Zusammenfassung des Urteils ZZ.1988.11: Zivilkammer
Das Urteil des Bezirksgerichtes Liestal vom 27.4.1972 besagt, dass die Eintragung einer Parzelle im Grundbuch nicht automatisch auf ihren privaten Charakter hinweist. Die Klassifizierung von Grundstücken als Eigentum des Gemeinwesens erfolgt gemäss den einschlägigen Vorschriften des öffentlichen Rechts. Zivilrichter können auch über Fragen entscheiden, die nicht in ihre sachliche Zuständigkeit fallen, solange keine rechtskräftige Entscheidung einer zuständigen Behörde vorliegt und keine gesetzliche Vorschrift dies verbietet. Die Festlegung und Verwaltung von Strassen, mit Ausnahme der Nationalstrassen, obliegt den Kantonen und Gemeinden. Die Hoheit über Gemeindestrassen liegt bei den Einwohnergemeinden. Verkehrsmassnahmen für Gemeindestrassen werden in der Regel vom Einwohnergemeinderat erlassen. Die teilweise Aufhebung der Jurastrasse stellt keine Verkehrsmassnahme dar, da sie nicht unter das Strassenverkehrsrecht des Bundes fällt. Die Baugesetzgebung verpflichtet Einwohnergemeinden zur Erstellung von Nutzungsplänen, über die der Gemeinderat entscheidet. Das Obergericht Zivilkammer entschied am 7. November 1988, dass das fragliche Grundstück zum Finanzvermögen der Gemeinde gehört.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZZ.1988.11 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 07.11.1988 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Richterliches Verbot, öffentliche Strasse, Finanzvermögen |
Schlagwörter : | Strasse; Strassen; Verkehr; Gemeinde; Recht; Kanton; Einwohnergemeinde; Strassenverkehr; Verkehrsmassnahme; Bundes; Kantone; Nutzungspläne; Urteil; Vorschrift; Allgemeinverfügung; Gemeindestrassen; Aufhebung; Verkehrsmassnahmen; Polizei-Departement; Entscheid; Vorschriften; Behörde; Unterhalt; Gemeinden; Sinne; Verordnung; Verkehrsanordnung; Strassenverkehrsrecht; Bundesrat |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 102 Ib 369; 108 II 460; |
Kommentar: | - |
Seine vorfrageweise Beurteilung hindert die sachlich zuständige Behörde nicht, die gleiche Rechtsfrage später eigenständig zu prüfen und sie abweichend zu entscheiden (BGE 102 Ib 369).
b) Das Gemeinwesen, das eine Strasse errichtet, hat zu bestimmen, welcher Nutzungsart sie zugeführt werden soll. Will es seine Strasse der Allgemeinheit zugänglich machen, bedient es sich dazu der Widmung. Der Gegenakt, durch den die Öffentlichkeit wieder beseitigt wird, heisst Entwidmung. Widmung und Entwidmung sind dingliche Verfügungen, also Verfügungen, die Eigenschaften von Sachen rechtlich qualifizieren gestalten (Schaffhauser, Rz 26; Imboden/Rhinow, Band II, Nr. 116 und Band I, Nr. 35 B. III.d).Sie werden zu den Allgemeinverfügungen gezählt (Jaag, Die Allgemeinverfügung im schweizerischen Recht, in ZBl 85, 1984, S. 435).
Die Festlegung des Strassennetzes, der Bau und Unterhalt der Strassen mit Ausnahme der Nationalstrassen sind Sache der Kantone (Schaffhauser, Rz 24 f.).Die Kantone können ihre Befugnisse an die Gemeinden delegieren. Im Rahmen ihrer Strassenhoheit können Kantone und Gemeinden bestehende Strassen aufheben wie im vorliegenden Fall redimensionieren. Im Kanton Solothurn entscheiden die Einwohnergemeinden über die Neuanlage von Gemeindestrassen (§ 14 Abs. 1 des Gesetzes über Bau und Unterhalt der Strassen vom 2. Dezember 1928; BGS 725.111).Die Hoheit über Gemeindestrassen steht somit der Einwohnergemeinde zu. Zur Aufhebung der Redimensionierung von Gemeindestrassen ist also ebenfalls die Einwohnergemeinde zuständig. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, welches Gemeindeorgan zuständig ist und in welchem Verfahren die Aufhebung zu erfolgen hat.
c) Denkbar wäre, das zum Erlass von Verkehrsmassnahmen im Sinne des SVG vorgesehene Verfahren einzuschlagen: Verkehrsmassnahmen für Gemeindestrassen werden vom Einwohnergemeinderat erlassen, sofern die Gemeinde kein anderes Organ als zuständig erklärt hat. Die von den Gemeinden erlassenen Verkehrsmassnahmen sind im Publikationsorgan der Gemeinde zu veröffentlichen und dem Polizei-Departement zur Genehmigung vorzulegen. Gegen die Massnahmen kann ausserdem innert zehn Tagen seit der Veröffentlichung beim Polizei-Departement Beschwerde geführt werden (§ 10 Abs. 1 und 2 der Verordnung über den Strassenverkehr vom 3. März 1978; BGS 733.11).
Nach der Praxis des Polizei-Departementes werden unter Verkehrsmassnahmen jedoch nur Allgemeinverfügungen verstanden, die sich auf das SVG abstützen und in der Regel die Aufstellung eines Verkehrssignals mit Anordnungscharakter erfordern. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Gemeinde eine Strasse für den Durchgangsverkehr sperren will, nicht aber, wenn eine Strasse ganz teilweise aufgehoben wird.
Wird etwa eine bislang durchgehende Strasse unterbrochen, so dass zwei Sackgassen entstehen, liegt darin keine genehmigungspflichtige Verkehrsmassnahme, weil dem Signal "Sackgasse" (Nr. 4.09 des Anhanges 2 zur SSV) bloss Hinweischarakter eigen ist; es beschränkt den Verkehr nicht. Derartige Verkehrsanordnungen mit Hinweischarakter stellen andere Verkehrsanordnungen im Sinne von § 10 Abs. 2 der Verordnung über den Strassenverkehr dar und sind dem Polizei-Departement bloss mitzuteilen; eine Veröffentlichung und ein Beschwerdeverfahren ist nicht vorgesehen, weil keine auf das SVG abgestützte Allgemeinverfügung erlassen wird. Die im vorliegenden Falle in Frage stehende teilweise Aufhebung der Jurastrasse stellt demzufolge keine Verkehrsmassnahme dar. Mit ihr ist auch keine andere Verkehrsanordnung im Sinne der Verordnung über den Strassenverkehr verbunden. Die Vorschriften des SVG und der kantonalen Ausführungsund Ergänzungserlasse sind demzufolge nicht anwendbar.
Teilweise wird indessen eine andere Auffassung vertreten: Bauliche Änderungen an Strassen und die Umwidmung und Teilentwidmung von Strassen müssten dem Strassenverkehrsrecht des Bundes unterstellt werden, da die Einschränkung der Benützung einer Strasse nur nach Massgabe der Vorschriften des Strassenverkehrsrechtes des Bundes zulässig sei (Jaag, Verkehrsberuhigung im Rechtstaat, in ZBl 87, 1986, S. 295 f.; Entscheid des Bundesrates vom 26. Januar 1977 in VPB 43/I, 1979, S. 94 f. Erw. 4 und 5).In neuerer Zeit hat der Bundesrat seine Ansicht jedoch geändert: Nach der in Art. 37bis BV enthaltenen Kompetenzausscheidung liege die Strassenhoheit, insbesondere der Bau, der Unterhalt und die Finanzierung der Strassen, die Regelung des gesteigerten Gemeingebrauchs an Strassen sowie die Festlegung der Zweckbestimmung der Strassen, bei den Kantonen. Das Strassenverkehrsrecht des Bundes enthalte folgerichtig keine Bestimmungen über den Bau kantonaler Strassen. Der Bund dürfe deshalb die Kantone nicht anweisen, dass wie eine bestimmte Verkehrsfläche zu erstellen, baulich zu gestalten zu verändern sei. Bauliche Massnahmen zur Verkehrsberuhigung unterlägen somit dem kantonalen Recht (Entscheid des Bundesrates vom 18. Januar 1984 in ZBl 85, 1984, S. 276).Auch nach der Auffassung des Zürcher Verwaltungsgerichtes ergibt sich die Pflicht der Behörden, bauliche Verkehrslenkungsmassnahmen vor ihrer Ausführung mit Rechtsmittelbelehrung auszuschreiben, aus dem kantonalen Recht (Urteil vom 2. Oktober 1984 in ZBl 86, 1985, S. 86 ff. Erw. 3 und 4).
d) Die Baugesetzgebung verpflichtet die Einwohnergemeinde, Nutzungspläne zu erlassen (§ 9 des Baugesetzes vom 3. Dezember 1978; BGS 711.1).Über die Nutzungspläne entscheidet -- unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Regierungsrat und der Beschwerde an den Regierungsrat -- der Gemeinderat, sofern die Gemeindeordnung nicht die Gemeindeversammlung zuständig erklärt (§§ 15 ff. BauG). Nutzungspläne enthalten die für jedermann verbindliche Anordnung über die zulässige Nutzung des Bodens (§ 22 BauG).Zu den Nutzungsplänen gehören die Erschliessungspläne (§ 14 Abs. 1 lit. b BauG).In den Erschliessungsplänen sind unter anderem die Baulinien und der Raum und, wenn nötig, die Höhenlagen von Verkehrsanlagen festzulegen (§ 39 Abs. 2 BauG).Da die Nutzungspläne verbindlich sind, darf eine im Erschliessungsplan enthaltene, im öffentlichen Eigentum stehende Strasse grundsätzlich nicht anderweitig genutzt werden. Eine dauernde Zweckentfremdung des Strassenareals setzt voraus, dass vorgängig der Erschliessungsplan geändert wurde.
(Im Rekursverfahren stellte sich heraus, dass die Einwohnergemeinde kürzlich die Ortsplanung revidiert hatte. Im neuen Strassenund Baulinienplan ist das Grundstück, für welches das Verbot ausgesprochen werden soll, nicht mehr als Strassenareal ausgeschieden. Die Aufhebung eines Teils der Jurastrasse blieb im ganzen Planungsverfahren unbestritten und in dieser Hinsicht wurden keine Beschwerden erhoben. In der Folge kam das Obergericht zum Schluss, das fragliche Grundstück gehöre zum Finanzvermögen der Gemeinde und dem Erlass eines Verbotes stehe nichts entgegen.)
Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 7.November 1988
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.