Zusammenfassung des Urteils ZZ.1995.3: Zivilkammer
Der Beschwerdeführer T.________ hat gegen das Urteil des Strafgerichts des Bezirks Lausanne vom 30. September 2009 Berufung eingelegt. Das Gericht hat ihn u.a. des Versuchs der Erpressung und der Nötigung schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Zudem wurde der Bewährungsaufschub von fünf Jahren widerrufen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf 60'722 Franken, wovon T.________ einen Teil und S.________ den Rest tragen muss. Die Beschwerde wurde abgewiesen und die Entscheidung bestätigt. Der Betrag von 2'921 Franken für die Gerichtskosten sowie die Anwaltskosten sind von T.________ zu tragen. Die Entscheidung kann beim Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZZ.1995.3 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 12.04.1995 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Definitive Rechtsöffnung, Unterhaltsbeiträge, Verjährung, Rechtsmissbrauch |
Schlagwörter : | Recht; Gläubigerin; Unterhalts; Schuldner; Anspruch; Berechtigte; Rechtsmissbrauch; Rechtsöffnung; Berechtigten; Indexierung; Verjährung; Rente; Urteil; Ehescheidungsurteil; Forderung; Untätigkeit; Verpflichteten; Leistung; Rechtsmissbrauchs; Ehefrau; Unterhaltsbeiträge; Teilansprüche; Schlag; Verfahren |
Rechtsnorm: | Art. 131 OR ;Art. 151 ZGB ;Art. 2 ZGB ;Art. 81 KG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Bühler, Spühler, Berner Bd. II, 1, 1, Art. 151 ZGB, 1980 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
1. a) Unter "Tilgung" i.S.v. Art. 81 Abs. 1 SchKG ist nicht nur Zahlung, sondern jeder materiellrechtliche Untergang der Verpflichtung zu verstehen. Der Schuldner macht gegen das Rechtsöffnungsbegehren auch im Rekursverfahren offenbaren Rechtsmissbrauch geltend. Er erachtet die bei isolierter Anwendung der Verjährungsregeln bestehende Möglichkeit als stossend, dass die Ehefrau die ihr im Ehescheidungsurteil zugesprochenen Unterhaltsbeiträge während mehr als zehn Jahren nicht einfordert, um sodann die noch nicht verjährten Teilansprüche auf einen Schlag geltend zu machen. Es stelle sich unter solchen Umständen die Frage, ob das Rechtssystem nicht eine Korrektur für derartige Resultate zur Verfügung stelle.
Nach heutiger Praxis kann die Einrede des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich auch im Vollstreckungsverfahren erhoben werden. Vorweg ist aber darauf hinzuweisen, dass die Palette möglicher schuldnerischer Einwendungen im Verfahren der definitiven Rechtsöffnung einerseits sehr beschränkt ist und diese andererseits eines strikten Beweises bedürfen, weil blosses Glaubhaftmachen nicht genügt. Während bei der provisorischen Rechtsöffnung eine Schuldanerkennung ohne autoritative Aussagekraft, aber mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitswert ausreicht, basiert die Forderung hier schon auf einem rechtskräftigen Vollstreckungstitel, der grösste Gewähr für den Bestand des geltend gemachten Anspruchs bietet. Es obliegt somit vorliegend dem Schuldner, die Rechtsmissbräuchlichkeit des gläubigerischen Begehrens darzutun. Wie die Vorinstanz zu Recht vermerkt hat, ist der formlose Erlass einer Forderung zwar grundsätzlich stillschweigend möglich - Untätigkeit der Berechtigten kann stillschweigende rechtsgeschäftliche Willenserklärung sein -, es ist aber dann besondere Vorsicht am Platze, wenn, zumal im auf sofortigen Urkundenbeweis ausgerichteten Verfahren der definitiven Rechtsöffnung, aus konkludenten Handlungen der Gläubigerin auf deren Erlasswillen geschlossen wird.
b) Die Gläubigerin setzt sich durch ihre heutige Rechtsausübung in Widerspruch zu ihrer früheren Untätigkeit. Dies alleine kann aber nicht ausreichen, um offenbaren Rechtsmissbrauch zu begründen. In diesem Zusammenhang sind die Gründe von Belang, weshalb sie es unterlassen hat, ihre Rechtsansprüche geltend zu machen. Obwohl von keiner Partei explizit behauptet, deutet einiges darauf hin, dass die Indexierung von beiden Seiten zumindest von einer Seite einfach vergessen worden war. Der Gläubigerin kann nicht unterstellt werden, sie habe mit der Geltendmachung ihrer Forderungen bewusst bis kurz vor Ablauf der Verjährung zugewartet, um dann mit einem Schlag alle miteinander geltend zu machen. Einerseits ist nicht ersichtlich, welches Interesse sie an einem solchen Vorgehen haben könnte und andererseits spricht dagegen, dass sie ihre Teilansprüche während mehr als acht Jahren verjähren liess und diese heute klageweise nicht mehr geltend gemacht werden können. Der Schuldner ist auch nicht in der Lage, der Gläubigerin für die nun geltend gemachten Betreffnisse ein fehlendes Rechtsverfolgungsinteresse ein krasses Missverhältnis der Interessen nachzuweisen. Zwar kann die verspätete Geltendmachung für den Verpflichteten heute mit Unzukömmlichkeiten verbunden sein, da er bei früherem Vorgehen der Berechtigten möglicherweise andere Dispositionen getroffen hätte. Schlichtem Vergessen der Berechtigten lässt sich aber nicht einfach ein durch Art. 2 ZGB zu stützender objektiver Verstoss gegen erwecktes Vertrauen des Verpflichteten beimessen. Der Anspruch der Gläubigerin war und ist auf ein Tun, auf eine positive Leistung und nicht etwa auf ein Unterlassen gerichtet. Der Schuldner war denn auch über Jahre hinweg seiner Unterhaltspflicht nachgekommen, wenn auch nicht ganz in dem im Ehescheidungsurteil festgelegten Ausmass. Er erfuhr durch das Zuwarten der Gläubigerin keinerlei Erschwerung seiner Rechtsstellung, denn er musste von Anfang an mit der grundsätzlich ein für allemal umschriebenen Leistung und nur mit ihr rechnen. Eine ganz andere Bedeutung kann die Untätigkeit des Berechtigten im Gegensatz dazu bei Unterlassungsansprüchen erhalten. Duldet der Berechtigte das Zuwiderhandeln gegen eine Unterlassungspflicht über längere Zeit, um sich dann in einem späteren Zeitpunkt mehr weniger unvermittelt anzuschicken, den Beseitigungsanspruch durchzusetzen, so bedeutet die Verzögerung regelmässig eine wesentliche Erschwerung der Stellung des Verpflichteten. In solchen Fällen kann von erwecktem Vertrauen und vom Aufbau eines wertvollen Besitzstandes gesprochen werden, bei dem sich die Frage stellt, ob dessen nachträgliche Zerstörung überhaupt noch zumutbar ist (vgl. dazu Merz im Berner Kommentar, Einleitung, Bd. I/1, Bern 1962, N 512 - 529 zu Art. 2 ZGB).
2. Der Schuldner behauptet, der Anspruch der Gläubigerin auf Indexierung der Unterhaltsbeiträge sei aufgrund von Art. 127 und Art. 131 OR zehn Jahre nach Rechtskraft des Ehescheidungsurteils absolut verjährt gewesen. Diese Auffassung ist unrichtig. Der Anspruch auf die für den Verlust des ehelichen Unterhalts zugesprochene Rente nach Art. 151 ZGB beruht auf familienrechtlicher bzw. eherechtlicher Grundlage und ist in Bestand und Höhe von den wechselnden persönlichen Verhältnissen der geschiedenen Ehegatten abhängig und mit jedem Zeitabschnitt neu entstehend, dergestalt also auch einer Bemessung auf veränderter tatsächlicher Grundlage via Abänderungsverfahren zugänglich, aber er unterliegt als Ganzes, als "Stammanspruch", nicht der Verjährung (Bühler/Spühler, Berner Kommentar, Bd. II/1/1, Bern 1980, N 103 zu Art. 151 ZGB). Auf familienrechtliche Unterhaltsansprüche an sich bzw. den Indexierungsanspruch als Stammrecht findet aber Art. 131 OR grundsätzlich keine Anwendung. Sie können durch blossen Zeitablauf überhaupt nicht untergehen (Guhl/Merz/Koller, a.a.O., S. 296; SJZ 51, Nr. 2, S. 10f.). Eine Übertragung der Regel von Art. 131 OR in das Familienrecht würde zu unhaltbaren Konsequenzen führen und wäre auch vom ethischen Standpunkt aus nicht gerechtfertigt. Eine familienrechtliche Alimentenforderung unterscheidet sich eben von einer obligationenrechtlichen Rentenforderung (z.B. aus Delikt) grundlegend. Während die obligationenrechtliche Rentenforderung ihren Entstehungsgrund in einem in der Vergangenheit liegenden Ereignis hat und als feststehende Wirkung eines einmaligen, abgeschlossenen Geschehens zur Entstehung gelangt, ist dies bei Alimentenforderungen regelmässig nicht der Fall. Diese sind nicht als einheitliche Obligationen zu betrachten, sondern vielmehr als Ansprüche, die sich ständig erneuern (SJZ 51, Nr. 2, S. 11). Der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau ist somit nicht zu den gemäss Art. 131 OR verjährbaren Leibrenten ähnlichen periodischen Leistungen zu zählen. Der Anspruch der Gläubigerin auf Indexierung ihrer Rente als solcher ist daher nicht verjährt.
Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 12. April 1995
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