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Urteil Zivilkammer (SO)

Zusammenfassung des Urteils ZKBES.2012.15: Zivilkammer

Der Plattenleger und Maler A. L. hatte am 24. August 2007 einen Arbeitsunfall, bei dem er eine Knieverletzung erlitt. Nach verschiedenen ärztlichen Untersuchungen und einem Klinikaufenthalt wurde entschieden, dass die anhaltenden Beschwerden nicht mehr auf den Unfall zurückzuführen seien. Die Versicherung entschied, dass ab dem 1. Februar 2009 die Arbeitsunfähigkeit und die medizinische Behandlung nicht mehr von der Unfallversicherung, sondern von der Krankenversicherung übernommen werden. L. widersprach dieser Entscheidung, doch sein Widerspruch wurde abgelehnt. Er reichte daraufhin eine Beschwerde ein, die letztendlich ebenfalls abgelehnt wurde. Es wurde festgestellt, dass die anhaltenden Beschwerden nicht mehr auf den Unfall zurückzuführen seien.

Urteilsdetails des Kantongerichts ZKBES.2012.15

Kanton:SO
Fallnummer:ZKBES.2012.15
Instanz:Zivilkammer
Abteilung:-
Zivilkammer Entscheid ZKBES.2012.15 vom 22.03.2012 (SO)
Datum:22.03.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Abänderung eines Scheidungsurteils
Schlagwörter : Verbesserung; Erhöhung; Scheidung; Verhältnisse; Unterhalt; Abänderung; Rente; Unterhalts; Kommentar; Pflichtigen; Einkommen; Scheidungsurteil; Urteil; Thomas; Bereich; Unterhaltsbeitrag; Recht; Scheidungsurteils; Person; Sutter; Veränderung; Hrsg:; Basler; Erheblichkeit; Berechtigten; Fälle; Annette; Spycher
Rechtsnorm:Art. 129 ZGB ;Art. 284 ZPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Thomas Sutter, Thomas Sutter-Somm, Sutter-Somm, Seiler, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich, Art. 284 ZPO, 2010
Ingeborg Schwenzer, Kommentar Scheidung, Art. 284 ZPO, 2011
Thomas Sutter, Dieter Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich, Art. 129 ZGB, 1999
Thomas Geiser, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, Art. 129 ZGB, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts ZKBES.2012.15

Urteilsdispositivs ist, haben die Parteien festgehalten, H. sei derzeit nicht in der Lage, D. einen Unterhaltsbeitrag zu bezahlen. Die Parteien stellten fest, dass der gebührende Unterhalt von D. im Sinne von Art. 129 Abs. 3 Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) von CHF 3100.00 pro Monat nicht gedeckt sei. D. habe das Recht, während fünf Jahren eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrags zu verlangen.

Innert der Fünfjahresfrist ab Rechtskraft des Scheidungsurteils reichte die Beschwerdeführerin beim Richteramt eine Klage betreffend Abänderung des Scheidungsurteils ein. Die Beschwerdeführerin verlangt nicht nur die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge für die drei Kinder, sondern auch die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung eines persönlichen Unterhaltsbeitrags. Sie verlangt damit eine Abänderung des Urteils (auch) im Sinne von Art. 129 Abs. 3 ZGB.

3.6. Art. 129 Abs. 3 ZGB hält fest, dass die berechtigte Person innerhalb von fünf Jahren seit der Scheidung die Festsetzung einer Rente deren Erhöhung verlangen kann, wenn im Urteil festgehalten worden sei, dass keine zur Deckung des gebührenden Unterhalts ausreichende Rente festgesetzt werden konnte, die wirtschaftlichen Verhältnisse der verpflichteten Person sich aber entsprechend verbessert hätten.

Eine «entsprechende» Verbesserung ist zu bejahen, wenn die pflichtige Person aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage ist, eine Rente bzw. eine höhere Rente zu bezahlen (Thomas Sutter / Dieter Freiburghaus: Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, Art. 129 ZGB N 61). Gemäss Kommentar Schwenzer setzt Art. 129 Abs. 3 ZGB im Gegensatz zu Abs. 1 nicht voraus, dass die Veränderung erheblich dauerhaft ist (Ingeborg Schwenzer: Kommentar Scheidung, Band I: ZGB, Bern 2011, Art. 129 ZGB N 38). Dieser Ansicht sind auch andere Kommentatoren (Thomas Sutter-Somm / Benedikt Seiler in: Thomas Sutter-Somm et al. [Hrsg]: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2010, Art. 284 ZPO N 13).

Der Basler Kommentar hält fest, die Bedeutung des Begriffs der «entsprechenden» Verbesserung sei unklar. Die gewählte Formulierung verweise einerseits auf die Begriffe der Erheblichkeit und Dauer, impliziere aber andererseits auch, dass an beide geringere Anforderungen als im Fall einer Abänderung gemäss Art. 129 Abs. 1 ZGB zu stellen seien: Weil im Fall einer Unterdeckung eine für den Pflichtigen verhältnismässig bescheidene Verbesserung eine merkbare Erhöhung der Rente des Berechtigten zur Folge haben könne, dürfe die Anpassung gemäss Art. 129 Abs. 3 ZGB nicht auf Fälle beschränkt werden, in denen sich das Einkommen des Pflichtigen um 20 % mehr erhöht habe (Annette Spycher / Urs Gloor in: Thomas Geiser et al. [Hrsg.]: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Basel 2010, Art. 129 ZGB N 8). Bezüglich der Erheblichkeit nach Art. 129 Abs. 1 ZGB hält der Basler Kommentar fest, dass gerade in engen finanziellen Verhältnissen unter Umständen mit Blick auf die Garantie des Existenzminimums des Unterhaltsschuldners bereits eine Änderung im Bereiche von 10 bis 15 % als ausreichend qualifiziert werden müsse, während Änderungen im Bereich von um die 15 bis 20 % bei guten finanziellen Verhältnissen wohl eher als Grenzfall anzusehen seien (Annette Spycher /Urs Gloor, a.a.O., Art. 129 N 7). Da an die Erheblichkeit nach Abs. 3 geringere Anforderungen als im Fall einer Abänderung gemäss Art. 129 Abs. 1 ZGB zu stellen sind und bei Abs. 1 in engen finanziellen Verhältnissen bereits eine Änderung im Bereiche von 10 bis 15 % als ausreichend angesehen wird, kann für die entsprechende Verbesserung auch eine Änderung unter 10 % genügen.

Dies sieht auch eine weitere Literaturstelle so: Wohl soll nicht jede geringfügige Veränderung Anlass zu einem Abänderungsprozess geben. Hätte indessen eine für den Pflichtigen verhältnismässig bescheidene Verbesserung für den Berechtigten eine merkbare Erhöhung der Rente zur Folge, ist die Abänderungsklage begründet. Eine Beschränkung der Abänderbarkeit auf Fälle, in denen die Veränderung auf Seiten des Pflichtigen 20 % mehr der bisherigen Masszahl beträgt wie sie von gewissen kantonalen Gerichten im Zusammenhang mit der Herabsetzung verlangt wird , ist im Zusammenhang mit Art. 129 Abs. 3 ZGB zu schematisch. Bereits die Anwendung einer 10 %-Grenze kann in derartigen Fällen fragwürdig sein (Annette Spycher / Heinz Hausheer [Hrsg.]: Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 2010, N 09.113 S. 643).

3.7. Im Scheidungsurteil wurde von einem Einkommen von H. in der Höhe von CHF 4189.00 ausgegangen. Das heutige Einkommen gibt er mit CHF 4410.00 an, was trotz Reduktion des Arbeitspensums von 90 % auf 80 % per 1. Juni 2010 einer Erhöhung von CHF 221.00 entspricht. Beim Bedarf von H. ging das Gericht im Scheidungsurteil von CHF 2878.00 aus. Heute geht die Vertreterin von H. von einem Bedarf von CHF 2791.00 aus. Dies ergibt zusammen mit dem höheren Einkommen eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei H. um CHF 308.00. Dies entspricht einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Vergleich zum Scheidungszeitpunkt um 7,4 %. Dabei ist ein allfälliger Bonus nicht eingerechnet.

Die Beschwerdeführerin geht vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum von CHF 2600.00 aus und errechnet dadurch zusammen mit dem höheren Lohn eine Erhöhung der frei verfügbaren Mittel von mindestens CHF 499.00, was einer Verbesserung von 11,9 % entspricht.

Es kann hier offen gelassen werden, ob beim Bedarf von H. Steuern einzurechnen seien. Immerhin hält seine Vertreterin selber fest, dass er sie nicht bezahle («wachsende [Steuer-]schulden»). Aufgrund des höheren Einkommens und des tieferen Bedarfs von H. im Vergleich zum Zeitpunkt des Scheidungsurteils ist die Abänderungsklage nicht als aussichtslos zu bezeichnen. Es besteht keine gefestigte Praxis, dass im Bereich von Art. 129 Abs. 3 ZGB die Verbesserung mindestens 10 % betragen müsste. Vielmehr kann auch eine Verbesserung von unter 10 % für eine Abänderung ausreichend sein, wenn wie im vorliegenden Fall die finanziellen Verhältnisse eng und eine für den Pflichtigen verhältnismässig bescheidene Verbesserung eine merkbare Erhöhung der Rente des Berechtigten zur Folge hat. Auch wenn die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei H. nur ein paar Hundert Franken beträgt, bedeutet dies eine merkbare Erhöhung für D. Selbst die Vertreterin von H. geht in ihrem Eventualantrag in der Klageantwort davon aus, dass die frei verfügbaren Mittel des Beklagten und damit seine Leistungsfähigkeit zwischen den beiden massgebenden Zeitpunkten von rund CHF 1311.00 auf CHF 1619.00 zugenommen hätten. Die Beschwerde ist damit gutzuheissen und der Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege ist aufzuheben.

Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 22. März 2012 (ZKBES.2012.15)



Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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