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Urteil Zivilkammer (SO)

Zusammenfassung des Urteils ZKREK.2006.167: Zivilkammer

Der Text handelt von einem Gerichtsverfahren vor dem Tribunal d'accusation, bei dem es um eine Anklage gegen H.________ wegen unterlassener Hilfeleistung geht. Nach einem Nichtantrittsbeschluss zugunsten von H.________ hat V.________ Einspruch erhoben, der jedoch abgelehnt wurde. Die Gerichtskosten von 440 CHF wurden V.________ auferlegt. Aufgrund von Missverständnissen wurde der Beschluss später dahingehend korrigiert, dass die Kosten vom Staat getragen werden. Der Richter ist M. J.-F. Meylan, und die Gerichtskosten belaufen sich auf insgesamt 770 CHF.

Urteilsdetails des Kantongerichts ZKREK.2006.167

Kanton:SO
Fallnummer:ZKREK.2006.167
Instanz:Zivilkammer
Abteilung:-
Zivilkammer Entscheid ZKREK.2006.167 vom 13.09.2006 (SO)
Datum:13.09.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ausweisung, Zustellung der Kündigungsandrohung
Schlagwörter : Kündigung; Empfang; Unterschrift; Gesuchsgegner; Adressat; Zahlungsaufforderung; Kündigungsandrohung; Zustellung; Abholung; Empfangs; Urteil; Einschreiben; Person; Empfangstheorie; Adressaten; Zustellinformation; Obligationenrecht; Zugang; Miete; Gesuchsgegners; Abholungseinladung; Beweis; Rekurs; Zivilkammer; Track; Trace; önne
Rechtsnorm:Art. 257d OR ;
Referenz BGE:119 II 149;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts ZKREK.2006.167

Urteil vom 8. Juni 2006 stellte der Amtsgerichtspräsident die Nichtigkeit der Kündigung vom 24. Februar 2006 fest und wies das Ausweisungsbegehren ab. Den gegen dieses Urteil erhobenen Rekurs von A. weist die Zivilkammer ab.

Aus den Erwägungen:

3. Der Gesuchsgegner bringt unter anderem vor, er habe die Zahlungsaufforderung mit der Kündigungsandrohung nie erhalten. Die Zustellinformation der Post Track & Trace könne nicht als Nachweis der Zustellung gelten. Die Unterschrift auf der Zustellliste betreffend das Einschreiben sei offenkundig nicht identisch mit seiner eigenen. Er habe niemanden ermächtigt, seine Privatpost entgegenzunehmen, und könne sich auch nicht vorstellen, wer dies getan habe. Unabhängig davon habe diese Person das Schreiben nie an ihn weitergeleitet.

4. Die korrekte Zahlungsaufforderung und Kündigungsandrohung ist Gültigkeitsvoraussetzung für eine Kündigung nach Art. 257d OR (Obligationenrecht, SR 220). Die Zahlungsfristansetzung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Frist beginnt daher mit dem Zugang bzw. Empfang durch den Mieter. Die von der Doktrin und Praxis entwickelte Empfangstheorie kommt jedoch nur eingeschränkt zur Anwendung. Es genügt nicht, dass die Mitteilung in die Machtsphäre des Mieters gelangt. Massgebend ist der tatsächliche Empfang. Wird ein eingeschriebener Brief nicht sofort dem Empfänger übergeben, so ist auf den Zeitpunkt der konkreten Abholung auf dem Postbüro abzustellen. Wird aber die Mitteilung nicht innert der 7-tägigen Abholungsfrist abgeholt, gilt der letzte Tag als fiktives Zustelldatum (SVIT-Kommentar, Mietrecht II, N 28 zu Art. 257d OR; BGE 119 II 149 und auf Peter Higi: Zürcher Kommentar zum Obligationenrecht, Die Miete, Zürich 1994, N 37 zu Art. 257d OR; ebenso Peter Gauch/Walter R. Schluep/Jörg Schmid/Heinz Rey: Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, Zürich 2003, Nrn. 198 ff., wobei in Nr. 201 ausdrücklich auf Art. 257d OR Bezug genommen wird). Es gilt die so genannte eingeschränkte Empfangstheorie.

5. Die Unterschrift auf der Zustellliste betreffend das Einschreiben ist eine völlig andere Unterschrift als sämtliche anderen Unterschriften des Gesuchsgegners auf den anderen vorliegenden Urkunden. Insbesondere die Unterschrift des Gesuchsgegners vom 1. März 2006 auf der Abholungseinladung für das Kündigungsschreiben vom 24. Februar 2006 ist eine ganz andere. Es handelt sich dabei nicht bloss um ein Kürzel ein Gekritzel mangels fehlender Unterlage, wie die Gesuchstellerin einwendet. Damit steht fest, dass der Postbote den eingeschriebenen Brief nicht dem Gesuchsteller, sondern einer anderen Person ausgehändigt hat. Wer diese Person war, ist unbekannt, aber auch irrelevant. Denn selbst wenn der Postbote das Einschreiben gemäss Ziffer 2.3.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post derjenigen Person, die in der Wohnung des Adressaten, also des Gesuchsgegners, anzutreffen war, übergeben hätte, so genügte dies nicht. Denn nach der relativen Empfangstheorie ist allein der tatsächliche Empfang massgebend. Ob und wann der Gesuchsgegner die Zahlungsaufforderung und Kündigungsandrohung ausgehändigt erhalten hat, ist ungewiss. Insbesondere kann eine Übergabe des Einschreibens auch nicht wie bei der Abholungseinladung fingiert werden. Eine analoge Anwendung der Fiktionstheorie fällt vorab deshalb ausser Betracht, weil hier der Adressat anders als bei der Abholungseinladung es nicht selbst in der Hand hat, von der versuchten Zustellung an ihn Kenntnis zu erhalten (zur Frage, wie wichtig schon nur die Kenntnis des wahren Zeitpunkts des Zugangs in den Machtbereich des Adressaten ist: Urteil des Bundesgerichts 4C.224/2004 vom 24. September 2004). Der Nachweis des tatsächlichen Empfangs durch den Adressaten kann auch nicht durch die Zustellinformationen der Post Track & Trace erbracht werden. Die Anerkennung der elektronischen Zustellereignisse als Nachweis für die erfolgte Zustellung nach Ziffer 2.3.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post gilt nur für den Kunden, d.h. für den Absender im Verhältnis zur Post. Weder der Adressat einer Sendung noch der Richter wird durch diese Anerkennung des Absenders gebunden. Effektiv kann die Zustellinformation der Post nur eine Zustellung als solche beweisen, nicht aber an wen diese erfolgt ist. Dass sie an den Adressaten erfolgt ist, wird erst durch dessen Unterschrift belegt. Im vorliegenden Fall fehlt die Unterschrift des gesuchsgegnerischen Empfängers. Die Beweislast dafür, dass der Gesuchsgegner die Zahlungsaufforderung und Kündigungsandrohung, datiert vom 19. Januar 2006, tatsächlich in Empfang genommen hat, liegt bei der Gesuchstellerin. Diesen Beweis hat sie nach dem Gesagten nicht erbracht. Will sich ein Vermieter den Beweis des tatsächlichen Zugangs sichern, so kann er eine Zustellung mit eigenhändiger Unterschrift, welche die Post als Zusatzdienstleistung anbietet, in Anspruch nehmen. Von der Vermieterschaft wird somit auch nach der eingeschränkten Empfangstheorie nichts Unmögliches verlangt.

6. Die ausserordentliche Kündigung vom 24. Februar 2006 wegen Mietzinsausstandes ist demnach ungültig, da ihr keine Zahlungsaufforderung und Kündigungsandrohung vorangegangen war, wie dies in Art. 257d OR vorausgesetzt wird. Bei ungekündigtem Mietverhältnis besteht jedoch kein Raum für eine Ausweisung. Der Rekurs ist daher abzuweisen.

Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 13. September 2006 (ZKREK.2006.167)



Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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