Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2020.68: Zivilkammer
Die Ehefrau hat die eheliche Wohnung verlassen, woraufhin der Ehemann ein Eheschutzverfahren eingeleitet hat. Nach einer Trennungsvereinbarung wurde die Wohnung dem Ehemann zugewiesen und ein Unterhaltsbeitrag festgelegt. Der Ehemann erhob Berufung und beantragte, von der Unterhaltszahlung befreit zu werden. Die Berufung wurde abgewiesen, da keine offensichtliche Unangemessenheit der Vereinbarung vorlag. Beide Parteien erhielten unentgeltliche Rechtspflege, aber nur die Berufungsbeklagte erhielt eine Ausfallhaftung für die Parteientschädigung. Die Gerichtskosten wurden aufgeteilt, und der Ehemann wurde zur Zahlung der Kosten verurteilt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2020.68 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: |
Datum: | 06.11.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Eheschutz |
Schlagwörter : | Beruf; Berufung; Recht; Ehegatte; Ehegatten; Ehefrau; Trennung; Unterhalt; Berufungskläger; Berufungsbeklagte; Ehemann; Unterhaltsbeitrag; Eheschutz; Urteil; Parteien; Vereinbarung; Rechtspflege; Rechtsbeistand; Zahlung; Staat; Geschäft; Berufungsbeklagten; Vorderrichter; Rechtsanwalt; Wohnung; Eheschutzverfahren |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 107 ZPO ;Art. 114 ZGB ;Art. 123 ZPO ;Art. 125 ZGB ;Art. 163 ZGB ; |
Referenz BGE: | 119 III 314; 138 III 385; 138 III 97; 140 III 337; |
Kommentar: | - |
Es wirken mit:
Präsident Frey
Oberrichterin Hunkeler
Oberrichter Müller
Gerichtsschreiber Schaller
In Sachen
A.___, vertreten durch Rechtsanwalt David Grimm,
Berufungskläger
gegen
B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Ehrsam,
Berufungsbeklagte
betreffend Eheschutz
zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:
I.
1. Die Parteien sind seit [...] 2019 verheiratet. Am [...] 2020 hat die Ehefrau (im Folgenden auch Berufungsbeklagte) die eheliche Wohnung verlassen. Seither leben die Ehegatten getrennt. Am 18. Mai 2020 hat der Ehemann (im Folgenden auch Berufungskläger) beim Richteramt Thal-Gäu ein Eheschutzverfahren eingeleitet.
2. Anlässlich der Eheschutzverhandlung vom 23. Juli 2020 haben die anwaltlich verbeiständeten Ehegatten unter Mithilfe des Amtsgerichtspräsidenten eine Trennungsvereinbarung abgeschlossen.
Gleichentags erliess der Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu folgendes Urteil:
1. Die Ehegatten sind zum Getrenntleben berechtigt. Die Ehefrau hat die eheliche Wohnung am [...] 2020 verlassen.
2. Die eheliche Wohnung wird für die weitere Dauer der Trennung dem Ehemann zur alleinigen Benützung zugewiesen.
3. Es wird die Gütertrennung per [...] 2020 angeordnet.
4. Die von den Ehegatten am 23. Juli 2020 abgeschlossene Trennungsvereinbarung wird mit folgendem Wortlaut genehmigt:
1. Die Ehegatten halten fest, dass sie seit dem [...] 2020 getrennt leben.
2. Für die Dauer der Trennung wird die eheliche Wohnung dem Ehemann zur alleinigen Benützung zugewiesen. Die eheliche Wohnung wurde per Ende [...] 2020 gekündet.
3. Der Ehemann hat der Ehefrau mit Wirkung ab 1. Juni 2020 bis Ende September 2020 einen monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag von CHF 900.00 zu bezahlen. Ab 1. Oktober 2020 erhöht sich dieser Unterhaltsbeitrag auf monatlich CHF 1'200.00.
4. Die Ehegatten beantragen, es sei die Gütertrennung per [...] 2020 anzuordnen.
5. Der Ehemann gibt der Ehefrau heute Nachmittag ab 13.30 Uhr die beiden Frontscheiben und das Topcase für den Roller und die vier Winterpneus unaufgefordert heraus, bzw. stellt dies zur Abholung bereit. Die Ehefrau verpflichtet sich im Gegenzug sämtliche Wohnungs- und Briefkastenschlüssel anschliessend in den Briefkasten der ehelichen Wohnung zu legen.
6. Jeder Ehegatte trägt grundsätzlich seine Parteikosten selbst und die Gerichtskosten je zur Hälfte.
Zufolge Antrags auf unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltlichen Rechtsbeistand wird der Entscheid über die Partei- und Gerichtskosten in das Ermessen des Gerichts gestellt.
7. Die vorliegende Vereinbarung stützt sich auf folgende Berechnungsgrundlagen:
monatliches Nettoeinkommen:
- des Ehemannes CHF 5'700.00 (inkl. Anteil 13. Monatslohn und Pauschalspesen CHF 250.00)
- der Ehefrau CHF 2'550.00 (Pensum 70%; kein 13. Monatslohn)
5. A.___ werden mit Wirkung ab Prozessbeginn sowohl die unentgeltliche Rechtspflege, als auch der unentgeltliche Rechtsbeistand bewilligt. Als unentgeltlicher Rechtsbeistand wird Rechtsanwältin Gabriela Ribaut, bestellt.
6. B.___ werden mit Wirkung ab Prozessbeginn sowohl die unentgeltliche Rechtspflege, als auch der unentgeltliche Rechtsbeistand bewilligt. Als unentgeltlicher Rechtsbeistand wird Rechtsanwalt Andreas Ehrsam, bestellt.
7. Jede Partei hat ihre Parteikosten grundsätzlich selbst zu bezahlen.
Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes des Gesuchstellers, Rechtsanwältin Gabriela Ribaut, wird auf CHF 1'474.30 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistandes in der Höhe von CHF 523.95 sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).
Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes der Gesuchsgegnerin, Rechtsanwalt Andreas Ehrsam, wird auf CHF 2'418.95 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistandes in der Höhe von CHF 726.95 sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).
8. Die Verfahrenskosten mit einer Entscheidgebühr von CHF 800.00, total CHF 1200.00, haben die Parteien je zur Hälfte zu bezahlen.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege trägt sie der Staat Solothurn; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ und/oder B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).
3. Gegen den begründeten Entscheid erhob der Ehemann am 28. August 2020 form- und fristgerecht Berufung. Er stellt die folgenden Anträge:
1. Es sei die Dispositions-Ziffer 4.10 [recte 4.3] des Urteils TGZPR.2020.265-ATGWAG des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 23. Juli 2020 lautend «der Ehemann hat der Ehefrau mit Wirkung ab 1. Juni 2020 bis Ende September 2020 einen monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag von CHF 900.00 zu bezahlen. Ab 1. Oktober 2020 erhöht sich dieser Unterhaltsbeitrag auf monatlich CHF 1'200.00» aufzuheben und der Berufungskläger zu keiner Unterhaltszahlung an die Berufungsbeklagte zu verpflichten.
2. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3. Es sei dem Berufungskläger die unentgeltliche Rechtspflege unter Zuweisung des unterzeichneten Rechtsanwalts zu gewähren.
4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
Die Ehefrau liess sich am 11. September 2020 ebenfalls form- und fristgerecht vernehmen. Sie stellt die folgenden Anträge:
1. Die Anträge des Berufungsklägers seien allesamt abzuweisen, sofern darauf einzutreten ist. Das Urteil des Richteramts Thal-Gäu vom 23. Juli 2020 sei zu bestätigen.
2. Der Berufungskläger sei zur Bezahlung eines Prozesskostenbeitrags an die Berufungsbeklagte für das vorliegende Verfahren in der Höhe von CHF 3'000.00 zu verpflichten. Eventualiter sei der Berufungsbeklagten die integrale unentgeltliche Rechtspflege, unter Beiordnung des unterzeichnenden Rechtsanwalts als Rechtsbeistand zu gewähren.
4. Die Streitsache ist spruchreif. In Anwendung von Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann über die Berufung ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen des Vorderrichters wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.
II.
1. Der Vorderrichter erwog in dem hier strittigen Punkt des Ehegattenunterhalts (Ziff. 4.3 des Urteils vom 23. Juli 2020), dass im Eheschutzverfahren ebenso wie im Ehescheidungsverfahren eine genehmigungsbedürftige Konvention abgeschlossen werden könne. Im Rahmen der Genehmigung habe das Gericht die Trennungsvereinbarung in dreifacher Hinsicht zu prüfen, indem es eine Mängel-, Fairness- und Realitätskontrolle ausübe. Es müsse sich also vergewissern, ob die Eheleute sich frei von Willensmängeln auf eine nicht offensichtlich unangemessene Lösung geeinigt hätten und ob diese der aktuellen Situation noch entspreche. Ein Ehegatte könne sich nicht einfach von einer einmal getroffenen Vereinbarung lossagen. Er könne aber beantragen, dass die Vereinbarung nicht genehmigt werde, weil eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt sei.
Er hielt weiter fest, dass sich die Parteien anlässlich der Verhandlung vom 23. Juli 2020 unter Anleitung des Vorsitzenden und unterstützt von ihren Anwälten über sämtliche Nebenfolgen der Trennung geeinigt hätten. Die von den Parteien abgeschlossene Vereinbarung über die Trennungsfolgen sei klar und vollständig. Sie erscheine auch nicht unangemessen. Die Vereinbarung entspreche dem freien Willen der Parteien und sei nach reiflicher Überlegung abgeschlossen worden.
2. Der Berufungskläger macht geltend, ihm sei zur Zeit des Abschlusses der Trennungsvereinbarung nicht bekannt gewesen, dass sich die Ehefrau auf dem Berufs-Netzwerk-Portal [...] als «selbstständig» und «Gründerin von [...]» bezeichne. Zudem schalte sie auf diversen Kanälen Werbung für ihr Unternehmen. Sie biete [...] gegen Entgelt an.
Aufgrund dessen, dass die Berufungsbeklagte ihre selbstständige Erwerbstätigkeit verschwiegen habe, habe die Vorinstanz den Sachverhalt falsch festgestellt. Hätte er diesen Umstand gekannt, hätte der Vorderrichter zum Schluss gelangen müssen, die Berufungsbeklagte erziele mit ihrer selbstständigen Nebenerwerbstätigkeit ein deutlich höheres Einkommen als sie angegeben habe. Wie hoch dieses sei, sei von der Berufungsbeklagten offenzulegen.
Weiter rügt er, dass die Vorinstanz Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) falsch angewandt habe, resp. von anerkannten Grundsätzen die zu dieser Norm in der Rechtsprechung erarbeitet worden seien, abgewichen sei.
Die Vorinstanz habe den Umstand der sehr kurzen Ehedauer bei der Festlegung der Unterhaltspflicht verkannt. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei für den nachehelichen Ehegattenunterhalt je nachdem, ob die Ehe lebensprägend gewesen sei nicht, an den während der Ehe gelebten Standard an die vorehelichen Verhältnisse anzuknüpfen.
Es könne offengelassen werden, ob dieser Grundsatz bei der Festlegung von Ehegattenunterhaltsbeiträgen im Eheschutzverfahren stets anzuwenden sei. Er sei auf jeden Fall bei besonders kurzer Ehedauer auch im Eheschutzverfahren anzuwenden.
3. Die Berufungsbeklagte liess am 11. September 2020 ausführen, sie bestreite, dass der hobbymässige Produktevertrieb, den beide Ehegatten gemeinsam betrieben hätten, dem Ehemann nicht bekannt gewesen sei. Wahrheitswidrig sei auch die Behauptung, die Berufungsbeklagte habe neu eine Internetseite veröffentlicht auf welcher sie [...] gegen Entgelt anbiete. Die Ehegatten [...] hätten diese Ende 2018 gemeinsam eingerichtet. Sie hätten die fragliche Nebenbeschäftigung auch in der gemeinsamen Steuererklärung 2019 deklariert und eine Aufstellung der Einnahmen/Ausgaben von [...] beigelegt. Die Steuererklärung befinde sich als Urkunde 19 der Ehefrau in den vorinstanzlichen Akten. Der beigelegten Rechnung könnten die Details entnommen werden. Diese Beschäftigung habe von der Vorinstanz mangels erzielten Gewinns bei den individuellen Einkommen nicht berücksichtigt werden müssen.
Per WhatsApp-Nachricht habe der Berufungskläger die Berufungsbeklagte am 20. Mai 2020 aufgefordert «alles [...]» zu löschen, was ebenfalls dokumentiere, dass er bereits vor der vorinstanzlichen Verhandlung über diese Tätigkeit Bescheid gewusst habe. Weiter könne der Berufungskläger gegoogelt werden, wo er über [...] als Gründer von [...] zu finden sei, bzw. bis vor kurzem noch zu finden gewesen sei. Auch belege das Profil der Berufungsbeklagten bei [...], dass der Berufungskläger seit 17. November 2019 ihr Vertriebspartner sei und auch schon Produkte bestellt habe. Heute behaupten zu wollen, er habe von [...] nichts gewusst, sei schlicht und einfach treuwidrig. Sämtliche Vorbringen hätte der Berufungskläger folglich bereits bei der ersten Instanz deponieren können.
Beide Ehegatten hätten die hobbymässigen Nebenaktivitäten gemeinsam ausgeübt und demzufolge umfassende Kenntnis darüber, dass diese ein Verlustgeschäft gewesen seien. Beide Ehegatten hätten in der erstinstanzlichen Verhandlung darüber kein Wort verloren. Von einer Täuschung des Berufungsklägers könne hingegen keine Rede sein. Ein Willensmangel liege daher nicht vor.
Von offensichtlicher Unangemessenheit der Vereinbarung könne ebenfalls nicht die Rede sein. Das Einkommen der Berufungsbeklagten sei vor erster Instanz bekannt gewesen. Die Nebenbeschäftigung der Berufungsbeklagten sei dem Berufungskläger bekannt gewesen. Dieser habe nachweislich die Rechnungen für ihre Online-Werbung bezahlt. Das Existenzminimum beider Parteien habe mit ihrem Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit gedeckt werden können. Es sei sogar ein kleiner Überschuss vorhanden. Zudem seien beide Parteien beim Abschluss der Vereinbarung anwaltlich verbeiständet gewesen.
Der Berufungskläger verkenne, dass die Prüfungsbefugnis des Vorderrichters bei einer Eheschutzkonvention auf offensichtliche Unangemessenheit beschränkt sei. Darüber hinaus greife die Vertragsfreiheit der Parteien. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Ehegatten bereits vor der Eheschliessung zusammengelebt hätten. Zudem greife vorliegend die eheliche Solidaritätspflicht, zumal die Ehefrau beim Wegfall des Unterhaltsbeitrags von der Sozialhilfe unterstützt werden müsste. Nicht zuletzt belege die Unterschrift des Ehemannes unter die Vereinbarung, dass er selber der Meinung gewesen sei, die Ehefrau bedürfe der Unterstützung. Eine unrichtige Rechtsanwendung des Vorderrichters sei jedenfalls nicht ersichtlich.
4.1 Die Ehegatten sorgen gemäss Art. 163 ZGB gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie (Abs. 1). Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlung, Besorgen des Haushalts, Betreuen der Kinder durch Mithilfe im Beruf Gewerbe des andern (Abs. 2). Das gilt auch dann noch, wenn der gemeinsame Haushalt aufgehoben ist. Sind sich die Ehegatten darüber nicht einig, kann der Richter zur Festsetzung eines Unterhaltsbeitrages angerufen werden (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB).
4.2 Die Ehefrau hat die eheliche Wohnung nach den unbestrittenen Feststellungen im vorinstanzlichen Urteil am [...] 2020 verlassen. Am [...] 2020 hat der Ehemann den Vorderrichter angerufen, vorerst noch ohne konkrete Anträge zu stellen. Anlässlich der Eheschutzverhandlung vom 23. Juli 2020 erklärte er, dass er sich scheiden lassen wolle. Falls das nicht möglich sei, solle festgestellt werden, dass die Ehegatten getrennt lebten und sich gegenseitig keine Unterhaltsbeiträge schuldeten. Die Ehefrau widersetzte sich einer allfälligen Scheidung. Sie wollte der Ehe noch eine Chance geben. Sie verlangte ebenfalls die Regelung des Getrenntlebens und beantragte einen Unterhaltsbeitrag für die Dauer der Trennung (Aktenseite, AS 34 f.). Im Rahmen der Eheschutzverhandlung einigten sich die Ehegatten auf den hier angefochtenen Unterhaltsbeitrag, der vom Vorderrichter im Urteil genehmigt wurde.
4.3 Im Streit steht der Ehegattenunterhalt gemäss Art. 276 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 271) i.V.m. Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB. Auch im Eheschutzverfahren setzt der Anspruch eines Ehegatten auf Leistung eines Unterhaltsbeitrags durch den anderen voraus, dass er nicht in der Lage ist, seinen Bedarf aus eigenen Mitteln (namentlich aus Einkommen) zu decken (Urteil des Bundesgerichts 5A_838/2009 E. 4.2.4 publ. in: FamPra.ch 2010 S. 669, vgl. auch Urteile 5A_376/2011 E. 3.3 und 5A_239/2017 E. 2.1).
Selbst wenn mit der Wiederaufnahme des gemeinsamen Haushalts nicht mehr ernsthaft gerechnet werden kann, bildet im Eheschutzverfahren Art. 163 ZGB die Grundlage der gegenseitigen Unterhaltspflicht der Ehegatten (vgl. BGE 140 III 337, E. 4.2.1; 138 III 97 E. 2.2 S. 98 f.; 137 III 385 E. 3.1, S. 386; 130 III 537 E. 3.2 S. 541; Urteil des Bundesgerichts 5A_744/2019, E. 3.3). Auszugehen ist grundsätzlich von den bisherigen ausdrücklichen stillschweigenden Vereinbarungen der Ehegatten über Aufgabenteilung und Geldleistungen, die der ehelichen Gemeinschaft eine bestimmte Struktur gegeben haben (Art. 163 Abs. 2 ZGB). Weiter hat der Richter zu berücksichtigen, dass der Zweck von Art. 163 Abs. 1 ZGB für den gebührenden Unterhalt der Familie zu sorgen, im Fall der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (Art. 175 f. ZGB) jeden Ehegatten dazu verpflichtet, nach seinen Kräften für die zusätzlichen Kosten aufzukommen, welche die Führung zweier separater Haushalte nach sich zieht (BGE 138 III 97; E. 2.2 S. 98 f; Urteil 5 A_515/2008 E. 2.1, publ. in: FamPra.ch 2009 S. 430). Daraus kann folgen, dass der Richter die von den Eheleuten getroffenen Vereinbarungen ändern muss, um sie an die neuen Lebensverhältnisse anzupassen. In diesem Sinn ist die Rechtsprechung zu verstehen, wonach im Rahmen der Festsetzung des Unterhaltsbeitrags nach Art. 163 ZGB auch die für den nachehelichen Unterhalt geltenden Kriterien (Art. 125 ZGB) zu berücksichtigen sind, wenn eine Wiederherstellung des gemeinsamen Haushalts nicht mehr zu erwarten ist (BGE 138 III 385 E. 3.1 S. 387, 128 III 65 E. 4a S. 68). Was die Dauer der Ehe angeht (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB) ist freilich zu beachten, dass diese im Eheschutzverfahren nicht feststeht, da die Parteien ja noch verheiratet sind (vgl. BGE 119 III 314 E. 4b/aa S. 318).
Im Stadium des Eheschutzverfahrens geht es ausschliesslich um Verbrauchsunterhalt. Mann und Frau haben gleichermassen Anspruch auf Fortführung der bisherigen Lebenshaltung bzw. bei beschränkten finanziellen Mitteln auf eine gleichwertige Lebensführung. Die Höhe des Unterhaltsbeitrags richtet sich nach den Bedürfnissen der Ehegatten und nach den persönlichen Umständen, d.h. nach der Lebensstellung und der Leistungsfähigkeit (Art. 163 Abs. 3 ZGB, Urteil des Bundesgerichts 5A_9/2013 E. 4.2, publ. in: FamPra.ch 2013 S. 708). Bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags ist grundsätzlich vom tatsächlich erzielten Einkommen der Parteien auszugehen.
4.4 In erster Linie ist der Einwand des Ehemanns zu prüfen, dass er beim Abschluss der Vereinbarung über den Unterhaltsbeitrag für die Dauer der Trennung einem wesentlichen Irrtum unterlegen und deshalb die Vereinbarung für ihn einseitig unverbindlich sei. Er macht geltend, dass er nicht über die Nebenerwerbstätigkeit der Ehefrau, die sie unter der Firma [...] betreibe, Bescheid gewusst habe. Es sei davon auszugehen, dass sie unter Berücksichtigung dieser Nebenerwerbstätigkeit, ein deutlich höheres Einkommen erziele als sie angegeben habe. Diese Behauptung ist offensichtlich falsch. Wie die von beiden Ehegatten unterzeichnete Beilage «Aufstellung Einnahmen / Ausgaben [...], Januar bis Dezember 2019» zur gemeinsamen Steuererklärung 2019 der Ehegatten [...] vom 30. März 2020 (Urkunde[Urk.] 1 der Ehefrau zur Berufungsantwort, BA) zeigt, haben sie das Geschäft vor der Trennung gemeinsam betrieben. Ebenfalls ist daraus ersichtlich, dass sie damit 2019 keinen Gewinn, sondern einen Verlust erwirtschaftet und diesen auch in der Steuererklärung als Einkommensminderung deklariert hatten. Die Urkunde datiert vom 30. März 2020. Sie wurde folglich vor der Trennung der Ehegatten und der Eheschutzverhandlung beim Vorderrichter erstellt. Kurz nach der Trennung im [...] 2020 forderte der Ehemann die Ehefrau über WhatsApp auf, «alles [...]» zu löschen (BAUrk. 4). Aus diesen Urkunden erhellt, dass der Ehemann nicht nur über die Nebenerwerbstätigkeit der Ehefrau Bescheid wusste, sondern bis zur Trennung auch selber daran beteiligt war. Da er die Ehefrau nach der Trennung aufgefordert hatte, die Website zu löschen, ist erstellt, dass er bereits damals darüber im Bild war, dass sie die Firma weiter betreibt und er dieses Faktum im Zweifel jederzeit hätte verifizieren können. Falls er im Zeitpunkt der Eheschutzverhandlung über den Umfang der Nebentätigkeit im Zweifel war, hätte er Beweismittel beantragen und/oder in der Parteibefragung entsprechende Fragen stellen können. Die Behauptung des Berufungsklägers, dass er sich beim Abschluss der Trennungsvereinbarung am 23. Juli 2020 im Irrtum über die Nebenbeschäftigung der Ehefrau befunden habe, ist nach dem Gesagten offensichtlich falsch. Nach den Akten ist davon auszugehen, dass er sowohl während der Ehe, als er selber an der Geschäftstätigkeit beteiligt war, und auch nach der Trennung, als die Ehefrau das Geschäft allein weiterbetrieb, grundsätzlich über ihre Geschäftstätigkeit unter der Firma [...] im Bild war. Von einem Willensmangel des Berufungsklägers aufgrund unvollständiger Sachverhaltsfeststellung des Vorderrichters kann unter den gegebenen Umständen keine Rede sein.
4.5 Aus den von der Berufungsbeklagten eingereichten Urkunden geht weiter hervor, dass den Ehegatten aus der Geschäftstätigkeit unter der Firma [...] im Jahr 2019 keine Mittel zuflossen.
Hinweise darauf, dass die Geschäftstätigkeit von [...] im Jahr 2020 erheblich erfolgreicher verläuft als 2019, bestehen keine. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass der Ehemann aus dem Geschäft ausgestiegen und die Ehefrau durch die Erhöhung ihres Pensums als Angestellte der Firma [...] AG weniger Zeit in die eigene Geschäftstätigkeit investieren kann. Es erübrigte sich daher, von der Ehefrau Belege über die Geschäftstätigkeit von [...] im Jahr 2020 nachzuverlangen, selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Ehemann darüber nicht Bescheid gewusst hätte. Aufgrund des Gesagten ist nicht davon auszugehen, dass die Ehefrau aus der Geschäftstätigkeit von [...] im Jahr 2020 einen Verdienst erzielt, der sich auf die Höhe des Unterhaltsbeitrags auswirken könnte.
Damit steht fest, dass sich die finanzielle Situation der Berufungsbeklagten seit Abschluss der Trennungsvereinbarung nicht geändert hat und der Berufungskläger auch nicht über den Umfang der Erwerbstätigkeit der Berufungsbeklagten getäuscht wurde.
4.6 Schliesslich wirft der Berufungskläger dem Vorderrichter vor, dass er das Recht falsch angewendet habe, da angesichts der kurzen Ehedauer auf voreheliche Verhältnisse abzustellen sei und die Ehefrau selber für sich ihren Unterhalt aufzukommen habe. Hier komme das Prinzip der Selbstversorgung zum Zug.
Vorab ist festzuhalten, dass die Ehegatten zwar getrennt leben aber nach wie vor verheiratet sind. Von daher kann nach der oben zitierten bundesgerichtlichen Praxis nicht tel quel auf die vom Berufungskläger zitierte Praxis abgestellt werden, sondern es ist ebenfalls die während der Ehe gelebte Aufgabenteilung zu berücksichtigen.
Die Parteien hatten bis zur Trennung das Modell der Zuverdienerehe gelebt. Der Ehemann arbeitete 100 % als [...] und die Ehefrau zu 60 % im [...]. Nach der Trennung hat die Ehefrau das Pensum umgehend um 10 % erhöht. Nach der oben zitierten höchstrichterlichen Praxis kann sich die Ehefrau nach der Trennung vorerst noch auf die eheliche Beistandspflicht und die während der Ehe gelebte Aufgabenteilung berufen. Wie lange sie darauf Anspruch hat, hängt von den konkreten Verhältnissen ab. Vorliegend haben sich die Ehegatten auf einen formell unbefristeten Unterhaltsbeitrag für die Dauer der Trennung geeinigt. Der Ehemann hat bereits angekündigt, dass er nach zweijähriger Trennung die Scheidung gemäss Art. 114 ZGB beantragen will. Von daher ist die Dauer der Trennung und damit die Geltungsdauer der Vereinbarung absehbar begrenzt, zumal rechtlich einfache Verhältnisse vorliegen und ein allfälliges Scheidungsverfahren rasch wird abgewickelt werden können. Es kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede davon sein, dass die abgeschlossene Vereinbarung offensichtlich unangemessen sei. Vielmehr hätte der Ehemann auch im Urteilsfall damit rechnen müssen, dass er der Ehefrau für eine absehbare Zeit einen Unterhaltsbeitrag würde bezahlen müssen.
5. Nach dem Gesagten fehlt es sowohl am Nachweis eines Willensmangels beim Abschluss der Trennungsvereinbarung vom 23. Juli 2020 als auch an einer offensichtlichen Unangemessenheit. Die Berufung ist abzuweisen.
III.
1. Beide Parteien haben die unentgeltliche Rechtspflege beantragt. Beide sind ausgewiesen prozessarm (Art. 117 lit. a ZPO). Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege hat jedoch nur diejenige Partei, deren Rechtsbegehren zusätzlich nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 lit. b ZPO). Das ist beim Berufungskläger nicht der Fall. Seine Behauptungen über die Geschäftstätigkeit der Berufungsbeklagten haben sich als offensichtlich falsch herausgestellt. Die Berufung war daher von vornherein aussichtslos, weshalb ihm die unentgeltliche Rechtspflege nicht bewilligt werden kann. Die Berufungsbeklagte wird nicht kostenpflichtig. Bei ihr ist die unentgeltliche Rechtspflege deshalb auf die Ausfallhaftung des Staates beschränkt.
2. Gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO sind die Prozesskosten der unterliegenden Partei aufzuerlegen. U.a. in familienrechtlichen Verfahren kann von diesen Verteilungsgrundsätzen abgewichen und die Prozesskosten können nach Ermessen verteilt werden (Art. 107 Abs. 1 ZPO).
Vorliegend ist der Berufungskläger mit der Berufung nicht durchgedrungen. Seine Behauptungen stellten sich als weitgehend falsch heraus. Unter diesen Umständen gibt es keinen Grund von der Kostenverteilung nach Obsiegen und Unterliegen abzuweichen. A.___ hat daher die Kosten des Berufungsverfahrens zu bezahlen. Die Gerichtskosten werden in solchen Verfahren praxisgemäss auf CHF 1'000.00 festgesetzt. Es gibt keinen Grund, davon abzuweichen.
3. Nach dem Ausgang des Verfahrens hat der Berufungskläger auch die Parteikosten der Berufungsbeklagten zu bezahlen. Der Rechtsvertreter von B.___ hat einen Aufwand von 9,67 Stunden und Auslagen von CHF 201.60 geltend gemacht. Das ist nicht zu beanstanden. A.___ hat folglich an B.___ vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Ehrsam, für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 2'716.60 zu bezahlen. Für den Betrag von CHF 2'091.75 besteht während zwei Jahren eine Ausfallhaftung des Staates. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistands im Umfang von CHF 624.85, sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).
Demnach wird erkannt:
1. Die Berufung wird abgewiesen.
2. Das Gesuch von A.___ um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von CHF 1'000.00 hat A.___ zu bezahlen.
4. A.___ hat B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Ehrsam, für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 2'716.60 zu bezahlen. Für den Betrag von CHF 2'091.75 besteht während zweier Jahre eine Ausfallhaftung des Staates. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistands im Umfang von CHF 624.85 sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).
Rechtsmittel: Der Streitwert beträgt mehr als CHF 30'000.00.
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts
Der Präsident Der Gerichtsschreiber
Frey Schaller
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