Zusammenfassung des Urteils ZZ.1984.13: Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Ein serbischer Staatsbürger namens M.________ hat eine Invalidenrente beantragt, nachdem er aufgrund einer Ellbogenepicondylitis nicht mehr arbeiten konnte. Nach verschiedenen ärztlichen Gutachten wurde ihm eine halbe Invalidenrente zugesprochen. Nach einer Überprüfung im Jahr 2008 wurde die Rente jedoch aufgehoben, da er angeblich in der Lage war, in einer angepassten Tätigkeit voll zu arbeiten. M.________ hat gegen diese Entscheidung geklagt, und das Gericht entschied, dass die ursprüngliche Entscheidung zur Gewährung der Rente offensichtlich fehlerhaft war und die Rente daher zu Recht aufgehoben wurde. Die Gerichtskosten in Höhe von 250 CHF wurden M.________ auferlegt, der den Prozess verloren hat.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZZ.1984.13 |
Instanz: | Schuldbetreibungs- und Konkurskammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 11.05.1984 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Betreibung eines Unmündigen |
Schlagwörter : | Betreibung; Kindes; Betreibungsamt; Unmündigen; Kindesvermögen; Verfahren; SchKG; Schuldnerin; Minderjährigen; Vertreter; Gläubiger; Sinne; Eltern; Egger; Bundesgericht; Verwaltung; Beirat; Fehler; Verwaltungsbeiratschaft; Verbeirateten; Bucher; Kindesrecht; Entscheid; Rechnung; BlSchKG; Deckung |
Rechtsnorm: | Art. 14 ZGB ;Art. 19 ZGB ;Art. 280 ZGB ;Art. 294a ZGB ;Art. 318 ZGB ;Art. 323 ZGB ;Art. 395 ZGB ;Art. 47 KG ;Art. 86 KG ; |
Referenz BGE: | 106 III 10; 106 III 85; 56 II 243; 58 III 88; |
Kommentar: | - |
3. Auch das Betreibungsamt stellt in seiner Vernehmlassung die Möglichkeit der selbständigen Betreibung eines Minderjährigen nicht mehr in Abrede. Es versucht aber mit neuen Argumenten darzutun, die Betreibung Nr. 3483 müsse jedenfalls wegen formeller Fehler als nichtig angesehen werden. -- Die aus den Ausführungen des Amtes durchschimmernde Unsicherheit bezüglich des Verfahrens bei der selbständigen Betreibung eines Minderjährigen lassen vorweg einige grundsätzliche Überlegungen angebracht erscheinen.
Probleme ergeben sich vor allem aus dem Umstand, dass das Kindesvermögen eines erwerbstätigen Unmündigen nach materiellem Zivilrecht getrennt verwaltet und genutzt wird und zwar:
-- das freie Kindesvermögen im Sinne von Art. 323 Abs. 1 ZGB ausschliesslich durch den Unmündigen selbst;
-- das übrige Kindesvermögen durch die Eltern als gesetzliche Vertreter des Kindes (Art. 318 Abs. 1 ZGB).
Dieselbe Rechtslage findet sich bei der Verwaltungsbeiratschaft im Sinne von Art. 395 Abs. 2 ZGB vor. Für beide Fälle wird aus der getrennten Vermögensverwaltung abgeleitet, für Verpflichtungen des Unmündigen bzw. Verbeirateten könne nur aus dem von ihnen verwalteten freien, nicht aber aus dem vom gesetzlichen Vertreter verwalteten übrigen Vermögen Befriedigung gesucht werden (Für die Beiratschaft: Bucher, N 115 ff. zu Art. 14 ZGB; Egger, N 68 zu Art. 395 ZGB; BGE 56 II 243. Für das Kindesrecht: Hegnauer, N 52 zu Art. 280 aZGB; Bucher, N 106 zu Art. 19 ZGB; BGE 106 III 85 ff.; a.M. Egger, N 4 zu Art. 294a ZGB; Tuor/Schnyder, Supplement zum Kindesrecht, S. 64 Fn 45).Im Entscheid 58 III 85 ff. hat das Bundesgericht für den Fall der Verwaltungsbeiratschaft festgehalten, es gelte der getrennten Verwaltung und der daraus resultierenden Haftungsbeschränkung auch im Vollstreckungsverfahren Rechnung zu tragen (vgl. auch Egger, N 80 f. zu Art. 395 ZGB; BlSchKG 1973 S. 82).Eine Betreibung gegen einen Verbeirateten unter Umgehung des Beirates könne nur zur Pfändung und Verwertung der Einkünfte führen. Verlange der Gläubiger überdies Deckung aus den Kapitalwerten, sei er auf die Einleitung einer Betreibung gegen den Beirat als gesetzlichen Vertreter zu verweisen (BGE 58 III 88).Das vom Bundesgericht in den Erwägungen 2/3 des zitierten Entscheides entwickelte spezielle Verfahren lässt sich aber ohne weiteres entsprechend auf den gleichgelagerten Fall der selbständigen Betreibung eines erwerbstätigen Unmündigen übertragen. Demgegenüber überzeugt das von Niedermann (BlSchKG 1983 S. 54 f.) vorgeschlagene Verfahren nicht. Es trägt weder dem Interesse des Gläubigers an einer selbständigen, auf das freie Kindesvermögen beschränkten Betreibung, noch der unabhängigen Rechtsposition des Unmündigen hinsichtlich seines Arbeitseinkommens Rechnung.
4. Das Betreibungsamt macht konkret geltend, eine selbständige Betreibung gegen die Schuldnerin hätte gar nicht eingeleitet werden dürfen, weil dies vom Gläubiger nicht ausdrücklich verlangt worden sei. Dem ist aber nicht so. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ohne weiteres eine selbständige Betreibung einzuleiten ist, sofern der Gläubiger nicht (beispielsweise durch Erwähnung des gesetzlichen Vertreters im Betreibungsbegehren) zum Ausdruck bringt, dass er aus dem ganzen Kindesvermögen Deckung sucht (vgl. BGE 58 III 88 E. 2).
5. Weiter hält das Betreibungsamt dafür, die örtliche Zuständigkeit für die Durchführung einer selbständigen Betreibung richte sich nach den für die Vormundschaft geltenden Regeln. Massgebend sei mithin der Wohnsitz der Eltern des Minderjährigen, der im vorliegenden Fall im Kanton Bern liege. Dem ist indes nicht zuzustimmen. Das Bundesgericht liess die Frage nach dem Betreibungsort zwar bisher offen, deutete aber an, dass "wohl die für den Bevormundeten geltende Bestimmung des Art. 47 Abs. 3 SchKG sinngemäss anzuwenden wäre" (BGE 106 III 10).Demnach ist aber entgegen der allgemeinen Regel des Art. 47 Abs. 1 SchKG gerade nicht der Wohnsitz der Eltern, sondern der Arbeitsort, allenfalls der Aufenthaltsort des Unmündigen massgebend. Sowohl der Arbeitsals auch der Aufenthaltsort der Schuldnerin liegen aber im Sprengel des Betreibungsamtes.
6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das bisher durchgeführte Verfahren in der Betreibung Nr. 3483 durchaus den an eine selbständige Betreibung eines Minderjährigen zu stellenden Anforderungen genügt. Mithin liegt auch kein Grund vor, das Verfahren wegen formeller Fehler nichtig zu erklären. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und die Verfügung des Betreibungsamtes aufzuheben. Das Betreibungsamt ist anzuweisen, die Betreibung fortzusetzen. Der Schuldnerin bleibt zur Wahrung ihres behaupteten Rechts der Weg des Rückforderungsprozesses im Sinne von Art. 86 SchKG offen.
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs, Urteil vom 11. Mai 1984
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