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Urteil Kassationsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:AA060069
Instanz:Kassationsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Kassationsgericht des Kantons Zürich Entscheid AA060069 vom 31.03.2007 (ZH)
Datum:31.03.2007
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Überprüfung prozessleitender Entscheide im Berufungsverfahren
Schlagwörter : Vorinstanz; Entscheid; Beschwerde; Zuständigkeit; Recht; Sachlich; Verfahren; Instanz; Wortlaut; Sachliche; Mietgericht; Rekurs; Auslegung; Berufung; Klage; Beschluss; Kantons; Recht; Beschwerdeführer; Entscheide; Parteien; Rechtsmittel; Obergericht; Zwingende; Verfahrens; Beklagten; Regel; Prozessvoraussetzung; Gericht
Rechtsnorm: Art. 3 ZGB ; Art. 42 BGG ; Art. 650 OR ;
Referenz BGE:115 II 67; 121 III 225; 121 III 232; 124 III 266;
Kommentar zugewiesen:
Frank, Sträuli, Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 1997
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Kassationsgericht des Kantons Zürich

Kass.-Nr. AA060069/U/la

Mitwirkende: die Kassationsrichter Moritz Kuhn, Präsident, Robert Karrer, Karl Spühler, Paul Baumgartner und die Kassationsrichterin Yvona Griesser sowie die juristische Sekretärin Margrit Scheuber

Zirkulationsbeschluss vom 31. März 2007

in Sachen

B. A.,

geboren , von , whft. ,

Kläger, Erstappellant, Zweitappellat und Beschwerdeführer

vertreten durch Rechtsanwalt E.

gegen

  1. C. A.,

    Dr. phil., geboren , von , whft. , 2. D. A.,

    geboren , von , whft. , Zustelladresse: c/o Dr. iur. F.,

    Beklagte, Erstappellatinnen, Zweitappellantinnen und Beschwerdegegnerinnen 1 - 2

    1, 2 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. F.

    betreffend Forderung (sachliche Zuständigkeit)

    Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen Beschluss der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. April 2006 (NG050025/U)

    Das Gericht hat in Erwägung gezogen:

    I.
    1. Die Liegenschaft G.strasse xx in H. gehörte ursprünglich I. A., welcher mit J., geborene K., verheiratet war. Im Jahr 1967 verstarb I. A. und hinterliess seine Ehefrau und drei Kinder (die letzteren sind die heutigen Prozessparteien) als Erben der Liegenschaft. Am 5. Februar 1968 schlossen die Erben eine Vereinbarung mit dem Titel Teilung des Nachlasses. Darin hielten sie unter anderem fest, dass die Ehefrau und die drei Kinder ein Anrecht von je einem Viertel an der Liegenschaft an der G.strasse xx in H. hätten, unter Übernahme je eines Viertels der auf der Liegenschaft haftenden Schulden. J. A. sollte das Lebensmittelgeschäft im Parterre auf eigene Rechnung weiterführen und jeder der Erben sollte je nach seinen Bedürfnissen Wohnräumlichkeiten zu Eigengebrauch nutzen können, wofür ein Entgelt zu bezahlen war. Die Beträge flossen in eine Liegenschaftsrechnung ein, gemäss deren detaillierter Regelung jährlich zwischen 2% und 10% des Netto-Ertrages (je nach Raumbedarf) an die Erben zugewiesen und ein Überschuss nach Vierteln zu verteilen sei; bei einem Verlust wäre jeder Erbe vorweg pro benütztes Zimmer mit 2% belastet und der Rest-Fehlbetrag zu je einem Viertel verteilt worden (MG act. 4/12/2). Im Jahr 2001 verstarb J. A. und deren Anteil vererbte sich auf die drei Kinder; dieser Nachlass ist bis heute nicht geteilt. Die Parterrewohnung wurde nach dem Tod ihres Mannes von J. A. bewohnt. Nachdem sie pflegebedürftig geworden und in ein Heim übergesiedelt war, übernahm die Beklagte und Beschwerdegegnerin 1 diese Wohnung, was auch nach dem Tod von J. A. so blieb. Die Parteien sind sich nicht einig darüber, wem die Beklagte 1 wie viel für diese Wohnung bezahlen muss.

    2. Am 4. August 2003 ging beim Mietgericht des Bezirkes H. die Klage des Klägers ein, mit welcher er im Wesentlichen forderte, die Beklagte 1 sei zu verpflichten, dem Nachlass von J. A., eventualiter der Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft G.strasse xx, subeventualiter je anteilig dem Nachlass von J. A. und der Eigentümergemeinschaft für die Dreizimmerwohnung im Parterre an der G.strasse xx einen monatlichen Mietzins von mindestens Fr. 2'500.-- (inkl. Betriebsund Nebenkosten), für einen Bastelraum im Kellergeschoss einen Mietzins von mindestens Fr. 200.-- (inkl. Betriebsund Nebenkosten) und für einen Parkplatz mindestens Fr. 100.-- im Monat zu bezahlen (MG act. 1). Mit Urteil vom 24. November 2005 setzte das Mietgericht H. den für die Parterrewohnung und die Mitbenutzung der ehemaligen Waschküche im Kellergeschoss zu entrichtenden monatlichen Mietzins auf Fr. 1'270.-- inkl. Nebenkosten fest und wies die Klage im Übrigen ab (MG act. 88 = OG act. 100).

    3. Gegen das Urteil des Mietgerichtes Zürich erhoben alle Parteien Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich und verlangten die Aufhebung des Urteils, der Kläger unter erneuter Stellung seiner bereits erstinstanzlich erhobenen Begehren (OG act. 109), die Beklagten unter Beantragung, dass die Klage abzuweisen sei, sofern darauf einzutreten sei (OG act. 111). Insbesondere bestritten die Beklagten die sachliche Zuständigkeit des Mietgerichtes. Mit Beschluss vom

20. April 2006 trat die II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich auf die Klage nicht ein, auferlegte die Kosten beider Instanzen dem Kläger und verpflichtete diesen, den Beklagten eine Prozessentschädigung von insgesamt Fr. 25'000.-- zuzüglich 7,6% Mehrwertsteuer zu bezahlen (OG act. 125 = KG act. 2).

4. Gegen diesen Beschluss der II. Zivilkammer des Obergerichts vom

20. April 2006 erhob der Kläger und Beschwerdeführer (nachfolgend: Beschwerdeführer) kantonale Nichtigkeitsbeschwerde und beantragte damit die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Rückweisung an die Vorinstanz (KG act. 1). Die ebenfalls beantragte aufschiebende Wirkung wurde der Beschwerde mit Präsidialverfügung vom 29. Mai 2006 verliehen (KG act. 5). Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet (KG act. 9). Die Beklagten und Beschwerdegegnerinnen (künftig: Beschwerdegegnerinnen) beantragten die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei (KG act. 10). Zur Beschwerdeantwort nahm der Kläger mit Eingabe vom 9. August 2006 Stellung (KG act. 13); hierzu äusserten sich die Beschwerdegegnerinnen wiederum mit Eingabe vom 21. August 2006 (KG act. 17).

II.
    1. Das Obergericht des Kantons Zürich führt in seinem Entscheid aus, die Beklagten würden die sachliche Zuständigkeit des Mietgerichtes bestreiten. Letzteres habe die Einrede mit Beschluss vom 22. Januar 2004 abgewiesen und führe im angefochtenen Urteil vom 24. November 2004 aus, es sei an diesen Beschluss gebunden. Die Vorinstanz erwog weiter, nach der Rechtsprechung des Oberund des Kassationsgerichts treffe dies jedoch nicht zu, da zwar gemäss § 18 Abs. 5 GVG die Parteien vereinbaren könnten, einen in die sachliche Zuständigkeit des Mietgerichts fallenden Streit vor eine andere Instanz zu bringen, die umgekehrte Gerichtswahl bzw. Einlassung sei jedoch nicht möglich: liege kein Streit vor, der in die sachliche Zuständigkeit des Mietgerichts falle, könne dieses auf keinen Fall zuständig werden. Demnach sei auch der entsprechende Zwischenentscheid nicht verbindlich geworden und das Mietgericht hätte darauf zurück kommen kön- nen (KG act. 2, S. 7 f.). Eine andere Frage sei es jedoch - so die Vorinstanz weiter -, ob das Obergericht die Zuständigkeitsfrage in der Berufung aufwerfen kön- ne und müsse. Gemäss § 108 ZPO habe jede Instanz die Prozessvoraussetzungen zu prüfen und im Rahmen der Anträge überprüfe die Berufungsinstanz auch das Verfahren der ersten Instanz (§ 269 Abs. 1 ZPO). Andererseits gelte die Regel, dass prozessleitende Entscheide dann nicht überprüft werden, wenn gegen diese der Rekurs zulässig war (§ 269 Abs. 2 ZPO). Die strikte Anwendung dieser Regel würde jedoch darauf hinauslaufen, dass auch im Fall der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Gerichts der Beklagte, welcher auf einen Rekurs verzichte, so behandelt würde, als hätte er sich auf das Verfahren eingelassen. Dies verletze das Prinzip, dass die zwingenden Prozessvoraussetzungen in jeder Phase des Verfahrens von Amtes wegen geprüft werden müssen und es widerspräche auch der Überlegung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Oberund Kassationsgerichts, wonach über die zwingende sachliche Zuständigkeit auch durch einen unrichtigen formellen Zwischenbeschluss nicht verbindlich entschieden werden könne (KG act. 2, S. 8).

    2. Der Beschwerdeführer macht mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde vorerst geltend, die Vorinstanz verletze einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz, indem

      sie sich über die Bestimmung von § 269 Abs. 2 ZPO hinwegsetze. Der Gesetzgeber habe eine Abwägung zwischen der Beachtung zwingender Zuständigkeitsordnung auf der einen Seite und der Fixierung der erstinstanzlich festgelegten Zuständigkeit vorgenommen und zugunsten letzterer festgelegt, dass bei Rekursverzicht gegen den erstinstanzlichen Zuständigkeitsbeschluss nicht mehr darauf zurück gekommen werden könne. Der Beschwerdeführer führt weiter aus, § 108 ZPO regle in allgemeiner Weise die Voraussetzungen bei Einleitung einer Klage vor erster Instanz, unter anderem solle die Zuständigkeit unverzüglich geprüft werden. Wenn die erste Instanz dies tue, unterliege deren Entscheid dem Rekurs, weshalb entsprechende Entscheide gemäss § 269 Abs. 2 ZPO hernach der Überprüfung durch die Berufungsinstanz entzogen seien. Für die von der Vorinstanz vorgenommene Auslegung von § 269 Abs. 2 ZPO contra legem gebe es keinen Anlass und insbesondere keine ausreichenden Gründe (KG act. 1, S. 4 f.).

    3. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist die rechtsanwendende Behörde in der Regel an den klaren Wortlaut einer Bestimmung gebunden, doch sind Abweichungen von einem klaren Wortlaut zulässig oder sogar geboten, wenn triftige Gründe zur Annahme bestehen, dass dieser nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben. Vom Wortlaut kann ferner abgewichen werden, wenn die wörtliche Auslegung zu einem Ergebnis führt, das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann. Im Übrigen sind bei der Auslegung alle herkömmlichen Auslegungselemente zu berücksichtigen (systematische, teleologische und historische, auch rechtsvergleichende), wobei das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus befolgt und es ablehnt, die einzelnen Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 124 III 266 E. 4).

    4. a) Gemäss § 269 ZPO überprüft die Berufungsinstanz das Verfahren und Entscheide der unteren Instanz im Rahmen der Berufungsanträge. Prozessleitende Entscheide werden dann nicht überprüft, wenn gegen diese der Rekurs zulässig war (§ 269 Abs. 2 ZPO). In casu hatte das Mietgericht H. - vor der Fäl- lung seines Urteils vom 24. November 2004 - mit Beschluss vom 22. Januar 2004 entschieden, die Einrede der Beklagten der sachlichen Unzuständigkeit werde

      abgewiesen und auf die Klage werde eingetreten (MG act. 51). Als Rechtsmittel wurde den Parteien der Rekurs eröffnet (MG act. 51, Disp.-Ziff. 8, S. 18). Ein solcher wurde von keiner der Parteien erhoben. Mit ihrem Entscheid hat die Vorinstanz entgegen dem klaren Wortlaut von § 269 Abs. 2 ZPO den prozessleitenden Entscheid der ersten Instanz über deren (sachliche) Zuständigkeit erneut überprüft und die sachliche Zuständigkeit des Mietgerichts entgegen dessen Ansicht verneint. Diese Auslegung von § 269 Abs. 2 ZPO entgegen dem Wortlaut begründete die Vorinstanz einerseits damit, dass die Prüfung der Prozessvoraussetzungen jeder Instanz obliege (§ 108 ZPO) und im Rahmen der Anträge in der Sache die Berufungsinstanz auch das Verfahren der ersten Instanz überprüfe. Wäh- rend es sich im Bereich der örtlichen Zuständigkeit aufdränge, den Verzicht des Beklagten auf Anfechtung durch Rekurs so zu behandeln, wie wenn er sich (zulässigerweise) eingelassen hätte, so laufe die strikte Anwendung von § 269 Abs. 2 ZPO darauf hinaus, dass man sich auch auf das Verfahren vor einer sachlich unzuständigen Instanz einlassen könne, was jedoch grundsätzlich nicht zulässig sei. Andererseits widerspräche diese Anwendung von § 269 Abs. 2 ZPO auch den Überlegungen zur Frage der Bindung der ersten Instanz an deren Zuständigkeits-Entscheid: dass über die zwingende sachliche Zuständigkeit auch durch einen unrichtigen formellen Zwischen-Beschluss nicht verbindlich entschieden werden könne (KG act. 2, S. 8). Die Vorinstanz ging somit davon aus, die strikte Anwendung von § 269 Abs. 2 ZPO nach deren Wortlaut führe zu einem unhaltbaren Ergebnis. Es stellt sich daher die Frage, ob die Vorinstanz nicht anstelle einer Auslegung des Gesetzes eine Lückenfüllung vorgenommen hat. Eine echte Lücke liegt dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz weder nach dem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann; solche echte Lücken darf der Richter in Anwendung von Art. 1 Abs. 2 und Art. 3 ZGB füllen. Unechte oder rechtspolitische Lücken liegen dann vor, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende zu entnehmen ist, namentlich, wenn die vom klaren Wortlaut geforderte Subsumtion eines Sachverhaltes in der Rechtsanwendung hinsichtlich des Resultates teleologisch als unhaltbar erscheint. Solche unechte Lücken zu füllen ist dem Richter aber grundsätzlich verwehrt. Er hat die Korrektur dem Gesetzgeber zu überlassen und

      darf nicht selber korrigierend eingreifen, es sei denn, die Berufung auf den massgeblichen Wortlaut der Norm stelle einen Rechtsmissbrauch dar. Die Grenze zwischen zulässiger richterlicher Rechtsfindung [...] und grundsätzlich unzulässiger richterlicher Gesetzeskorrektur ist allerdings oft nicht leicht zu ziehen. Das Bestehen einer Gesetzeslücke darf auf jeden Fall nicht leichthin angenommen werden (Matthias Kuster, Die Auslegung contra verba legis am Beispiel von Art. 650 Abs. 3 OR, in: AJP 1998, S. 430 mit vielen weiteren Hinweisen, z.B. auf BGE 121 III 225/6). Im letztgenannten Bundesgerichtsentscheid wurde sodann auch auf die in neuerer Zeit propagierte Lehre der sogenannten teleologischen Reduktion (als zulässiger Akt der richterlichen Rechtsschöpfung) Bezug genommen, wonach (als Element der Auslegung) contra verba legis ein zu weit gefasster Wortlaut durch zweckgerichtete Interpretation restriktiv gedeutet werden kann. Aber auch diesbezüglich weist Kuster zu Recht darauf hin, dass auch hier Voraussetzung sein muss, dass der Gesetzgeber über das Ziel hinaus geschossen hat und damit für bestimmte Sachverhalte eine (krasse) Unvollkommenheit geschaffen hat, so dass das Beharren auf dem Wortlaut als rechtsmissbräuchlich erschiene oder die Norm zum toten Buchstaben werden liesse (Kuster, a.a.O., S. 431 unter Hinweis auf BGE 121 III 232; vgl. dazu auch H.M. Riemer, Zur sogenannten teleologischen Reduktion, in: recht 1999, S. 176 ff. unter Hinweis auf Ernst A. Kramer, Teleologische Reduktion - Plädoyer für einen Akt methodentheoretischer Rezeption, in: Rechtsanwendung in Theorie und Praxis, Symposium zum 70. Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Beiheft 15 zur ZSR, Basel 1993, 65/66).

      1. Vorliegend hat die Vorinstanz keine umfassende Auslegung der in Frage stehenden Gesetzesnorm (§ 269 Abs. 2 ZPO) vorgenommen, sondern nur mit knapper Begründung festgehalten, das Resultat der strikten Anwendung sei nicht haltbar, weil sie das Prinzip verletze, dass zwingende Prozessvoraussetzungen in jeder Phase des Verfahrens von Amtes wegen geprüft werden müssten.

        Den Materialien ist wenig zur Entstehungsgeschichte von § 269 Abs. 2 ZPO zu entnehmen. In der Weisung vom 19. August 1971 des Regierungsrates an den Kantonsrat zur ZPO/GVG-Revision ist ein kurzer Absatz zu (damals noch) § 270 Abs. 2 enthalten: Abs. 2 (neu) beseitigt eine prozesshemmende, doppelte Anfechtungsmöglichkeit desselben Entscheides. Die Änderung wird möglich, weil

        nach § 272 nur noch ganz bestimmte, wenige prozessleitende Entscheide rekursfähig sind und der universale Rekursgrund der <> getilgt wird. Solange letzterer besteht, würde eine Vorschrift wie der vorliegende Abs. 2 die Berufung fast unwirksam machen (Amtsblatt des Kantons Zürich 1971, S. 1948). Anlässlich der 16. Kommissionssitzung des Kantonsrates vom 15. September 1972 zur Vorlage 1773 (Gesetz über die Revision des Verfahrens in Zivilsachen) äusserte sich Dr. Messmer sodann lediglich dahingehend, dass Absatz 2 von § 270 die bisherige Praxis übernehme, wonach Zwischenentscheide, namentlich wegen Zuständigkeit, nicht mehr mit der Berufung gegen das Endurteil überprüft werden können, wenn der Rekurs zulässig war, sei es dass der Rekurs unterlassen oder erfolglos erhoben worden sei. Aus diesen Ausführungen geht immerhin klar die ratio legis der Bestimmung hervor: durch die Eliminierung einer doppelten Anfechtungsmöglichkeit (von mit Rekurs anfechtbaren Zwischenentscheiden, die auf einige wenige Möglichkeiten [§ 271 Ziff. 5 ZPO, heute § 271 Ziff. 4 ZPO: verworfene Unzuständigkeitseinrede; Verweigerung der unentgeltlichen Prozessführung; Einstellung des Verfahrens; Anordnung nach § 199 Abs. 2; Anordnungen betreffend Prozessoder Arrestkautionen bzw. vorsorgliche Massnahmen] eingeschränkt worden waren), sollte das Verfahren bescheunigt werden (...beseitigt eine prozesshemmende ... Anfechtungsmöglichkeit). Bereits zum damaligen Zeitpunkt waren die Mietgerichte (neben Bezirksgerichten, Arbeitsgerichten und Einzelrichter) explizit als Vorinstanz für Rekurse gegen prozessleitende Entscheide aufgeführt. Bereits damals musste somit klar sein, dass durch die Bestimmung in § 269 Abs. 2 ZPO prozessleitende Entscheide des Mietgerichtes über die Verwerfung einer Unzuständigkeitseinrede (in örtlicher oder in sachlicher Hinsicht) nicht mehr mit Berufung angefochten werden könnten.

        Die Bestimmung von § 108 ZPO, wonach nach Eingang der Klage die Prozessvoraussetzungen (Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, Berechtigung der Parteien und ihrer Vertreter zur Prozessführung, gehörige Einleitung des Prozesses, Zulässigkeit der gewählten Prozessart) von Amtes wegen geprüft werden, gilt auch für die Rechtsmittelinstanz in Bezug auf die Rechtsmittelvoraussetzungen (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung,

        3. Aufl., Zürich 1997, N 15 zu § 108 ZPO). Zudem hat die Rechtsmittelinstanz, an

        welche ein Prozess weitergezogen wurde, eine Unterlassung von Amtes wegen gutzumachen, wenn die Vorinstanz den Mangel einer Prozessvoraussetzung übersehen und einen Sachentscheid erlassen hat (Frank/Sträuli/Messmer, a.a.O., N 16 zu § 108 ZPO unter Hinweis auf ZR 55 Nr. 7). Die genannten Kommentatoren weisen jedoch explizit darauf hin, dies gelte nur unter Vorbehalt von §§ 269 Abs. 2 und 279 ZPO (Frank/Sträuli/Messmer, a.a.O., N 16 zu § 108 ZPO, mit Hinweis auf N 4 f. zu § 269 ZPO). Es erscheint klar, dass zur Auslegung von § 269 Abs. 2 ZPO, welche als Ausnahmeregelung der allgemeineren Bestimmung von § 108 ZPO vorgeht, nichts aus § 108 ZPO abgeleitet werden kann.

        Dasselbe gilt sodann auch für die von der Vorinstanz als weiteren Grund für die Abweichung von § 269 Abs. 2 ZPO angerufene Rechtsprechung, wonach bei einem zwingenden Gerichtsstand das (erstinstanzliche) Gericht auf seinen unrichtigen Vorbzw. Zwischenentscheid betreffend Zuständigkeit im Endentscheid zurück kommen kann. Diesem von der Rechtsprechung für das erstinstanzliche Verfahren entwickelten Vorgehen (vgl. ZR 83 Nr. 114, Präzisierung durch ZR 85 Nr. 121, Bestätigung durch ZR 97 Nr. 85) steht eben gerade keine klare, explizite gesetzliche Regelung wie § 269 Abs. 2 ZPO für das Rechtsmittelverfahren entgegen.

      2. Dem von der Vorinstanz angerufenen Prinzip, wonach zwingende Prozessvoraussetzungen in jeder Phase des Verfahrens von Amtes wegen geprüft werden müssten, steht somit die Bestimmung von § 269 Abs. 2 ZPO entgegen. Deren Zweck (Beschleunigung der Prozesse durch Wegfall einer doppelten Anfechtungsmöglichkeit) jedoch wird durch die strikte Anwendung keineswegs vereitelt, sondern gerade erfüllt. Es liegt somit weder eine echte (keine Regelung) noch eine unechte Lücke (eine unbefriedigende Regelung, da die vom klaren Wortlaut geforderte Subsumtion eines Sachverhaltes in der Rechtsanwendung hinsichtlich des Resultates teleologisch als unhaltbar erscheint) vor, noch ist ein Anwendungsfall der teleologischen Reduktion gegeben, wonach der Gesetzgeber über das Ziel hinaus geschossen hat und damit für bestimmte Sachverhalte eine (krasse) Unvollkommenheit geschaffen hat, so dass das Beharren auf dem Wortlaut als rechtsmissbräuchlich erschiene oder die Norm zum toten Buchstaben werden liesse. Zwar ist eine Unvollkommenheit in dem Sinne nicht von der Hand

      zu weisen, dass die strikte Anwendung von § 269 Abs. 2 ZPO dazu führt, dass auch im Bereich von zwingenden Zuständigkeiten diese - entgegen dem Prinzip von § 108 ZPO - in der zweiten Instanz nicht mehr überprüft werden können (auch nicht von Amtes wegen) und es dabei - ähnlich wie bei einer Einlassung - sein Bewenden haben muss. Die Annahme einer krassen Unvollkommenheit im Sinne einer geradezu rechtsmissbräuchlichen Anwendung der Bestimmung erscheint jedoch verfehlt, nachdem immerhin im erstinstanzlichen Verfahren die Möglichkeit der Anfechtung durch Rekurs besteht und zudem die ratio legis von § 269 Abs. 2 ZPO (Beschleunigung der Prozesse) ebenfalls durchaus legitim erscheint. Somit liegt kein triftiger Grund vor, um die Bestimmung von § 269 Abs. 2 ZPO entgegen ihrem Wortlaut einschränkend auszulegen. Eine allfällige Widersprüchlichkeit zu § 108 ZPO wäre auf dem Weg der Änderung der Gesetzgebung auszuräumen, nachdem der frühere Gesetzgeber diese Widersprüchlichkeit offenbar in Kauf genommen hatte. Die Vorinstanz hat mit der Nichtanwendung von

      § 269 Abs. 2 ZPO und der erneuten Überprüfung der sachlichen Zuständigkeit der ersten Instanz einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz verletzt und damit einen Nichtigkeitsgrund gesetzt.

    5. Damit müssen die vom Beschwerdeführer weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgründe im Zusammenhang mit der erneuten Überprüfung der Zustän- digkeit durch die Vorinstanz (KG act. 1, Ziff. B.7-17, S. 5 - 8) im Beschwerdeverfahren nicht geprüft werden.

2. Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid mit einer Eventualbegründung erwogen, die Klage wäre auch abzuweisen gewesen, wenn auf sie einzutreten gewesen wäre. Bei einem mehrfach begründeten Entscheid muss grundsätzlich bezüglich jeder Alternativbegründung ein Nichtigkeitsgrund gegeben sein, damit der Entscheid überhaupt aufgehoben werden kann, weil sonst mindestens eine der Alternativbegründungen bestehen bleiben und den Entscheid tragen würde (so schon Guldener, Die Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen nach zürcherischem Recht, Zürich 1942, S. 87 und 164 f.; BGE 115 II 67 E. 3, 300 E. 2a, 111 II 397;

Pra 2002 Nr. 113; Kass.Nr. AA030021 vom 17. November 2003 i.S. K., Erw. IV 3c/bb m.w.H.). Hier stellt sich allerdings die Frage, ob der Entscheid der Vorinstanz tatsächlich durch mehrere Begründungen gestützt wird. Disp.-Ziff 1 des

Entscheides der Vorinstanz erschöpft sich nämlich darin, dass auf die Klage (mangels sachlicher Zuständigkeit der Vorinstanz) nicht eingetreten wird. Die Alternativoder Eventualbegründung der Vorinstanz würde jedoch zur Abweisung der Klage (mangels Sachlegitimation des Klägers) führen und kann somit nicht als Begründung von Disp.-Ziff. 1 (auf Nichteintreten) des angefochtenen Beschlusses der Vorinstanz angesehen werden. Der Entscheid der Vorinstanz bezüglich Nichteintreten auf die Klage wird somit durch die Eventualerwägung nicht gestützt und diese ist nicht bereits im vorliegenden Kassationsverfahren zu überprüfen. Vielmehr ist der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz zufolge des festgestellten Nichtigkeitsgrundes aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung (in der Sache und in der richtigen Entscheidform sowie mit der entsprechenden Rechtsmittelbelehrung) zurück zu weisen. Damit wird insbesondere gewährleistet, dass den Parteien keine Rechtsmittel abgeschnitten werden, und dass gegen den neuen vorinstanzlichen Entscheid in der Sache selbst allenfalls auch Rechtsmittel an das Bundesgericht zur Verfügung stehen werden. Auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers bezüglich Entscheidform und Aktivlegitimation (KG act. 1,

S. 9 f.) ist daher nicht weiter einzugehen. Bei ihrem neuen Entscheid in der Sache wird die Vorinstanz auch die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorgebrachten rechtlichen Argumente bezüglich der Aktivlegitimation (KG act. 2, S. 9 f.) berücksichtigen können.

III.

Ausgangsgemäss werden die Beschwerdegegner, welche die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, beantragten (KG act. 10), kostenund entschädigungspflichtig (§§ 64 Abs. 2 und 68 ZPO).

Das Gericht beschliesst:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird der Beschluss der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. April 2006 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Kassationsverfahren wird festgesetzt auf:

  3. Die Kosten des Kassationsverfahrens werden den Beschwerdegegnerinnen, unter solidarischer Haftung jeweils für den ganzen Betrag, auferlegt.

  4. Die Beschwerdegegnerinnen werden unter solidarischer Haftung jeweils für den ganzen Betrag verpflichtet, dem Beschwerdeführer für das Kassationsverfahren eine Prozessentschädigung von insgesamt Fr. 9'500.-- (inkl. MWSt.) zu entrichten.

  5. Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von

    Art. 90 ff. BGG innert 30 Tagen nach dessen Empfang schriftlich durch eine Art. 42 BGG entsprechende Eingabe Beschwerde gemäss Art. 72 ff. BGG an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, erhoben werden. Der Streitwert beträgt Fr. 672'000.--.

    Hinsichtlich des Fristenlaufes gelten die Art. 44 ff. BGG.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, die II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich, sowie das Mietgericht des Bezirkes H., je gegen Empfangsschein.

KASSATIONSGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Die juristische Sekretärin:

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