Zusammenfassung des Urteils ZZ.1983.6: Zivilkammer
Es geht um die rechtlichen Aspekte der Abschreibung eines Prozesses und die Möglichkeit, Einwände gegen Parteierklärungen geltend zu machen. Eine Änderung der Rechtsprechung hat Auswirkungen auf das Verfahren bei Abschreibungen. Der Instruktionsrichter prüft, ob Parteierklärungen gültig sind und ob ein Prozess abgeschrieben werden kann. Ein Rekurs gegen eine Abschreibungsverfügung ist möglich, um Willensmängel geltend zu machen. Es wird festgehalten, dass Einwände gegen eine Rückzugserklärung nach Erlass der Abschreibungsverfügung über Rekurs oder Revision vorgebracht werden können.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZZ.1983.6 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 29.07.1983 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Rückzug und Vergleich, Anfechtung der Abschreibungsverfügung |
Schlagwörter : | Abschreibung; Recht; Abschreibungsverfügung; Ungültigkeitsgr; Parteierklärung; Rekurs; Verfügung; Rechtsmittel; Einrede; Richter; Erlass; Einreden; Urteil; Verfahren; Obergericht; Instruktionsrichter; Abstandserklärung; Amtes; Amtsgericht; Vergleich; Kanton; Konkurs; Anfechtung |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 105 Ia 117; |
Kommentar: | - |
Gegen eine unmittelbar prozessbeendende Wirkung der Parteierklärungen spricht aber vor allem die teleologische Auslegung. Der Richter müsste nämlich sonst -soweit nicht eine der in RB 1971 Nr. 8 erwähnten Ausnahmen vorliegt -- den Prozess selbst dann abschreiben, wenn eine Partei ihre Erklärung vor Erlass der entsprechenden Verfügung mit zivilrechtlichen Einreden (v.a. Willensmängeln) anfechten würde. Dies würde dazu führen, dass die Gegenpartei gemäss § 216 Abs. 1 ZPO über einen vollstreckbaren, einem rechtskräftigen Urteil gleichstehenden Rechtsöffnungstitel verfügen würde. Das kann jedoch zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Wenn z.B. eine der Konkursbetreibung unterliegende Partei die gemäss Abschreibungsverfügung geschuldete Leistung nicht zu erbringen vermag, wird über sie der Konkurs eröffnet, bevor sie Gelegenheit erhält, die Berechtigung ihrer zivilrechtlichen Einreden in einem zweiten Prozessverfahren nachzuweisen. Diese unhaltbare Folge lässt sich nur vermeiden, wenn die Einreden der anfechtenden Partei im gleichen Verfahren beurteilt werden. Allenfalls wäre einem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zu gewähren. Gegen eine Anfechtung der Parteierklärung in einem zweiten Verfahren sprechen sodann prozessökonomische Überlegungen (vgl. BGE 105 Ia 117).
4. Diese Änderung der Rechtsprechung wirkt sich auch auf das bei einer Abschreibung einzuschlagende Verfahren aus. Das Obergericht hat dazu in seinem Entscheid vom 28. März 1983 folgendes festgehalten: Unverändert bleibt grundsätzlich der Instruktionsrichter bis zur Ansetzung der Hauptverhandlung zuständig, einen Prozess abzuschreiben (vgl. RB 1967 Nr. 22).Falls die Abschreibung zufolge einer Abstandserklärung eines gerichtlichen Vergleichs erfolgen soll, hat der Instruktionsrichter zu prüfen, ob die ihm vorgelegte Parteierklärung an einem von Amtes wegen zu berücksichtigenden prozessualen materiell-rechtlichen Ungültigkeitsgrund leidet. Ist dies nicht der Fall, so erlässt er die Abschreibungsverfügung. Kann aufgrund der summarischen richterlichen Prüfung nicht ausgeschlossen werden, dass der Parteierklärung ein von Amtes wegen zu berücksichtigender Mangel anhaftet macht eine der Parteien geltend, ihre Erklärung leide an einem solchen Mangel an einem auf entsprechende Einrede hin zu beachtenden Ungültigkeitsgrund, so darf der Instruktionsrichter die Streitsache nicht mehr selbst abschreiben. Er hat den Prozess an den in der Hauptsache zuständigen Richter, d.h. bei Amtsgerichtskompetenz an das Amtsgericht zu überweisen. Dieses hat alsdann über das Vorliegen des Ungültigkeitsgrundes und die Zulässigkeit der Abschreibung zu befinden. Bejaht es das Vorliegen eines Ungültigkeitsgrundes, so verweigert es die Abschreibung und der Prozess nimmt seinen Fortgang. Andernfalls verfügt es die Abschreibung. Ist die Hauptverhandlung bereits angesetzt worden, muss eine allfällige Abschreibungsverfügung vom Amtsgericht ausgehen (RB 1967 Nr. 22).Das Gericht hat zu prüfen, ob der Abschreibung von Amtes wegen zu berücksichtigende von einer Partei einredeweise geltend gemachte Ungültigkeitsgründe entgegenstehen.
5. Die Frage, wie Einwände gegen die Gültigkeit einer Parteierklärung nach Erlass der Abschreibungsverfügung geltend zu machen sind, liess das Obergericht im erwähnten Entscheid offen. Sie muss aber vorliegend beantwortet werden, da der Rekurrent vorbringt, er habe bei Unterzeichnung der Erklärung vom 22.4.1983 irrtümlich angenommen, es handle sich nur um ein Sistierungsgesuch, nicht um einen Klagerückzug. Wie bereits erwähnt wird in der neuern Doktrin und Rechtsprechung mit überzeugenden Erwägungen die Auffassung vertreten, Willensmängel im Zusammenhang mit einer prozessualen Parteierklärung könnten mit einem Rechtsmittel geltend gemacht werden, soweit ein solches im kantonalen Recht überhaupt vorgesehen sei (BGE 105 Ia 117 mit Hinweisen).
Das solothurnische Zivilprozessrecht stellt für diesen Zweck durchaus geeignete Rechtsmittel zur Verfügung. Nach § 215 Abs. 2 ZPO kann gegen eine Abschreibungsverfügung Rekurs ergriffen werden. Gemäss SOG 1978 Nr. 8 sind bei allen Rekursen, die sich nicht gegen prozessleitende Verfügungen richten, neue Behauptungen und Beweismittel zulässig. Es muss folglich auch zulässig sein, im Zusammenhang mit einem Rekurs gegen eine Abschreibungsverfügung die neue Behauptung vorzubringen, der Vergleich die Abstandserklärung würden an einem versteckten, von den Parteien und dem Richter bis anhin nicht bemerkten Ungültigkeitsgrund, namentlich einem Willensmangel leiden.
Genauso muss es aber nach Ablauf der 10-tägigen Rekursfrist zulässig sein, den Ungültigkeitsgrund als neue erhebliche Tatsache in einem Revisionsverfahren gemäss §§ 311 ff. ZPO vorzubringen. Es gilt demnach festzuhalten, dass die Anfechtung einer Abstandserklärung eines gerichtlichen Vergleichs nach Erlass der Abschreibungsverfügung auf dem Rechtsmittelweg durch Rekurs Revision zu erfolgen hat.
Auf das Vorbringen des Rekurrenten, er habe sich bei Unterzeichnung der Rückzugserklärung in einem Irrtum befunden, ist folglich einzutreten.
Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 29. Juli 1983
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