Zusammenfassung des Urteils ZZ.1995.8: Zivilkammer
Eine Frau namens A.M. hat gegen die Fondation de prévoyance en faveur du personnel de Q.________ SA geklagt, um eine Invalidenrente zu erhalten. Sie war seit dem 1. Juli 1995 zu 50 % invalid und hat eine halbe Rente der IV erhalten. Die Fondation weigerte sich, zusätzliche Rentenleistungen zu zahlen, da dies zu einer Überentschädigung führen würde. Nach einer detaillierten Prüfung der finanziellen Situation der Klägerin und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen wurde entschieden, dass die Fondation der Klägerin bestimmte Beträge als Invalidenrente zahlen muss, aber für die Jahre 2005 bis 2008 aufgrund einer möglichen Überentschädigung keine zusätzlichen Leistungen fällig sind. Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin und ordnete an, dass die Fondation die festgelegten Beträge zahlen muss. Das Gericht entschied auch, dass die Klägerin Anspruch auf eine reduzierte Entschädigung hat und wies die Fondation an, die Kosten zu tragen. Das Urteil kann innerhalb von 30 Tagen angefochten werden.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZZ.1995.8 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 23.02.1995 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Kostenvorschuss, Aberkennungsprozess |
Schlagwörter : | Klage; Prozesshandlung; Prozesshandlungen; Vorladungsbegehren; Richter; Streitwert; Gebühr; Kostenvorschuss; Aberkennung; Aussöhnungsverhandlung; Prozesskosten; Gebühren; Rekurrenten; Vorschusses; Ermessen; Höhe; Einzelfall; Zweck; Endurteil; Umstände; Vorderrichter; Wortlaut; Aberkennungsprozess; Fällen; Ziffer; Regel; Verfahren; ätte |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 104 Ia 112; |
Kommentar: | - |
2. a) Gemäss § 94 Abs. 1 ZPO ist jede Partei verpflichtet, für die gesamten von ihr beantragten Prozesshandlungen die Gerichtskosten vorzuschiessen. Dieser Kostenvorschuss hat den Zweck, dem Staat Sicherheit für die ihm allenfalls erwachsenden Prozesskosten zu gewährleisten (BGE 104 Ia 112). Wie bei der Höhe der Prozesskosten befindet der Richter auch bei der Höhe des Kostenvorschusses im Rahmen des Gesetzes nach Ermessen. Das gilt hier um so mehr, weil der Richter die Kosten zu Beginn des Verfahrens ohnehin nur abschätzen kann. Dem Ermessen sind durch die vorgeschriebenen Höchstansätze Grenzen gesetzt.
b) Bei einem Streitwert von Fr. 8'976'830.15 beträgt die Maximalgebühr für ein Endurteil Fr. 139'768.--, nämlich Fr. 50'000.-plus 1% des Streitwertes (§ 162 Abs. 3 und 4 GT). Dazu kommen gewisse Einzelgebühren und Auslagen. Im vorliegenden Fall setzte der Amtsgerichtspräsident den Kostenvorschuss je auf Fr. 40'000.-fest. Vorliegend ist zu prüfen, ob dieser Betrag sowie der Zeitpunkt, in welchem er verlangt wurde, in Berücksichtigung aller Umstände angemessen und zumutbar sind.
3. Die Rekurrenten machen geltend, der Vorderrichter habe gegen den Wortlaut von § 94 Abs. 1 ZPO verstossen, wonach jede Partei verpflichtet sei, für die gesamten von ihr "beantragten" Prozesshandlungen die Gerichtskosten vorzuschiessen. Im vorliegenden Aberkennungsprozess hätten sie bis heute erst ein schriftliches Vorladungsbegehren betreffend Aberkennung einer Forderung gestellt. Weitere Prozesshandlungen hätten sie bisher nicht beantragt.
a) Die von den Rekurrenten aus § 94 Abs. 1 ZPO gewonnene Interpretation ist nachvollziehbar, wenn man dabei vom reinen Wortlaut dieser Bestimmung ausgeht und diesen Absatz für sich isoliert betrachtet. Eine solche Betrachtungsweise ist jedoch zu eng. Wohl ist eine Bestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. Ist jedoch der Text nicht ganz klar, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden, wobei an sich alle der vielfältigen Auslegungselemente zu berücksichtigen sind, insbesondere aber Sinn und Zweck der Norm im Zusammenhang mit der gesamten Regelung des betreffenden Sachgebietes (SOG 1993 Nr. 29, S. 106, mit Hinweisen).
Absatz 1 von § 94 ZPO hält als erstes einen reinen Grundsatz fest, nämlich die Pflicht zur Leistung eines Vorschusses für denjenigen, der eine richterliche Tätigkeit in Anspruch nimmt. Demgegenüber bestimmen die Absätze 2 und 3 von § 94 ZPO die Folgen der Nichtbezahlung des verlangten Vorschusses. Der Sinn und Zweck des Begriffes die "gesamten beantragten Prozesshandlungen" ergibt sich somit nur in Verbindung mit diesen beiden Absätzen.
Aus den Voten der ersten und zweiten Lesung der kantonsrätlichen Spezialkommission geht eindeutig hervor, dass sich § 94 Abs. 2 ZPO vorwiegend auf Beweismassnahmen bezieht (Protokolle der kantonsrätlichen Spezialkommission, S. 63 ff. und 224 ff.); mit dem Vorbehalt für Untersuchungsverfahren wird dies noch deutlicher (§ 94 Abs. 2 letzter Satz ZPO). Die Folge eines nicht geleisteten Vorschusses ist das Unterbleiben der (beantragten) Prozesshandlung, sofern dies ausdrücklich angedroht worden ist. Demgegenüber wird in Fällen von Abs. 3 eine Streitsache sogar abgeschrieben, sofern diese Folge ausdrücklich angedroht worden ist. Mit dem Begriff "beim Einreichen der Klage" hat sich das Obergericht bereits in RB 1967 Nr. 6 auseinandergesetzt. Aus der damals gewonnenen Einsicht, die Regelung von § 94 Abs. 3 ZPO per analogiam auch auf spätere Kostenvorschüsse Ergänzungsvorschüsse anzuwenden, kann auf die Bedeutung des Begriffes "gesamten von ihr beantragten Prozesshandlungen" geschlossen werden. Darunter ist grundsätzlich alles zu verstehen, was eine Klageanhebung normalerweise mit sich bringt mit sich bringen kann, von der Aussöhnungsverhandlung bis hin zum Endurteil. Der konkrete Prozessablauf hängt dabei von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab.
b) Im vorliegenden Fall reichten die Rekurrenten ein schriftliches Vorladungsbegehren ein, worin die Parteien und der Klagegrund bezeichnet wurden. Gemäss § 56 Abs. 2 ZPO gilt dies als Klageanhebung. Der Vorderrichter verzichtete auf die beantragte Aussöhnungsverhandlung, was implizit aus Ziffer 3 der Verfügung hervorgeht, weil er eine gütliche Beilegung für aussichtslos hielt. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden (vgl. § 135 Abs. 2 ZPO). Gleichzeitig setzte er den Klägern Frist, einen Kostenvorschuss von Fr. 40'000.-zu bezahlen, unter Androhung der Abschreibung der Klage im Unterlassungsfalle (Ziffer 2). Nach Eingang des Vorschusses werde Frist zur Einreichung der schriftliche Klage gesetzt (Ziffer 3).
c) Gemäss ständiger solothurnischer Gerichtspraxis wird nach Eingang eines Vorladungsbegehrens ein eher bescheidener Kostenvorschuss von einigen hundert Franken verlangt. Weitere, in den meisten Fällen höhere Vorschüsse werden erst eingefordert, wenn der Umfang des Prozesses deutlich genug abgeschätzt werden kann. Dieses Vorgehen rührt daher, dass in einem Vorladungsbegehren neben der Bezeichnung der Parteien nur noch das Klagebegehren schriftlich formuliert wenigstens der Klagegrund und die Kompetenz des Gerichtes bezeichnet werden muss (§ 56 Abs. 2 ZPO). In solchen Fällen ist es im allgemeinen gar nicht möglich, den Arbeitsaufwand, den der Prozess mit sich bringt, abzuschätzen. Wird nur die Kompetenz des Gerichtes genannt, ist auch der Streitwert unbekannt. Einen einigermassen zuverlässigen Überblick gewinnt der Instruktionsrichter erst nach Abschluss des Rechtsschriftenwechsels bzw. bei der Beweisverfügung.
Anders sieht die Ausgangslage dagegen bei Aberkennungsprozessen aus. Was normalerweise erst im Stadium des Beweisverfahrens abschätzbar ist, kann hier bereits von Anfang an geschätzt werden. Dabei kommt dem provisorischen Rechtsöffnungsentscheid als unmittelbare Vorstufe zur Aberkennungsklage eine wesentliche Bedeutung zu. Dem Richter sind Prozessthema und Streitwert bereits bekannt. Aufgrund des Rechtsöffnungsentscheides kann er die Prozessaussichten der Klägerschaft abschätzen und beispielsweise auch, ob eine gütliche Beilegung zu erwarten ist. Verzichtet er wie vorliegend auf eine Aussöhnungsverhandlung, ist in der Regel mit einem Endurteil zu rechnen. Dem Richter ist es im Anfangsstadium somit bereits möglich, den Umfang der gesamten zu erwartenden Prozesshandlungen abzuschätzen. Auch wenn die Rekurrenten mit ihrem Vorladungsbegehren explizit nur eine Aussöhnungsverhandlung "beantragt" haben, war ihnen ohne weiteres bewusst, dass der Vorderrichter mittels prozessleitender Verfügungen den Fortgang des Verfahrens jederzeit bestimmen konnte. Aufgrund der gesamten Umstände ist jedenfalls zu vermuten, dass das vorliegende Verfahren auch nach der Durchführung der beantragten Aussöhnungsverhandlung seinen normalen Fortgang genommen hätte. Das Vorladungsbegehren bezweckte bloss die Anhängigmachung der Klage, es zielte aber im Endeffekt auf die Durchführung eines Aberkennungsprozesses ab. Somit beantragten die Kläger mit ihrem Vorladungsbegehren implizit all jene Prozesshandlungen, die normalerweise ein ordentlicher Zivilprozess mit sich bringen kann.
Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 23. Februar 1995
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.