Zusammenfassung des Urteils ZZ.1989.8: Zivilkammer
Die Cour de Cassation pénale hat in einer Sitzung am 9. November 2009 über einen Rechtsbehelf von X.________ gegen das Urteil des Strafgerichts des Bezirks Est vaudois verhandelt. X.________ wurde von den Anklagepunkten des Vertrauensmissbrauchs, Betrugs und Urkundenfälschung freigesprochen, aber wegen unlauterer Geschäftsführung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er wurde auch zu einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Gerichtskosten wurden teilweise ihm und teilweise dem Staat auferlegt. Der Richter war Herr Creux, der Betrag der Gerichtskosten betrug 4'830 CHF. Die verlorene Partei war die Firma Z.________ SA.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZZ.1989.8 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 22.06.1989 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Arbeitsgericht, Zuständigkeit |
Schlagwörter : | Arbeitsgericht; Recht; Arbeitsvertrag; Zuständigkeit; Klage; Anspruch; Arbeitsgerichte; Arbeitsgerichtes; Entscheid; Begründung; Rechtsgr; Amtes; Bundesrecht; Urteil; Obmann; Klägers; Parteien; Rechtsgründe; Grundsatz; Gericht; Prüfung; Guldener; Zivilprozessrecht; Vogel; Beweisverfahren; Sachurteil; Anspruches |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 107 II 122; 91 II 66; 95 II 253; |
Kommentar: | - |
Der Obmann des Arbeitsgerichts hat nach Eingang der Klage zuerst zu prüfen, ob das Arbeitsgericht zuständig ist (§ 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Arbeitsgerichte, AGG; BGS 125.61); er tritt auf die Klage nicht ein, wenn er das angerufene Gericht als unzuständig erachtet (§ 16 Abs. 2 AGG).Der Kläger rügt, dass diese Bestimmung durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sei: Indem der Obmann des Arbeitsgerichtes Frist zur schriftlichen Begründung der Klage gesetzt habe, sei er offenkundig auf die Klage eingetreten und auf diesen Entscheid habe das Arbeitsgericht nicht zurückkommen dürfen.
Das Arbeitsgericht ist sachlich zuständig, wenn der Kläger nach dem Rechtsbegehren in Verbindung mit der Begründung eine Forderung aus Arbeitsvertrag geltend macht. Die Darstellung des Klägers ist nur dann nicht massgebend, wenn bereits eine vorläufige Prüfung ergibt, dass es sich nicht um einen Arbeitsvertrag handeln kann (SOG 1978 Nr. 9 Erw. 2e; Leuch, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3. Aufl. 1956, N 1 zu Art. 142, N 1a zu Art. 1, N vor Art. 2 und N vor Art. 20; Guldener, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. Aufl., 1979, S. 106; Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. Aufl., 1988, 12. Kap., Rz 140). Durch den Zuständigkeitsentscheid wird jedoch die materiellrechtliche Frage, ob wirklich ein Arbeitsvertrag vorliegt, nicht präjudiziert; darüber entscheidet vielmehr das Arbeitsgericht nach durchgeführtem Beweisverfahren (SOG 1978 Nr. 9 Erw. 3).Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht einlässlich geprüft, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag bestand, und diese Frage verneint und damit erkannt, dass der klageweise geltend gemachte Anspruch nicht auf einem Arbeitsvertrag beruhen kann. Es erachtete sich als nicht zuständig, darüber zu entscheiden, ob die Klage aus einem andern Rechtsgrund zu schützen sei, und hat deshalb den Prozess nicht mit einem Sachurteil sondern mit einem Prozessurteil beendet und die Klage von der Hand gewiesen. Dagegen ist nach Guldener (S. 106 Anm. 103) die Klage abzuweisen, wenn die Zuständigkeit von der Natur des gemachten Anspruches abhängt und die materielle Prüfung ergibt, dass der Anspruch unbegründet ist, ohne dass das Gericht entscheiden darf, ob allenfalls ein anderer Anspruch besteht, zu dessen Beurteilung ihm die Zuständigkeit fehlt.
Diese beiden Lösungen (Nichteintreten, da mit dem Entscheid, dass kein Arbeitsvertrag vorliegt, auch die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes entfällt; Abweisung der Klage, soweit sie sich auf Arbeitsvertragsrecht, und Nichteintreten, soweit sie sich auf andere Rechtsgründe stützt) sind jedoch mit dem Grundsatz, dass der Richter das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat (§ 60 Abs. 1 ZPO), nicht vereinbar. Dieser Grundsatz gehört dem Bundesrecht an und besagt, dass sich der Richter von Amtes wegen auch mit einem von den Parteien nicht eingenommenen Rechtsstandpunkt zu befassen hat und an eine unvollständige irrige rechtliche Begründung seitens der Parteien nicht gebunden ist (BGE 107 II 122 mit zahlreichen Hinweisen).Der Grundsatz, dass Bundesrecht von Amtes wegen anzuwenden ist, lässt es nicht zu, eine Zivilrechtsstreitigkeit nach Massgabe der verschiedenen in Betracht fallenden Rechtsbehelfe des Bundesrechts in mehrere Einzelprozesse aufzuspalten; das Bundesrecht fordert vielmehr in diesem Umfang eine Kompetenzattraktion: Eine kantonale Instanz muss sich umfassend mit dem Rechtsstreit befassen und bei seiner Beurteilung von Amtes wegen das gesamte materielle Bundeszivilrecht anwenden. Ein Spezialgericht darf es deshalb nicht ablehnen, die Rechtsbehelfe ebenfalls zu prüfen, die neben den Rechtssätzen, die seine Zuständigkeit begründet haben, in Betracht fallen (BGE 91 II 66, 92 II 312 = Pra 56/1967 Nr. 64; BGE 95 II 253; ZR 87/1988 Nr. 46).So muss das Arbeitsgericht auch die nicht in seine Zuständigkeit fallenden Rechtsgründe prüfen, wenn zur Begründung eines Anspruches mehrere Rechtsgründe in Frage kommen (Vogel, 12. Kap., Rz 141).
Das Arbeitsgericht kann zwar entgegen der Auffassung des Klägers zumindest dann über seine Zuständigkeit entscheiden, wenn über diese Frage noch kein rechtskräftiger Entscheid vorliegt. Es darf sie jedoch -ebenso wie der Obmann im Instruktionsverfahren -- nur verneinen, wenn klar ist, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht auf einem Arbeitsvertrag beruhen kann. Kommt das Arbeitsgericht nach Durchführung des Beweisverfahrens zum Schluss, in Wahrheit liege doch kein Arbeitsvertrag vor, ändert dies an seiner Zuständigkeit nichts. Es muss in diesem Fall vielmehr einen Sachentscheid ausfällen und umfassend prüfen, ob dem Kläger aufgrund des nachgewiesenen Sachverhaltes ein Anspruch aus Bundeszivilrecht zusteht.
Im vorliegenden Fall muss die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes bejaht werden, weil der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach seiner Sachverhaltsdarstellung sehr wohl auf Arbeitsvertrag beruhen kann. Nachdem das Arbeitsgericht zur Auffassung gelangte, es liege ein Werkund nicht ein Arbeitsvertrag vor, hätte es deshalb prüfen sollen, ob die Ansprüche des Klägers aufgrund von Werkvertragsrecht begründet sind, und den Rechtsstreit durch ein Sachurteil erledigen sollen. Da dies nicht geschehen ist, muss die Nichtigkeitsbeschwerde gutgeheissen und das angefochtene Urteil aufgehoben werden.
Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 22. Juni 1989
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