Zusammenfassung des Urteils AC070007: Kassationsgericht des Kantons Zürich
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat in einem Fall von versuchter Tötung und Verstössen gegen das Waffengesetz entschieden. Der Beschwerdeführer wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die ambulante Behandlung angeordnet und der Schadensersatzanspruch des Geschädigten festgelegt. Der Beschwerdeführer legte Nichtigkeitsbeschwerde ein, die jedoch grösstenteils abgewiesen wurde. Einige Rügen wurden als unberechtigt erklärt, während eine Rüge bezüglich des Vollzugs früherer Strafen teilweise gutgeheissen wurde. Die Kosten des Verfahrens wurden aufgrund der finanziellen Situation des Beschwerdeführers abgeschrieben. Das Urteil des Obergerichts wurde grösstenteils bestätigt, jedoch muss eine Entscheidung bezüglich des Vollzugs von Strafen neu getroffen werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | AC070007 |
Instanz: | Kassationsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 24.12.2007 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | AnklageprinzipMitteilung gerichtlicher Entscheide |
Schlagwörter : | Vorinstanz; Beschwerdegegner; Schuss; Anklage; Sachverhalt; Urteil; Entscheid; Beschwerdeführers; Vollzug; Rüge; Kantons; Erwägung; Geständnis; Obergericht; Beschluss; Aussagen; Busse; Waffe; Beschwerdegegners; Recht; Befehl; Bussenumwandlung; Entscheide; Freiheitsstrafe; Schussabgabe |
Rechtsnorm: | Art. 111 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 39 StGB ;Art. 42 BGG ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Schmid, Praxis StPO, Art. 429 StPO SR, 2012 |
Kassationsgericht des Kantons Zürich
Kass.-Nr. AC070007/U/la
Mitwirkende: die Kassationsrichter Moritz Kuhn, Präsident, Bernhard Gehrig, Andreas Donatsch, die Kassationsrichterin Sylvia Frei und der Kassationsrichter Paul Baumgartner sowie der juristische Sekretär Titus Graf
Zirkulationsbeschluss vom 24. Dezember 2007
in Sachen
X.,
Angeklagter und Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur.
gegen
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,
Anklägerin und Beschwerdegegnerin
vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. J. Jokl, Molkenstrasse 15/17, Postfach, 8026 Zürich
Y.,
Geschädigter und Beschwerdegegner
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur.
betreffend
Das Gericht hat in Erwägung gezogen:
Mit erstinstanzlichem Urteil vom 16. Januar 2007 sprach die II. Strafkammer des Obergerichtes X. (nachfolgend Beschwerdeführer) der versuchten Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 33 Abs. 1 lit. a des Waffengesetzes (WG) schuldig. Er wurde mit zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft, unter Anrechnung von erstandener Untersuchungsund Sicherheitshaft sowie verbüsstem vorzeitigen Strafvollzug. Das Obergericht ordnete eine ambulante Behandlung des Beschwerdeführers an, unter Verweigerung des Aufschubes des Vollzuges der Freiheitsstrafe. Zudem befand es über die Schadenersatzund Genugtuungsforderungen des Geschädigten Y. (Beschwerdegegner 2). In einem Beschluss vom gleichen Tag ordnete das Obergericht unter anderem den nachträglichen Vollzug von sechs früher gegen den Beschwerdeführer ausgefällten Freiheitsstrafen an (OG act. 44 bzw. KG act. 2).
Gegen Urteil und Beschluss liess der Beschwerdeführer durch seinen amtlichen Verteidiger rechtzeitig kantonale Nichtigkeitsbeschwerde anmelden (OG act. 45 bzw. KG act. 6) und begründen (KG act. 1). In der Beschwerdebegründung wird die Aufhebung von Urteil und Beschluss sowie Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz beantragt (KG act. 1 S. 5 a.E.). Die Staatsanwaltschaft (Beschwerdegegnerin 1) hat auf Beschwerdeantwort, die Vorinstanz auf Vernehmlassung zur Beschwerde verzichtet (KG act. 10/11). Der Beschwerdegegner 2 liess Abweisung der Beschwerde beantragen, soweit diese ihn betreffe (KG act. 12). Hierzu äusserte sich der Beschwerdeführer nicht.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2007 liess der Beschwerdeführer beim Kassationsgericht beantragen, es sei ihm der vorzeitige Massnahmeantritt zu bewilligen (KG act. 15). Mit Verfügung des Vizepräsidenten vom 20. Juli 2007 wurde diesem Antrag stattgegeben (KG act. 18).
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe zu seinem Nachteil mehrfach gesetzliche Prozessformen verletzt sowie aktenwidrige und willkürliche tatsächliche Annahmen getroffen. Er beruft sich auf die Nichtigkeitsgründe im Sinne von § 430 Abs. 1 Ziff. 4 und Ziff. 5 StPO (KG act. 1 S. 2-5).
Einleitend ist im Hinblick auf die Behandlung der erhobenen Rügen der wesentliche Anklagesachverhalt wiederzugeben. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe am Abend des 27. August 2005 im Sexsalon „Z.“ an der Zweierstrasse 169 in Zürich die Dienste einer Prostituierten in Anspruch genommen. Weil er mit der Dienstleistung nicht zufrieden gewesen sei, habe er erfolglos versucht, den zuvor bezahlten Dirnenlohn zurück zu erhalten. Anschliessend habe er das Haus verlassen, sich in seinem Auto eine Zange geholt, in der Absicht, die Telefonleitungen des Hauses zu beschädigen. Im Erdgeschoss des Treppenhauses des Hauses angelangt, habe er mit dem Aufschrauben der Abdeckung des Telefonkastens begonnen. Als er vernommen habe, dass der Lift abwärts fahre, habe er sich in den ersten Stock begeben und sich versteckt. Im Lift habe sich der Sicherheitsmann Y. (der Beschwerdegegner 2) des Sexsalons befunden, welcher nach Erreichen des Erdgeschosses das Haus kurz verlassen und danach wieder betreten habe. Als der Beschwerdegegner 2 im Treppenhaus Geräusche vernommen habe, habe er sich in den ersten Stock begeben und danach den Beschwerdeführer, der gegen ihn eine Waffe gerichtet habe, entdeckt. Der Beschwerdegegner 2 habe die die Waffe festhaltende Hand des Beschwerdeführers ergriffen und versucht, diesem die Waffe wegzunehmen, worauf sich ein Schuss gelöst habe. Als der Beschwerdegegner 2 realisiert habe, dass er dem Beschwerdeführer die Waffe nicht wegnehmen könne, habe er diesen los gelassen und habe beabsichtigt, sich treppenaufwärts in Sicherheit zu bringen; darauf hin habe der Beschwerdeführer, der gestrauchelt und in den Bereich des Zwischenbodens gefallen sei, aus einer Entfernung von ca. 1,5 bis 2 Meter einen Schuss in Richtung des Beschwerdegegners 2 abgegeben, der diesen von vorne in der Brust getroffen habe. Der Beschwerdeführer habe durch seine aus recht kurzer
Entfernung erfolgte Schussabgabe billigend in Kauf genommen, dass dadurch ein Mensch (bzw. der Beschwerdegegner 2) getötet werden könnte.
Der Beschwerdeführer bringt vor, in Übereinstimmung mit seinen Aussagen sei in der Anklage festgehalten, er habe durch seine Schussabgabe billigend in Kauf genommen, dass der Beschwerdegegner 2 getötet werden könnte. Die Vorinstanz indessen erwäge auf Seite 14 unten des Urteils, er habe in Kauf genommen, dass der Schuss den Tod des Beschwerdegegners 2 bewirken wür- de. Damit habe die Vorinstanz das Anklageprinzip verletzt. Zudem habe sie dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör verweigert, da er zu dem gegenüber der Anklage abgeänderten Sachverhalt nie habe Stellung nehmen können (KG act. 1 Ziff. I/1, S. 2/3).
In der Tat hat die Vorinstanz an der genannten Entscheidstelle (im Rahmen der rechtlichen Würdigung) abweichend von der Anklage erwogen, der Beschwerdeführer habe in Kauf genommen, dass der (zweite) Schuss den Tod des Beschwerdegegners 2 bewirken würde. Wie sich indessen aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, liegt kein Nichtigkeitsgrund vor.
Die Vorinstanz hielt nach Darstellung der verschiedenen Aussagen des Beschwerdeführers fest, er habe in der obergerichtlichen Verhandlung bestätigt, dass er den eingeklagten Sachverhalt als richtig anerkenne, insbesondere auch hinsichtlich des ihm darin vorgeworfenen Sachverhaltes, wonach er billigend in Kauf genommen habe, dass durch den Schuss der Beschwerdegegner 2 hätte getötet werden können (KG act. 2 Ziff. II/2 a.E., S. 9). Anschliessend prüfte die Vorinstanz, ob sich dieses Geständnis mit dem übrigen Untersuchungsergebnis decke. Nach Würdigung der Beweismittel hielt die Vorinstanz abschliessend fest, das Geständnis des Beschwerdeführers decke sich somit mit dem übrigen Untersuchungsergebnis; der eingeklagte Sachverhalt sei daher erstellt (KG act. 2 Ziff. II/3-4, S. 9-11). In der Folge legte die Vorinstanz dar, von welchem Sachverhalt auszugehen sei; am Ende dieser Erwägungen hielt sie fest, der Beschwerdeführer habe billigend in Kauf genommen, dass durch den Schuss der Beschwerdegegner 2 hätte getötet werden können (KG act. 2 Ziff. II/4 lit. a, S. 11/12). In der angefochtenen Erwägung nahm die Vorinstanz wiederum Bezug auf die Anklage
und erwog, es sei in subjektiver Hinsicht davon auszugehen, was dem Beschwerdeführer in der Anklage zu Recht vorgeworfen werde. Zudem führte sie unmittelbar nach dieser Erwägung - unter anderem unter Hinweis auf HD act. 26 sowie OG Prot. S. 22 aus, „dies“ sei sowohl vom Beschwerdeführer wie auch vom Verteidiger anerkannt worden. In HD act. 26 hat der Beschwerdeführer schriftlich erklärt, dass er den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt anerkennt. In OG Prot. S. 22 wurde der Beschwerdeführer anlässlich der obergerichtlichen Verhandlung (erneut) gefragt, ob er den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt und den Ablauf der Tat anerkenne, was der Beschwerdeführer bejahte. Im Rahmen der Verschuldensbewertung schliesslich erwog die Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe bezüglich der möglichen Tötung des Beschwerdegegners 2 nur mit Eventualvorsatz gehandelt, was zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sei (KG act. 2 Ziff. IV/5 lit. a a.E., S. 22); auch damit bringt sie zum Ausdruck, der Beschwerdeführer habe in Kauf genommen, dass der Beschwerdegegner 2 durch den Schuss hätte getötet werden können.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Vorinstanz auch bezüglich des subjektiven Tatbestandes von dem in der Anklage umschriebenen Sachverhalt ausging. Bei der Formulierung in der beanstandeten Erwägung handelt es sich offensichtlich um einen blossen Verschrieb. Zudem ist nicht ersichtlich (und wird in der Beschwerde auch nicht nachgewiesen), dass sich dieser Verschrieb zum Nachteil des Beschwerdeführers sei es bei der rechtlichen Würdigung der Strafzumessung - nachteilig ausgewirkt hätte. Ein Nichtigkeitsgrund liegt aus diesen Gründen nicht vor.
Die Vorinstanz erwog im Rahmen der Verschuldensbewertung unter anderem, die Schussabgabe sei in einem Augenblick erfolgt, in dem sich der Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner 2 nicht mehr unmittelbar in der tätlichen Auseinandersetzung befunden hätten, sondern bereits rund zwei Meter auseinander gewesen seien, der Beschwerdegegner 2 auf dem Weg nach oben, d.h. weg vom Beschwerdeführer (KG act. 2 Ziff. IV/5 lit. a S. 21 unten). Der Beschwerdeführer rügt, die Annahme der Vorinstanz, er habe auf den nach oben flüchtenden Beschwerdegegner 2 geschossen, sei aktenwidrig (bzw. willkürlich)
und habe sich in mehrfacher Hinsicht zu seinem Nachteil ausgewirkt (KG act. 1 Ziff. II/1, S. 3/4).
Wie erwähnt, hat die Vorinstanz in Ziff. II/4 lit. a (S. 11/12) dargelegt, von welchem Sachverhalt sie ausging. Dabei führte sie im hier interessierenden Kontext wortwörtlich den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt auf. Mit anderen Worten ging sie davon aus, dass der Beschwerdegegner 2, als er realisiert habe, dass er dem Beschwerdeführer die Waffe nicht wegnehmen könne, diesen los gelassen und beabsichtigt habe, sich treppenaufwärts in Sicherheit zu bringen. In der angefochtenen Erwägung erwog sie wie erwähnt - der Beschwerdegegner sei auf dem Weg nach oben gewesen. Diese Formulierung kann missverständlich aufgefasst werden, denn dies könnte auch dermassen interpretiert werden, als die Vorinstanz damit ausdrücken wollte, der Beschwerdegegner 2 habe sich im Zeitpunkt der Schussabgabe bereits treppenaufwärts bewegt. Dass die Vorinstanz solches festhalten wollte, ist indessen nicht anzunehmen. Sie ging wie dargelegt
mit der Anklage davon aus, dass der Beschwerdegegner 2 beabsichtigt habe, sich treppenaufwärts zu bewegen (vgl. auch KG act. 2 S. 15 unten). Sie ging zudem auch davon aus, dass der Schuss den Beschwerdegegner 2 vorne im Brustbereich traf (KG act. 2 S. 12 Mitte, S. 14 Mitte), was impliziert, dass sich der Beschwerdegegner 2 im Zeitpunkt der Schussabgabe noch nicht umgedreht und noch keinen ersten Schritt treppenaufwärts gemacht hatte. Die Formulierung, der Beschwerdegegner 2 sei auf dem Weg nach oben gewesen, ist daher derart aufzufassen, dass die Vorinstanz damit ausdrücken wollte, er habe genau im Zeitpunkt der Schussgabe („in einem Augenblick“; KG act. 2 S. 21 unten) seinen Entschluss, treppenaufwärts zu flüchten, umsetzen wollen, aber damit noch nicht begonnen. Damit kann entgegen der Beschwerde (KG act. 1 S. 4 oben) nicht davon ausgegangen werden, die Vorinstanz habe angenommen, der Beschwerdeführer habe auf den flüchtenden bzw. sich bereits treppenaufwärts bewegenden Beschwerdegegner 2 geschossen.
Abgesehen davon war für die Vorinstanz offenbar entscheidend, dass die beiden Kontrahenten sich ca. zwei Meter auseinander und nicht mehr unmittelbar in der tätlichen Auseinandersetzung befanden. So erwog sie nach der beanstandeten Erwägung unter anderem, der Beschwerdegegner 2 sei dem Beschwerdeführer nicht mehr im Wege gewesen, diesem sei es ohne Weiteres möglich gewesen, über den letzten Treppenabschnitt nach unten zu flüchten, und dieser habe vom unbewaffneten Beschwerdegegner 2 keine gefährlichen Aktionen zu erwarten gehabt. Aus diesen Argumenten, mit denen sich die Beschwerde nicht auseinandersetzt, folgerte die Vorinstanz, dass für den Beschwerdeführer kein nachvollziehbarer Anlass bestanden habe, auf den Beschwerdegegner 2 zu schiessen (KG act. 2 S. 22 bis Mitte).
Aus diesen Gründen erweist sich die genannte Rüge als unberechtigt.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, die Vorinstanz habe sein Geständnis zwar strafmindernd berücksichtigt, indessen den Gehalt des Geständnisses zu Unrecht relativiert, indem sie festgehalten habe, das Geständnis sei erst aufgrund des Beweisergebnisses erfolgt bzw. jeweils entsprechend angepasst worden. Dies sei unzutreffend, habe er doch bereits in der ersten polizeilichen Einvernahme ein weitgehendes Geständnis abgelegt (KG act. 1 Ziff. II/2, S. 4).
Die Vorinstanz hat unter Ziff. II/1 (S. 6-8) die Aussagen des Beschwerdeführers zitiert, wobei sie ganz zu Anfang festhielt, er sei von Beginn der Untersuchung an geständig gewesen, in Richtung des Beschwerdegegners 2 geschossen zu haben. Damit hat sie berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer in der ersten polizeilichen Einvernahme ein weitgehendes Geständnis abgelegt hat. Die Vorinstanz folgerte aus den verschiedenen Aussagen des Beschwerdeführers jedoch, dieser habe im Rahmen der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen seine Darstellung der Vorgeschichte und des Tatablaufes immer mehr der übrigen Beweislage, insbesondere den Erkenntnissen aus der Auswertung der Bilder der Überwachungskamera und den Aussagen des Beschwerdegegners 2, angepasst und erst am Ende der Untersuchung den ihm vorgehaltenen äusseren Sachverhalt eingestanden (KG act. 2 Ziff. II/2, S. 9). Diese Schlussfolgerung nahm die Vorinstanz bei der Strafzumessung wieder auf und hielt fest, das Geständnis des Beschwerdeführers sei strafmindernd zu werten, doch sei zu bemerken, dass er seine Aussagen bezüglich der Vorgeschichte und des Tatherganges erst aufgrund der ihm gegenüber jeweils vorgehaltenen Beweisergebnisse ange-
passt habe (KG act. 2 Ziff. IV/6 lit. e, S. 25 unten). Mit dieser vorinstanzlichen Schlussfolgerung, welche auf der Würdigung der auf drei Seiten zitierten Aussagen des Beschwerdeführers basiert, setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Damit ist kein Nichtigkeitsgrund nachgewiesen.
Hinsichtlich der letzten beiden Rügen ist einleitend Folgendes zu erwäh- nen. Wie eingangs ausgeführt, beschloss die Vorinstanz unter anderem den nachträglichen Vollzug von sechs früher gegen den Beschwerdeführer ausgefällten Freiheitsstrafen. Sie ordnete an, dass während des Vollzuges dieser Strafen die mit Urteil der I. Strafkammer des Obergerichtes vom 20. Oktober 2003 ausgesprochene ambulante Massnahme weitergeführt wird.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe auf Seite 30 ihres Entscheides in aktenwidriger und willkürlicher Weise festgehalten, die von ihm bisher besuchten Termine im Rahmen der ambulanten Massnahme stellten keine einem Freiheitsentzug ähnliche Situation dar und seien daher bezüglich des Vollzuges der früher ausgefällten Strafen nicht zu berücksichtigen. Zur Begründung der Rüge bringt er vor, gemäss Art. 39 Abs. 2 StGB würden vier Stunden gemeinnütziger Arbeit einem Tagesansatz Geldstrafe Freiheitsstrafe entsprechen. Die Eingriffsintensität bei einer Gesprächstherapie sei deutlich höher zu gewichten als diejenige eines Einsatzes bei gemeinnütziger Arbeit. Deshalb hätte die Vorinstanz die verbüsste ambulante Massnahme anrechnen müssen (KG act. 1 Ziff. II/3, S. 4/5).
Im Ergebnis macht der Beschwerdeführer mit dieser Rüge keine aktenwidrige willkürliche Sachverhaltsannahme, sondern die Verletzung von materiellem Bundesrecht geltend. Es beurteilt sich nach eidgenössischem Strafrecht, ob die (von der Vorinstanz berücksichtigten) Therapiesitzungen des Beschwerdeführers bezüglich des Vollzuges der früher ausgefällten Strafen zu berücksichtigen waren. Deshalb ist auf die Rüge gemäss § 430b Abs. 1 StPO nicht einzutreten.
Überdies beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Vorinstanz den Vollzug von 40 Tagen Haft gemäss Strafbefehl betreffend Bussenumwandlung des Bezirksamtes Lenzburg vom 14. November 2005 angeordnet habe. Er bringt
vor, dieser Strafbefehl sei ihm nicht korrekt zugestellt worden, wovon auch die Vorinstanz ausgehe. Die Vorinstanz argumentiere jedoch, er und sein Verteidiger hätten hingegen Kenntnis genommen von der Verfügung des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich vom 24. Februar 2006, in welcher der Bussenumwandlungsentscheid erwähnt worden sei; damit habe er auch Kenntnis von der Bussenumwandlung erhalten und dennoch kein Rechtsmittel ergriffen. Diese Argumentation so die Beschwerde verstosse gegen die Grundsätze der Mitteilung von Entscheiden gemäss den §§ 184 ff. GVG; ein in einem anderen Entscheid enthaltener Hinweis auf ein früher ergangener Bussenumwandlungsentscheid vermöge dessen rechtsgültige Zustellung nicht zu ersetzen (KG act. 1 Ziff. II/2, S. 3).
Entscheide der Justizbehörden können gegenüber den davon betroffenen Personen nur dann rechtsgültige Wirkungen haben, wenn sie den prozessrechtlichen Normen konform zugestellt werden. Die Vorinstanz geht mit dem Beschwerdeführer davon aus, dass ihm der Strafbefehl betreffend Bussenumwandlung des Bezirksamtes Lenzburg vom 14. November 2005 nicht (rechtsgültig) zugestellt wurde (KG act. 2 Ziff. IV/8 lit. i, S. 30/31). Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass der blosse Hinweis auf diesen Strafbefehl in der Verfügung des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich vom 24. Februar 2006 (vgl. Akten JUV act. 20) die rechtsgültige Zustellung des Strafbefehls nicht ersetzen kann. Damit durfte die Vorinstanz den Vollzug der im (dem Beschwerdeführer nicht zugestellten) Strafbefehl angeordneten Umwandlung der Busse in 40 Tage Haft nicht beschliessen.
7. Abschliessend ergibt sich, dass die das Urteil der Vorinstanz betreffenden Rügen unberechtigt sind, weshalb insofern die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen ist, soweit darauf einzutreten ist. Das obergerichtliche Urteil hat daher Bestand. Hingegen erweist sich eine Rüge bezüglich des obergerichtlichen Beschlusses für begründet. Die Disp.-Ziffer 1 des Beschlusses sowie die Disp.-Ziff. 2, in welcher Bezug auf die genannte Bussenumwandlung genommen wird, sind daher in teilweiser Gutheissung der Kassationsbeschwerde aufzuheben, und die Sache ist insofern zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Bezüglich der Kosten des Kassationsverfahrens ist vorab zu erwähnen, dass sich der Beschwerdegegner 2 zur Rüge, welche berechtigt ist, ausdrücklich nicht geäussert und insofern keinen Antrag gestellt hat (KG act. 12 S. 4 oben und S. 6/7). Er ist daher nicht kostenpflichtig. Die Kosten wären vorliegend grundsätzlich in Anwendung von 396a StPO mehrheitlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, da die Rügen betreffend das Urteil unberechtigt sind und er nur in einem Punkt bezüglich des Beschlusses obsiegt. Mit der Vorinstanz ist indessen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nur über sehr bescheidene finanziellen Verhältnisse verfügt und überdies lange Zeit inhaftiert bleiben wird (KG act. 2 Ziff. I,
S. 36). Damit sind (auch) die Kosten des Kassationsverfahrens, einschliesslich diejenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Geschädigtenvertretung, in Anwendung von § 190a StPO sofort definitiv abzuschreiben.
Über die Höhe der Entschädigungen der beiden Rechtsvertreter wird mittels Präsidialverfügung nach Massgabe der Anwaltsgebührenverordnung und unter Berücksichtigung der einzureichenden Honorarnoten mit Präsidialverfügung zu entscheiden sein.
Wie erwähnt, hat das obergerichtliche Urteil Bestand, weshalb insofern bezüglich des vorliegenden Kassationsentscheides von einem Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG auszugehen ist. Soweit die Beschwerde gutgeheissen wird und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen ist, handelt es sich um einen Zwischenentscheid; solche Entscheide sind beim Bundesgericht nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 f. BGG anfechtbar, wobei vorliegend wohl einzig Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG in Frage käme.
Im Übrigen läuft gestützt auf Art. 100 Abs. 1 und Abs. 6 BGG die Frist zur Anfechtung des obergerichtlichen Entscheides neu.
Das Gericht beschliesst:
In teilweiser Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde werden die Disp.-Ziff.
1 und 2 des obergerichtlichen Beschlusses vom 16. Januar 2007 aufgehoben und die Sache wird insofern zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die Gerichtsgebühr für das Kassationsverfahren wird festgesetzt auf:
Fr. 2’00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 338.-- Schreibgebühren,
Fr. 342.-- Zustellgebühren und Porti.
Die Kosten des Kassationsverfahrens, einschliesslich diejenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Geschädigtenvertretung, werden sofort definitiv abgeschrieben.
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 90 ff. BGG innert 30 Tagen nach dessen Empfang schriftlich durch eine Art. 42 BGG entsprechende Eingabe Beschwerde gemäss Art. 78 ff. BGG an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, erhoben werden.
Sodann läuft die Frist zur Anfechtung des Entscheides des Obergerichtes vom 16. Januar 2007 mit Beschwerde an das Schweizerische Bundesgericht neu ab Empfang des vorliegenden Kassationsentscheides.
Hinsichtlich des Fristenlaufes gelten die Art. 44 ff. BGG.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, die II. Strafkammer des Obergerichtes, das Migrationsamt des Kantons Zürich, das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste, Sonderdienst) und die Opferhilfestelle des Kantons Zürich, je gegen Empfangsschein.
Der juristische Sekretär:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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