Zusammenfassung des Urteils ZZ.1975.7: Zivilkammer
Die Chambre des recours des Kantonsgerichts hielt am 18. November 2009 eine Sitzung ab, um über die Berufungen der Firma A.________, Beklagte in Rennaz, und der Firma R.________, Klägerin in Rennaz, sowie der D.________, Intervenierende in Fribourg, gegen das Urteil des Präsidenten des Zivilgerichts des Bezirks Est vaudois vom 13. Mai 2009 in einem Streit zwischen den Parteien zu entscheiden. Es ging um die Validierung einer Pachtzahlung und um die Konsignation von Mieten. Die Gerichtskosten wurden zwischen den Parteien aufgeteilt, wobei die Firma R.________ und die Firma A.________ jeweils Schulden gegenüber der D.________ hatten. Der Richter Colombini leitete die Sitzung, an der auch die Richter Giroud und F. Meylan teilnahmen. Die Gerichtskosten betrugen insgesamt 5'906 fr. 90 für R.________, 1'775 fr. für A.________ und 150 fr. für D.________. Die verlorene Partei war die Firma A.________, die 2'675 fr. an R.________ und 1'050 fr. an D.________ zahlen musste.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZZ.1975.7 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 04.02.1975 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes, Selbstbewirtschaftung, Eignung |
Schlagwörter : | Eignung; Experte; Fähigkeitsprüfung; Praxis; Kenntnisse; Selbstbewirtschaftung; Ergänzung; Experten; Übernahme; Klägers; Einwände; Voraussetzung; Bundesgericht; Quot; Obergericht; Prüfung; Erfahrung; Winterkurs; Betrieb; Sinne; Beklagten; Auffassung; Winterkurses; Ausbildung; Gesetzes; Preis; Urteil; Zeitplan |
Rechtsnorm: | Art. 620 ZGB ;Art. 621 ZGB ; |
Referenz BGE: | 81 II 574; |
Kommentar: | - |
(Es folgt eine Auseinandersetzung mit weitern Einwänden des Beklagten, welche die Ernsthaftigkeit des Willens zur Selbstbewirtschaftung in Frage stellen wollen. Die Einwände werden abgewiesen.)
3. Die zweite Voraussetzung für die Übernahme zum Ertragswert ist die Eignung zur Selbstbewirtschaftung. Sie ist durch die Neufassung des Art. 12 EGG zur selbständigen Voraussetzung geworden. Schon vorher aber hatte das Bundesgericht bereits Eignung zur Selbstbewirtschaftung verlangt mit der Begründung, Selbstbewirtschaftung ohne gewisse persönliche Fähigkeiten sei undenkbar und die Preisvergünstigung sei nicht gerechtfertigt, wenn der Wille zur Selbstbewirtschaftung auf einer Illusion beruhe (BGE 81 II 574/575; 88 II 190).Es fragt sich, ob die ausdrückliche Erwähnung der Eignung im Gesetzestext etwas Neues gebracht hat -vor allem einen strengeren Massstab -oder ob sie einfach die bisherige bundesgerichtliche Praxis bestätigen will. In der Doktrin und der publizierten Judikatur findet sich darüber noch nichts. Auch die Materialien geben keine ausdrückliche Auskunft. Die Wendung "und hiefür geeignet erscheint" ist erst im Nationalrat in den Text aufgenommen worden. Dabei ging es offenbar um ein Gleichziehen mit Art. 621 Abs. 2 ZGB, für welche Bestimmung bereits eine Ergänzung gleichen Sinnes vorgeschlagen war (vgl. Ergänzungsbotschaft des Bundesrates vom 8.3.1971, BBl. 1971, S. 748, und den zugehörigen revidierten Entwurf).Weder zur betreffenden Ergänzung des Art. 12 Abs. 1 EGG noch zu derjenigen des Art. 621 Abs. 2 ZGB finden sich Ausführungen über die Frage, ob man mit der Abänderung über die bisherige Praxis des Bundesgerichtes hinausgehen wollte nicht (insbesondere enthält, was Art. 621 Abs. 2 ZGB anbelangt, auch die Ergänzungsbotschaft des Bundesrates nichts darüber). Das Stillschweigen, die Selbstverständlichkeit der Ergänzungen, deutet eher darauf hin, dass es sich um eine Fixierung der bisherigen Praxis handeln sollte. Nun ist allerdings die publizierte Bundesgerichtspraxis zum Begriff der Eignung nach Art. 12 EGG (alte Fassung) etwas mager und sagt zum anzulegenden Massstab wenig aus (vgl. BGE 81 II 574/575; 88 II 190).Es erscheint deshalb richtig, die Praxis zu Art. 620 Abs. 1 ZGB beizuziehen, bei der es ja -allerdings im Zusammenhang der Erbteilung -ebenfalls darum geht, dass der Hof zum Schatzungswert übernommen werden kann (vgl. die Zusammenstellung der Praxis bei Tuor/Picenoni, N. 16 ff. zu Art. 620).Eine Änderung hat allerdings die Aufnahme des Begriffes der Eignung in den Gesetzestext sicher gebracht: nämlich, dass grundsätzlich der Kläger seine Eignung und nicht der Beklagte den Mangel an Eignung beweisen muss.
Der Kläger vermag seine Eignung zur Selbstbewirtschaftung durch die beim Obergericht durchgeführte Expertise zu beweisen. Er ist vom Experten und zweien von diesem beigezogenen Meisterbauern auf dem Hofe der landwirtschaftlichen Schule Wallierhof einer praktischen Prüfung unterzogen worden. Diese Prüfung entsprach faktisch der sogenannten Praxisprüfung, wie sie zur Zeit -als Übergangslösung -an Stelle der Lehrlingsprüfung abgelegt werden kann als Voraussetzung für die Zulassung zur Fähigkeitsprüfung. Der Kläger hat diese Prüfung nach der Auffassung des Experten und seiner Gewährsleute bestanden und hat die praktische Eignung zur Übernahme des väterlichen Hofes gezeigt. Was ihm noch fehlt, ist vermehrte praktische Erfahrung und vermehrte theoretische Kenntnisse. Bei der praktischen Erfahrung geht es insbesondere um das Einüben des Melkens; der Kläger versteht zwar grundsätzlich zu melken, hat aber mangels Übung zu wenig Kraft, um korrekt ausmelken zu können. Die fehlenden theoretischen Kenntnisse kann der Kläger mit dem Besuch eines Winterkurses der landwirtschaftlichen Schule (Kurs 2) erwerben. Der Experte sieht voraus, dass der Kläger bei seiner Begabung und seinen heutigen Kenntnissen die Fähigkeitsprüfung aller Wahrscheinlichkeit nach bestehen wird. Wenn er im Anschluss an den Kurs noch den Sommer über ein Praktikum absolviert, ist er nach Überzeugung des Experten "ein rechter Bauer".Der Kläger hat erklärt, dass er den Winterkurs auf dem Wallierhof besuchen und anschliessend das Praktikum auf einem Gutsbetrieb absolvieren werde. Die Befragung vor Obergericht hat im weitern ergeben, dass des Klägers Bewirtschaftungspläne für den Hof S. realisierbar sind und der Auffassung des Experten, der kantonaler Betriebsberater für Bergbetriebe ist, entsprechen.
Die Ergebnisse der Expertise und der Befragung vor Obergericht haben eine ganze Reihe von Einwänden, die der Beklagte im Verlaufe des Verfahrens in bezug auf die Eignung des Klägers erhoben hat, erledigt. Nachdem die praktische Prüfung so positiv verlaufen ist und der Experte beim Kläger offensichtlich Vertrautheit mit einem landwirtschaftlichen Betrieb festgestellt hat, kann insbesondere die Frage, in welchem Ausmass der Kläger in früheren Jahren im väterlichen Betrieb mitgeholfen hat, dahingestellt bleiben. Auf zwei Einwände des Beklagten ist noch besonders einzugehen.
a) Einmal die Auffassung des Beklagten, Eignung im Sinne von Art. 12 EGG könne nur dann angenommen werden, wenn die Fähigkeitsprüfung abgelegt worden sei wenn wenigstens Kenntnisse dargetan seien, die der Fähigkeitsprüfung entsprechen. Der Beklagte beruft sich auf die moderne Konzeption der landwirtschaftlichen Ausbildung und macht geltend, dass heute ein Bauer ohne genügende Ausbildung wirtschaftlich nicht bestehen könne. Der Kläger hat die Fähigkeitsprüfung nicht abgelegt und hat, wie vorn dargelegt, ohne Besuch des Winterkurses auch noch nicht alle theoretischen Kenntnisse zur Ablegung der Fähigkeitsprüfung. Aber es ist nun sehr fraglich, ob Art. 12 Abs. 1 EGG dahin auszulegen ist, dass nur derjenige das Preisprivileg dieser Bestimmung geltend machen dürfe, der einen bestimmten beruflichen Ausweis, insbesondere den Fähigkeitsausweis, vorlegt. Eine solche Auslegung steht nicht im Einklang mit der bisherigen bundesgerichtlichen Praxis, wie sie im besondern zum Begriff der Eignung in Art. 620 ZGB entwickelt worden ist. Das Bundesgericht hat den Begriff nie derart streng und formalistisch ausgelegt. Es wird auch in Zukunft kaum zu einer solchen Praxis gelangen. Die Sachlage mag sich dann ändern, wenn es einmal landesüblich werden sollte, dass der Leiter eines landwirtschaftlichen Betriebes die Fähigkeitsprüfung abgelegt hat. Heute ist das, wie der Experte dargelegt hat, bei weitem nicht so, und deshalb kann die Fähigkeitsprüfung auch nicht Voraussetzung für die Übernahme nach Art. 12 EGG sein. Im übrigen hat nun aber der Experte beim Kläger soviel Eignung und Kenntnisse festgestellt, dass er ihm nach Absolvierung des Winterkurses die Ablegung der Fähigkeitsprüfung ohne weiteres zutraut. Die Absolvierung des Kurses ist durchaus möglich, und damit ist auch der Erwerb des Fähigkeitsausweises in nützlicher Frist nicht ein illusionärer Wunsch, sondern durchaus möglich und sogar sehr wahrscheinlich.
b) Der weitere Einwand, auf den noch einzugehen ist, betrifft folgendes: Der Beklagte macht geltend, der Kläger sei nicht verheiratet und könne den Hof ohne Frau nicht führen; das sei ein ganz schwerwiegendes praktisches Hindernis für die Selbstbewirtschaftung und widerspreche zudem dem Sinn des Gesetzes, wie er sich aus Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EGG ergebe, wo ohne weiteres Verheiratung des Übernehmers vorausgesetzt sei. Vorab ist festzuhalten: Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EGG lässt keineswegs den Schluss zu, dass nur verheiratete Verwandte das Vorkaufsrecht ausüben dürften. Dieser Bestimmung kommt weder grammatikalisch noch aus dem Zusammenhang ein solcher Sinn zu. Das Gesetz verbietet nirgends, dass ein Unverheirateter das Vorkaufsrecht -- überhaupt insbesondere zum privilegierten Preis -ausübt. -- Was die faktische Lage betrifft: Der Kläger beruft sich darauf, dass er seine Mutter zu sich nehmen werde. Seine Mutter ist indessen 69 Jahre alt und gehbehindert. Das Gericht hat deshalb dem Experten die Frage gestellt, ob der Hof auch als Einmannbetrieb geführt werden könnte. Der Experte hat dies bejaht und hat darauf hingewiesen, dass es zahlreiche solche Einmannbetriebe gebe. Bei der ganzen Würdigung der beruflichen Eignung des Klägers ist schliesslich auch noch zu berücksichtigen, was der Kläger aus seiner Ausbildung und Erfahrung als Mechaniker und Automechaniker mitbringt: neben den mechanischen Fähigkeiten und Kenntnissen auch die allgemeinen Kenntnisse und Erfahrungen eines qualifizierten Berufsmannes überhaupt; u. a. hatte er in seinem Meisterkurs auch Unterricht in doppelter Buchführung. Bei dieser ganzen Sachlage kann dem Kläger die berufliche Eignung nicht abgesprochen werden.
Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 4. Februar 1975
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