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Urteil Bezirksgericht Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:FV140171
Instanz:Bezirksgericht Zürich
Abteilung:7. Abteilung
Bezirksgericht Zürich Entscheid FV140171 vom 12.10.2015 (ZH)
Datum:12.10.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Gesamtarbeitsvertrag für den Personalverleih (GAVP). Richterliche Überprüfung der Allgemeinverbindlicherklärung.
Schlagwörter : Verbindliche; Cherklärung; Allgemeinverbindlicherklärung; Bundes; Recht; Einsatzbetrieb; Bundesrat; Person; Recht; Allgemeinverbindlich; Personal; Personalverleih; Einsatzbetriebe; Erklärte; Arbeitnehmer; Branche; Gesamtarbeitsvertrag; Beruf; Vertrag; Wirtschaft; Erklärten; Arbeitgeber; Parteien; Beklagten; Gesamtarbeitsvertrages; Regelung; Gericht; Rechtlich
Rechtsnorm: Art. 10 ZPO ; Art. 110 BV ; Art. 190 BV ; Art. 222 ZPO ; Art. 243 ZPO ; Art. 246 ZPO ; Art. 27 BV ; Art. 356 OR ; Art. 356b OR ; Art. 357 OR ; Art. 357b OR ; Art. 358 OR ; Art. 6 ZPO ;
Referenz BGE:118 II 528; 127 III 318; 127 III 322; 132 III 172; 132 III 18; 134 III 399; 137 II 399; 138 III 107; 139 III 457; 140 III 155; 140 III 391; 140 III 450; 140 III 550; 140 III 636; 84 I 18; 98 II 205;
Kommentar zugewiesen:
BIGLER, Kommentar zum Gesamtarbeitsvertrag, Art. 358 OR so; Art. 2 AVEG, 1985
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Bezirksgericht Zürich

7. Abteilung - Einzelgericht

Geschäfts-Nr.: FV140171-L / U

Mitwirkend: Einzelrichter Dr. R. Weber

Gerichtsschreiberin Dr. B. Käser

Urteil vom 12. Oktober 2015

in Sachen

Verein Paritätischer Vollzug, Weiterbildung und Sozialfonds für den Personalverleih, c/o SIB Schweiz. Institut für Betriebsökonomie AG, Lagerstr. 5, 8004 Zürich,

Kläger

vertreten durch Rechtsanwalt

gegen

X. AG, ,

Beklagte

vertreten durch Rechtsanwalt betreffend Forderung

Rechtsbegehren:

(Urk. 2 S. 2)

Die Beklage sei zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 29'999.00.- nebst 5 % Zins seit 15. September 2012 zu bezahlen.

Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten.

Erwägungen:

  1. Ausgangslage und Prozessverlauf
    1. Der Kläger ist das in der Form eines Vereins nach Art. 60 ff. ZGB organisierte paritätische Vollzugsorgan im Sinne von Art. 357b OR des Gesamtarbeitsvertrages Personalverleih (GAVP) vom 1. Januar 2012 (Urk. 5/3 Art. 3). Vereinsmitglieder sind die Parteien des GAVP; dem Verein angeschlossen sind nach Art. 2 Abs. 2 der Statuten die dem Gesamtarbeitsvertrag unterstehenden Unternehmungen und deren Arbeitnehmer, soweit sie dem Vertrag durch Mitgliedschaft bei einer Vertragspartei, Unterzeichnung eines Anschlussvertrages (Art. 356b OR) oder durch Allgemeinverbindlicherklärung unterstellt sind. Die Beklagte ist eine im Bereich der Arbeitsvermittlung und des Personalverleihs tätige Aktiengesellschaft (Urk. 5/4+5), aber nicht Vertragspartei des GAVP und auch nicht Mitglied einer Vertragspartei desselben. Der Bundesrat erklärte nach einem umfangreichen Einspracheverfahren mit Beschluss vom 13. Dezember 2011 den Gesamtarbeitsvertrag, genauer die im Anhang des Beschlusses bezeichneten Teile, für die ganze Schweiz allgemeinverbindlich (Urk. 66/4; BBl 2011, 9223 = http://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2011/9223.pdf; Fassung mit Anhang

      = http://www.seco.admin.ch/themen/00385/00420/00430/04789/lang=de; s. auch die Berichtigung in BBl 2012, 443 = http://www.admin.ch/opc/de/federal -

      gazette/2012/443.pdf; zur Geschichte des Vertrages und seiner Allgemeinverbindlicherklärung vgl. JOEHRO, Der Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih, Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht [ArbR] 2013, 105 ff.). Der Beschluss trat auf den 1. Januar 2012 in Kraft, galt zunächst bis zum 31. Dezember 2014 (Art. 4 des BRB vom 13.12.2011) und wurde inzwischen mit Bundesratsbeschluss vom 11. Dezember 2014 bis Ende 2015 verlängert (BBl 2014, 3234).

      Der Kläger ist im Geltungsbereich des allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrages auch für das Inkasso der Berufsbeiträge zuständig, eine Aufgabe, die ihm auch durch seine Statuten zugewiesen wird (Art. 7 Abs. 7 GAVP; Urk. 5/3, Art. 3 Abs. 2 lit. g). Vorab gestützt auf die Allgemeinverbindlicherklärung fordert er mit der vorliegenden Klage von der Beklagten einen Teil der Berufsbeiträge für das Jahr 2012 (vgl. dazu die Akontorechnung der Inkassostelle des Klägers über Fr. 30'000.- vom 16. August 2012, Urk. 5/8, die Einwendungen der Z. AG für die Beklagte vom 17. Oktober 2012, Urk. 5/7, die Zahlungserinnerung der Inkassostelle des Klägers vom 9. November 2012, Urk. 5/9, und die Lohnsummendeklaration der Z. AG für die Beklagte vom 16. Januar 2013, Urk. 5/6). Die Beklagte bestreitet ihre Leistungspflicht.

    2. Mit Eingabe vom 3. Juli 2014 (Poststempel) reichte der Kläger eine schriftlich begründete Klage im vereinfachten Verfahren im Sinne von Art. 244 Abs. 1 und 245 Abs. 2 ZPO ein und legte dieser die Klagebewilligung des Friedensrichteramtes der Stadt Zürich, Kreise 4+5 vom 7. April 2014 bei (Urk. 1 und 2). Mit Verfügung vom 21. Juli 2014 wurden die Parteien über die mutmasslichen Prozesskosten informiert. Weiter wurde der Kläger zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 3'950.- aufgefordert (Urk. 9). Nachdem dieser fristgerecht am

25. Juli 2014 geleistet worden war (Urk. 11), wurde der Beklagten am 3. September 2014 eine nicht erstreckbare Frist von 30 Tagen angesetzt, um zur Klage schriftlich Stellung zu nehmen. Mit Blick auf die Säumnisfolgen wurde den Parteien (noch in Unkenntnis des zwei Tage zuvor ergangenen BGE 140 III 450) zu erkennen gegeben, dass die Stellungnahme nicht mit einer Klageantwort im Sinne von Art. 222 ZPO gleichgesetzt werde (Urk. 12). Nach telefonischer Erörterung der Ausgangslage erklärte die Beklagte am 6. Oktober 2014, eine umfassende

Stellungnahme abgeben zu wollen, und ersuchte um eine einmalige Fristerstreckung bis 7. November 2014, welche ihr in der Folge gewährt wurde (Urk. 15 und 16). Die Stellungnahme der Beklagten wurde darauf innert der erstreckten Frist eingereicht (Urk. 19) und mit Verfügung vom 10. November 2014 dem Kläger zugestellt (Urk. 21). Da die Eingabe den Erfordernissen einer umfassenden schriftlichen Klageantwort genügte (obwohl formell zu einer solchen noch keine Gelegenheit geboten worden war, vgl. Urk. 12) und grundsätzlich die Parteien anstelle einer Hauptverhandlung einen Schriftenwechsel im Sinne von Art. 246 Abs. 2 ZPO befürworteten, allerdings auf Wunsch der Beklagten auf einem doppelten bestanden (Urk. 24, 26-28), wurde dem Kläger mit Verfügung vom 21. Januar 2015 Frist zur schriftlichen Klagebegründung angesetzt (Urk. 30). Nach einem Richterwechsel befürworteten beide Parteien die Ansetzung einer Instruktionsverhandlung (ohne Parteivorträge). Entsprechend wurde dem Kläger die Frist zur schriftlichen Klagebegründung abgenommen und zugleich den Parteien angekün- digt, dass im Falle des Scheiterns der Vergleichsbemühungen auch die Frage der Art der Fortsetzung des Verfahrens noch einmal angeschaut würde (Urk. 32, 34, 36 und 40-42). Die Instruktionsverhandlung konnte zunächst auf den 6. Mai 2015, nach einer durch das Gericht zu verantwortenden Verschiebung schliesslich auf den 24. Juni 2015 angesetzt und am zuletzt genannten Tag auch durchgeführt werden (Prot. S. 7 ff.). Eine Einigung konnte nicht erzielt werden; die Parteien vereinbarten jedoch weitere Gespräche (vgl. Urk. 48). Für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens wurde den Parteien angekündigt, dass ohne eine Einigung auf einen einzigen Schriftenwechsel eine Hauptverhandlung angesetzt werde (Prot. S. 8). Da es in der Folge weder in der Sache noch in prozessualer Hinsicht zu einer Einigung kam (Urk. 49, 50, 53, 54, 58, 62 und 63) wurde auf den 30. September 2015 zur Hauptverhandlung vorgeladen (Urk. 55). Nach deren Durchführung (Prot. S. 9 ff.) erweist sich das Verfahren als spruchreif.

  1. Parteistandpunkte
    1. Zur Begründung seines Hauptantrags lässt der Kläger hauptsächlich vortragen, die Beklagte habe die Anwendbarkeit des Gesamtarbeitsvertrages insofern

      grundsätzlich anerkannt, als sie ihm die für die Berechnung der Berufsbeiträge massgebliche Lohnsumme 2012 über die Z. AG mit Deklaration vom 16. Januar 2013 gemeldet habe. Die Weigerung zur Zahlung werde nur damit begründet, dass der allgemeinverbindlich erklärte GAVP nicht korrekt zustande gekommen sei und dass die Beitragserhebung gestützt auf den Vertrag übergeordnetem Recht widerspreche. Beides sei indessen nicht stichhaltig. Die Allgemeinverbindlicherklärung durch den Bundesrat sei rechtskräftig. Die Beklagte habe sich am vorausgegangenen Einspracheverfahren beteiligt, so dass von einer res iudicata auszugehen sei. Zwar sei es richtig, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung nichts daran ändere, dass übergeordnetes Bundesrecht dem Gesamtarbeitsvertrag vorgehe. Dies betreffe aber nur einzelne materielle Bestimmungen des GAV, nicht aber die Allgemeinverbindlicherklärung als solche. Diese dürfe von den Zivilgerichten nicht mehr infrage gestellt werden. Abgesehen davon habe der Bundesrat zu jedem einzelnen von der Beklagten vorgetragenen Argument gegen die Allgemeinverbindlicherklärung Stellung genommen. Die entsprechenden Überlegungen seien auch heute noch gültig und seien von den Gerichten bislang nie infrage gestellt worden. Dass die Beitragspflicht der unterstellten Betriebe gemäss Art. 7 Abs. 4 GAVP dem Art. 20 Abs. 1 AVG widerspreche, treffe nicht zu. Zwar sehe die genannte Bestimmung des Arbeitsvermittlungsgesetzes vor, dass für Personalverleihbetriebe die Lohnund Arbeitszeitbestimmungen der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge der jeweiligen Branche der Betriebe massgeblich seien, in denen der entsandte Arbeitnehmende tätig sei. Der GAVP trage dieser Normenkollision allerdings Rechnung, indem er in Art. 3 vorsehe, dass punkto Lohnund Arbeitszeit die Regelung der branchenspezifischen (insbesondere allgemeinverbindlich erklärten) GAV übernommen würden (Abs. 1) und dass bezüglich Krankentaggeldversicherung, beruflicher Vorsorge und Beiträgen für Vollzug und Weiterbildung die Bestimmungen des GAVP gegenüber den branchenspezifischen Regelungen in allgemeinverbindlich erklärten GAV nur dann Vorrang hätten, wenn sie zu diesen mindestens gleichwertig seien. Die Beklagte trage kein Doppelzahlungsrisiko, denn die Beiträge im Rahmen des Geltungsbereiches des GAVP träten an die Stelle der Beiträge gestützt auf branchenspezifische GAV. Selbst wenn die Beitragspflicht der Beklagten auf den einzelnen branchenspezifischen GAV beruhen würde, sei der Kläger zum Inkasso legitimiert (Urk. 2 S. 5 ff., Urk. 64 S. 2 ff.; Prot. S. 10 und 15 f.).

    2. Die Beklagte wendet dagegen zunächst ein, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, denn es mangle ihm für den behaupteten Anspruch an einer tauglichen materiellrechtlichen Grundlage (Urk. 19 S. 2). Die Beklagte habe die Anwendbarkeit des GAVP nie anerkannt. Insbesondere habe sie in der Lohnsummendeklaration vom 16. Januar 2013 keine Unterstellungserklärung abgegeben und schon in der vorausgegangenen Korrespondenz die Anwendbarkeit des Gesamtarbeitsvertrages bestritten (Urk. 19 S. 3; Prot. S. 11 und 13 f.).

      Sodann widersprächen die Beitragsbestimmungen des GAVP dem Rechtsgleichheitsgebot nach Art. 8 sowie der Wirtschaftsfreiheit und -gleichheit nach Art. 8, 27, 94 Abs. 4 und 110 Abs. 2 BV (Urk. 19 S. 4 und 10 f.). Verletzt seien auch die Art. 1-6 AVEG. Es fehle im konkreten Fall an den gesetzlichen Voraussetzungen für die vom Bundesrat vorgenommene Allgemeinverbindlicherklärung. So erlaube Art. 1 Abs. 1 AVEG die Ausdehnung des Geltungsbereichs von GAV auf Dritte explizit nur auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweigs oder Berufs. Wegen der rechtsstaatlich problematischen Unterwerfung eines Aussenseiters unter eine fremde Vereinbarung seien unbestimmte Rechtsbegriffe restriktiv auszulegen. Der Personalverleih beschlage aber gerade keinen einheitlichen Beruf oder Wirtschaftszweig. Zwar kämen durchaus GAV zum Tragen, aber es handle sich um diejenigen für die jeweilige Branche des Einsatzbetriebes. Es möge zutreffen, dass auch Personalverleihbetriebe im Rahmen ihrer Koalitionsfreiheit GAV abschliessen könnten, im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung sei Art. 1 Abs. 1 AVEG aber so zu verstehen, dass der Begriff des Wirtschaftszweigs oder Berufs als Voraussetzung für eine Allgemeinverbindlicherklärung eng auszulegen sei (Urk. 19 S. 5 ff.). Die Allgemeinverbindlicherklä- rung des GAVP sei auch nicht notwendig im Sinne von Art. 2 Ziff. 1 AVEG gewesen. Es fehle an einem sozialpolitisch schutzwürdigen Brancheninteresse schon wegen des Fehlens einer einheitlichen Branche. Zudem sichere Art. 20 AVG ohnehin schon die Einhaltung der Lohnund Arbeitszeitbestimmungen der allgemeinverbindlich erklärten Branchen-GAV der Einsatzbetriebe. Von einem unzureichenden Schutz der Arbeitnehmer könne daher keine Rede sein. Auf der anderen Seite erlitten zwangsweise unterstellte Unternehmen einen erheblichen Nachteil, da Art. 2 Abs. 2 des BRB vom 13. Dezember 2011 Personalverleihunternehmen vom Unterstellungszwang ausnehme, die eine Lohnsumme von weniger als Fr. 1.2 Mio. pro Jahr erreichten. Auch die berechtigten Interessen anderer Wirtschaftsgruppen und Bevölkerungskreise seien tangiert, denn die Allgemeinverbindlicherklärung bewirke, dass Einsatzbetriebe, die selbst keinem GAV unterstünden, Mindestlöhne an entliehene Arbeitskräfte zahlen müssten, in deren Genuss ihre Stammbelegschaft nicht komme. Wo umgekehrt Branchen-GAV existierten, entstünden mit der Allgemeinverbindlicherklärung wegen Art. 20 Abs. 1 AVG Kollisionsprobleme, wodurch ebenfalls die Interessen anderer Wirtschaftsgruppen tangiert seien. Durch den Entscheid würden zudem flächendeckend und branchenübergreifend Mindestlöhne im Widerspruch zu Branchen-GAV eingeführt, was gegen Art. 27 BV verstosse. Sodann seien unstreitig der Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP insgesamt 320 interessierte Arbeitgeber zugrunde gelegt worden, wovon 162 oder 50.6 % am GAV freiwillig beteiligt seien. So sei mit Blick auf Art. 2 Ziff. 3 AVEG das Quorum von 50 % der Arbeitgeber erreicht worden. Möglich gewesen sei das nur durch eine entsprechende Definition der einbezogenen Verleihbetriebe als solche mit einer jährlichen Mindestlohnsumme von Fr. 1.2 Mio. Gemäss Statistik des Seco hätten aber 2011 1'273 reine Verleihbetriebe bestanden, gemischte Verleihund Vermittlungsbetriebe gar 1'499. Selbst wenn man der Rechnung nur die reinen Verleihbetriebe zugrunde lege, machten die am GAV freiwillig beteiligten Arbeitgeber gerade einmal 12.72 % der Gesamtheit aus. Das Vorgehen des Bundesrates erweise sich als rechtsmissbräuchliche Gesetzesumgehung und zudem als willkürlich. Es werde bestritten, dass die beiden weiteren Quoren gemäss Art. 2 Ziff. 3 AVEG erreicht seien, insbesondere bezüglich der Anzahl betroffener Arbeitnehmer. Eine res iudicata liege bezüglich der Allgemeinverbindlicherklärung nicht vor. Gegen den Beschluss des Bundesrates sei kein Rechtsmittel möglich gewesen. Es gehe hier nicht um eine abstrakte Normenkontrolle. Soweit die Allgemeinverbindlicherklärung aber unzulässig gewesen sei, bestehe Nichtigkeit inter partes zumindest hinsichtlich der

      Bestimmungen, auf welche der Kläger die Beitragsforderung gegen die Beklagte stütze (Urk. 19 S. 7 ff.; Prot. S. 11 ff. und 16 f.).

      Weiter ändere selbst eine grundsätzlich wirksame Allgemeinverbindlicherklä- rung nichts daran, dass GAV-Bestimmungen auf ihre Übereinstimmung mit zwingendem Verfassungsoder Gesetzesrecht zu prüfen seien. Auch der Bundesrat sei in der Botschaft zum AVEG selber davon ausgegangen, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung den Entscheid der (Zivil-)Gerichte darüber nicht präjudiziere, ob eine GAV-Bestimmung mit zwingendem Recht übereinstimme. Daraus folge zugleich, dass die Auffassung des Klägers fehl gehe, wonach die Allgemeinverbindlicherklärung indiziere, dass die Ordnung des GAVP mit dem übrigen Bundesrecht übereinstimme (Urk. 19 S. 4 f.).

      Materiell sei Art. 20 AVG verletzt. Da dort die Unterstellung des Personalverleihbetriebs unter den entsprechenden allgemeinverbindlich erklärten Branchenvertrag des Einsatzbetriebes statuiert sei, müssten Einsatzbetrieb und Personalverleiher zwingend das gleiche rechtliche Schicksal teilen. Die Anknüpfung an den Einsatzbetrieb erfolge gerade mit Blick darauf, dass gerade dieser die konkrete Branche oder den Wirtschaftszweig definiere, wogegen der Personalverleiher auch ein eigenständiges Berufsbild als Personalberater oder -vermittler entwickeln könne. Nach Art. 358 OR gehe zwingendes Recht einem GAV vor; dies sei hier der Fall (Urk. 19 S. 10; Prot. S. 12 f.).

  2. Zuständigkeit und Verfahrensart
    1. Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages hat zur Folge, dass die Vertragsbindung eines (zwischen Verbänden abgeschlossenen) Gesamtarbeitsvertrages auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweiges oder Berufes ausgedehnt wird, die weder durch Verbandsmitgliedschaft noch durch Anschluss am Vertrag beteiligt sind (Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 AVEG). Deren Stellung wird durch die Allgemeinverbindlicherklärung dergestalt, wie wenn sie am Vertrag beteiligt wären (PORTMANN/STÖCKLI, Kollektives Arbeitsrecht, Zürich 2004, Rz. 155).

      Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung der Berufsbeiträge gestützt auf Art. 7 Abs. 4 des mit Bundesratsbeschluss (BRB) vom 13. Dezember 2011 allgemeinverbindlich erklärten GAVP. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Frage, ob ein bestimmtes Unternehmen einem allgemeinverbindlich erklärten GAV untersteht, im Streitfall grundsätzlich durch die Ziviljustiz zu beurteilen (BGE 134 III 399, 541; BGE 118 II 528 E. 2a; BGE 98 II 205 E. 1;

      BGer 4C.191/2006 vom 17. August 2006 E. 1.1). Dasselbe gilt für die einzelnen Ansprüche aus einem solchen GAV, namentlich auch für die Frage, ob und wie weit Kontrollbefugnisse der aufgrund eines allgemeinverbindlich erklärten GAV eingesetzten paritätischen Organe bestehen (BGer 4C.60/2007 vom 28. Juni 2006 E. 1.2.2.). Immerhin können Beitragsforderungen auch eine öffentlichrechtliche Grundlage haben, soweit sie direkt gestützt auf ein Bundesgesetz eingefordert werden, wie etwa solche nach dem Berufsbildungsgesetz (BGE 137 II 399 E. 1; BGer 4A_301/2011 vom 21. September 2011 E. 3). Im vorliegenden Fall geht es um Beiträge gestützt auf Art. 7 Abs. 7 GAVP, so dass von einer zivilrechtlichen Streitigkeit auszugehen ist.

          1. Aufgrund des Streitwerts der vorliegenden (zulässigen) Teilklage von weniger als Fr. 30'000.- kommt das vereinfachte Verfahren zur Anwendung (Art. 243 Abs. 1 ZPO). Aus Art. 243 Abs. 3 ZPO, wonach das vereinfachte Verfahren vor Handelsgericht nicht zur Anwendung gelangt, folgert das Bundesgericht im Umkehrschluss, dass Streitigkeiten im vereinfachten Verfahren nie eine Handelssache darstellen können (BGE 139 III 457 E. 4.4.3). Damit ist für den vorliegenden Fall das Handelsgericht mit Blick auf Art. 6 Abs. 2 lit. b ZPO für die Behandlung des Falles sachlich nicht zuständig. Hinzu kommt, dass im Kanton Zürich ein Mindeststreitwert von Fr. 30'000.- erforderlich ist für die Zuständigkeit des Handelsgerichts (§ 44 lit. b GOG). Obwohl das Bundesgericht den Begriff der Handelssache nach Art. 6 ZPO ausdehnend interpretiert und auch auf die Frage der sachlichen Zuständigkeit bezieht, lässt es eine solche Streitwertgrenze des kantonalen Rechts unter Berufung auf die Materialien als einzige Ausnahme zu (s. dazu BGE 140 III 155, BGE 140 III 550 E. 2.3; Botschaft zur ZPO, BBl 2006, 7261 u.).

          2. Das Arbeitsgericht ist vorliegend sachlich ebenfalls nicht zuständig. § 20 GOG bestimmt abschliessend, wann das Arbeitsgericht erstinstanzlich zum Zuge kommt. Vorliegend trifft keine der Varianten des in § 20 lit. a bis e GOG vorgegebenen Katalogs zu. Somit ist das Einzelgericht als Zivilgericht gemäss § 24 lit. a GOG sachlich zuständig.

        1. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit handelt es sich vorliegend um eine Streitigkeit zwischen einem paritätischen Organ und einem Personalverleihbetrieb. Der Sitz der Beklagten befindet sich gemäss Handelsregisterauszug an der X.strasse in Zürich (Urk. 5/4). Gemäss Art. 10 Abs. 1 ZPO gelangt der allgemeine Gerichtsstand zur Anwendung (Sitz der Beklagten), wie der Kläger dies zu recht geltend macht und die Beklagte dies sinngemäss anerkennt, indem sie zur Sache plädiert hat, ohne eine Unzuständigkeitseinrede zu erheben. Somit liegt die örtliche Zuständigkeit in Zürich.

        2. Bezüglich der Verfahrensmaximen ist davon auszugehen, dass zwar eine arbeitsrechtliche Streitigkeit im weiteren Sinne vorliegt, aber keine solche im Sinne von Art. 247 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 ZPO. Das Bundesgericht hat den Begriff in Zusammenhang mit der Streitwertgrenze für die Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG) eng interpretiert und entschieden, der Sozialschutzcharakter der Norm impliziere ihre Anwendung nur auf Einzelarbeitsverhältnisse (BGE 140 III 391 E. 1.3, m. Verw. auf BGer, 4A_535/2009 E. 1.2.1, auf den auch der Kläger verwies). Sozialschutzcharakter haben auch die Normen der ZPO, die sich mit arbeitsrechtlichen Klagen bzw. Streitigkeiten befassen, namentlich Art. 247 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 und Art. 34 f. ZPO. Auch deren Anwendungsbereich ist daher auf Einzelarbeitsverträge beschränkt, wenn auch in einem weit verstandenen Sinne (zur Diskussion in der Lehre vgl. BSK ZPO-KAISER JOB, Art. 34 N 4 ff.; DIKE-Komm-ZPO-SENTI, Art. 34 N 19 ff.; OFK ZPO-ROHNER, Art. 34 N

      7 f.; KUKO ZPO-HAAS/STRUB, Art. 34 N 3 ff.; OFK ZPO-LAZOPOULOS/LEIMGRUBER,

      Art. 247 N 8 [mit probl. Einschränkung bei anwaltlich vertretenen Parteien eines Einzelarbeitsvertrages]; KUKO ZPO-FRAEFEL, Art. 247 N 6). Damit kommt im vorliegenden Fall zwar die erweiterte Fragepflicht des Gerichts nach Art. 247 Abs. 1

      ZPO zum Tragen, nicht aber die soziale Untersuchungsmaxime nach Abs. 2 der genannten Bestimmung.

  3. Materielle Behandlung der Klage
    1. Nach Art. 1 Abs. 1 AVEG kann der Geltungsbereich eines zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrages auf Antrag aller Vertragsparteien durch Anordnung der zuständigen Behörde (Allgemeinverbindlicherklärung) auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweiges oder Berufes ausgedehnt werden, die am Vertrag nicht beteiligt sind. Das Antragserfordernis zeigt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung nicht als gewöhnliches staatliches Handeln verstanden werden darf, denn die Initiative geht nicht vom Staat aus und dieser hat auf den Inhalt des Gesamtarbeitsvertrages keinen Einfluss. In der Lehre spricht man daher von einer Kombination aus privatautonomer Normsetzung und staatlichem Mitwirkungsakt, wobei gegenüber den Vertragsparteien von einem Rechtsanwendungsakt, gegenüber den Aussenseitern aber von einem Erlass gesprochen wird (PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., Rz. 109). Die weiteren Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung sind in Art. 2 AVEG geregelt. Diese Norm verlangt u.a., dass die Massnahme sich wegen zu erwartender erheblicher Nachteile für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer als notwendig erweist, dass sie dem Gesamtinteresse und den berechtigten Interessen anderer Wirtschaftsgruppen und Bevölkerungskreise nicht zuwiderläuft und dass bestimmte Beteiligungsquoren erreicht sind (Ziff. 1-3). Ziff. 4 verlangt beim Entscheid auch die Wahrung des Rechtsgleichheitsgebots sowie des zwingenden Rechts des Bundes und der Kantone. Dabei ist anerkannt, dass der Vorrang zwingenden Rechts bei der späteren Anwendung des GAV auch dann zu beachten ist, wenn die Allgemeinverbindlichkeit erfolgt, obwohl einzelne Bestimmungen des GAV nicht mit dem geltenden Recht vereinbar sind (vgl. Art. 358 OR sowie BIGLER, in: SCHWEINGRUBER/BIGLER, Kommentar zum Gesamtarbeitsvertrag, 3. A., Bern 1985, Ziff. 4 zu Art. 2 AVEG, S. 109).

      Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist für die Auslegung von Gesamtarbeitsverträgen zwischen den direkt oder indirekt schuldrechtlichen und

      den normativen Bestimmungen des Vertrages zu unterscheiden. Während erstere die Rechte und Pflichten der Tarifpartner unter sich regeln und gemäss den Grundsätzen über die Auslegung von Verträgen zu interpretieren sind, richtet sich die Auslegung der normativen Bestimmungen, welche auf die Vertragsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern anwendbar sind, nach den für Gesetze geltenden Grundsätzen (BGE 127 III 318 E. 2a; ZK-VISCHER, Art. 356 OR N 110; BK-STÖCKLI, Art. 356 OR N 134; BSK OR I-PORTMANN, Art. 356 N 10

      ff.). Bestimmungen, welche den Anwendungsbereich eines Gesamtarbeitsvertrages betreffen, haben nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts normativen Charakter und sind daher gesetzesgleich auszulegen (BGE 127 III 318 E. 2a; BGer 4C.191/2006 vom 17. August 2006 E. 2.2, 4P.49/2006 vom 24 April 2006 E. 3.3). Erst recht gilt dies für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages, die laut Bundesgericht einen Verwaltungsakt darstellt, bei welchem eine besondere Art der privaten (Zivil-)Rechtsetzung durch einen öffentlichrechtlichen Akt auf alle Angehörigen einer Berufsgruppe oder eines Gewerbes ausgedehnt wird (BGE 98 II 205 E. 1). In der Lehre wird wie schon erwähnt präzisiert, dass die Allgemeinverbindlicherklärung ihrerseits gegenüber dem Aussenseiter einen Erlass, also einen Rechtssetzungsakt bilde (BSK OR I-PORTMANN, Art. 357 N 21), so dass von einer Mischform zwischen einem Rechtsanwendungsund einem Rechtssetzungsakt zu sprechen wäre. Auch aus dieser Optik ist daher nach heute unbestrittener Auffassung eine gesetzesgleiche Auslegung von allgemeinverbindlich erklärten GAV vorzunehmen, und zwar auch bezüglich der Bestimmungen, für welche nach Art. 357b OR die gemeinsame Durchführung vereinbart wurde (BGE 127 III 322; PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., Rz. 155 und 210 f.; ausführlich zu solchen Durchführungsbestimmungen HÄBERLI, in SGB [Hrsg.], Handbuch zum kollektiven Arbeitsrecht, Basel 2009, 266 ff.; teilweise a.M. noch BUCHLI, Zur Auslegung des Gesamtarbeitsvertrages und des allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrages, Diss. Bern 1969, 77 f.).

      Damit hat die Auslegung der relevanten Bestimmungen in erster Linie nach dem Wortlaut zu erfolgen (vgl. BGE 132 III 18 E. 4.1; 130 I 82 E. 3.2). Abweichungen von einem klaren Wortlaut sind indessen geboten, wenn triftige Gründe

      zur Annahme bestehen, dass dieser nicht dem wahren Sinn der Bestimmung entspricht.

    2. Die Beklagte wendet sich vorab gegen die Gültigkeit des GAVP. Sie rügt dabei dessen Gesetzesund Verfassungswidrigkeit, bezieht sich letztlich aber auch auf die Frage der Gesetzesbzw. Verfassungskonformität der Allgemeinverbindlicherklärung gemäss BRB vom 13. Dezember 2011. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe erfolglos Einsprache gegen die Allgemeinverbindlicherklärung erhoben, so dass von einer abgeurteilten Sache auszugehen ist. Unabhängig davon, ob am Verfahren beim Bundesrat wirklich die gleichen Parteien beteiligt waren wie am vorliegenden (vgl. dazu Prot. S. 16), ist in dieser Frage der Standpunkt der Beklagten begründet: Bundesratsbeschlüsse unterliegen keiner demokratischen Kontrolle und sind daher im Sinne von Art. 190 BV einer akzessorischen Normenkontrolle durch die Gerichte aller Stufen zugänglich, also auch durch die Zivilgerichte. Hat die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages nach den einleitenden Ausführungen gegenüber Aussenstehenden Rechtssetzungscharakter (vgl. dazu nur die an ein Rechtssetzungsverfahren erinnernde Beschränkung des Gehörsanspruchs der Beteiligten, Urk. 66/4

      S. 6), können die Zivilgerichte folglich nicht nur die Übereinstimmung des allgemeinverbindlich erklärten GAV mit dem übergeordneten Recht prüfen, sondern auch die Rechtmässigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung als solche. Allerdings sind nach Art. 190 BV Bundesgesetze für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgeblich. Soweit sich folglich ein Bundesratsbeschluss im Rahmen der Vorgaben eines Bundesgesetzes bewegt, ist es den Gerichten verwehrt, eine Verfassungskontrolle vorzunehmen. Gleiches gilt, wenn sich ergibt, dass ein allgemeinverbindlich erklärter GAV als solcher zwar mit dem Gesetzes-, aber nicht mit dem Verfassungsrecht übereinstimmt. Die Bundesverfassung bleibt bei dieser Beurteilung insofern von Bedeutung, als die verfassungskonforme Auslegung eine der massgeblichen Methoden zur Ermittlung des Sinnes eines Bundesgesetzes bildet. Das Bundesgericht hat an diese Aspekte jüngst in anderem Zusammenhang erinnert, als es eine Lücke ausmachte bei der Frage, ob trotz fehlender Vorschrift in der ZPO eine Weiterleitungspflicht der

      ersten Instanz bezüglich einer irrtümlich an sie gegangenen Berufungserklärung bestehe. Es stellte fest, die Prüfung der ZPO auf ihre Verfassungsmässigkeit sei ihm verwehrt, bejahte aber eine Gesetzeslücke und schloss diese unter Heranziehung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der als Konkretisierung des Verbotes des überspitzten Formalismus seine Wurzeln im verfassungsrechtlichen Gehörsanspruch der Parteien hat (BGE 140 III 636 E. 2.2 und E. 3).

      Daraus folgt als Zwischenergebnis, dass von der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP und des GAVP selber für die Beklagte auszugehen ist, sofern der BRB vom 13. Dezember 2011 im Einklang insbesondere mit den Bundesgesetzen über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) steht und soweit der GAVP nicht übergeordnetem Recht, hier insbesondere dem Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und dem Personalverleih (AVG) widerspricht. Was die Überprüfung der Allgemeinverbindlicherklärung als solche angeht, ist zu beachten, dass es sich beim hier zur Debatte stehenden Bundesratsbeschluss um einen Ermessensentscheid der zuständigen Behörde handelt, dem nach Art. 9 f. AVEG ein besonderes Einspracheverfahren vorausgeht. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit haben sich die Gerichte hier deshalb bei der Normenkontrolle zurückzuhalten.

      Im Folgenden soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob die Beitragsregelung im GAVP mit dem übergeordneten Recht, insbesondere mit Art. 20 AVG zu vereinbaren ist (E. 4.3). Im Anschluss daran ist die Rechtmässigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP zu untersuchen (E. 4.4).

    3. Nach Art. 20 Abs. 1 AVG hat der Personalverleiher die Lohnund Arbeitszeitbestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrages einzuhalten, dem der Einsatzbetrieb untersteht, in welchen die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer entsandt wird. Explizit sieht die Norm seit der per 1. April 2006 im Zuge der Anpassung des schweizerischen Rechts an die EUBinnenmarktregeln in Kraft getretenen Novelle vom 17. Dezember 2004 auch vor, dass der Verleiher nach Massgabe der Dauer des Einsatzes einen obligatorischen Beitrag an Weiterbildungsund Vollzugskosten zu leisten hat, den ein sol-

cher GAV vorsieht. Richtig an der Argumentation der Beklagten ist, dass Art. 20 Abs. 1 AVG zu Interpretationsschwierigkeiten führt, wenn zugleich Regeln eines für den Personalverleiher als solchen massgeblichen GAV und Normen eines für den Einsatzbetrieb massgeblichen GAV zur Anwendung gelangen sollen. Es stellt sich daher die Frage, ob Art. 20 Abs. 1 AVG als abschliessende Regelung zu verstehen ist, oder ob die Bestimmung Raum lässt für den Abschluss und die Allgemeinverbindlicherklärung von GAV zwischen den Sozialpartnern des Personalverleihgewerbes. Im vom Kläger präsentierten (Partei-)Gutachten PORTMANN/VON KAENEL wird dazu ausgeführt, der Bundesrat habe mit der Allgemeinverbindlicherklärung von Art. 3 Abs. 1 GAVP auch eine verbindliche Abgrenzung des Geltungsbereichs des GAVP namentlich gegenüber demjenigen der Branchen-GAV der Einsatzbetriebe vorgenommen (Urk. 5/10 S. 5). Inhaltlich hielten Art. 3 Abs. 1 und 2 GAVP einer Prüfung stand, denn der Verweis auf die Lohnund Arbeitszeitbestimmungen eines allgemeinverbindlichen Branchen-GAV des Einsatzbetriebes würden tel quel übernommen, und was die Beitragspflicht angehe, respektiere Art. 3 Abs. 2 GAVP das Günstigkeitsprinzip, welches das gesamte individuelle wie kollektive Arbeitsrecht präge (a.a.O. S. 8 f.). In der Tat beherrscht das Günstigkeitsprinzip insbesondere das kollektive Arbeitsrecht: So ergibt sich aus Art. 357 Abs. 2 OR, dass von einem Gesamtarbeitsvertrag abweichende Vereinbarungen zulässig sind, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind. Art. 358 OR behält ganz ähnlich zwar zwingendes Gesetzesrecht selbst gegenüber einer Regelung in Gesamtarbeitsverträgen vor (vgl. dazu BGE 132 III 172, BGE 138 III 107); im Zweifel gilt allerdings auch hier das Günstigkeitsprinzip, denn von Gesetzeswidrigkeit einer für den Arbeitnehmer günstigeren gesamtarbeitsvertraglichen Regelung darf nur ausgegangen werden, wenn sich dies aus der fraglichen Norm explizit ergibt (s. zu dieser Ausprägung des Günstigkeitsprinzips PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., Rz. 225; BRUCHEZ, in SGB [Hrsg.], Handbuch zum kollektiven Arbeitsrecht, Basel 2009, 295 f.). Auch der Hinweis im Gutachten auf Art. 4 Abs. 2 AVEG erfolgt zu recht, denn die genannte Norm enthält eine weitere Spielart des Günstigkeitsprinzips und stellt grundsätzlich einen allgemeinverbindlich erklärten GAV über einen solchen ohne entsprechende Wirkungserstreckung, es sei denn, die Regelung im nicht allgemeinverbindlichen GAV sei für den Arbeitnehmer günstiger (Urk. 5/10 S. 9; darauf wird zurückzukommen sein). Vor diesem Hintergrund entspricht die Kollisionsregelung im GAVP daher einem zentralen Prinzip des kollektiven Arbeitsrechts.

Zum gleichen Ergebnis gelangt das (Partei-)Gutachten GEISER/VISCHER: Als unproblematisch sei die (blosse) Rezeption der Lohnund Arbeitszeitbestimmungen aus GAV für die Einsatzbetriebe in Art. 3 Abs. 1 GAVP zu betrachten (Urk. 5/11 S. 8). Heikler sei die Bewertung der Beitragspflicht, denn hier werde nicht nur das Günstigkeitsprinzip verwirklicht, sondern es erfolge gestützt auf den (von der Allgemeinverbindlicherklärung umfassten) Art. 8 Abs. 6 GAVP auch eine Umleitung der Beiträge weg von der Vollzugsorganisation des Einsatzbetriebs-GAV hin zu derjenigen des GAVP (a.a.O.). Der Zweck von Art. 20 AVG liege jedoch darin, Konkurrenzvorteile der Verleihunternehmen zu verhindern und die Arbeitnehmer vor einem Wettbewerb zu schützen, der auf Kosten ihrer Bedingungen gehe. Diesem Zweck entspreche die Regelung des GAVP durchaus, so dass der gesetzlichen Verpflichtung sehr wohl durch ein eigenes Beitragsregime des GAVP entsprochen werden könne (a.a.O., S. 9).

Die Einschätzung der Parteigutachter trifft in allen Teilen zu. Sie findet zudem ihre Bestätigung in einer historischen Auslegung anhand der Materialien (zur Revision) des AVG vom 6. Oktober 1989: Zwar bestand schon seit 1951 ein Arbeitsvermittlungsgesetz, welches allerdings den Personalverleih nicht regelte. Den Anstoss zu den gesetzgeberischen Aktivitäten gaben mehrere parlamentarische Vorstösse, deren wichtigste die Motion Zehnder vom 8. Juni 1983 bildete. Der Motionär bemängelte die Schlechterstellung von Temporärarbeitnehmern gegenüber den regulär Beschäftigten der Einsatzbetriebe. Dies verschärfe die Konkurrenzsituation und verunsichere die Stammbelegschaft selbst dort, wo Gesamtarbeitsverträge bestünden. Es sei Preisdrückerei zu befürchten mit den damit einher gehenden negativen Folgen für die Sozialpartnerschaft. Temporärfirmen seien in ihrer grossen Mehrheit nicht organisierbar. Selbst die im SVUTA (Schweizerischer Verband der Unternehmungen für Temporärarbeit und private Arbeitsvermittlung, heute: Swissstaffing, s. http://swissstaffing.ch/verband/) organisierten Arbeitgeber beteiligten sich mitunter an schwarzen Schafen in der Branche. Kollektivverträge könnten in der Praxis nicht effizient durchgesetzt werden. Auch ein vom Schweizerischen Kaufmännischen Verband propagierter Vertrag, der knapp 1000 Menschen betreffe, habe nichts anderes gezeigt. Temporärfirmen kämen für keine der dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) angeschlossenen Gewerkschaften als Vertragspartner in Betracht. Daher sei für die materiellrechtliche Regelung beim Einsatzbetrieb anzuknüpfen (Motion Zehnder, AB NR 1985 II 412).

Wichtig ist, dass mit der Motion nicht etwa nur eine Übernahme der Lohnund Arbeitszeitbestimmungen aus allgemeinverbindlichen GAV für die Einsatzbetriebe beantragt wurde, sondern schlicht die integrale Übernahme sämtlicher auf einen Einsatzbetrieb anwendbaren GAV (a.a.O.). In seiner Stellungnahme vom

23. August 1983 beantragte der Bundesrat die Umwandlung der Motion in ein Postulat. Zur Begründung verwies er auf die laufende Revision des AVG, die eine Besserstellung der Leiharbeitnehmer mit sich bringe, insbesondere durch Übernahme der Regelungen, die sich für die Einsatzbetriebe aus allgemeinverbindlich erklärten GAV ergäben. Abzulehnen sei dagegen die Anwendung aller, also auch der nicht allgemeinverbindlich erklärten GAV, denn das würde zu stark in die Vertragsautonomie der Sozialpartner eingreifen (AB NR 1985 II 412 f.). Nationalrat Allenspach wies als Sprecher der Gegner der Motion darauf hin, dass es in der Schweiz damals 1300-1400 GAV gab, von denen nur wenige allgemeinverbindlich erklärt worden seien, während die übrigen weder für die Unternehmer noch für die Arbeitnehmer öffentlich zugänglich seien (im Ständerat sprach SR Delalay drei Jahre später von environ 1500 contrats collectifs, dont 17 avec force obligatoire, AB SR 1988 III 582). Allenspach bestritt die Tarifunfähigkeit der Temporärfirmen. Vielmehr habe der SGB den Versuch der Temporärbranche, für die Gesamtheit aller Berufe einen GAV abzuschliessen, mangels statutarischer Kompetenzen ablehnen müssen. So habe die Branche dann andere GAV geschlossen, u.a. mit dem Kaufmännischen Verband und dem Genfer Gewerkschaftskartell (AB NR 1985 II 413 f.). Der damalige Bundespräsident Furgler vermochte den Rat in der Folge von der Überweisung als Postulat zu überzeugen, besonders mit dem Hinweis auf die verfassungsrechtliche Problematik eines Zwangs zur Übernahme

nicht allgemeinverbindlich erklärter GAV der Einsatzbetriebe (a.a.O., 414). Die Ratsdebatte folgte anschliessend diesen Linien. In der Botschaft zur AVGRevision schlug der Bundesrat zunächst die später in Kraft gesetzte Regelung vor, die nur allgemeinverbindliche GAV für die Einsatzbetriebe auf die Personalverleiher angewandt wissen wollte und auch diese nicht schlechthin, sondern nur in Bezug auf die Lohnund Arbeitszeitregelungen (BBl 1985 III 615 f.). In der Eintretensdebatte im Nationalrat betonten die Kommissionsberichterstatter, die Zunahme des Personalverleihs lasse eine empfindliche Schwächung des GAVGedankens befürchten. Vor allem die unzähligen kleinen Verleihbetriebe hätten immer wieder durch krasse Missbrauchsfälle von sich reden gemacht, etwa durch die Beschäftigung ausländischer Schwarzarbeiter oder Verstösse gegen das Arbeitsgesetz. Sie verwiesen auf die breite Zustimmung der Kantone und der Parteien zur Vernehmlassungsvorlage (AB NR 1987 I 177 ff., Voten Reimann und Darbelley; zu den konkret festgestellten Missbräuchen vgl. das Votum des damaligen FDP-Nationalrats und ehem. BIGA-Direktors Jean-Pierre Bonny, AB NR 1987 I, 189). Die Kommission schlug gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf gar eine Verschärfung im Sinne der Motion Zehnder vor und verlangte die Anwendung sämtlicher für die Einsatzbetriebe gültigen GAV auch für Temporärarbeitnehmer. NR (Vital) Darbelley wies dabei darauf hin, dass die Änderung im Einvernehmen mit dem inzwischen zurückgetretenen Bundesrat Furgler ausgearbeitet worden sei (a.a.O., 180). Die Verschärfung führte allerdings zu verstärktem Widerstand. Eine Ratsminderheit beantragte nun Nichteintreten auf das Geschäft. Sie anerkannte zwar Handlungsbedarf pour mieux protéger les demandeurs d'emploi contre quelques margoulins [Jobber, Spekulanten] peu scrupuleux, denn des abus sont à déplorer de la part de certaines agences marginales et peu sérieuses. Der Aufwand bei der Ermittlung des Inhalts sämtlicher auf die Einsatzbetriebe anwendbaren GAV schien der Minderheit aber als zu bürokratisch (AB NR 1987 I 181 ff., Votum Coutau). Der Rat beschloss dann mit grosser Mehrheit Eintreten (a.a.O., 193). Auf Anregung von Bundesrat Delamuraz, der zuerst die im Einvernehmen mit seinem Vorgänger Furgler ausgearbeitete Kommissionsvariante unterstützt hatte, wurde dann knapp die Variante der Kommissionminderheit verabschiedet (a.a.O. 191 f. und 208 f.). Die ständerätliche Debatte

verlief ähnlich und mündete in die Gesetz gewordene Fassung (AB SR 1988 III 564 ff., insbes. 582 f.). Besonders interessant für den vorliegenden Fall sind die Voten von Monika Weber, die an den Debatten beider Räte teilnahm, weil sie während der Dauer der parlamentarischen Beratungen vom Nationalin den Ständerat wechselte. Als Vertreterin des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes SKV verwies sie wie schon zuvor der Motionär Zehnder und NR Allenspach auf den damals schon bestehenden Gesamtarbeitsvertrag des SKV mit dem SVUTA und bezeichnete selbst die von der Mehrheit der nationalrätlichen Kommission vorgeschlagene Lösung, welche die integrale Beachtung sämtlicher GAV betreffend der Einsatzbetriebe vorgeschrieben hätte, für die Sozialpartner der Temporärbranche als gangbar. Sie äusserte lediglich Verständnis für die Vorbehalte der Arbeitgeberseite bezüglich des damit verbundenen Aufwands (AB NR 1987 I 206; AB SR 1988 III 567).

Aus den parlamentarischen Debatten erhellt folglich, dass Art. 20 Abs. 1 AVG vor allem geschaffen wurde, um den unbestrittenen Missständen in der Temporärbranche und den tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Einführung der Sozialpartnerschaft in diesem Bereich zu begegnen, mögen diese nun in der Abneigung der damals neuen und offenbar teils recht forsch auftretenden Branche gegen eine Reglementierung oder in der traditionellen Spezialisierung der Gewerkschaften auf die Branchen und Wirtschaftszweige der Einsatzbetriebe begründet gewesen sein oder vielleicht auch in der gewerkschaftlichen Skepsis gegenüber der Temporärarbeit als solche, die in der Ratsdebatte u.a. als Teil einer Strategie der Arbeitgeberseite zur précarisation von sicheren Arbeitsstellen bezeichnet wurde (AB NR 1987 I 187, Votum Jaggi). Klar ist sodann, dass nichtsdestotrotz und entgegen den Ausführungen der Vertragsparteien und des Bundesrats im Verfahren über die Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP (vgl. Urk. 66/4 S. 20 f.) schon zur Zeit der Schaffung des AVG in der heutigen Fassung einzelne spezifische Gesamtarbeitsverträge für die Temporärbranche bestanden. Monika Weber als Repräsentantin eines beteiligten Verbandes bezeichnete wie erwähnt explizit die Probleme bezüglich der Koordination des GAV zwischen SKV und SVUTA einerseits und den GAV der Einsatzbetriebe andererseits als

lösbar, und zwar selbst bei Annahme des viel anspruchsvolleren Vorschlags der Mehrheit der nationalrätlichen Kommission. Auch wenn die hier interessierende Frage nicht direkt angesprochen wurde, wäre es sämtlichen an der Debatte beteiligten Ratsmitgliedern wohl mehr als recht gewesen, wenn statt einer gesetzlichen Regelung für die Temporärarbeit eine gesamtarbeitsvertragliche Lösung hätte gefunden werden können, denn es ging bei der hier interessierenden Norm einzig um die Stärkung des Arbeitnehmerschutzes und die Bewahrung der Sozialpartnerschaft (insofern zutreffend der Bundesrat in Urk. 66/4 S. 21). In die gleiche Richtung deuten die damaligen Stellungnahmen in der Lehre, die nach Wegen suchten, den Arbeitnehmerschutz im Temporärbereich durch Heranziehung von GAV zu erhöhen, die für die Einsatzbetriebe gelten (THÉVENOZ, Le travail intérimaire, Diss. Genf 1987, 196 f.). Auf den Punkt brachte es RITTER mit dem Hinweis, mit dem Entscheid des Parlaments habe sich punkto Praktikabilität und politischem Gleichgewicht ein typisch schweizerischer Kompromiss durchgesetzt, mit welchem dem Leiharbeitnehmer (nur) ein Minimum an Gleichheit mit dem Stammarbeiter garantiert werde. Tatsache sei allerdings, dass mit der gewählten Lösung lediglich ein kleiner Teil von Betrieben und Branchen erfasst sei (RITTER, Das revidierte Arbeitsvermittlungsgesetz, Diss. Zürich 1994, 148 f.). RITTER sah auch das Problem der Konkurrenz mit GAV der Verleihbranche und erblickte eine Schranke für diese nur darin, dass diese keine Privilegierung der Verleiherverbände gegenüber den Branchen-GAV der Einsatzbetriebe vorsehen dürften (a.a.O., 152).

Damit kann Art. 20 Abs. 1 AVG aber nicht so verstanden werden, dass die vorgeschriebene Anwendung bestimmter Regeln aus GAV für die Einsatzbetriebe den Abschluss von GAV für die Partner von Temporärarbeitsverhältnissen oder deren Allgemeinverbindlicherklärung verbieten sollte. Die Norm bezweckt nur, dass die Schutzhöhe eines GAV für die Temporärbranche diejenige der allgemeinverbindlichen GAV für die Einsatzbetriebe nicht unterschreiten darf (so auch der Bundesrat, Urk. 66/4 S. 21). JOEHRO, ArbR 2013, 112 f., ist folglich zuzustimmen, auch wenn der genannte Autor als Leiter des Rechtsdienstes von Swissstaffing und Präsident der Rekurskommission des Klägers hier nicht als unabhängige

Stimme gelten kann (vgl. a.a.O., 105, Fn. 1). Damit steht die Beitragsregelung des GAVP im Einklang mit Art. 20 Abs. 1 AVG.

      1. Soweit die Beklagte sich gegen die Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP als solche wendet, rügt sie vorab, der Personalverleih betreffe keinen einheitlichen Beruf oder Wirtschaftszweig im Sinne von Art. 1 Abs. 1 AVEG, so dass der BRB vom 13. Dezember 2011 schon aus diesem Grunde unzulässig sei. Mit Rücksicht auf das soeben zur Tragweite von Art. 20 Abs. 1 AVG Ausgeführte ist dem entgegenzuhalten, dass schon der historische Gesetzgeber den Temporär- markt klar als eigene Branche verstand. Dass es dafür gute Gründe gibt, räumt die Beklagte im Übrigen selber indirekt ein, wenn sie davon spricht, der Personalverleih könne in den - mit dem Personalverleih eng verwandten - Funktionen als Personalberater oder -vermittler auch ein eigenständiges Berufsbild entwickeln, wobei die konkrete Tätigkeit den Beruf als Personalverleiher definiere (Urk. 19 S. 10). Dem ist in der Tat so. Zwar stehen für den Einsatzbetrieb die konkreten Fä- higkeiten der eingesetzten Person im Vordergrund. Mindestens ebenso stark geprägt ist aber die Dienstleistung eines Temporärunternehmens durch die für den Kunden auch kostenmässig stark ins Gewicht fallende Behebung von Personalengpässen, verbunden mit der Chance des Einsatzbetriebs auf eine Festanstellung von flexiblen und talentierten Mitarbeitenden. Die Mitarbeiter, die diese Dienstleistung ungeachtet ihres Berufes erbringen, können daher wie ihre Arbeitgeber durchaus als Angehörige eines besonderen Wirtschaftszweigs verstanden werden. Der Bundesrat stellte bei dieser Frage zu Recht einen Bezug zur Koalitionsfreiheit her und betonte, diese stehe auch den Sozialpartnern des Personalverleihgewerbes zu. Weder Verfassung noch Gesetz implizierten vor diesem Hintergrund eine restriktive Auslegung des Begriffes der Branche oder des Wirtschaftszweigs. Die Gemeinsamkeit der Leiharbeitsverhältnisse liege in der besonderen Form der Anstellung und führe zwischen den Verleihbetrieben zur charakteristischen unmittelbaren Konkurrenzsituation, so dass von einem eigenen Wirtschaftszweig auszugehen sei (Urk. 66/4 S. 7 f.). Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Damit ist zugleich gesagt, dass der GAVP die Voraussetzungen nach Art. 1 Abs. 1 AVEG für eine Allgemeinverbindlicherklärung erfüllt.

      2. Die Beklagte bestreitet sodann die Notwendigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP nach Art. 2 Ziff. 1 AVEG und rügt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 2 Ziff. 4 AVEG. Art. 20 AVG biete den Arbeitnehmenden bereits einen hinreichenden Schutz. Das trifft allerdings nur in den Fällen zu, in denen es für den Einsatzbetrieb bereits einen oder mehrere allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge gibt. Wo dies nicht der Fall ist, schafft die Regelung des GAVP überhaupt erst einen gegenüber dem OR erhöh- ten Schutzstandard (näher dazu JOEHRO, ArbR 2013, 108 f.). Zugleich stellt die Allgemeinverbindlicherklärung sicher, dass sich nicht Teile der Branche Marktvorteile auf Kosten der von ihnen gebotenen Lohnund Arbeitszeitbedingungen, der Regelung über den flexiblen Altersrücktritt oder der fehlenden Beiträge an die Weiterbildung der Arbeitnehmenden oder den Vollzug des GAV verschaffen kön- nen (vgl. dazu RONCORONI, in SGB [Hrsg.], Handbuch zum kollektiven Arbeitsrecht, Basel 2009, 416). Richtig ist, dass die Allgemeinverbindlicherklärung dazu führen kann, dass Arbeitnehmende von Leihbetrieben gegenüber der Stammbelegschaft der Einsatzbetriebe u.U. besser gestellt werden, weil sie sich etwa auf Mindestlöhne berufen können, auf die die Stammbelegschaft keinen Anspruch hat. Es ist aber daran zu erinnern, dass der Arbeitnehmer eines Leihbetriebes dafür einen Preis in Form eines schlechteren Kündigungsschutzes (Art. 19 Abs. 4 AVG) und der von ihm erwarteten Flexibilität beim Wechsel des Einsatzbetriebes bezahlt. Der Bundesrat hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die im GAVP vorgesehenen Mindestlöhne moderat sind und in allen Branchen der Einsatzbetriebe finanzierbar erscheinen (Urk. 66/4 S. 14), und auch darauf, dass die Festlegung von Mindestlöhnen für alle allgemeinverbindlich erklärten GAV typisch ist, so dass nicht einzusehen sei, wieso das im Personalverleih nicht möglich sein soll. Mit Blick auf Art. 110 Abs. 2 BV handle es sich hier um einen zulässigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit (a.a.O., S. 16). Was das Rechtsgleichheitsgebot nach Art. 2 Ziff. 4 AVEG betreffe, werde nur branchengleiches Recht verlangt. Die Rechtsgleichheit sei nicht tangiert, soweit es um Arbeitnehmende gehe, die dem GAV nicht unterstünden, auch wenn aufgrund von Art. 20 AVG gewisse Bestimmungen aus allgemeinverbindlich erklärten GAV der Einsatzbetriebe auch für Leiharbeitnehmende gelten (Urk. 66/4 S. 19). Dieser Argumentation ist nichts hinzuzufügen. Zusammenfassend bestehen sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung zwischen Leiharbeitnehmenden und Mitarbeitern der Einsatzbetriebe, und es wurde dafür gesorgt, dass keine untragbare Bevorzugung der Leiharbeitnehmenden entstehen kann. Die spezifische Gleichbehandlungsvorschrift von Art. 2 Ziff. 4 AVEG ist gar nicht tangiert. Auf die wirtschaftsund sozialpolitische Notwendigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung ist zurückzukommen (E. 4.4.4).

      3. Dass der BRB vom 13. Dezember 2011 durch Rückgriff auf eine minimale Lohnsumme von Fr. 1.2 Mio. pro Jahr eine Ungleichbehandlung gegenüber kleineren Personalverleihbetrieben schafft, trifft zwar zu, ebenso wie die Annahme, dass die Grenze auch mit Rücksicht auf das Quorum für die beteiligten Arbeitgeber gemäss Art. 2 Ziff. 3 AVEG just bei der genannten Summe gezogen wurde (JOEHRO, ArbR 2013, 107, Fn. 9). Der Bundesrat hat sich bei der Allgemeinverbindlicherklärung darauf beschränkt zu betonen, das Kriterium der Betriebsgrösse sei nicht neu und entspreche der Praxis der Landesregierung (Urk. 66/4 S. 17). Entscheidend ist, dass die Schaffung von Auswahlkriterien zur Beschränkung der von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffenen Zahl von Aussenstehenden vom Gesetz geradezu vorgeschrieben ist: In Art. 2 Ziff. 3 AVEG ist nicht etwa die Rede davon, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung erst zulässig wäre, wenn mindestens die Hälfte aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweigs oder Berufs bereits dem GAV unterstehen. Vielmehr muss mindestens die Hälfte der Betroffenen, auf die der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages ausgedehnt werden soll, bereits im GAV organisiert sein. Deutlicher war dies noch im Gesetzesentwurf ausgedrückt, wie sich aus der Botschaft des Bundesrates vom 29. Januar 1954 ergibt. Nach Art. 10 Ziff. 3 des Entwurfs (der in einem ersten Teil auch noch die später ins OR eingebauten Bestimmungen über den GAV enthielt; zur Entstehungsgeschichte s. Roncoroni, a.a.O., 377 f.) war davon die Rede, dass mehr als die Hälfte aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits am GAV beteiligt sein müsse, die nach der Allgemeinverbindlicherklärung dem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen würden (BBl 1954 I 190). Zweck der Norm ist nicht etwa sicherzustellen, dass mehr als die Hälfte aller Branchenangehörigen jeder Seite am GAV bereits vor der Unterstellung beteiligt ist. Laut der Botschaft

        geht es vielmehr um die Wahrung des demokratischen Prinzips: Die bereits freiwillig dem GAV unterstellten Beteiligten sollen auch nach der Allgemeinverbindlicherklärung die Mehrheit der Unterstellten bilden, damit nicht eine Minderheit einer Mehrheit ihren Willen aufzwinge (BBl 1954 I 174; damit gibt die Vorlage des Bundesrates und nicht der zumindest missverständliche Gesetzestext den richtigen Sinn der Norm wieder, vgl. RONCORONI, a.a.O., 422 f.). Im vorliegenden Fall hat demnach der Bundesrat den gesetzlichen Vorgaben entsprochen, wie die Beklagte mit ihrer Schilderung einräumt, vor der Allgemeinverbindlicherklärung seien 162 Arbeitgeber dem GAVP unterstanden, danach 320. Die Wahl der massgeblichen Lohnsumme von minimal Fr. 1.2 Mio. pro Jahr schafft im Übrigen wenigstens insofern eine sachliche Unterscheidung, als so alle Betriebe von nicht nur marginaler Bedeutung von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden, denn die fragliche Lohnsumme wird schon von Kleinbetrieben schnell erreicht. Zuzugeben ist hier, dass das Schutzbedürfnis für die Arbeitnehmer der nicht erfassten Kleinbetriebe in gleicher Weise besteht, aber mit Blick auf die im Spiele stehenden öffentlichen Interessen scheint es vertretbar, wenn der Bundesrat sich in der aktuellen Situation dafür entschied, dem Antrag der am GAVP beteiligten Verbände zu folgen und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben das rechtlich Mögliche zu tun. Dies bedeutet im Übrigen nicht, dass kleinere Betriebe ihre Position ohne weiteres missbrauchen können: So haben sich gewisse Verleihbetriebe im Kanton Tessin, wo dies mit Blick auf die vielen Grenzgänger aus der Lombardei besonders lukrativ war, als Reaktion auf die Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP aufgespalten, um dessen Geltungsbereich zu entgehen. Darauf schuf die Tessiner Regierung am 11. September 2013 zur Bekämpfung solcher Missbräuche gestützt auf die - ebenfalls als flankierende Massnahme zu den bilateralen Abkommen mit der EU ins Leben gerufenen - Art. 360a ff. OR einen Normalarbeitsvertrag, und zwar gar mit höheren Mindestlöhnen und Ferienund Feiertagsentschädigungen als gemäss GAVP (den sog. NAVP TI; JOEHRO, ArbR 2013, 107, Fn. 9).

        In der Lehre wird es im Übrigen gerade als problematisch erachtet, GAV für allgemeinverbindlich zu erklären, wenn auch ohne diese Massnahme ein hoher

        Abdeckungsgrad schon besteht, denn diesfalls erweist sich der staatliche Eingriff gerade wegen der funktionierenden Sozialpartnerschaft als unnötig (RONCORONI, a.a.O., 418; BIGLER, a.a.O., Ziff. 1 zu Art. 2 AVEG). Dass die unterstellten Betriebe bzw. Arbeitnehmer einen hohen Anteil der gesamten Branche ausmachen, ist daher entgegen der Meinung der Beklagten gerade nicht erforderlich für eine Allgemeinverbindlicherklärung.

        Soweit die Beklagte ferner bestritt, dass die weiteren Quoren nach Art. 2 Ziff. 3 AVEG erfüllt gewesen seien, blieb ihre Darstellung in der schriftlichen Stellungnahme zur Klage vage und war noch dazu nicht mit Beweismitteln untermauert (Urk. 19 S. 10 o.). Anlässlich der Hauptverhandlung verzichtete sie zuerst auf die Bezeichnung von Beweismitteln zu diesem Punkt, schloss sich dann aber vorübergehend einem Antrag des Klägers auf Einholung eines Amtsberichts des Seco an (Prot. S. 14 f. und 16 f.). Beide Parteien wurden in der Folge zur Substanziierung ihrer Behauptungen zu den Quoren aufgefordert, worauf beide den Beweisantrag zurückzogen (Prot. S. 17). Die Kritik ist daher nicht zu hören. Nur am Rande sei erwähnt, dass der für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständigen Behörde gerade wegen der Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Quoren ein gewisses Ermessen und gar die Befugnis zu einer Schätzung zusteht (RONCORONI, a.a.O., 424 f., Rz. 107 f.; BIGLER, a.a.O., Ziff. 3 zu Art. 2 AVEG). Die ge-

        setzlichen Quoren waren im vorliegenden Einspracheverfahren bezeichnenderweise (abgesehen von der Lohnsummengrenze in Zusammenhang mit dem Arbeitgeber-Quorum) kein Thema. Das verwundert bezüglich der ArbeitnehmerQuoren auch nicht: Ein Blick auf die Liste der Mitglieder von Swissstaffing zeigt, dass zu diesem Kreis auch international tätige Branchenleader gehören wie Adecco, Kelly, Manpower oder Randstad (http://www.baumeister.ch/fileadm in/ media/2_Kernthemen/LMV/ Loehne/swissstaffing_mitglieder.pdf).

      4. Was sodann die gesetzlichen (und mittelbar auch die verfassungsrechtlichen) Schranken einer Allgemeinverbindlicherklärung angeht, stellt die von der Beklagten ins Feld geführte Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 (und 94) BV nicht das einzige verfassungsrechtliche Kriterium dar, dem der Bundesrat bei seinem Entscheid Rechnung zu tragen hatte. Es trifft zwar zu, dass die Allgemeinverbindli-

cherklärung einen nicht unerheblichen Eingriff in die Privatautonomie darstellt, so dass Verfassung und AVEG sie an strenge Voraussetzungen knüpfen (PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., Rz. 110). Der Arbeitnehmerschutz ist allerdings nicht nur Teil der programmatisch zu verstehenden Sozialziele in der Bundesverfassung (Art. 41 Abs. 1 lit. d BV), sondern explizit auch eine Bundesaufgabe gemäss dem Dritten Titel der BV (Art. 110 BV) und überdies eine Voraussetzung für die Verwirklichung der Wirtschaftsfreiheit der Arbeitnehmer (PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., Rz. 18; zur Anwendung dieses Freiheitsrechts auch auf unselbständig Erwerbende BGE 84 I 18 E. 2). Dass daran ein öffentliches Interesse besteht, steht ausser Frage und wurde auch vom Bundesrat zu recht betont (Urk. 66/4 S. 16). Das AVEG setzt damit einen klaren Verfassungsauftrag um (so auch PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., Rz. 110, die konstatieren, dass das AVEG die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen konkretisiere und weitere hinzutreten lasse). Was die Kriterien der Notwendigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung und der Wahrung der Interessen der beteiligten Gruppen und Kreise angeht (Art. 2 Ziff. 1 und 2 AVEG), hat der Gesetzgeber den Bundesrat mit einer erheblichen Gestaltungsfreiheit ausgestaltet. Immerhin soll die Landesregierung ihre Entscheide nicht allein nach politischen Kriterien treffen und allenfalls vor dem Entscheid ein Gutachten unabhängiger Sachverständiger einholen, wenn sich dies nicht von vornherein als überflüssig erweist (vgl. Art. 11 AVEG; Botschaft zu Art. 19 des Entwurfs, BBl 1954 I 172 f. und 180; RONCORONI, a.a.O., 467 f.). Dabei betonte der Bundesrat schon im Gesetzgebungsprozess, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung nicht nur angeordnet werden könne, wenn sie dem Gesamtinteresse positiv entspreche. Ganz bewusst habe man die Formulierung gewählt, sie dürfe dem Gesamtinteresse nicht widersprechen (BBl 1954 I 173).

Sieht das Gesetz aber einen Ermessensentscheid des Bundesrates anhand wirtschaftlicher Kriterien vor (dazu RONCORONI, a.a.O., 417 f.; BIGLER, a.a.O., Ziff. 2 zu Art. 2 AVEG), steht es den Gerichten nicht zu, sich im Rahmen der Normenkontrolle ohne triftige Gründe über das Ergebnis hinwegzusetzen. Die Beklagte benennt keine konkreten negativen Auswirkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf das Gesamtinteresse, insbesondere das Lohnund Preisgefüge,

geschweige denn auf die berechtigten Interessen der betroffenen Kreise und Gruppen. Die von der Beklagten bemängelten Folgen in Gestalt der Schaffung von Mindestlöhnen in Bereichen, wo zuvor keine galten, führen vor dem Hintergrund der Situation im europäischen Wirtschaftsraum geradezu zur Stabilisierung des Lohnund Preisgefüges in der Schweiz, welches durch die Liberalisierung ins Wanken zu geraten droht. Seit der Öffnung des europäischen Arbeitsmarktes durch die Bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU ist es Personalverleihern grundsätzlich möglich, ihr Personal frei im EU-Raum zu rekrutieren. Daraus sind in jüngerer Vergangenheit Probleme entstanden und haben die Behörden wiederholt zum Handeln veranlasst (vgl. dazu die Darstellung des Seco zum Thema Freier Personenverkehr CH-EU und flankierende Massnahmen, http://www.seco.admin.ch/themen/00385/ 00448/). Dass ausgerechnet im Kanton Tessin besondere Schutzmassnahmen notwendig wurden, ist kein Zufall, denn dort ist der Konkurrenzdruck aufgrund der Grenzgänger aus Italien notorisch besonders stark. Die Ergänzung des AVEG u.a. um einen neuen Art. 1a auf den 1. Januar 2013 ist vor dem selben Hintergrund zu sehen. Gerade die äusserst flexible Temporärbranche verfügt ohne Regulierung über ein Potenzial zur Störung des Lohnund Preisgefüges durch Beschäftigung von Arbeitskräften zu Konditionen in deren Herkunftsland. Auf diese Zusammenhänge geht die Beklagte mit keinem Wort ein. Just diese Überlegungen waren es aber, die auch den Bundesrat zu seinem Entscheid führten: Er machte ein hohes Gefährdungspotential für die Arbeitnehmenden insbesondere im Zuge des zur EU geöffneten Arbeitsmarktes aus und verwies auf einen Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO vom 3. Mai 2011 über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr mit der EU, gemäss welchem im Jahre 2010 bei nicht weniger als

41 % der kontrollierten Personalverleiher Verstösse gegen die Mindestlöhne aus allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen festgestellt worden seien (Urk. 66/4 S. 12). Diese Zahlen hat die Beklagte auf Nachfrage des Gerichts nicht bestritten (Prot. S. 15). Die Vertragsparteien des GAVP wollten, so der Bundesrat weiter, mit der Allgemeinverbindlicherklärung eine Verbesserung der teilweise prekären Arbeitsbedingungen erzielen und die im Personalverleih anzutreffenden Missstände bekämpfen. Ohne Allgemeinverbindlicherklärung kämen auch die am

GAVP beteiligten Arbeitgeber unter starken wirtschaftlichen Druck, was die Gefahr berge, dass der GAV ohne Allgemeinverbindlichkeit wohl keinen Bestand hät- te - die Parteien wollten den Vertrag ohne Allgemeinverbindlicherklärung denn auch nicht in Kraft setzen (a.a.O.).

Die Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP gemäss BRB vom 13. Dezember 2011 verfolgt im Lichte dieser zutreffenden Ausführungen daher ohne weiteres ein genügendes sozialpolitisches und volkswirtschaftliches Interesse und entspricht daher ohne weiteres den Vorgaben des AVEG, gerade auch was die wirtschaftlichen Voraussetzungen betrifft (dazu RONCORONI, a.a.O., 416 f.). Sie würde im Übrigen auch einer direkten Verfassungskontrolle standhalten, wenn diese denn zulässig wäre.

    1. Erweist sich die Allgemeinverbindlicherklärung des GAVP durch den Bundesrat nach dem Gesagten als gesetzeskonform und entsprechen die Beitragsbestimmungen des Vertrages den gesetzlichen Vorgaben, so bleibt das Verhältnis zwischen den Beitragsbestimmungen des GAVP und denjenigen der auf die Einsatzbetriebe anwendbaren GAV zu prüfen. Von der Allgemeinverbindlicherklärung durch den BRB vom 13. Dezember 2011 ist die Abgrenzungsnorm in Art. 8 Abs. 6 GAVP mitumfasst. Danach ersetzen Beiträge im Sinne von Art. 3 Abs. 2 GAVP alle Vollzugsund Weiterbildungsbeiträge der Gesamtarbeitsverträge, die für die Einsatzbetriebe gelten. Diese Ordnung entspricht auch den allgemeinen Regeln über die Hierarchie zwischen verschiedenen GAV (dazu BSK OR I-PORTMANN, Art. 357 N 37 f.; PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., Rz. 330 ff.). Als allgemeinverbindlich erklärter Vertrag geht der GAVP allen GAV ohne diese Wirkung vor, unter Vorbehalt des Günstigkeitsprinzips (Art. 4 Abs. 2 AVEG). Soweit die Abgrenzung von anderen allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen zur Debatte steht, erweist sich die Regelung des GAVP als spezieller, soweit sie nicht aufgrund der Subsidiaritätsklausel von Art. 3 GAVP hinter die anderen Verträge zurücktritt. Damit verdrängt auch die Beitragspflicht an das Durchführungsorgan des GAVP diejenige aus einem GAV, der für einen bestimmten Einsatzbetrieb gilt, wobei Art. 3 Abs. 2 GAVP auch dem Günstigkeitsprinzip explizit Rechnung trägt. Damit ist

      die Aktivlegitimation des Klägers gegeben. Die von der Beklagten befürchtete doppelte Zahlungspflicht kann damit nicht entstehen.

    2. Damit ist die Klage gutzuheissen.

5. Kostenund Entschädigungsfolgen

Dem Verfahrensausgang entsprechend hat die Beklagte die Gerichtskosten zu bezahlen und ist zu verpflichten, dem Kläger eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen. Der vom Kläger geleistete Vorschuss ist vorab zur Deckung der Gerichtskosten zu verwenden. Dem Kläger ist das Rückgriffsrecht auf die Beklagte einzuräumen.

Es wird erkannt:

  1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Fr. 29'999.- nebst Zins zu 5 % seit 15. September 2012 zu bezahlen.

  2. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'950.- festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten werden der Beklagten auferlegt. Zur Deckung wird der vom Kläger geleistete Kostenvorschuss in Höhe der Gerichtskosten verwendet. Dem Kläger steht dafür der Rückgriff auf die Beklagte zu.

  4. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Parteientschädigung von Fr. 7'726.- (inkl. 8 % Mehrwertsteuer und Kosten des Schlichtungsverfahrens in Höhe von Fr. 525.-) zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  6. Eine Berufung gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht

    des Kantons Zürich, Zivilkammer, Postfach 2401, 8021 Zürich, erklärt werden. In der Berufungsschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.

    Zürich, 12. Oktober 2015

    BEZIRKSGERICHT ZÜRICH

  7. Abteilung - Einzelgericht

Der Einzelrichter:

Dr. R. Weber

Die Gerichtsschreiberin:

Dr. B. Käser

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