihre rechtskräftig kollozierten Konkursforderungen belaufen sich gemäss eigenen Angaben auf insgesamt CHF 1'707'568.00 (act. 1 Rz. II.4). Mit Verfügung vom 3. Oktober 2016 trat die Konkursmasse der D. Verantwortlichkeitsansprüche u.a. aus Revisionshaftung im Sinne von Art. 260 SchKG an die Kläger ab (act. 4/3a), wodurch diese das Prozessführungsrecht erhielten, um die Ansprüche an Stelle der Konkursmasse in eigenem Namen und auf eigene Rechnung geltend machen zu können

      (BÜRGI, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl. 2014, N 2 zu Art. 260 SchKG; KREN KOSTKIEWICZ, in: Kommentar SchKG, 19. Aufl. 2016, N 1 zu Art. 260 SchKG). Die Abtretungsverfügung wurde am 8. März 2017 bis 31. Oktober 2017 verlängert (act. 4/3b).

    2. Die Kläger begründen ihr Begehren um vorsorgliche Beweisführung im Sinne von Art. 158 ZPO im Wesentlichen damit, dass es in der Hauptsache um die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen aus Revisionshaftung aufgrund Konkursverschleppung im Sinne von Art. 755 i.V.m. Art. 757 OR gegen die Beklagte gehen werde (act. 1 Rz. II.3 f.). Im Rahmen von Verantwortlichkeitsprozessen gegen Revisionsstellen bestehe eine Herausgabepflicht in Bezug auf sämtliche beweisgeeigneten Urkunden, d.h. vorliegend neben sämtlichen Revisionsunterlagen zu den Jahresrechnungen und sämtlicher Korrespondenz auch die für interne Zwecke erstellten Arbeitspapiere einschliesslich E-Mail-Korrespondenz von G. und H. , welche bei der Beklagten für die Revision der

      1. zuständig gewesen seien (act. 1 Rz. III.18 ff.). Trotz mehrmaliger Aufforderung (act. 4/6 ff., act. 4/20) habe die Beklagte dem Konkursamt erst mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 (act. 4/10) lediglich unvollständige Revisionsakten in Bezug auf die D. zur Verfügung gestellt (act. 4/11 - 19) und am 19. Januar 2017 Verjährungsverzichtserklärungen (act. 4/21) abgegeben (act. 1 Rz. III.3 ff., Rz. III.12). Insbesondere wegen der Gefahr der Aktenvernichtung der Revisionsakten für das Geschäftsjahr 2005/2006 aufgrund des Ablaufs der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist am 25. September 2017 bestehe hinsichtlich der beantragten Urkundeneditionen eine besondere Dringlichkeit (act. 1 Rz. II.6, Rz. III.9).

    3. Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, die Kläger würden nichts anderes als eine unzulässige Beweisausforschung beabsichtigen, was schon aus den unbegründeten, äusserst allgemein und weitgehend formulierten und somit eindeutig zu unbestimmten klägerischen Rechtsbegehren erhelle. Auch mangle es dem Gesuch an der erforderlichen Glaubhaftmachung der Voraussetzungen eines konkreten materiellrechtlichen Anspruchs gegenüber der Beklagten und generell an der ausreichenden Begründung und Substantiierung. Die Voraussetzungen für eine vorsorgliche Beweisabnahme seien nicht erfüllt (act. 11 Rz. 7 f., Rz. 18 ff.,

Rz. 25 f., Rz. 32 f., Rz. 42 ff.). Zudem seien zur Ermittlung eines Konkursverschleppungsschadens die Buchhaltungsunterlagen der Gesellschaft massgebend, wovon die Beklagte nur über einzelne dem Konkursamt bereits zugestellte Kontoauszüge verfüge. Im Übrigen sei sie nicht zur Herausgabe weiterer als der dem Konkursamt bereits zugesandten Unterlagen verpflichtet (act. 11 Rz. 16,

Rz. 21 ff., Rz. 38, Rz. 45). Sodann macht die Beklagte geltend, eine Beweisgefährdung könnte aktuell ohnehin nur für Unterlagen der Geschäftsjahre 2005/2006 gegeben sein, für welchen Zeitraum sie vorsorglich die Einrede der Verjährung erhebe (act. 11 Rz. 40, Rz. 42). Schliesslich bestreitet die Beklagte einen Verantwortlichkeitsanspruch aus Revisionshaftung. Die Beklagte habe bis zu ihrer Abwahl am 21. Juni 2011 infolge eines Opting-outs gesetzeskonforme Prüfungen durchgeführt, was schon aus den von den Klägern eingereichten Revisionsberichten hervorgehe und auch den Gesellschaftsund Konkursakten entnommen werden könne (act. 11 Rz. 8, Rz. 31, Rz. 41).

3. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Einzelgerichts am Handelsgericht des Kantons Zürich für die beantragte vorsorgliche Beweisführung ist gegeben (Art. 13 lit. a i.V.m. Art. 40 ZPO; Art. 6 Abs. 2, 3 und 5 ZPO i.V.m. § 44 lit. b und § 45 lit. b GOG) und blieb auch unbestritten (act. 1 Rz. II.3 f.; act. 11

Rz. 31 f.).

    1. Bei den Begehren nach Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO geht es um die vorsorgliche Beweisabnahme, sei es, weil die spätere Abnahme von Beweismitteln gefährdet ist, sei es, weil sonstwie ein schutzwürdiges Interesse besteht, worunter gemeinhin die Abklärung der Beweisund Prozessaussichten verstanden wird (ZR 114 [2015] Nr. 70 E. 3; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221, S. 7315; ZÜRCHER, in: DIKE-Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2016, N 10 ff. zu Art. 158 ZPO, mit Hinweisen insbes. auf die höchstrichterliche Rechtsprechung).

    2. Eine vorsorgliche Beweisführung nach Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO kann nur mit Blick auf einen konkreten materiellrechtlichen Anspruch verlangt werden, hängt doch das Interesse an einer Beweisabnahme vom Interesse an der Durchsetzung eines damit zu beweisenden Anspruchs ab. Der Gesuchsteller, welcher

      sich auf die genannte Bestimmung stützt, muss daher glaubhaft machen, dass ein Sachverhalt vorliegt, gestützt auf den ihm das materielle Recht einen Anspruch gegen den Gesuchgegner gewährt, und zu dessen Beweis das abzunehmende Beweismittel dienen kann. Mit der blossen Behauptung eines Bedürfnisses, Beweisund Prozessaussichten abzuklären, macht der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse an einer vorsorglichen Beweisführung noch nicht hinreichend glaubhaft. Vielmehr muss er das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen, die durch das beantragte Beweismittel bewiesen werden sollen, substantiiert und schlüssig behaupten (BGE 143 III 113 E. 4.4.1; BGE 140 III 16 E. 2.2.2 und E. 2.5; BGE 138 III 76 E. 2.4.2; Urteil des Bundesgerichts 4A_488/2012 vom

      5. November 2012 E. 2.2; ZR 114 [2015] Nr. 70 E 3; FELLMANN, in: SUTTER-SOMM /

      HASENBÖHLER / LEUENBERGER, Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2016, N 19d, N 19f,

      N 19i und N 19j zu Art. 158 ZPO; BRÖNNIMANN, in: Berner Kommentar zur ZPO, Band II, 2012, N 13 f. zu Art. 158 ZPO; ZÜRCHER, a.a.O., N 15 und N 21 zu

      Art. 158 ZPO; ; DOMEJ, Art. 158 ZPO in der Praxis - Ende einer Hoffnung in: FELLMANN / WEBER, Haftpflichtprozess 2014, S. 73 ff.).

    3. Unzulässig sind Beweisausforschungsbegehren, sogenannte fishing expeditions. Daher hat die Partei, welche die Edition von Urkunden verlangt, substantiierte Tatsachenbehauptungen aufzustellen, die mittels der zu edierenden Urkunden nur noch bewiesen werden sollen. Sie muss mit anderen Worten den Sachverhalt bereits kennen. Die Urkundenedition dient nämlich nicht der Klärung eines Sachverhalts, sondern zu dessen Beweis. Die zu edierenden Urkunden und deren Inhalt müssen zudem so genau bezeichnet werden, dass der Gesuchgegner sie ohne Schwierigkeiten ermitteln kann. Der Gesuchsteller ist also verpflichtet, die Beweismittel, so auch die zu edierenden Unterlagen, möglichst präzis zu bezeichnen (SCHWEIZER, Vorsorgliche Beweisabnahme nach schweizerischer Zivilprozessordnung und Patentgesetz, in: ZZZ 21-22/2010, S. 14 f.; ZR 114 [2015] Nr. 70 E. 3 m.w.H.; FELLMANN, a.a.O., N 17b zu Art. 158 ZPO). Nach dem Gesagten darf die vorsorgliche Urkundenedition gestützt auf Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO nicht zur Informationsbeschaffung und Sachverhaltsklärung angerufen werden, um hernach gestützt auf die dadurch gewonnen Erkenntnisse die für die Anspruchsbegründung relevanten Tatsachen in den Prozess einzubringen. Andern-

falls würde über diese Bestimmung - auch in Fällen ohne entsprechende Grundlage im materiellen Recht bzw. unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzung eines entsprechenden materiell-rechtlichen Informationsanspruchs - ein Editionsanspruch zu Informationszwecken begründet, was nicht Sinn und Zweck der Norm sein kann (ZR 114 [2015] Nr. 70 E. 3 m.H.; vgl. auch BGE 141 III 564 = Pra

105 [2016] Nr. 80 E. 4.2.2; zu aZPO ZH vgl. ZR 95 [1996] Nr. 62 E. 5.3).

    1. Die Kläger machen sinngemäss einen durch die Beklagte verursachten Konkursverschleppungsschaden geltend (act. 1 Rz. II.3 f.).

    2. Besteht der Schaden im Sinne von Art. 755 Abs. 1 OR in der Vergrösserung der Verschuldung der Konkursitin, welche durch eine verspätete Konkurserklärung entstanden ist (vgl. Art. 725 Abs. 2 und 729c OR), im sogenannten Fortführungsschaden zufolge Konkursverschleppung, so ist die tatsächlich eingetretene Überschuldung der Konkursitin mit jener zu vergleichen, die bei einem Konkurs zum früheren Zeitpunkt bestanden hätte (Urteil des Bundesgerichts 4A_271/2016 bzw. 4A_291/2016 vom 16. Januar 2017 E. 3.1; BGE 136 III 322

      1. 3.2; vgl. auch BGE 132 III 342 E. 2.3.3 und BGE 132 III 564 E. 6.2). Dieser

      Schaden kann bundesrechtskonform in der Weise festgestellt werden, dass der aus den Buchhaltungsunterlagen ersichtliche Saldo im Zeitpunkt der Verletzung der Benachrichtigungspflicht zu Liquidationswerten mit dem (höheren) Verlust im Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Konkurseröffnung verglichen wird (Urteil des Bundesgerichts 4C.263/2004 vom 23. Mai 2005 E. 3, nicht publ. in: BGE 132 III 222). Es gilt also, den Vermögensstand der Gesellschaft bei Konkurseröffnung mit dem Vermögen zu jenem Zeitpunkt zu vergleichen, auf welchen die eingeklagten Organe bzw. die Revisionsgesellschaft nach klägerischer Behauptung die Konkurseröffnung bei pflichtgemässem Handeln hätten herbeiführen müssen. Massgebend sind die Liquidationswerte, während den Fortführungswerten keine Bedeutung zukommt (BGE 136 III 322 E. 3.2.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_271/2016 bzw. 4A_291/2016 vom 16. Januar 2017 E. 3.1).

    3. Der Beklagten ist darin beizupflichten (act. 11 Rz. 7 f., Rz. 18 ff., Rz. 33, Rz. 42 f.), dass jegliche Darlegungen zu den notwendigen Elementen eines Verantwortlichkeitsanspruchs der Kläger bzw. der Gesellschaftsgläubiger fehlen, namentlich zum behaupteten Fortführungsschaden zufolge Konkursverschleppung. Die Kläger nehmen weder eine zeitliche Einordnung vor noch äussern sie sich zur Überschuldung bzw. den Liquidationswerten der D. in den gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung relevanten Zeitpunkten. Sie begnügen sich damit, pauschal einen durch die Beklagte verursachten Konkursverschleppungsschaden von mindestens CHF 50'000 zu behaupten (act. 1 Rz. II.3 f.), ohne diesen Standpunkt auch nur ansatzweise zu begründen. Auch auf die weiteren Voraussetzungen für einen Verantwortlichkeitsanspruch gemäss Art. 755 Abs. 1 OR, nämlich eine schuldhafte Pflichtverletzung der Revisionsstelle und ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden (Urteil des Bundesgerichts 4A_271/2016 bzw. 4A_291/2016 vom 16. Januar 2017 E. 3; BGE 127 III 453 E. 5a), gehen die Kläger mit keinem Wort ein. Das Vorliegen eines Sachverhalts, gestützt auf den das materielle Recht den Klägern einen Anspruch gegen die Beklagte gewähren würde und zu dessen Beweis die zu edierenden Urkunden dienen könnten, wurde von ihnen somit nicht schlüssig dargetan.

    4. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, in den eingereichten Beilagen nach einem allfälligen materiellrechtlichen Anspruch der Kläger zu suchen, vielmehr müssen die Tatsachenbehauptungen auch in einem Gesuch um vorsorgliche Beweisführung substantiiert in der Rechtsschrift selber erfolgen (FELLMANN, a.a.O., N 19j zu Art. 158 ZPO; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_317/2004 vom

17. Oktober 2014 E. 2.2 m.H.). Abgesehen davon betreffen von den zwei seitens

der Kläger eingereichten Bundesordnern mit Beilagen rund eineinhalb nicht den vorliegend relevanten Sachverhalt und die D. , sondern die I. AG in Liquidation (fortan I. genannt; act. 4/23). Dazu führen die Kläger im Wesentlichen aus, die I. sei ebenfalls von der Beklagten revidiert worden. Die Beklagte würde nach Massgabe der Schweizer Prüfungsstandards von der jeweils zu revidierenden Gesellschaft standardmässig eine Reihe von Dokumenten und Unterlagen sowie Notizen verlangen, aufbereiten und erfassen. Die in Bezug auf die I. eingereichten Unterlagen (act. 4/24 - 32) seien allesamt in aufbereiteter Form im Konkursverfahren der I. dem Konkursamt Bern-Mittelland übergeben worden, womit die Beklagte letztlich in diesem Umfang ihre Herausgabepflicht anerkannt habe. Es sei daher klar, dass diese Unterlagen folglich auch für

die D. erstellt worden seien, weswegen die Beklagte alle in den Rechtsbegehren genannten (physischen und elektronischen) Unterlagen herauszugeben habe (act. 1 Rz. III.16 ff.; dazu die Beklagte act. 11 Rz. 45). Die Schlussfolgerungen der Kläger, wonach die von der Beklagten im Konkursverfahren der I. eingereichten Unterlagen auch in Bezug auf die D. vorhanden sein müssten und die Beklagte aufgrund der Einreichung im Konkursverfahren der I. auch vorliegend zur Herausgabe der betreffenden Unterlagen verpflichtet sei, sind nicht nachvollziehbar. Massgebend sind einzig die hinsichtlich der D. existierenden Unterlagen und ein materiellrechtlicher Anspruch der Kläger, gestützt auf welchen die Beklagte zur Edition der betreffenden Unterlagen verpflichtet werden könnte. Wie bereits ausgeführt, fehlt es in dieser Hinsicht an den erforderlichen schlüssigen Ausführungen seitens der Kläger.

    1. Zudem läuft das klägerische Begehren bei näherer Betrachtung auf eine unzulässige Beweisausforschung hinaus.

    2. Die Kläger führen aus, die zur Edition beantragten Urkunden seien wesentlich, um die Abtretungsgläubiger (anstelle der Konkursmasse) in die Lage zu versetzen, die Schadenshöhe zu ermitteln und letztlich entsprechende Verantwortlichkeitsansprüche geltend zu machen (act. 1 Rz. III.21). Die Ermittlung des genauen Betrags des Konkursverschleppungsschadens bedürfe näherer Abklärungen, wozu nicht zuletzt die durch die Beklagte zu edierenden Unterlagen dienen sollten (act. 1 Rz. II.4). Weiter machen die Kläger sinngemäss geltend, es bestehe ein schutzwürdiges Interesse an der Abklärung der Höhe des Konkursverschleppungsschadens und weiterer Umstände, da das Begehren auch dazu diene, die Beweisaussichten und damit die Prozesschancen auszuloten (act. 1 Titel auf S. 9 oben und Rz. III.13). Mit diesen Ausführungen räumen die Kläger im Wesentlichen selber ein, dass sie auf dem Wege der vorsorglichen Urkundenedition Informationen beschaffen und den Sachverhalt klären wollen, um hernach gestützt auf die dadurch gewonnenen Erkenntnisse die für eine Anspruchsbegrün- dung relevanten Tatsachen in einen allfälligen Hauptsacheprozess einbringen zu können. Dies läuft auf eine Beweisausforschung hinaus.

    3. Auch im Rahmen von Verantwortlichkeitsprozessen gegen Revisionsstellen besteht für die Parteien nach Art. 160 Abs. 1 i.V.m. Art. 164 ZPO eine Obliegenheit zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung, u.a. durch Herausgabe beweisgeeigneter Urkunden. Die Zivilprozessordnung verwendet einen weiten Urkundenbegriff, welcher jedes Dokument mit Beweiseignung erfasst, so etwa auch die Prüfungsdokumentation. Dies ändert indessen nichts daran, dass die zu edierenden Unterlagen möglichst genau zu bezeichnen sind (EBERLE / LENGAUER, in: Zür- cher Kommentar, Die Aktengesellschaft, Revisionsstelle, Art. 727-731a OR, 2016, N 100 ff. zu Art. 730c OR). Die vage Hoffnung, dass mit einem allgemein gefassten Editionsbegehren möglicherweise einschlägige Dokumente gefunden werden, genügt nicht (HASENBÖHLER, in: SUTTER-SOMM / HASENBÖHLER / LEUENBERGER,

Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2016, N 13 zu Art. 160 ZPO; EBERLE / LENGAUER, a.a.O., N 101 zu Art. 730c OR; BGE 130 II 193 E. 5.1; Urteil des Bundesgerichts 1P.32/2005 vom 11. Juli 2005 E. 3.2). Begehren um Vorlage etwa von sämtlicher Korrespondenz, der gesamten Buchhaltung oder der gesamten Prüfungsdokumentation der Revisionsstelle sind unzulässig (HASENBÖHLER, a.a.O., N 13 zu Art. 160 ZPO; FELLMANN, a.a.O., N 17b zu Art. 158 ZPO; EBERLE / LENGAUER, a.a.O., N 101 zu Art. 730c OR; ZR 95 [1996] Nr. 62 E. 5.3).

Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat (act. 11 Rz. 7 f. und Rz. 24 ff.), beantragen die Kläger ohne schlüssige Begründung im Wesentlichen die Edition jeglicher im Zusammenhang mit der Revisionstätigkeit der Beklagten entstandenen Dokumente über einen Zeitraum von rund zehn Jahren. Das Begehren kann daher auch aufgrund seiner offenkundigen Uferlosigkeit nicht gutgeheissen werden.

  1. Eine aktuelle Beweismittelgefährdung im Sinne von Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO machen die Kläger sodann nur für Unterlagen betreffend das Geschäftsjahr 2005/2006 geltend, für welche die Aufbewahrungspflicht am 25. September 2017 ende (act. 1 Rz. II.6, Rz. III.9). Für das betreffende Geschäftsjahr liegen bereits eine Reihe seitens der Kläger eingereichter Unterlagen vor, nämlich die Vollstän- digerklärung und Jahresrechnung 2005/2006 (act. 4/11), der Bericht der Revisionsstelle zur Jahresrechnung 2005/2006 (act. 4/12) und der Kontoauszug für das Buchungsjahr 2006 (act. 4/17). Zu den aus klägerischer Sicht fehlenden Unterlagen und zur beweismässigen Relevanz derselben haben sich die Kläger nicht ge- äussert.

  2. Für zu edierende Unterlagen ab dem Geschäftsjahr 2010 kommt folgendes hinzu: Es ist unbestritten, dass die Beklagte bis und mit dem Geschäftsjahr 2007 bei der D. die ordentliche Revision durchführte und ab dem Geschäftsjahr 2008 die eingeschränkte Revision. Zufolge eines Opting-outs im Sinne von

    Art. 727a Abs. 2 OR (Verzicht auf die eingeschränkte Revision) wurde die Beklagte per 30. Juni 2011 als Revisionsstelle im Handelsregister gelöscht (Kläger:

    act. 1 Rz. III.1; Beklagte: act. 11 Rz. 36; Beilagen: act. 4/1 und act. 12/1 - 3). Die

    Beklagte macht geltend, das Opting-out sei anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung vom 21. Juni 2011 rückwirkend ab dem Geschäftsjahr 2010 beschlossen worden. Ab 2010 seien die Jahresrechnungen der D. nicht mehr revidiert worden, so dass die Beklagte auch über keine entsprechenden Unterlagen verfüge und die klägerischen Begehren um Herausgabe von Unterlagen zu den Jahresbzw. Geschäftsjahren 2010 bis 2015 von vornherein ins Leere zielen würden (act. 11 Rz. 9 f., Rz. 31, Rz. 36, Rz. 39). Die umstrittene Frage, ob das rückwirkende Opting-out - vorliegend in Bezug auf das Geschäftsjahr 2010 - rechtlich möglich sei oder nicht (act. 1 Rz. III.6; act. 11 Rz. 39), kann offen bleiben. Wesentlich ist, dass die Beklagte glaubhaft dargetan hat, dass sie die

    1. lediglich bis Ende 2009 revidierte und ab dem Geschäftsjahr 2010 über keine mit der Revision in Zusammenhang stehende Unterlagen verfügt. Demzufolge erweisen sich die beantragten vorsorglichen Urkundeneditionen bezüglich Revisionsunterlagen zur Jahresrechnung 2010 bzw. bezüglich der Korrespondenz und den Arbeitspapieren zu den Geschäftsjahren 2010 bis 2015 von Vornherein als nicht zielführend.

  3. Selbst wenn die Voraussetzungen gemäss Art. 158 ZPO vorliegend gegeben wären, ist zudem folgendes zu berücksichtigen: Eine Partei hat gemäss

    Art. 160 Abs. 1 ZPO die Obliegenheit, bei der Beweiserhebung mitzuwirken. Bei

    unberechtigter Weigerung kann sie nicht zur Mitwirkung gezwungen werden, etwa zur Herausgabe einer Urkunde. Vielmehr ist ein solches Verhalten bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (Art. 164 ZPO; vgl. dazu etwa BGE 140 III 264

    1. 2.3). Dies gilt auch im Rahmen eines Verfahrens betreffend vorsorgliche Beweisführung gemäss Art. 158 ZPO, ansonsten Art. 164 ZPO durch die Einleitung eines solchen Verfahrens umgangen werden könnte. Bei Gutheissung des vorliegenden Begehrens käme als Säumnisfolge für den Fall der Nichtherausgabe der zu edierenden Unterlagen durch die Beklagte daher einzig die Berücksichtigung bei der Beweiswürdigung in Betracht. Da im Verfahren betreffend vorsorgliche Beweisführung kein Beweiswürdigung ansteht und man im Hauptsacheprozess Beweismittel uneingeschränkt vorlegen bzw. deren Abnahme beantragen darf, bleibt die Weigerung einer Partei im vorliegenden Verfahren grundsätzlich folgenlos und ein Editionsbegehren im Rahmen desselben somit zahnlos (ZÜRCHER, a.a.O., N 18 zu Art. 158 ZPO; DOMEJ, a.a.O., S. 87 f., FELLMANN, a.a.O., N 31 und N 32 zu Art. 158 ZPO; BRÖNNIMANN, a.a.O., N 27 f. zu Art. 158 ZPO; SCHWEIZER,

    a.a.O., S. 14 f.; vgl. auch BGE 143 III 113 E. 4.4.1). Unter diesen Umständen wä- re es in der vorliegenden Konstellation nicht angemessen, mit der Androhung gemäss Art. 164 ZPO im vorliegenden Verfahren einem Hauptsacheverfahren gewissermassen vorzugreifen. Auch aus diesem Grund fallen die beantragten Beweisabnahmen, wonach die Beklagte zur Herausgabe diverser Unterlagen zu verpflichten sei, ausser Betracht.

    In diesem Zusammenhang ist aber folgendes festzuhalten: Wenn eine Partei ihre Obliegenheit zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung gemäss Art. 160 Abs. 1 ZPO dadurch verletzt, dass sie relevante Urkunden vernichtet, kann dies in einem Hauptsacheverfahren die nämlichen Folgen gemäss Art. 164 ZPO haben, sofern sie um die Bedeutung der betreffenden Urkunden als Beweismittel gewusst hat (vgl. dazu DOMEJ, a.a.O., S. 87; FELLMANN, a.a.O., N 32 zu Art. 158 ZPO; EBERLE /

    LENGAUER, a.a.O., N 103 f. zu Art. 730c OR). Diese Kenntnis wird der Beklagten mit diesem Entscheid im Hinblick auf ein allfälliges Hauptsacheverfahren vermittelt.

  4. Das Begehren der Kläger um vorsorgliche Beweisführung ist abzuweisen. Der in Dispositiv Ziffer 2 der Verfügung vom 3. Mai 2017 gegenüber der Beklagten angeordnete Befehl, die in den Rechtsbegehren gemäss act. 1 genannten Unterlagen - soweit vorhanden - für die Dauer des vorliegenden Verfahrens aufzu-

bewahren bzw. nicht zu vernichten, ist sodann aufzuheben, im Hinblick auf die allfällige Anfechtung des vorliegenden Entscheids mit Stellung eines Gesuches betreffend aufschiebende Wirkung (Art. 103 BGG) mit Wirkung ab 4. September 2017.

    1. Ausgangsgemäss werden die Kläger kostenund entschädigungspflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO).

    2. Die gerichtliche Streitwertschätzung von CHF 100'000.00 (act. 5 Erw. 3) wurde von den Parteien nicht in Zweifel gezogen.

    3. Die Gerichtsgebühr ist unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes des Gerichts auf CHF 6'000.00 festzusetzen (§ 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 GebV OG), den Klägern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen und aus den von ihnen geleisteten Kostenvorschüssen zu beziehen (Art. 111 Abs. 1 ZPO).

    4. Die von den solidarisch haftenden Klägern an die Beklagte zu leistende Parteientschädigung ist in Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 9 AnwGebV auf rund 3/5 der Grundgebühr bzw. CHF 6'500.00 festzusetzen.

Der Einz elrichter erkennt:
  1. Das Begehren der Kläger um vorsorgliche Beweisführung wird abgewiesen.

  2. Der in Dispositiv Ziffer 2 der Verfügung vom 3. Mai 2017 gegenüber der Beklagten angeordnete Befehl, die in den Rechtsbegehren gemäss act. 1 genannten Unterlagen - soweit vorhanden - für die Dauer des vorliegenden Verfahrens aufzubewahren bzw. nicht zu vernichten, wird mit Wirkung ab

    4. September 2017 aufgehoben.

  3. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 6'000.00.

  4. Die Kosten werden den Klägern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt und aus den von ihnen geleisteten Kostenvorschüssen bezogen.

  5. Die Kläger werden unter solidarischer Haftbarkeit verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung von CHF 6'500.00 zu bezahlen.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  7. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 100'000.00.

Zürich, 10. August 2017

Handelsgericht des Kantons Zürich Einzelgericht

Gerichtsschreiberin:

Helene Lampel

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