Zusammenfassung des Urteils ZKBES.2020.154: Zivilkammer
Ein Gesuchsteller hat beim Richteramt Solothurn-Lebern um Erlass der Gerichtskosten ersucht, nachdem der Amtsgerichtspräsident das Kostenerlassgesuch abwies. Der Gesuchsteller war in einer Umschulung, die durch die IV finanziert wurde, und ist seitdem von den Sozialen Diensten abhängig. Das Obergericht entschied, dass die Beschwerde gutgeheissen wird, die Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten aufgehoben wird und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückgeht. Es werden keine Kosten erhoben.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBES.2020.154 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: |
Datum: | 12.11.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Kostenerlass |
Schlagwörter : | Gesuch; Gesuchs; Gesuchsteller; Amtsgerichtspräsident; Gerichtskosten; Entscheid; Solothurn-Lebern; Erlass; Bundesgericht; Urteil; Verfahren; Begründung; Mittellosigkeit; Obergericht; Vorderrichter; Verhältnissen; Beschwerdeschrift; Verfassungsbeschwerde; Präsident; Oberrichter; Gerichtsschreiber; Schaller; Kostenerlass; Zivilkammer; Obergerichts; Erwägung; Richteramt; Umschulung; ändigen |
Rechtsnorm: | Art. 112 ZPO ;Art. 56 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Müller, Brunner, Gasser, Schwander, , Art. 59 ZPO, 2016 |
Es wirken mit:
Präsident Frey
Oberrichter Müller
Oberrichterin Hunkeler
Gerichtsschreiber Schaller
In Sachen
A.___,
Beschwerdeführer
gegen
Amtsgerichtspräsident von Solothurn-Lebern,
Beschwerdegegner
betreffend Kostenerlass
zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:
1. Mit Urteil vom 2. August 2016 erliess der Amtsgerichtspräsident im Verfahren SLZPR.2016.622 eine Schuldneranweisung zu Lasten von A.___ und auferlegte ihm die Gerichtskosten von CHF 600.00.
2. Am 26. April 2017 (Postaufgabe) stellte A.___ (im Folgenden der Gesuchsteller) beim Richteramt Solothurn-Lebern ein Gesuch um Erlass der Gerichtskosten.
3. Am 19. Oktober 2020 wies der Amtsgerichtspräsident das Kostenerlassgesuch ab. Zur Begründung führte er an, der Gesuchsteller habe nichts vorgebracht, was auf seine dauerhafte Mittellosigkeit schliessen lasse.
4. Dagegen erhob der Gesuchsteller am 30. Oktober 2020 beim Richteramt Solothurn-Lebern fristgerecht Beschwerde, die zuständigkeitshalber an das Obergericht überwiesen wurde. Der Gesuchsteller ersuchte in seiner Beschwerde sinngemäss um Erlass der Gerichtskosten. Er bringt vor, er sei in der Zeit vom Juni 2016 bis Juli 2017 in einer Umschulung gewesen, die durch die IV finanziert worden sei. Seither sei er abhängig von den Sozialen Diensten [ ].
5. Nach Art. 112 ZPO können Gerichtskosten gestundet bei dauernder Mittellosigkeit erlassen werden. Der Amtsgerichtspräsident hat eine dauernde Mittellosigkeit verneint. Nachdem der Gesuchsteller selbst vorgetragen hatte, er hoffe durch die IV-finanzierte Umschulung seine berufliche und finanzielle Situation zu verbessern, ist es sicher nicht willkürlich, dass der Vorderrichter nach den damaligen Verhältnissen einen vollständigen Erlass verweigert hat. Schon nach den damaligen Verhältnissen hätte sich allerdings die Prüfung der Tatbestandvariante einer Stundung aufgedrängt. Durch die lange Verfahrensdauer ist der Gesuchsteller zwar in den Genuss einer faktischen Stundung gekommen. Tatsächlich geprüft hat der Vorderrichter diese Zahlungserleichterung allerdings nicht. Damit hat er von dem ihm zustehenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht und sein Ermessen unterschritten. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und die angefochtene Verfügung aufzuheben. Die Sache ist zu neuem Entscheid an den Vorderrichter zurückzuweisen. Beim neuen Entscheid können sodann auch die seit Einreichung des Gesuchs eingetretenen Entwicklungen in die Beurteilung miteinbezogen werden und dem Gesuchsteller kann Gelegenheit geboten werden, seine Vorbringen zu vervollständigen bzw. zu aktualisieren und zu belegen (Art. 56 ZPO. Allenfalls wird nach aktuellen Verhältnissen auch ein Erlass der Gerichtskosten wieder in Frage kommen.
6. Nach diesem Ausgang des Verfahren sind keine Kosten zu erheben.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten von Solothurn-Lebern vom 19. Oktober 2020 wird aufgehoben.
2. Die Sache geht zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen zurück an die Vorinstanz.
3. Es werden keine Kosten erhoben.
Rechtsmittel: Der Streitwert liegt unter CHF 30'000.00.
Sofern sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, kann gegen diesen Entscheid innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Soweit sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, kann gegen diesen Entscheid innert 30 Tagen seit Erhalt beim Bundesgericht subsidiäre Verfassungsbeschwerde eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 115 bis 119 Bundesgerichtsgesetz massgeblich. Wird gleichzeitig Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben, so sind beide Rechtsmittel in der gleichen Beschwerdeschrift einzureichen.
Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts
Der Präsident Der Gerichtsschreiber
Frey Schaller
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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