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Urteil Kassationsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils AC110010: Kassationsgericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Fall zur Konkurseröffnung entschieden. Der Schuldner beantragte die Aufhebung des Konkurses und die aufschiebende Wirkung. Nachdem er weitere Unterlagen zur Zahlungsfähigkeit vorgelegt hatte, wurde die Beschwerde schliesslich gutgeheissen und die Konkurseröffnung aufgehoben. Der Schuldner konnte nachweisen, dass er zahlungsfähig ist und die offenen Verbindlichkeiten decken kann. Die Gerichtskosten wurden dem Schuldner auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts AC110010

Kanton:ZH
Fallnummer:AC110010
Instanz:Kassationsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Kassationsgericht des Kantons Zürich Entscheid AC110010 vom 01.06.2012 (ZH)
Datum:01.06.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Anspruch auf ge­nügende (effiziente) Verteidigung; Verletzung der rich­­terlichen Fürsorgepflicht;Ablehnung des Sachverständigen
Schlagwörter : Verteidiger; Verteidigerin; Verteidigung; Antrag; Staatsanwalt; Geschworenen; Vorinstanz; Geschworenengericht; Totschlag; Verfahren; Staatsanwalts; Verfahren; Nichtigkeitsbeschwerde; Plädoyer; Staatsanwaltschaft; Anklage; Ausführungen; Freiheitsstrafe; Antrag; Kinder; Sinne; Begründung; Recht; Rüge; Urteil; Gericht; önne
Rechtsnorm:Art. 112 StGB ;Art. 113 StGB ;Art. 31 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 44 StGB ;Art. 453 StPO ;Art. 47 StGB ;Art. 4a BV ;Art. 78 BGG ;Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:120 IA 48; 124 I 185; 127 I 42;
Kommentar:
Donatsch, Hans, Schweizer, Hansjakob, Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich, Art. 453 Abs. 2; Art. 454 OR StPO, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts AC110010

Kassationsgericht des Kantons Zürich

Kass.-Nr. AC110010-P/U/ys

Mitwirkende: die Kassationsrichter Moritz Kuhn, Präsident, Herbert Heeb, Bernhard Gehrig, Andreas Donatsch und Matthias Brunner sowie der juristische Sekretär Christof Tschurr

Zirkulationsbeschluss vom 1. Juni 2012

X.,

in Sachen

Angeklagte und Beschwerdeführerin

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt

gegen

  1. Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,

    Anklägerin und Beschwerdegegnerin

    vertreten durch Stv. Leitenden Staatsanwalt

  2. Z.,

    Geschädigter und Beschwerdegegner

    vertreten durch Rechtsanwalt

    betreffend

    mehrfacher Mord
    Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 26. März 2010 (WG090006)

    Das Gericht hat in Erwägung gezogen:

    I.
    1. In der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 2007 wurden die in ihrer Wohnung schlafenden 7-jährigen Kinder A. und B. getötet. Mit Anklageschrift vom

  1. Juni 2009 beschuldigte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Mutter der Kinder, die Beschwerdeführerin, die beiden Kinder getötet zu haben, und klagte sie des mehrfachen Mordes im Sinne von Art. 112 StGB an (GG act. 15). Die Beschwerdeführerin bestritt, ihre Kinder getötet zu haben (GG act. 23 S. 2, GG Prot. S. 64, GG act. 60 S. 2).

    1. Mit Urteil vom 26. März 2010 (KG act. 11) sprach das Geschworenengericht des Kantons Zürich die Beschwerdeführerin schuldig des mehrfachen Mordes im Sinne von Art. 112 StGB und bestrafte sie mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe (KG act. 11 S. 204).

    2. Gegen das geschworenengerichtliche Urteil meldete die Beschwerdeführerin am Tag der Urteilseröffnung kantonale Nichtigkeitsbeschwerde an (OG act. 64). Am 26. April 2010 beauftragte die Beschwerdeführerin Rechtsanwalt D. mit ihrer Verteidigung (GG act. 65 - 67). Mit Verfügung vom 20. Mai 2010 entliess der Präsident des Geschworenengerichts die bisherige amtliche Verteidigerin aus ihrem Amt (GG act. 68). Mit Verfügung vom 27. Mai 2011 bestellte der Präsident des Kassationsgerichts der Beschwerdeführerin auf ihr entsprechendes Gesuch (KG act. 2) für das Kassationsverfahren RA D. als amtlichen Verteidiger (KG

      act. 5). Am 17. November 2011 wurde der Beschwerdeführerin das schriftlich begründete Urteil des Geschworenengerichts vom 26. März 2010 (GG act. 106 = KG act. 11) zugestellt und die 30-tägige Frist zur Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde angesetzt (GG act. 107 und 108/1). Am 19. Dezember 2011 und damit innert Frist (unter Berücksichtigung, dass der 17. und 18. Dezember 2011 Samstag und Sonntag waren) reichte die Beschwerdeführerin die Begründung ihrer Nichtigkeitsbeschwerde ein. Damit beantragt sie die Aufhebung des

      geschworenengerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Sache (KG act. 10 S. 2).

    3. Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (Beschwerdegegnerin) beantragte mit einer Beschwerdeantwort vom 17. Januar 2012 die Abweisung der Beschwerde (KG act. 24). Das Geschworenengericht äusserte sich in einer Vernehmlassung vom 19. Januar 2012 zur Nichtigkeitsbeschwerde (KG act. 25). Innert antragsgemäss (KG act. 29, act. 32) mehrfach erstreckter Frist (KG act. 30,

      33) nahm die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 5. März 2012 Stellung zur Beschwerdeantwort der Staatsanwaltschaft und zur Vernehmlassung des Geschworenengerichts (KG act. 35). Diese Stellungnahme wurde den Beschwerdegegnern zur Kenntnisnahme zugestellt (KG act. 36). Dazu äusserten sie sich nicht.

      II.

      Seit dem 1. Januar 2011 steht die Schweizerische Strafprozessordnung vom

    4. Oktober 2007 (StPO) in Kraft. Art. 453 Abs. 1 StPO bestimmt, dass Rechtsmittel, die sich gegen einen Entscheid richten, der vor Inkrafttreten der StPO gefällt wurde, nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden beurteilt werden. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren gelangen daher die Bestimmungen der (auf den 31. Dezember 2010 aufgehobenen) zürcherischen StPO vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH) wie auch des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 (GVG) weiterhin zur Anwendung. Ebenso ist mit Bezug auf die Beurteilung der erhobenen Rügen das bisherige Prozessrecht heranzuziehen, weil im Beschwerdeverfahren zu prüfen ist, ob der angefochtene Entscheid im Zeitpunkt der Fällung mit einem der in § 430 StPO/ZH bezeichneten Nichtigkeitsgründe behaftet war. Dementsprechend richten sich auch die Nebenfolgen (Gerichtsgebühr und Prozessentschädigung) des Beschwerdeverfahrens betragsmässig nach dem bisherigen Recht, d.h. nach den obergerichtlichen Verordnungen über die Gerichtsgebühren vom 4. April 2007 (GGebV) bzw. über die Anwaltsgebühren vom 21. Juni 2006 (aAnwGebV) (vgl. § 23 der Gebührenverordnung des Obergerichts [GebV OG] vom 8. September 2010 und § 25 der Verordnung über die Anwaltsgebühren [AnwGebV] vom 8. September 2010).

      III.
      1. Die Beschwerdeführerin begründet ihre Nichtigkeitsbeschwerde einerseits damit, dass sie im Verfahren vor Geschworenengericht ungenügend verteidigt gewesen sei, aber die Vorinstanz die Verteidigerin nicht ersetzt habe (KG act. 10

        S. 3 - 9), andererseits damit, dass die Vorinstanz zum Nachteil der Beschwerdeführerin auf ein psychiatrisches Gutachten abgestellt habe, obwohl der Gutachter befangen gewesen sei (KG act. 10 S. 9 - 11).

        1.1 Die Vorinstanz wirft in ihrer Vernehmlassung die Frage auf, ob nicht der früheren Verteidigern des Recht zugestanden werden sollte, sich zu den Rügen der ungenügenden Verteidigung zu äussern (KG act. 25 S. 1 f. Ziff. I.1.a).

          1. Vorab ist auf die Natur des Beschwerdeverfahrens hinzuweisen:

          2. Aus der Natur des Beschwerdeverfahrens, das keine Fortsetzung des Verfahrens vor dem Sachrichter darstellt, folgt, dass sich der Nichtigkeitskläger konkret mit dem angefochtenen Entscheid auseinandersetzen und den behaupteten Nichtigkeitsgrund in der Beschwerdeschrift selbst nachweisen muss (§ 430 Abs. 2 StPO/ZH). In der Beschwerdebegründung sind insbesondere die angefochtenen Stellen des vorinstanzlichen Entscheides zu bezeichnen und diejenigen Aktenstellen, aus denen sich ein Nichtigkeitsgrund ergeben soll, im Einzelnen anzugeben. Es ist nicht Sache der Kassationsinstanz, in den vorinstanzlichen Akten nach den Grundlagen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes zu suchen. Wer die vorinstanzliche Beweiswürdigung als willkürlich rügt, muss in der Beschwerde genau darlegen, welche tatsächlichen Annahmen des angefochtenen Entscheides auf Grund welcher Aktenstellen willkürlich sein sollen. Wird Aktenwidrigkeit einer tatsächlichen Annahme behauptet, so sind ebenfalls die Bestandteile der Akten, die nicht nicht in ihrer wahren Gestalt in die Beweiswürdigung einbezogen worden sein sollen, genau anzugeben. Wer vorbringt, angerufene Beweismittel seien nicht abgenommen worden, hat zu sagen,

            wo und zu welchen Behauptungen er sich auf diese berufen hat. Wird im Rahmen eines Strafprozesses geltend gemacht, die Untersuchungsmaxime sei verletzt worden, ist in der Beschwerde anzuführen, durch welche Unterlassung dies geschehen sein soll (ZR 91/92 Nr. 6; vgl. auch BGE 127 I 42 E. 3b sowie ZR 81 Nr. 88 E. 6; Schmid, in Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996, N 32 zu § 430; von Rechenberg, Die Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilund Strafsachen nach zürcherischem Recht, 2. Auflage, Zürich 1986, S. 16 ff.). Neue Behauptungen (Noven) tatsächlicher Art, sowohl solche zum Anklagesachverhalt als auch solche zum prozessualen Geschehen vor Vorinstanz, sind im Nichtigkeitsverfahren nicht zulässig, da die Nichtigkeitsinstanz allein zu prüfen hat, ob das Verfahren der Entscheid im Blick auf die damalige Aktenlage an einem Nichtigkeitsgrund litt (Donatsch/Schmid, a.a.O.,

            N 34 zu § 430; von Rechenberg, a.a.O., S. 17; Kass.-Nr. AC080014 vom 23.9.2008 Erw. II.3.1).

          3. Da das Kassationsgericht einzig zu prüfen hat, ob das vorinstanzliche Verfahren das angefochtene Urteil im Blick auf die damalige Aktenlage an einem Nichtigkeitsgrund litt, ist der früheren amtlichen Verteidigerin im vorinstanzlichen Verfahren keine Gelegenheit zur Stellungnahme zum Vorwurf der ungenügenden Verteidigung zu geben. Es ist unter diesem Aspekt einzig zu prüfen, ob sich der Vorinstanz aus damaliger Sicht - d.h. insbesondere auch vor einer entsprechenden Stellungnahme der Verteidigerin - die Verteidigung dermassen ungenügend präsentierte, dass die Vorinstanz hätte einschreiten müssen. Bei dieser Betrachtungsweise kommt es auf eine spätere Stellungnahme der früheren Verteidigerin nicht an. Da diese überdies nicht Beteiligte am vorliegenden Verfahren ist und vom Entscheid des Kassationsgerichts im vorliegenden Verfahren nicht (zumindest nicht direkt in rechtlich relevanter Weise) betroffen sein wird, ist von einer Anhörung ihrerseits abzusehen.

          4. Auf die Beschwerde kann nur eingetreten werden, soweit sie die vorstehend genannten Substantiierungsanforderungen erfüllt.

      2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre frühere amtliche Verteidigerin habe bereits aus sprachlichen Gründen keine genügende Verteidigung gewährleisten können. Zur Begründung dieser Position verweist die Beschwerdeführerin darauf, dass sich ihre frühere Verteidigerin während des laufenden Prozesses beim Präsidenten des Geschworenengerichts erkundigt habe, ob ihr Begleiter,

        Dr. E., einen in Schweizerdeutsch geschriebenen Text vorlesen könnte, da sie diesen nicht aussprechen könne (KG act. 10 S. 4 Rz 9 mit Verweisung auf GG Prot. S. 125).

        1. Die Vorinstanz erachtet diesen Vorwurf für unbegründet. Ein Blick ins Verhandlungsprotokoll zeige, dass die damalige Verteidigerin durchaus in der Lage gewesen sei, der auf Deutsch geführten Verhandlung zu folgen und in korrektem Deutsch den Zeugen, aber auch der eigenen Klientin die aus ihrer Sicht erforderlichen Ergänzungsfragen zu stellen und ganze Passagen aus früheren Einvernahmen vorzuhalten. Zwar habe sie tatsächlich kurz Mühe bekundet, einen auf Schweizerdeutsch geschriebenen Text zu verlesen. Allein darin ein ungenügendes Beherrschen der deutschen Sprache (Hochdeutsch Schweizerdeutsch) zu sehen, gehe nicht an (KG act. 25 S. 2).

        2. Dieser vorinstanzlichen Auffassung ist beizupflichten. Allein aus der deklarierten Unfähigkeit, einen schweizerdeutschen Text aussprechen zu können, zeigt sich keine sprachliche Unfähigkeit der Verteidigung. Die Beschwerdeführerin nannte in der Beschwerde keinen weiteren Anhaltspunkt dafür, und ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Die Rüge geht insoweit fehl.

      3. Mit Verfügung vom 11. Juni 2009 setzte die Präsidentin der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Zürich der Beschwerdeführerin und ihrer amtlichen Verteidigerin Frist zu den Erklärungen an, ob Einwendungen gegen die Anklage erhoben würden, ob sich die Beschwerdeführerin schuldig erkläre und ob sie unter bestimmten (im vorliegenden Fall nicht gegebenen) Voraussetzungen vom Obergericht vom Geschworenengericht beurteilt werden wolle (GG

        act. 16). Die damalige amtliche Verteidigerin teilte darauf mit, dass die Beschwerdeführerin weder den eingeklagten Sachverhalt noch die rechtliche Würdigung

        der Anklage anerkenne. Ferner machte sie als Einwendungen gegen die Anklage im Wesentlichen geltend, es lägen keine Beweise für den in der Anklageschrift aufgeführten Sachverhalt vor. Die in der Anklageschrift erwähnten Indizien seien zu simpel und nicht überzeugend, um einen doppelten Mord der Beschwerdeführerin anzunehmen (GG act. 23).

        1. Die Beschwerdeführerin macht mit der Nichtigkeitsbeschwerde geltend, damit scheine die damalige amtliche Verteidigerin Sinn und Zweck des geschworenengerichtlichen Verfahrens verkannt zu haben. Wie die Anklagekammer mit Beschluss vom 17. Juli 2009 dazu zutreffend erwogen habe, habe die amtliche Verteidigerin mit dieser Eingabe ausschliesslich Fragen der Beweiswürdigung aufgeworfen, deren Klärung gerade der Sinn des unmittelbaren Verfahrens vor dem Geschworenengericht sei (KG act. 10 S. 4 f. Rz 10).

        2. Die Staatsanwaltschaft wendet ein, die Anklagekammer habe im Anklagezulassungsverfahren ausdrücklich zu prüfen, ob der Angeklagte eines strafbaren Verhaltens hinreichend verdächtig erscheine. Wenn auch die Rüge betreffend Intensität des Tatverdachts wenig erfolgversprechend erscheine, werde sie von Verteidigern regelmässig vorgebracht, zumal es sich, abgesehen von formalen Rügen, um den einzigen zulässigen inhaltlichen Einwand gegen eine Anklage handle. Daraus zeige sich keine ungenügende Verteidigung (KG act. 24

          S. 2). Die Vorinstanz weist darauf hin, dass die Verteidigerin mit der Erklärung, die Beschwerdeführerin anerkenne weder den eingeklagten Sachverhalt noch die rechtliche Würdigung der Anklage, das getan habe, wozu sie mit Präsidialverfügung aufgefordert worden sei. Mit ihren zusätzlichen Ausführungen zur Beweiswürdigung habe sie das getan, was viele erfahrene Verteidiger im Anklagezulassungsverfahren ebenfalls vergeblich versuchten, nämlich, in einer schwierigen Situation doch noch etwas für ihre Klientschaft herauszuholen. Es gehe zu weit, daraus den Vorwurf zu machen, die damalige Verteidigerin habe den Sinn und Zweck des geschworenengerichtlichen Verfahrens verkannt (KG act. 25 S. 3).

        3. Auch diese Einwendungen von Staatsanwaltschaft und Vorinstanz sind richtig. Die Erklärung, welche auf die Verfügung der Anklagekammer vom 11. Juni 2009 notwendig war, hatte die damalige amtliche Verteidigerin im Sinne der

          Interessen der Beschwerdeführerin gemacht, nämlich (neben einem Antrag auf Entlassung aus der Sicherheitshaft; GG act. 18) die Erklärung, dass die Beschwerdeführerin weder den eingeklagten Sachverhalt noch die rechtliche Würdigung der Anklage anerkenne (GG act. 23 S. 2). Aus den zusätzlichen vergeblichen Einwendungen gegen die Anklage (GG act. 23 S. 2 und 3) kann nicht geschlossen werden, dass die damalige Verteidigerin Sinn und Zweck des geschworenengerichtlichen Verfahrens verkannt hätte. Die Rüge geht auch insoweit fehl.

      4. Als etwas irritierend bezeichnet die Beschwerdeführerin den Verzicht der früheren Verteidigerin auf Einreichung einer eigenen Beweismittelliste (KG act. 10 S. 5 Rz 11).

        Sofern diese Bemerkung überhaupt als eine Rüge (der ungenügenden Verteidigung) zu verstehen ist, geht sie fehl. Das Unterlassen der Einreichung einer (eigenen) Beweismittelliste im geschworenengerichtlichen Verfahren kann nicht bereits als solches als ungenügende Verteidigung qualifiziert werden, welche ein Einschreiten des Gerichts erforderlich machte. Verteidiger verzichten in geschworenengerichtlichen Verfahren im Hinblick auf die oft ausführlichen Beweismittellisten der Staatsanwaltschaft und die Möglichkeit des Kreuzverhörs gemäss § 233 Abs. 2 StPO/ZH häufig auf die Nennung von (zusätzlichen) Beweismitteln (Kass.- Nr. 2002/062 S vom 28.12.2002 Erw. II.3.3.c). In ihrer Nichtigkeitsbeschwerde substantiiert die Beschwerdeführerin nicht, welche (zusätzlichen) Beweismittel denn ihre frühere amtliche Verteidigerin hätte bezeichnen müssen.

      5. Mit schriftlich eingereichten (GG act. 60) und verlesenen (GG Prot.

        S. 803) Plädoyernotizen beantragte die damalige amtliche Verteidigerin neben dem Hauptantrag auf Freispruch in einem Eventualantrag, die Beschwerdeführerin sei des mehrfachen Totschlags im Sinne von Art. 113 StGB schuldig zu sprechen und mit einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren zu bestrafen. Dazu beantragte die damalige amtliche Verteidigerin weiter, die Probezeit sei auf 3 Jahre anzusetzen (GG act. 60 S. 2).

          1. ihrer Nichtigkeitsbeschwerde bezeichnet die Beschwerdeführerin den Antrag auf Ansetzung einer Probezeit von 3 Jahren anbetrachts des Antrags auf 7 Jahre Freiheitsstrafe als offensichtlich falsch bzw. widersprüchlich. Die Gewährung des bedingten teilbedingten Strafvollzugs sei bei der beantragten Dauer der Strafe schon aus objektiven Gründen ausgeschlossen (KG act. 10 S. 6 Rz 15 und 16).

          2. Die Staatsanwaltschaft äussert sich dazu in ihrer Beschwerdeantwort nicht. Die Vorinstanz erklärt in ihrer Vernehmlassung, solche Anträge könnten entstehen, wenn beim Verfassen eines Plädoyers die Anträge eines alten Plädoyers überschrieben würden und dann vergessen werde, die nicht benötigten Anträge zu löschen. So jedenfalls habe die damalige Verteidigerin dem Geschworenengerichtspräsidenten gegenüber bei anderer Gelegenheit die Entstehung dieses unsinnigen Antrages erklärt. Dass sie den Fehler beim Verlesen der Anträge und am Schluss nach ihrem mehr als zwei Stunden dauernden, ununterbrochenen Plädoyer nicht bemerkt habe, lasse sich noch mit dem Verhandlungsstress erklären. Diese Erklärung erscheine angesichts der Feststellung, dass dieser Antrag im Plädoyer mit keinem Wort begründet worden sei, plausibel (KG act. 25 S. 4).

          3. Die Beschwerdeführerin wendet zu dieser Vernehmlassung ein, auf das offenbar nicht protokollierte und nachprozessual geführte Gespräch zwischen der damaligen Verteidigerin und dem Präsidenten des Geschworenengerichts dürfe nicht abgestellt werden. Selbst wenn aber darauf abgestellt werden könnte, wäre dies ein weiteres Indiz für die ungenügende Verteidigungsleistung. Denn in diesem Fall hätte die frühere Verteidigerin ihr Plädoyer vor dem Verlesen nicht noch einmal genügend durchgelesen und redigiert (KG act. 35 S. 4).

          4. Die Rüge ist begründet. Es gehört zum elementaren Wissen eines Strafverteidigers, dass bei einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren keine bedingte Strafe im Sinne von Art. 42 f. StGB möglich ist. Deshalb kommt bei einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren auch keine Probezeit im Sinne von Art. 44 StGB in Betracht. Zu Recht bezeichnete das Geschworenengericht in seiner Vernehmlassung zur Nichtigkeitsbeschwerde den Antrag auf eine Probezeit von 3 Jahren

        beim Antrag auf eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren (alles unter dem Titel Eventualantrag) als unsinnig. Stellt ein Verteidiger einen (rechtlich) unsinnigen Antrag, wirft das zumindest die Frage auf, ob er die notwendigen Kenntnisse für die Führung einer Strafverteidigung hat, und ruft (zumindest im Fall einer notwendigen Verteidigung) nach Rückfragen.

        1. Zu den wesentlichen Pflichten des Verteidigers gehört das Gebot der aktiven Teilnahme am Verfahren wie etwa die Teilnahme an den wichtigsten Einvernahmen und Verhandlungen sowie das Stellen von allfälligen Ergänzungsfragen, das Stellen von Anträgen sowie das Vortragen von hinreichenden und sachgerechten tatsächlichen sowie rechtlichen Ausführungen zu allen sich im Verfahren stellenden wesentlichen Fragen sowie das Ergreifen aller sinnvollen Verteidigungsmöglichkeiten, stets im Hinblick auf die Erwirkung eines für den Angeschuldigten möglichst günstigen Entscheides (Kass.-Nr. 2002/062 S vom 28.12.2002 Erw. II.3.1.b mit Verweisung auf Graf, Effiziente Verteidigung im Rechtsmittelverfahren, Zürich 2000, S. 55 f., mit weiteren Hinweisen). Die rechtlichen Interessen des Angeschuldigten müssen durch den Offizialverteidiger in ausreichender und wirksamer Weise wahrgenommen werden. Auch der amtlich verteidigte Angeschuldigte hat Anspruch auf eine sachkundige, engagierte und effektive Wahrnehmung seiner Parteiinteressen. Wird von den Behörden untätig geduldet, dass der amtliche Verteidiger seine anwaltlichen Berufsund Standespflichten zum Schaden des Angeschuldigten in schwerwiegender Weise vernachlässigt, kann darin eine Verletzung der in Art. 4aBV bzw. Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BV und Art. 6 Ziff. 3 EMRK sowie Art. 14 Ziff. 3 lit. d IPBPR garantierten Verteidigungsrechte liegen (BGE 120 IA 48, 51 Erw. 2.b.bb und ZR 100 [2001] Nr. 43 Erw. 3.c mit weiteren Hinweisen). Das Gericht hat, zumindest in Fällen notwendiger Verteidigung, eine entsprechende richterliche Fürsorgepflicht (Kass.-Nr. AC080033 vom 3.9.2009 Erw. II.2.4.a).

        2. In einem Verhalten des Verteidigers kann indes von vornherein kein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 430 Abs. 1 Ziff. 4 StPO/ZH liegen, da dafür nur eine Verletzung gesetzlicher Prozessformen durch die Strafbehörden in Frage kommt. Wird im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren eine ungenügende Tätigkeit

          des Verteidigers gerügt, lässt sich unter dem Gesichtspunkt von § 430 Abs. 1 Ziff. 4 StPO/ZH deshalb nur prüfen, ob das erkennende Gericht dazu verpflichtet gewesen wäre, den Verteidiger zur Erfüllung seiner Pflichten zu mahnen ihn zu ersetzen (Kass.-Nr. 2002/062 S vom 28.12.2002 Erw. II.3.1.b mit Hinweisen auf ZR 97 Nr. 108; auf von Rechenberg, a.a.O., S. 31; auf Donatsch/Schmid, a.a.O., N 13 zu § 430; auf Graf, a.a.O., S. 63 und S. 66; und auf BGE 124 I 185 Erw. 3.b). Dabei ist die Situation relevant, welche sich dem erkennenden Gericht präsentiert hatte, worauf die Staatsanwaltschaft zutreffend hinweist (KG act. 24

          S. 2) und was die Beschwerdeführerin trotz ihrer diesbezüglichen Replik (KG act. 35 S. 3 Rz 3 und 4) nicht wirklich anders sieht. Auch die Beschwerdeführerin geht gerade nicht davon aus, dass bei der Beurteilung allfällige seitherige neue Erkenntnisse zu berücksichtigen wären (vgl. KG act. 35 S. 4 Rz 7).

        3. Der unsinnige Antrag der früheren amtlichen Verteidigerin in ihrem schriftlich abgegebenen und mündlich vorgetragenen Plädoyer, der die Frage aufwarf, ob die Verteidigerin über genügende Kenntnisse für die Führung einer Strafverteidigung verfügte, hätte das Geschworenengericht in Beachtung der richterlichen Fürsorgepflicht zumindest zur Prüfung veranlassen müssen, weshalb die Verteidigerin einen solchen unsinnigen Antrag stellte, um die sich anbetrachts

          eines solchen Antrags aufdrängenden Zweifel an der fachlichen Kompetenz der Verteidigerin ggfs. beseitigen zu können oder, falls sie nicht hätten beseitigt werden können, die Verteidigerin zu ersetzen.

        4. Dabei hatte das Geschworenengericht damals offensichtlich keine Kenntnis von der Erklärung, welche die amtliche Verteidigerin dem Präsidenten des Geschworenengerichts bei anderer Gelegenheit gab (KG act. 25 S. 4 Ziff. 5). Diese nachträgliche Erklärung ist deshalb für die Prüfung der Rüge schon deshalb irrelevant, wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht (KG act. 35 S. 4), weil sie nichts daran ändert, dass das Geschworenengericht seinerzeit hätte eine Erklärung erfragen müssen.

        5. Abgesehen davon kann darauf hingewiesen werden, dass die in der vorinstanzlichen Vernehmlassung erwähnte Erklärung der damaligen Verteidigerin die durch den unsinnigen Antrag entstandenen Zweifel nicht hätte beseitigen

          können. Einerseits trug die damalige Verteidigerin diesen unsinnigen Antrag nicht unvorbereitet in der Hitze des Gefechts bloss mündlich vor, sondern der Antrag war im schriftlichen und damit vorbereiteten Plädoyer enthalten. Er ist beim Antrag einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren derart unsinnig, dass er einem Verteidiger auf der Höhe seiner Aufgabe schon bei einem Durchlesen des Plädoyers vor dem Vortrag, spätestens aber beim Vortragen hätte aufstossen und von ihm korrigiert werden müssen. Befand sich aber die damalige amtliche Verteidigerin in einem dermassen grossen Verhandlungsstress, dass sie den Unsinn dieses Antrages weder beim Durchlesen des schriftlichen Plädoyers noch bei dessen Vortrag bemerkte (KG act. 25 S. 4 Ziff. 5), war aus diesem Grund eine genügende Verteidigung nicht mehr gewährleistet. Darauf kann der Umstand hindeuten, dass die damalige amtliche Verteidigerin an der vorinstanzlichen Hauptverhandlung auf eine Duplik verzichtete (GG Prot. S. 805 unten), obwohl der Staatsanwalt in seiner Replik wesentliche Ausführungen insbesondere zur Frage der (nach Auffassung des Staatsanwalts fehlenden) Entschuldbarkeit des von der amtlichen Verteidigerin geltend gemachten Totschlags machte (GG act. 61 S. 2 - 4, GG Prot. S. 804 Ergänzung 1), welche eine Stellungnahme der Verteidigerin erforderten, wenn sie wie sie dies tat an der Qualifikation als Totschlag festhielt und nachdem sie auch in ihrem vorgetragenen Plädoyer keine Ausführungen zur Frage der Entschuldbarkeit im Sinne von Art. 113 StGB gemacht hatte (vgl. dazu auch nachfolgend Erw. 6.5 und 6.7).

        6. Der unsinnige Antrag der damaligen amtlichen Verteidigerin auf Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren bei einem Strafantrag von 7 Jahren Freiheitsstrafe als solcher führt nicht zur Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde. Dieser Antrag als solcher konnte der Beschwerdeführerin nicht zum Nachteil gereichen, indem eine solche Probezeit bei einer solchen Freiheitsstrafe gar nicht in Frage kam und der Antrag damit zwar unnütz, aber nicht schädlich war. In diesem Antrag als solchem allein kann auch noch keine ungenügende Verteidigung eine Unfähigkeit der amtlichen Verteidigerin gesehen werden, der die Vorinstanz zwingend zur Auswechslung der Verteidigerin hätte veranlassen müssen und in der fehlenden Auswechslung eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht und damit einer gesetzlichen Prozessform im Sinne von § 430 Abs. 1 Ziff. 4

          StPO/ZH läge. Tatsächlich kann dieser unsinnige Antrag auf einem Versehen beruhen, das weder die Fähigkeit der damaligen amtlichen Verteidigerin verneinen noch ihre Verteidigungsarbeit für die Beschwerdeführerin grundsätzlich als ungenügend erscheinen lassen muss. Doch hätte dieser unsinnige Antrag die Vorinstanz zur eingehenderen Prüfung veranlassen müssen, ob durch die damalige amtliche Verteidigerin eine genügende Verteidigung gewährleistet war.

        7. Dabei kann vorliegend offengelassen werden, ob der Umstand, dass eine eingehendere vorinstanzliche Prüfung im vorstehend erwähnten Sinne aus den Akten nicht ersichtlich ist, bereits für sich allein zur Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde führen müsste. Denn es zeigt sich aus weiteren Rügen, dass die Vorinstanz die richterliche Fürsorgepflicht verletzte, indem sie die damalige amtliche Verteidigerin nicht zur (weiteren) Erfüllung ihrer Pflichten mahnte sie ersetzte:

      6. Die Beschwerdeführerin rügt, es fehle an einer Begründung für die beantragte Freiheitsstrafe von 7 Jahren. Einzig die Feststellung, dass die Verteidigung eine solche Freiheitsstrafe als angemessen erachte, genüge nicht als Begründung und könne nicht als effektive Verteidigung bezeichnet werden (KG act. 10 S. 6 Rz 17). Zwar habe die damalige Verteidigerin noch auf oben erwähnte Gründe verwiesen. Dabei habe es sich jedoch einzig um Ausführungen zur Frage gehandelt, ob sich die Beschwerdeführerin allenfalls des Totschlags im Sinne von Art. 113 StGB schuldig gemacht habe. Weitergehende Ausführungen zu ebenfalls strafreduzierenden Umständen fehlten. Ebenso fehle eine Begründung für den Antrag auf Anordnung einer ambulanten psychiatrischen Therapie. Bei ihrem Eventualantrag auf Schuldigsprechung wegen Totschlags habe sich die damalige amtliche Verteidigerin auch mit der Frage der Entschuldbarkeit der heftigen Gemütsbewegung nicht auseinandergesetzt. Völlig unterblieben sei auch eine rechtliche Auseinandersetzung mit der Frage der Anwendbarkeit des Mordtatbestandes (KG act. 1 S. 6 - 8).

        1. Die Staatsanwaltschaft äussert sich in ihrer Beschwerdeantwort (KG act. 24) dazu nicht. Die Vorinstanz weist auf Folgendes hin: Nachdem sich die Verteidigung auf den Hauptstandpunkt gestellt habe, dass der eingeklagte Sachverhalt nicht habe erstellt werden können, habe sie auch keinen Anlass gehabt, sich zur rechtlichen Würdigung und damit zum Mordtatbestand zu äussern, zumal sie sich in ihrem Eventualantrag nicht damit begnügt habe, einen andern Antrag zur Strafhöhe zu stellen, sondern einen Eventualantrag auf Totschlag gestellt und diesen über nahezu neun Plädoyerseiten begründet habe. Das stelle zweifellos eine genügende Begründung eines Eventualantrages dar. Offensichtlich enthalte dessen Begründung sehr viele Elemente, welche auch für die Strafzumessung von Bedeutung gewesen seien. Insofern sei es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die ehemalige Verteidigerin bei der Begründung des Strafmasses nicht nochmals alles wiederholt, sondern auf die eben gemachten Erwägungen verwiesen habe. Im Übrigen gelte auch im Geschworenengerichtsprozess der Grundsatz iura novit curia. Angesichts des übereinstimmenden Antrages von Staatsanwaltschaft und Verteidigung, dem Einverständnis der Beschwerdeführerin und der Empfehlung des psychiatrischen Gutachters hätten sich weitere Ausführungen zur ambulanten Behandlung erübrigt. Gerade vor den Geschworenen, deren Aufnahmefähigkeit schneller an Grenzen stosse als bei prozessgewohnten Berufsrichtern, gehöre es zu einer guten Verteidigung, das Plädoyer nicht noch durch Erwägungen zu Punkten zu verlängern, über die es eigentlich nichts zu diskutieren gebe die, wie zur Strafzumessung, bereits einmal dargelegt worden seien (KG act. 25 S. 4 f.).

        2. Bereits vorstehend wurde darauf hingewiesen, dass zu den wesentlichen Pflichten des Verteidigers auch das Vortragen von hinreichenden und sachgerechten tatsächlichen sowie rechtlichen Ausführungen zu allen sich im Verfahren stellenden wesentlichen Fragen gehört. Daran ändert der Umstand nichts, dass auch im Geschworenengerichtsprozess der Grundsatz iura novit curia gilt. Ein Verteidigungsplädoyer, welches sich überhaupt nicht zur (allfälligen) Strafzumessung äussert, ist als objektiv ungenügend zu bezeichnen. Ein Angeklagter kommt auch bei einem Hauptantrag auf Freispruch nicht in den Genuss einer wirksamen Verteidigung, wenn sich das Plädoyer der Verteidigung nicht mit der (allfälligen, im Falle eines Schuldspruchs) Strafzumessung auseinandersetzt und namentlich die für den Angeklagten sprechenden Umstände näher beleuchtet. Das Gericht muss zumindest in Fällen notwendiger Verteidigung

          von Amtes

          wegen dafür sorgen, dass auch die Strafzumessung Thema der Verteidigungsleistung wird. Tut es das nicht, verletzt es die richterliche Fürsorgepflicht, selbst wenn die Verteidigung im Übrigen also namentlich mit Bezug auf den Schuldpunkt genügend gar intensiv gewesen sein sollte (Kass.-Nr. AC080033 vom 3.9.2009 Erw. II.2.4.a).

        3. Die amtliche Verteidigerin der Beschwerdeführerin vor Vorinstanz beantragte in erster Linie einen Freispruch mit der Begründung, es sei nicht die Beschwerdeführerin gewesen, welche die beiden Kinder getötet habe; zumindest sei dies nicht rechtsgenügend nachgewiesen. Dabei setzte sich die damalige Verteidigerin über rund 35 Seiten ihres Plädoyers mit dem von der Staatsanwaltschaft eingeklagten Sachverhalt und den dafür zusammengetragenen Indizien auseinander (GG act. 60 S. 3 - 37) und gelangte unter dem Titel Rechtliche Würdigung (GG act. 60 S. 37 Ziff. 2) zur Schlussfolgerung, dass der von der Staatsanwaltschaft geltend gemachte Sachverhalt der Beschwerdeführerin nicht zugeordnet werden könne und sie vom Vorwurf des mehrfachen Mordes freizusprechen sei (GG act. 60 S. 38 oben). In einem Eventualantrag beantragte die damalige Verteidigerin, die Beschwerdeführerin sei (statt des mehrfachen Mordes, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt) des mehrfachen Totschlags im Sinne von Art. 113 StGB schuldig zu sprechen. Zur Begründung dieses Antrages schilderte die damalige Verteidigerin nach der Frage, ob sich die Beschwerdeführerin in den Monaten, wenn nicht gar Jahren vor der Tat in einem chronischen Zustand grosser seelischer Belastung befunden habe, welcher lange Zeit zugenommen habe, bis sie keinen andern Ausweg als die Tötung ihrer Kinder mehr gesehen habe (GG act. 60 S. 38 Ziff. 1), die tatsächliche Situation der Beschwerdeführerin und ihr Leiden seit dem Tod ihrer ersten Tochter im Jahre 1999 bis zur Tötung der beiden Kinder +A. und +B. (GG act. 60 S. 38 - 47)

          und gelangte zur Schlussfolgerung, der Prozess habe mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass die Beschwerdeführerin keine Mörderin sei. Zu keinem Zeitpunkt habe sie berechnend besonders grausam gehandelt, es fänden sich keinerlei Hinweise auf einen längerfristig angelegten Plan noch seien ihr ihre Kinder im Weg gestanden. So unterstreiche sie (die amtliche Verteidigerin) in aller Deutlichkeit nochmals das Vorliegen der Tatbestandselemente des Totschlags (GG

          act. 60 S. 47). Unter dem Titel Strafmass erklärte die damalige amtliche Verteidigerin einzig, aus den oben erwähnten Gründen erachte sie beim Eventualantrag eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren als angemessen. Die erstandene Haft sei auf diese Freiheitsstrafe anzurechnen (GG act. 60 S. 47).

        4. Der Präsident des Geschworenengerichts forderte die Verteidigerin auf, zum Hauptstrafantrag auf lebenslängliche Freiheitsstrafe Stellung zu nehmen. Auf die Frage des Präsidenten, ob sie ihre Ausführungen zum Totschlag als Bestandteil der Stellungnahme zum Hauptstrafantrag erachte, erklärte die Verteidigerin, dass sie auf eine Stellungnahme verzichte (GG Prot. S. 803).

        5. Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe bei ihrer Tat mit einer besonderen Skrupellosigkeit gehandelt. Sie habe einerseits heimtückisch, andererseits aber auch schnell, überraschend und mit grosser Entschlossenheit gehandelt. Sie habe das erste Opfer während längerer Zeit fixieren müssen, bis sein Tod eingetreten sei. Erst darauf habe sie sich in das zweite Zimmer begeben, wo sie das zweite Kind auf die gleiche Art getötet habe. Sie habe den Schlaf der beiden Kinder ausgenutzt und sie im Zustand absoluter Wehrlosigkeit getötet. Als Mutter sei sie verpflichtet gewesen, ihre beiden Kinder zu schützen und für sie zu sorgen. Indem sie die Kinder stattdessen im Schlaf erstickt habe, habe sie besonders skrupellos und verwerflich gehandelt. Zwar sei ihre Situation gekennzeichnet gewesen durch sich zuspitzende Belastungen aufgrund ihres eingeschränkten Gesundheitszustandes, aufgrund des Empfindens, zu wenig geschätzt zu werden, und aufgrund zweier gleichzeitig geführten ausserehelichen Beziehungen, welche sie gegenüber dem Ehemann verschwiegen habe. Es habe ein Eklat gedroht. Diese sich zuspitzenden Belastungen dürften aber nicht als Anzeichen für das Vorliegen einer schweren Konfliktsituation gewertet werden. Wohl habe sich die Beschwerdeführerin offenbar eingeengt gefühlt und habe aus dieser Enge ausbrechen wollen. Das wäre jedoch so der Staatsanwalt ohne weiteres anders möglich gewesen; die Beschwerdeführerin hätte dazu nicht ihre beiden Kinder umbringen müssen. Der Gesetzgeber habe für ganz besonders krasse Fälle von vorsätzlichen Tötungen

          die Qualifikation als Mord vorgesehen. Dabei gehe es um die besondere Bestrafung von besonders skrupellosem Handeln, von jemandem, der keine moralischen Bedenken und keine hemmenden Gefühlsregungen aufweise. Gebe es so fragte der Staatsanwalt - denn überhaupt einen krasseren, schlimmeren Fall, jemanden zu töten als hier Könnten sich die Geschworenen einen verwerflicheren, einen skrupelloseren Fall vorstellen, als wenn eine Mutter ihre Kinder im Schlaf ersticke, weil sie das als Lösung ihrer Probleme, ihrer vergleichsweise absolut unbedeutenden Probleme so sehe, weil sie mit ihrer Situation nicht mehr zufrieden sei, weil sie sich zu wenig geschätzt fühle, weil sie Angst habe, dass ihre beiden Fremdbeziehungen bekannt würden, weil sie sehe, dass es so nicht mehr weitergehe und ein Eklat drohe Gemäss bestehender Lehre und Rechtsprechung berechtige allein eine Gesamtwürdigung aller äusseren und inneren Umstände des konkreten Falles zur Folgerung, es liege eine besondere Skrupellosigkeit vor, und eine derartige Gesamtwürdigung könne zu keinem anderen Schluss führen als zur Annahme eines mehrfachen Mordes. Eine Mutter, die zur Lösung ihrer vergleichsweise geringfügigen Probleme in der Nacht nacheinander zu ihren beiden Kindern gehe und diese nacheinander ersticke und sich so ihrer Probleme und Kinder entledigen wolle, könne nur wegen Mordes bestraft werden. Wenn nicht hier Mord vorliege, wann dann (GG act. 58 S. 37 - 40).

          Auf die Ausführungen der damaligen Verteidigerin zum Eventualantrag des Totschlags entgegnete der Staatsanwalt, für die Annahme eines Totschlages müsse eine Entschuldbarkeit der heftigen Gemütsbewegung der seelischen Belastung vorliegen. Es müsse angenommen werden, dass auch eine andere, durchschnittlich gesinnte Person in der betreffenden Situation leicht in einen derartigen Affekt geraten wäre leicht derart auf die grosse seelische Belastung reagiert hätte. An dieser Voraussetzung fehle es vorliegend auf jeden Fall. Es sei völlig ausgeschlossen, dass eine durchschnittlich reagierende Person unseres Kulturkreises unter denselben Umständen, wie sie der Beschwerdeführerin erschienen seien, in einen von Art. 113 StGB vorausgesetzten Affekt geraten wäre, dass der Zustand der Beschwerdeführerin bei objektiver Bewertung nach den ihn auslösenden Umständen gerechtfertigt erscheine. Der Gesetzgeber habe die Voraussetzungen für die Annahme eines Totschlages bewusst sehr hoch

          gesteckt. Entsprechend selten ergingen auch Urteile, welche das Vorliegen eines Totschlages bejahten. Das gelte ganz besonders auch für Urteile im Zusammenhang mit einem geltend gemachten Handeln unter grosser seelischer Belastung, was hier von der Verteidigung ausgeführt worden sei. Dafür führte der Staatsanwalt Beispiele an und gelangte zum Schluss, dass man sich bei einem Totschlag in einer anderen Dimension bewege, welche nichts mit dem hier vorliegenden Fall zu tun habe (GG act. 61 S. 2 - 4). Die Beschwerdeführerin habe täglich ins Café gehen können, sie habe zwei Liebhaber haben können. Der Gesundheitszustand wäre in keiner Weise auch nur annähernd mit einer schweren Erschöpfungsdepression vergleichbar (GG Prot. S. 804 Ergänzung 1).

        6. Zu diesen staatsanwaltschaftlichen Ausführungen äusserte sich die damalige amtliche Verteidigerin nicht (GG Prot. S. 803 und S. 805 unten).

        7. enn auch das Plädoyer der amtlichen Verteidigerin vor Vorinstanz bezüglich des Hauptantrages auf Freispruch durchaus engagiert, intensiv und sorgfältig erscheint und in diesem Bereich auch vom neuen Verteidiger nicht beanstandet wird, vermochte die Verteidigungsleistung im Bereich des (notwendigen) Eventualstandpunkts für den Fall eines Schuldspruchs die Anforderungen an eine genügende Verteidigung der Beschwerdeführerin nicht zu erfüllen. Im Gegensatz zur vorinstanzlichen Vernehmlassung (KG act. 25 S. 4 f. Ziff. 6) entband der Antrag auf Freispruch im Hauptstandpunkt die Verteidigung nicht davon, sich im Eventualstandpunkt zur rechtlichen Würdigung bei einem Schuldspruch und damit zum Tatbestand des Mordes wie auch des Totschlages zu äussern (vgl. vorstehend Erw. 5.4.a). Das tat die damalige amtliche Verteidigerin aber nicht. Einerseits schien sie nicht in der Lage, neben ihrem vorbereiteten Plädoyer auf die Ausführungen des Staatsanwalts zu reagieren (vgl. GG Prot. S. 803 und

          S. 805 unten). Eine solche Reaktion hätte sich aber schon anbetrachts der divergierenden rechtlichen Subsumtionen im Fall eines Schuldspruchs (Mord Totschlag), der staatsanwaltschaftlichen Ausführungen dazu besondere Skrupellosigkeit bezüglich Mord, fehlende Entschuldbarkeit der Gemütsbewegung bzw. seelischen Belastung bezüglich Totschlag aufgedrängt. Die damalige amtliche Verteidigerin unterliess indes insbesondere jegliche Begründung dafür, dass und

          weshalb die heftige Gemütsbewegung die grosse seelische Belastung, welche sie für die Beschwerdeführerin geltend machte, im Sinne von Art. 113 StGB entschuldbar gewesen wäre (vgl. auch die Rüge in KG act. 10 S. 8 Rz. 23). Andererseits genügte zur Strafzumessung (auch insoweit im Gegensatz zur vorinstanzlichen Vernehmlassung [KG act. 25 S. 5]) die blosse Verweisung auf die tatsächlichen Ausführungen zur Qualifikation als Totschlag, d.h. auf die Schilderung der tatsächlichen Situation der Beschwerdeführerin und ihr Leiden seit dem Tod ihrer ersten Tochter im Jahre 1999, nicht zur Begründung des Antrages einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren (auch wenn im Gegensatz zur Darstellung in der Beschwerde [KG act. 10 S. 7 Rz 18] dabei doch auf eine persönliche Isolation und gesundheitliche Probleme der Beschwerdeführerin hingewiesen wurde [GG

          act. 60 S. 40 - 42, S. 44 f.]). Es ist in keiner Weise verständlich, wie die damalige amtliche Verteidigerin zu einem Strafmass von 7 Jahren gelangte und weshalb das Gericht eine solche Strafe aussprechen sollte. Die Strafzumessung richtet sich nach dem Verschulden des Täters, wobei das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters zu berücksichtigen sind (Art. 47 Abs. 1 StGB). Mit Ausnahme der Schilderung der persönlichen Verhältnisse (bei den Ausführungen zum Totschlag) befasste sich die damalige Verteidigerin mit keinerlei weiteren Strafzumessungsgründen. Die Vorinstanz stellte diesen Mangel fest. Der Präsident forderte die Verteidigerin zumindest auf, zum Hauptstrafantrag auf lebenslängliche Freiheitsstrafe Stellung zu nehmen. Die Verteidigerin erklärte indes explizit, dass sie auf eine Stellungnahme verzichte (GG Prot. S. 803). Indem die Vorinstanz diesen Verzicht (wie auch den Verzicht auf eine Duplik [GG Prot. S. 805 unten]) akzeptierte und die Verteidigerin nicht noch einmal zu genügenden Ausführungen zur Strafzumessung und auch nicht zu Ausführungen zur rechtlichen Qualifikation (insbes. besondere Skrupellosigkeit bei Mord und Entschuldbarkeit bei Totschlag) anhielt oder, bei anhaltendem Ungenügen, nicht die Verhandlung abbrach und einen neuen Verteidiger bestellte, verletzte sie die richterliche Fürsorgepflicht (und zwar wegen der vorstehend geprüften Unterlassungen, nicht wegen der fehlenden Begründung des Antrages auf ambulante Behandlung [vgl. dazu die vorinstanzliche Vernehmlassung KG act. 25 S. 5 Ziff. 7] und nicht wegen einzelner Argumentationen,

          welche die Vorinstanz als nicht nachvollziehbar als unzutreffend wertete [vgl. KG act. 25 S. 5 f. Ziff. 8]). Das angefochtene Urteil muss aus diesem Grund aufgehoben werden, und die Sache ist zur Wiederholung der Hauptverhandlung bei genügender Verteidigung zurückzuweisen.

      7. Die Beschwerdeführerin macht mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde eine Befangenheit des psychiatrischen Sachverständigen geltend, der Gutachten über die Beschwerdeführerin und Z. verfasst hatte (KG act. 10 S. 9 - 11). Die Vorinstanz weist in ihrer Vernehmlassung darauf hin, dass sich schon die ehemalige Verteidigerin anlässlich der geschworenengerichtlichen Hauptverhandlung intensiv mit den beiden umfangreichen psychiatrischen Gutachten auseinandergesetzt und ebenfalls die Unverwertbarkeit des Gutachtens über die Beschwerdeführerin geltend gemacht habe. Das Geschworenengericht habe sich in der Urteilsbegründung ebenfalls intensiv mit den schon damals erhobenen Rügen befasst. In ihrer Nichtigkeitsbeschwerde setze sich die Beschwerdeführerin mit keinem Wort mit dieser Begründung auseinander. Im Wesentlichen verweise die Vorinstanz auf diese Erwägungen (KG act. 25 S. 6 Ziff. II.1).

        1. Im angefochtenen Urteil begründete die Vorinstanz eingehend, weshalb die Einwendungen der Verteidigung gegen das psychiatrische Gutachten - Vorwürfe der Befangenheit und der fehlenden Objektivität (KG act. 11 S. 17), des mangelhaften Gutachtens wegen diverser Mängel (KG act. 11 S. 19), wegen unverwertbaren und unrichtigen Aussagen und Annahmen (Verletzung der Verteidigungsrechte; gleichzeitige Begutachtung der Beschwerdeführerin und von D. durch denselben Gutachter) (KG act. 11 S. 20 f.), der mangelnden Sachkunde des Gutachters (KG act. 11 S. 23) - unbegründet seien und sinngemäss weshalb (trotz dieser Einwendungen) darauf abgestellt werden könne (KG act. 11

          S. 17 - 30). Tatsächlich setzt sich die Beschwerdeführerin in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde in keiner Weise mit diesen vorinstanzlichen Erwägungen auseinander. Die Nichtigkeitsbeschwerde genügt insoweit den Substantiierungsanforderungen an eine solche nicht und kann mangels Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Erwägungen keinen Nichtigkeitsgrund derselben dartun.

        2. Abgesehen davon ist der Befangenheitsvorwurf verwirkt:

          1. Nach § 111 StPO/ZH darf niemand als Sachverständiger zugezogen werden, der als Richter abgelehnt werden könnte. Mit der Verweisung auf die Ablehnungsgründe für Richter nimmt § 111 StPO/ZH der Sache nach auf die Vorschriften des III. Abschnitts des GVG Ausstand der Justizbeamten Bezug. Massgebend ist primär § 96 GVG, in welcher Bestimmung die Ablehnungsgründe zu finden sind (vgl. Kass.-Nr. AC080015 vom 9.7.2009 Erw. III.1d.aa mit Verweisung auf Donatsch/Schmid, a.a.O., N 1 ff. zu § 111).

            Ablehnungsbegehren sind unverzüglich zu stellen, nachdem die Partei vom Mangel in der Besetzung tatsächlich Kenntnis erlangt hat bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte haben müssen. Andernfalls liegt ein diesbezüglicher Verzicht vor bzw. ist es widersprüchlich und verstösst gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, Einwände gegen die Teilnahme von Richtern (und, entsprechend der vorstehenden Erwägung zur Verweisung von § 111 StPO/ZH auf den

            III. Abschnitt des GVG, von Sachverständigen) erst nach dem Ergehen eines ungünstigen Entscheids in einem anschliessenden Rechtsmittelverfahren geltend zu machen, wenn die Rüge zu einem früheren Zeitpunkt möglich und zumutbar gewesen wäre (Kass.-Nr. AC070017 vom 17.7.2008 Erw. II.2.c.bb mit Verweisung auf ZR 103 [2004] Nr. 31 Erw. II.1- 3 mit weiteren Hinweisen und auf ZR 102

            Nr. 32). Der Grundsatz, dass ein Ablehnungsbegehren nach Treu und Glauben unverzüglich nach Kenntnisnahme des Ausstandsgrundes gestellt werden muss, ansonsten das Ablehnungsrecht verwirkt ist, gilt nicht nur im Hinblick auf einen erst mit einem Rechtsmittel geltend gemachten Ablehnungsgrund gegen vorinstanzliche Richter, sondern auch wie der Ausdruck unverzüglich nahelegt innerhalb eines Verfahrens derselben Instanz (Kass.-Nr. AA060192 vom 25.7.2007 Erw. III.2.5. Dies ist zwar ein Entscheid in einem Zivilverfahren. Die auf Treu und Glauben und dem GVG beruhenden Grundsätze gelten indes ebenso in einem Strafverfahren [zur Geltung von Treu und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs auch im Strafverfahren und für alle Verfahrensbeteiligten vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel Genf München 2005, § 57 N 1, 5 und 8 mit Verweisungen; Niklaus Schmid, Straf-

            prozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, Rz 247 - 249]).

          2. Die psychiatrischen Gutachten über die Beschwerdeführerin (GG

          act. 9.5.22) und D. (GG act. 9.5.30) sind der Beschwerdeführerin von der Staatsanwaltschaft mit Begleitschreiben vom 31. März 2009 und mit der Gelegenheit zur Stellung von Ergänzungsfragen zugestellt worden (GG act. 9.5.23, 9.5.24). Zu jenem Zeitpunkt waren mithin die Umstände bekannt, welche später als Gründe für die geltend gemachte Befangenheit des psychiatrischen Gutachters dienen sollten. Nach einem Fristerstreckungsgesuch (GG act. 9.5.25) stellte die damalige Verteidigerin der Beschwerdeführerin einige Ergänzungsfragen, ohne eine Befangenheit geltend zu machen (GG act. 9.5.26). In ihrer Beweismittelliste führte die Staatsanwaltschaft u.a. auch den psychiatrischen Gutachter, der die psychiatrischen Gutachten über die Beschwerdeführerin und D. verfasst hatte, Dr.med. F., auf (GG act. 30 S. 6). Die Vorinstanz stellte diese Beweismittelliste mit der Fristansetzung zur Einreichung einer eigenen Beweismittelliste der Beschwerdeführerin zu (GG act. 32). Auch darauf machte die Beschwerdeführerin nach mehrfachen Fristerstreckungsgesuchen (GG act. 36 und 38) nicht etwa eine Befangenheit des psychiatrischen Gutachters geltend, sondern wies im Gegenteil mit Eingabe vom 23. Oktober 2009 vollumfänglich auf die gleichen Beweismittel hin, welche die Staatsanwaltschaft in deren Beweismittelliste aufgeführt hatte (GG act. 40). Damit rief die Beschwerdeführerin selber implizit Dr. F. als Sachverstän- digen für die vorinstanzliche Hauptverhandlung an. Mit Präsidialverfügung vom

          5. Januar 2010 wurden die von den Parteien angerufenen Beweismittel - unter ihnen eben auch Dr. F. als Sachverständiger zugelassen (GG act. 44). Auch auf die Zustellung dieser Präsidialverfügung (GG act. 45/1) stellte die Beschwerdeführerin kein Ablehnungsbegehren gegen Dr. F. In der Folge wurde Dr. F. als Sachverständiger zur vorinstanzlichen Hauptverhandlung vorgeladen und am

          19. März 2010 als solcher befragt (GG Prot. S. 652 ff.); immer noch ohne einen Einwand der Befangenheit seitens der Beschwerdeführerin (vgl. GG Prot. S. 652). Unter diesen Umständen bedeutet die spätere Behauptung der Befangenheit des psychiatrischen Gutachters aus Gründen, welche bereits seit der Erstellung der schriftlichen psychiatrischen Gutachten am 17. Februar (über D.) und am 4. März 2009 (über die Beschwerdeführerin) vorhanden und mit der Zustellung dieser Gutachten am 31. März 2009 (GG act. 9.5.24) auch bekannt waren, ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) und damit ein Verhalten wider Treu und Glauben, das keinen Schutz finden kann. Das auf die geltend gemachten Umstände gestützte Ablehnungsrecht ist verwirkt.

        3. Soweit die Beschwerdeführerin Mängel des Gutachtens über D. beanstandet (KG act. 10 S. 9 f. Rz 31 - 33), kann darauf schon deshalb nicht eingetreten werden, weil die Beschwerdeführerin nicht darlegt, dass und wo die Vorinstanz zu ihrem Nachteil auf dieses Gutachten über D. abgestellt hat und die Beschwerde insoweit ungenügend substantiiert ist.

      8. Zusammenfassend ist die Rüge der Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht für eine genügende Verteidigung bezüglich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung begründet. Dies ist ein Nichtigkeitsgrund gemäss § 430 Abs. 1 Ziff. 4 StPO/ZH. Das angefochtene Urteil ist aus diesem Grund aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Beurteilung an das Gericht zurückzuweisen (§ 436 Abs. 1 StPO/ZH). Auf die Rüge der Befangenheit des psychiatrischen Gutachters ist demgegenüber nicht einzutreten.

      9. Die Rückweisung hat an dasjenige Gericht zu erfolgen, das gemäss (eidgenössischer) StPO für den aufgehobenen Entscheid zuständig gewesen wäre. Das neue Prozessrecht ist anwendbar (Art. 453 Abs. 2 StPO; vgl. Donatsch/ Hansjakob/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich Basel Genf 2010, N 3 zu Art. 454). Für die Beurteilung einer Straftat sind gemäss StPO die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist

(Art. 31 Abs. 1 StPO). Das ist G. Die Sache ist demnach an das Bezirksgericht G. zurückzuweisen.

IV.

Diesem Verfahrensausgang entsprechend sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens, inkl. diejenigen der amtlichen Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen. Der Beschwerdegegner 2 äusserte sich im Beschwerdeverfahren nicht. Es ist ihm keine Prozessentschädigung zuzusprechen.

V.

Beim vorliegenden Beschluss handelt es sich um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Demnach ist gegen ihn die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 BGG an das Bundesgericht nur unter den in Art. 93 BGG genannten Voraussetzungen zulässig. Ob diese erfüllt sind, entscheidet ggfs. das Bundesgericht.

Das Gericht beschliesst:

  1. In Gutheissung der Beschwerde werden das Urteil und der Beschluss des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 26. März 2010 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an das Bezirksgericht G. zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Kassationsverfahrens, inkl. diejenigen der amtlichen Verteidigung der Beschwerdeführerin, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  3. Prozessentschädigungen werden für das Kassationsverfahren nicht zugesprochen.

  4. Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von

    Art. 90 ff. BGG innert 30 Tagen nach dessen Empfang schriftlich durch eine Art. 42 BGG entsprechende Eingabe Beschwerde gemäss Art. 78 ff. BGG an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, erhoben werden.

    Hinsichtlich des Fristenlaufes gelten die Art. 44 ff. BGG.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an das Geschworenengericht des Kantons Zürich, an das Bezirksgericht G. (mit den Akten) sowie an das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste, je gegen Empfangsschein.

KASSATIONSGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Der juristische Sekretär

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