Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2020.65: Zivilkammer
Das Urteil betrifft eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt für den Sohn B.___. Der Beklagte A.___ wird als Vater festgestellt und muss Unterhaltsbeiträge zahlen. Die Mutter des Kindes wird mit der alleinigen elterlichen Sorge betraut. Es wird festgelegt, dass A.___ monatlich Unterhaltsbeiträge zahlen muss. Der Unterhalt basiert auf den Einkommen der Eltern und wird bis zur wirtschaftlichen Selbständigkeit des Sohnes oder seiner Volljährigkeit festgesetzt. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 1200.00 sind vom Beklagten zu tragen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2020.65 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: |
Datum: | 30.11.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Feststellung der Vaterschaft / Unterhalt |
Schlagwörter : | Unterhalt; Berufung; Unterhalts; Urteil; Kindsmutter; Gericht; Kinder; Unterhaltsbeitrag; Beklagten; Amtsgerichtspräsident; Vater; Gerichtskosten; Recht; Berufungskläger; Barunterhalt; Klägers; Kindes; Unterhaltsbeiträge; Berufungsantwort; Stellung; Zahlung; Mutter; Eltern; Einkommen; Entscheid; Überschuss; Stellungnahme; ündet |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 107 ZPO ;Art. 277 ZGB ;Art. 279 ZGB ;Art. 285 ZGB ;Art. 287 ZGB ;Art. 296 ZPO ; |
Referenz BGE: | 137 III 617; |
Kommentar: | Kren Kostkiewicz, Staehelin, Basler Kommentar Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Art. 168 SchKG, 2010 |
Es wirken mit:
Präsident Frey
Oberrichterin Hunkeler
Oberrichter Müller
Gerichtsschreiberin Trutmann
In Sachen
A.___,
Berufungskläger
gegen
B.___, gesetzlich vertreten durch C.___,
Berufungsbeklagter
betreffend Feststellung der Vaterschaft / Unterhalt
zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:
I.
1. B.___ ist der am [...] 2018 geborene Sohn von C.___. Am 10. Mai 2020 (Postaufgabe) klagte B.___ (nachfolgend: Kläger), vertreten durch die Mutter C.___, beim Richteramt Thal-Gäu gegen A.___ (nachfolgend: Beklagter) auf Feststellung der Vaterschaft. Am 8. Juli 2020 fand eine Verhandlung mit Parteibefragung statt. Der Amtsgerichtspräsident fällte am gleichen Tag folgendes Urteil:
1. Es wird festgestellt, dass A.___, geb. [...] 1979, der Vater von B.___, geb. [...] 2018, ist.
2. B.___ wird unter die alleinige elterliche Sorge und Obhut der Mutter gestellt.
3. Auf die Regelung eines Kontaktrechts zwischen dem Vater und dem Sohn wird verzichtet.
4. A.___ hat C.___ an den Unterhalt von B.___ folgende monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge zu bezahlen:
a) ab 1. Juni 2019 30. September 2028: CHF 1'125.00 (Barunterhalt)
b) ab 1. Oktober 2028: CHF 1'325.00 (Barunterhalt)
Allfällige Kinder- und Ausbildungszulagen sind in diesen Beiträgen nicht inbegriffen. Sie sollen B.___ jedoch zusätzlich zukommen. Aktuell wird die Kinderzulage von der Kindsmutter bezogen.
Die Unterhaltspflicht gegenüber B.___ dauert bis zu seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit, längstens jedoch bis zur Volljährigkeit. Art. 277 Abs. 2 ZGB ist vorbehalten. Dieser lautet wie folgt: Hat das Kind bei Eintritt der Volljährigkeit noch keine angemessene Ausbildung, so haben die Eltern, soweit es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf, für seinen Unterhalt aufzukommen, bis eine entsprechende Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann.
5. Ausserordentliche Kosten (z.B. Zahnkorrekturen), soweit diese nicht durch Versicherungsleistungen anderswie gedeckt sind, tragen die Eltern über die Regelung hinaus gemeinsam nach ihren finanziellen Möglichkeiten.
6. Die in Ziffer 4 festgelegten Unterhaltsbeiträge (UB) basieren auf einem Stand des Landesindexes der Konsumentenpreise vom Juni 2020 von 101.4 Punkten auf der Basis Dezember 2015 = 100 Punkte. Die Beiträge werden jeweils per 1. Januar jeden Jahres dem Indexstand im vorausgegangenen November angepasst, erstmals per 1. Januar 2021. Es ist dabei auf ganze Franken aufoder abzurunden. Der neue Unterhaltsbeitrag berechnet sich wie folgt:
Neuer UB = ursprünglicher UB x neuer Index
ursprünglicher Index (101.4 Punkte)
Für den Fall, dass das Einkommen des Pflichtigen sich nicht in einem der Indexierung entsprechenden Umfang erhöht hat, erfolgt die Anpassung lediglich im Verhältnis der effektiven Lohnerhöhung. Beweisbelastet für eine geringere Einkommensveränderung ist der Pflichtige.
7. Die in Ziffer 4 festgelegten Unterhaltsbeiträge basieren auf folgenden Berechnungsgrundlagen:
monatliches Nettoeinkommen (inkl. Anteil 13. Monatslohn, ohne Kinderzulagen):
- des Vaters: CHF 6'780.00
- der Mutter: CHF 3300.00
- des Sohnes: CHF 200.00 (Kinderzulage)
monatlicher Bedarf:
- des Vaters CHF 4'109.00
- der Mutter CHF 3194.00
- des Sohnes: CHF 791.00 bzw. CHF 991.00
8. Jede Partei hat ihre Parteikosten selbst zu bezahlen.
9. Die Gerichtskosten von CHF 1200.00 hat A.___ zu bezahlen.
10. Das Gesuch des Klägers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben.
2. Das begründete Urteil wurde dem Beklagten am 3. August 2020 zugestellt. Am 14. August 2020 erhob er angesichts des noch bis 15. August 2020 geltenden Fristenstillstands rechtzeitig Berufung gegen das Urteil. Er beantragt «die Reduktion der monatlichen Unterhaltsbeiträge, die Aufhebung des Entscheids, rückwirkende Zahlungen leisten zu müssen, die Teilung der Gerichtskosten zwischen Kläger und Beklagter». Bereits am 20. August 2020 reichte C.___ eine «Stellungnahme zur Berufung» ein. Nachdem A.___ den für das Berufungsverfahren einverlangte Kostenvorschuss bezahlt hatte, nahm C.___ in Vertretung des Klägers innert der ihr dafür angesetzten Frist im Rahmen einer Berufungsantwort Stellung. Sie verzichtete dabei ausdrücklich darauf, Anschlussberufung zu erheben und erklärte, am Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 8. Juli 2020 vollumfänglich festzuhalten. Nach Zustellung der Berufungsantwort an den Beklagten reichte dieser am 12. Oktober 2020 eine «Stellungnahme zur Berufungsantwort» ein.
3. Gemäss Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann die Rechtsmittelinstanz eine Verhandlung durchführen aufgrund der Akten entscheiden. Der Beklagte und Berufungskläger bittet darum, die Parteien erneut vorzuladen, um eine gütliche Lösung zu finden. Der Kläger und Berufungsbeklagte lehnt eine «erneute Vorladung» ausdrücklich ab. Der Beklagte habe seit der Geburt viele gebotene Gelegenheiten ungenutzt verstreichen lassen.
Angesichts der Ausgangslage und der Vorbringen des Berufungsbeklagten und des Berufungsklägers drängt es sich nicht auf, eine Verhandlung durchzuführen. Das Urteil kann gestützt auf die Akten gefällt werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen des Vorderrichters wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.
II.
1.1 Ein Rechtsbegehren muss so bestimmt sein, dass es im Falle der Gutheissung der Klage unverändert zum Urteil erhoben werden kann. Aus diesem Prozessgrundsatz folgt, dass auf Geldzahlung gerichtete Berufungsanträge zu beziffern sind. Am Erfordernis bezifferter Begehren ändert die Geltung der Offizialmaxime im Bereich des Kinderunterhalts nichts. In Berufungsverfahren sind auch für den Kinderunterhalt Anträge erforderlich, die den aufgezeigten Anforderungen an die Bezifferung genügen müssen. Auf eine Berufung mit formell mangelhaften Rechtsbegehren ist ausnahmsweise dann einzutreten, wenn sich aus der Begründung, allenfalls in Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid, ergibt, welcher Geldbetrag zuzusprechen ist. Rechtsbegehren sind im Sinne der Begründung auszulegen (BGE 137 III 617; Urteil des Bundesgerichts 5A_3/2019 vom 18. Februar 2019, E. 3).
1.2. Die Anträge des Berufungsklägers genügen diesen Anforderungen nur insofern, als er die Aufhebung des Entscheids, rückwirkende Zahlungen leisten zu müssen und die Teilung der Gerichtskosten verlangt. Soweit er bloss allgemein «die Reduktion der monatlichen Unterhaltsbeiträge» beantragt, kommt er jedoch isoliert betrachtet dem Bezifferungsgebot nicht nach. Nachdem er allerdings bei der Vorinstanz die Bereitschaft erklärt hatte, einen Unterhaltsbeitrag von CHF 800.00 zu bezahlen (Protokoll der Verhandlung vom 8. Juli 2020, S. 2, AS 15), ist zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er die vorinstanzlich festgesetzten Alimente auf diesen Betrag reduziert haben will. Auf die Berufung ist in diesem Sinne einzutreten. Sie richtet sich gegen die Ziffern 4, 7 und 9 des Urteils vom 8. Juli 2020.
2.1 Der Amtsgerichtspräsident hielt zunächst fest, für sämtliche Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten gelte gemäss Art. 296 Abs. 3 ZPO die Offizialmaxime. Dies bedeute, dass das Gericht ohne Bindung an die Parteianträge entscheide. Die zwischen den Kindseltern getroffene Vereinbarung beziehungsweise Absichtserklärung vom 22. August 2018 sei demzufolge unbeachtlich und es sei von Amtes wegen der gebührende Unterhalt für B.___ festzulegen. Bei der Bemessung des konkreten Unterhaltbeitrages ging er auf Seiten des Beklagten von einem monatlichen Nettoeinkommen von CHF 6'780.00 und einem Bedarf von CHF 4'109.00 aus. Es verbleibe ihm somit ein Überschuss von CHF 2'671.00. Die Kindsmutter C.___ erwirtschafte als Selbständigerwerbende ein monatliches Nettoeinkommen von CHF 3'300.00 und habe einen Bedarf von CHF 3'194.00. Da sie mit dem Einkommen ihren Bedarf vollständig zu decken vermöge, verbleibe kein Raum für einen Betreuungsunterhalt. Festzustellen sei weiter, dass die Kindsmutter erheblich mehr leiste, als sie verpflichtet wäre. Bis zum Kindergarteneintritt von B.___ müsste sie nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Aufgrund ihres überobligatorischen Pensums von mehr als 60% und des gleichzeitig bescheidenen Bedarfs rechtfertige es sich, ihr den verbleibenden Überschuss von CHF 106.00 vollumfänglich zu belassen und nicht an den Barunterhalt für B.___ anzurechnen. Dieser habe aktuell einen Barbedarf von CHF 791.00, den er mit der ihm zustehenden Kinderzulage von CHF 200.00 bis auf CHF 591.00 decken könne. Den Fehlbetrag könne er unter dem Titel Barunterhalt vom Beklagten beanspruchen. Ausserdem habe er Anspruch auf einen Anteil am Überschuss des unterhaltspflichtigen Beklagten. Ausgehend von der Praxis, wonach ein eheliches Kind bei der vorliegenden Konstellation und einer Aufteilung nach so genannten «grossen» (Eltern) und «kleinen» (Kinder) Köpfen einen Fünftel des Überschusses der Eltern beanspruchen könnte, sei dem Kläger ein Fünftel des Überschusses des Beklagten, das heisst ein Betrag von CHF 534.00, unter dem Titel Barunterhalt zuzuweisen. Der Barunterhalt für B.___ belaufe sich somit auf CHF 1'125.00 (CHF 591.00 + CHF 534.00).
Gemäss Art. 279 Abs. 1 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) könne das Kind auf Unterhalt klagen und zwar sowohl für die Zukunft als auch für ein Jahr vor Klageerhebung. Vorliegend sei die Klage am 10. Mai 2020 eingereicht worden. Die Kindsmutter verlange lediglich Unterhalt «ab jetzt», sprich für die Zukunft. Das Gericht sei jedoch nicht an die Anträge der Parteien gebunden. Dass die Kindsmutter somit auf einen rückwirkenden Unterhalt verzichten wolle, sei nicht bindend. Es seien denn auch keine Gründe ersichtlich, wieso auf die rückwirkende Festlegung des Unterhalts verzichtet werden sollte. Insbesondere sei die Vereinbarung zwischen den Kindseltern, wonach die Kindsmutter gänzlich auf einen Unterhaltsbeitrag für den Sohn verzichte und alleine für seinen Unterhalt aufkomme, nicht bindend. Die Kindsmutter leiste Enormes und lebe bescheiden. Bis anhin hätten ihr nicht nur sämtliche Betreuungspflichten oblegen, sondern sie sei auch noch alleine für den gesamten Unterhalt des Kindes aufgekommen. Aus diesem Grund werde der Unterhaltsbeitrag ab 1. Juni 2019 festgelegt. Ab dem zehnten Altersjahr erhöhe sich der Grundbetrag von B.___ um CHF 200.00 von CHF 400.00 auf CHF 600.00. Der Beklagte habe demnach ab 1. Oktober 2028 einen Barunterhalt von CHF 1'325.00 zu bezahlen. Auf eine weitere Abstufung des Unterhaltsbeitrages werde angesichts des sehr grosszügig bemessenen Bedarfs seitens des Beklagten sowie der überobligatorischen Erwerbstätigkeit der Kindsmutter verzichtet.
2.2 Der Beklagte führt zur Begründung seiner Berufung vom 14. August 2020 aus, er fühle sich von der ersten Instanz ungerecht behandelt und nicht ernst genommen. Er habe vorurteilslos angehört werden und sich zum Sachverhält äussern wollen. Den Ungereimtheiten bei den vom Kläger eingereichten Dokumenten sei keine nur ungenügende Beachtung geschenkt worden. Seine Fragen bezüglich dieser Dokumente habe die Vorinstanz nicht geklärt. Dem Antrag des Klägers anlässlich der Verhandlung, wonach er auf rückwirkende Zahlungen verzichte, sei nicht entsprochen worden. Seine Einsprache gegen die Klage, um eine aussergerichtliche Lösung zu finden, habe das Richteramt Thal-Gäu abgelehnt. Die Übernahme der gesamten Gerichtskosten finde er deshalb unfair. Er ersuche, der Vereinbarung vom 22. August 2018 zwischen der Kindsmutter und ihm ein Mindestmass an Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Stellungnahme des Beklagten vom 2. Oktober 2020 zur Berufungsantwort beinhaltet sodann über weite Strecken Ausführungen zur Beziehung zwischen ihm und der Mutter des Klägers sowie den Bemühungen, eine gütliche Lösung zu finden. Im Zusammenhang mit dem angefochtenen Urteil erwähnt er, es überrasche ihn, dass die Vertreterin des Klägers nun vollumfänglich am angefochtenen Urteil festhalte. In ihrem abschliessenden Antrag vor dem Amtsgerichtspräsidenten habe sie noch ausdrücklich auf rückwirkende Zahlungen verzichtet. Auch in ihrer Stellungnahme vom 20. August 2020 zur Berufung habe sie die Bereitschaft, auf die rückwirkenden Zahlungen zu verzichten, wiederholt. Zudem habe sie sich in dieser Stellungnahme auch dazu bereit erklärt, die Hälfte der Gerichtskosten zu übernehmen. Zum Vorwurf in der Berufungsantwort, er habe die Übernahme der Gerichtskosten vor dem Richteramt Thal-Gäu allein durch sein Verhalten verursacht, entgegnet der Kläger, er habe sich vor Gericht jederzeit vorbildlich verhalten. Wie die Kindsmutter sei auch er selber nicht auf Rosen gebettet. Bis im Mai 2019 sei er in seiner eigenen Unternehmung selbständig tätig gewesen und habe sich in dieser Zeit lediglich rund CHF 3'000.00 pro Monat auszahlen können. Bei einer Berechnung auf rückwirkende Zahlung müsste dieser Tatsache Beachtung geschenkt werden. Erst seit Mai 2019 arbeite er wieder als Angestellter zu einem besseren Lohn. Seine monatlichen Einkünfte seien seit der Kurzarbeit im März 2020 wegen Covid-19 jedoch auf durchschnittlich CHF 6'561.25 gesunken. Die von der Vorinstanz verwendeten Zahlen entsprächen deshalb nicht mehr der Realität. Die Kurzarbeitsituation daure immer noch an und die Zukunft sei ungewiss. Sollte an den im angefochtenen Urteil festgelegten Unterhaltsbeiträgen festgehalten werden, würde er in eine finanzielle Notlage geraten. Den Ungereimtheiten bei den vom Kläger eingereichten Dokumenten sei keine nur ungenügende Beachtung geschenkt worden. Seine Frage, weshalb der Mietvertrag erst am 25. Mai 2020 unterzeichnet worden sei, obwohl der Einzug bereits am 1. Juli 2018 stattgefunden habe, sei nicht aufgenommen worden. Die Kindsmutter habe immer behauptet, ihr Vater würde sie beim Grossziehen des Klägers tatkräftig unterstützen wollen. Sein Einwand, dass Auslagen und Einnahmen bei Selbständigkeit schwierig nachzuweisen seien, habe scheinbar niemanden interessiert. Dasselbe gelte für die Fragen, wie es sich mit der Mutterschaftsversicherung, der Prämienverbilligung und Familienzulagen verhalte sowie weshalb der Jahresabschluss und die Steuerabrechnung erst am 5. Juni 2020 erstellt worden seien und weshalb die definitive Veranlagung von 2018 fehle.
3.1 Gemäss Art. 296 Abs. 3 ZPO entscheidet das Gericht bei Kinderbelangen in familienrechtlichen Angelegenheiten ohne Bindung an die Parteianträge (Offizialgrundsatz). Wegleitend für diesen Grundsatz ist die Erkenntnis, dass in den familienrechtlichen Angelegenheiten für die Kinder ein verstärktes Bedürfnis nach Schutz und ein erhöhtes Interesse an der materiellen Wahrheit besteht, deren Findung gefördert werden soll. Die Bestimmung ist auf die Kinderunterhaltsklage nach Art. 279 ZGB anwendbar. Mit der Offizialmaxime wird zum Ausdruck gebracht, dass die Befugnis der Parteien, über den Streitgegenstand zu verfügen, entweder als solche eingeschränkt dadurch relativiert ist, dass das Gericht nicht nur weniger, sondern auch etwas anderes zusprechen kann, als mit dem Rechtsbegehren verlangt wird. Konkret bedeutet das, dass eine Anerkennung des Klagebegehrens ausgeschlossen ist und dass das Gericht in einem hängigen Prozess über Kinderbelange auch ohne Parteiantrag von Amtes wegen einen Entscheid treffen kann, mithin nicht an die Parteianträge gebunden ist und von diesen abweichen kann (Stephan Mazan/Daniel Steck, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N 3 f. und 29 f. zu Art. 296 ZPO, mit weiteren Hinweisen).
3.2 Angesichts dieser Grundsätze ging der Amtsgerichtspräsident zu Recht davon aus, nicht an die Erklärung der Kindsmutter, auf rückwirkende Zahlungen zu verzichten, gebunden zu sein. Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte und die Kindsmutter am 22. August 2018 ein Schriftstück unterzeichnet hatten, in welchem unter anderem Folgendes festgehalten wurde: «C.___ ist bewusst, dass ihr gegenüber A.___ keinerlei finanzielle Unterhaltsansprüche für sie und das Kind zustehen. Sie verzichtet auf Unterhaltsansprüche auf eigenen Wunsch auch nach einer allfälligen Vaterschaftsanerkennung seitens A.___» (Urkunde 15 des Beklagten). Zum einen ist das Dokument bloss als «Absichtserklärung» betitelt und vor der Geburt des Klägers verfasst worden. Zweitens würde ein solcher Vertrag gestützt auf Art. 287 Abs. 1 ZGB für das Kind ohnehin erst mit der Genehmigung durch die Kindesschutzbehörde verbindlich. Die vom Berufungskläger in diesem Zusammenhang vorgebrachte Kritik am angefochtenen Urteil ist daher unbegründet.
4.1 Das Kind kann gegen den Vater die Mutter gegen beide klagen auf Leistung des Unterhalts für die Zukunft und für ein Jahr vor Klageanhebung (Art. 279 ZGB). Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen (Art. 285 Abs. 1 ZGB). Weitere, konkretere Regelungen zur Berechnung und Bemessung des Unterhalts enthält das Gesetz nicht. Unbestritten ist, dass Kindesunterhalt die konkreten Bedürfnisse des Kindes abzudecken hat. Wie in Art. 285 Abs. 1 ZGB zum Ausdruck kommt, besteht allerdings eine Wechselwirkung zwischen dem Bedarf des Kindes und der Leistungskraft beziehungsweise Lebenshaltung der Eltern. Geschuldet ist der gebührende Unterhalt, das heisst derjenige, der angesichts der gelebten Verhältnisse als angemessen erscheint (Christiana Fountoulakis, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl. 2018, N 2 zu Art. 285 ZGB).
Der Bedarf des Kindes wird seit dem Inkrafttreten des neuen Kindesunterhaltsrechts oft konkret berechnet, indem ausgehend vom betreibungsrechtlichen Grundbedarf bestimmte Bedarfspositionen wie Wohnkosten, Krankenversicherungsprämien und allenfalls weitere Positionen hinzuaddiert werden. Zu dieser erweiterten Bedarfsrechnung hinzu kommt ein etwaiger anteiliger Überschuss, der auf Seiten des unterhaltsverpflichteten Elternteils resultiert. Wenn es wie vorliegend einzig Barunterhalt zu regeln gilt, wird auch die Bemessung des Unterhaltsbeitrages anhand der unter dem früheren Unterhaltsrecht verbreiteten Prozentmethode als zulässig erachtet. Nach dieser Methode ist bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen der Unterhaltsbeitrag bei einem Kind auf 17 %, bei zwei Kindern auf 27 % und bei drei Kindern auf 35 % des monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen festzusetzen. Die Prozentregeln haben den grossen Vorteil, dass sie einfach zu handhaben und die Unterhaltsbeiträge relativ sicher vorhersehbar sind (Fountoulakis, a.a.O., N 10 f.).
4.2 Der Vorderrichter ermittelte den Barunterhaltsbeitrag aufgrund einer konkreten Bedarfsrechnung und wies dem Kläger zusätzlich einen Teil des beim Beklagten resultierenden Überschusses zu. Das Vorgehen des Amtsgerichtspräsidenten überzeugt und es kann vollumfänglich auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Dass der Unterhaltsbeitrag angemessen ist, zeigt insbesondere auch ein Vergleich mit der Prozentregel: 17 % des Nettoeinkommens des Beklagten von CHF 6'780.00 entsprechen rein rechnerisch einem Betrag von CHF 1'152.60, was nur geringfügig vom Unterhaltsbeitrag des angefochtenen Urteils (CHF 1'125.00) abweicht. Auch die Erhöhung um CHF 200.00 ab dem zehnten Altersjahr des Klägers ist begründet (Urteil, S. 8, E. 9). Gestützt auf die Offizialmaxime und Art. 279 ZGB durfte und musste der Amtsgerichtspräsident den Unterhaltsbeitrag rückwirkend ab 1. Juni 2019 festsetzen. Daran vermag auch die Bemerkung der Kindsmutter in ihrer Stellungnahme vom 20. August 2020 zur Berufung, sie sei aus reiner Kulanz bereit, auf eine rückwirkende Zahlung zu verzichten, nichts zu ändern. Auf dieses Zugeständnis konnte sie ohnehin bis zum Ablauf der ihr beziehungsweise dem Kläger für die Berufungsantwort gesetzten Frist zurückkommen, was mit der Bemerkung, als Vertreterin von B.___ halte sie vollumfänglich am angefochtenen Urteil fest, denn auch geschehen ist.
Was der Berufungskläger weiter gegen den vorinstanzlichen Unterhaltsbeitrag einwendet, ist ebenfalls unbegründet. Soweit er die Höhe des Einkommens der Kindsmutter und deren Bedarf beanstanden will, vermöchte dies selbst wenn die Kritik begründet wäre am angefochtenen Unterhaltsbeitrag nichts zu ändern. Das Einkommen und der Bedarf der Kindsmutter sind entscheidend für die Frage, ob ein Betreuungsunterhalt festzusetzen ist. Da die Kindsmutter ihren Bedarf mit dem eigenen Einkommen aber decken kann, hatte der Amtsgerichtspräsident darauf verzichtet, einen Betreuungsunterhalt festzulegen. Den mit der Bemerkung, er fühle sich ungerecht behandelt, verbundene Vorwurf an den Vorderrichter, er habe Verfahrensgrundsätze missachtet, substanziiert er nicht weiter. Dass er bis Mai 2019 bloss CHF 3'000.00 pro Monat verdient habe, vermag ihm nicht zu helfen, wurde der Unterhaltsbeitrag doch erst mit Wirkung ab 1. Juni 2019 festgesetzt. Dasselbe gilt für die Behauptung, er verdiene seit März 2020 wegen Covid-19 wegen Kurzarbeit monatlich nur noch CHF 6'561.25 pro Monat. An der vorinstanzlichen Verhandlung vom 8. Juli 2020 hatte er in der Parteibefragung nach Ermahnung zur Wahrheit noch angegeben, er verdiene CHF 6'780.00 monatlich (Protokoll der Parteibefragung, S. 1, AS 18). Die Abweichung von rund CHF 220.00 beziehungsweise etwas mehr als 3 % von der Annahme des Vorderrichters ist zudem zu gering, um eine Anpassung zu rechtfertigen. Dazu kommt, dass die Einbusse vor allem im Vergleich zur Dauer der Unterhaltspflicht voraussichtlich bloss vorübergehend sein wird. Zudem dürfte er wegen der Kurzarbeit nicht in dem Ausmass Auslagen für den Arbeitsweg und die auswärtige Verpflegung tätigen müssen, wie sie ihm vom Amtsgerichtspräsidenten in der Bedarfsrechnung zugestanden wurden. Ein Mindereinkommen würde so zumindest teilweise kompensiert. Die Berufung gegen die Ziffern 4 und 7 des Urteils des Amtsgerichtspräsidenten ist aus diesen Gründen abzuweisen.
5.1 Zum ebenfalls angefochtenen Entscheid über die Tragung der Gerichtskosten (Ziffer 9 des Urteils) führt der Amtsgerichtspräsident aus, in Bezug auf die Feststellung der Vaterschaft unterliege der Beklagte vollständig. Beim Unterhalt habe er einen solchen von CHF 800.00 pro Monat beantragt, während die Kindsmutter den Unterhalt in das Ermessen des Gerichtes gestellt habe. Angesichts der Tatsache, dass der Beklagte nun CHF 1'125.00 bzw. CHF 1'325.00 und damit erheblich höhere Unterhaltsbeiträge bezahlen müsse als er selbst beantragt habe, sowie des Umstandes, dass er die finanziell wesentlich leistungsfähigere Partei als die Kindsmutter beziehungsweise der Kläger sei, rechtfertige es sich, ihm die gesamten Gerichtskosten von CHF 1'200.00 aufzuerlegen.
5.2 Die Berufung des Beklagten ist auch in diesem Punkt unbegründet. Der Entscheid entspricht dem Grundsatz, wonach die Prozesskosten in erster Linie nach dem Ausgang des Verfahrens zu verteilen sind (Art. 106 Abs. 2 ZPO), wobei in familienrechtlichen Verfahren von diesen Grundsätzen abgewichen werden (Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO) und damit insbesondere auch der finanziellen Leistungskraft der Parteien Rechnung getragen werden kann (Viktor Rüegg/Michael Rüegg, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N 6 zu Art. 107 ZPO). Der Berufungskläger bringt denn auch gegen die konkrete Begründung des angefochtenen Urteils nichts vor. Der Amtsgerichtspräsident wirft ihm nicht vor, er habe sich vor Gericht nicht vorbildlich verhalten. Gleich wie bei der Frage der rückwirkenden Anordnung der Unterhaltspflicht ist auch für die Frage der Kostentragung der Antrag des Klägers in der Berufungsantwort massgebend. Dass die Kindsmutter in der Stellungnahme vom 20. August 2020 zur Berufung noch erklärt hatte, sie sei bereit, die Hälfte der Gerichtskosten zu übernehmen, hilft dem Berufungskläger deshalb wiederum nicht weiter. In der Berufungsantwort hielt der Kläger ausdrücklich fest, die Vorinstanz habe dem Beklagen die Gerichtskosten zu Recht auferlegt.
6. Die Berufung muss vollumfänglich abgewiesen werden. Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens sind bei diesem Ausgang dem Beklagten und Berufungskläger zu auferlegen. Parteientschädigungen wurden keine verlangt.
Demnach wird erkannt:
1. Die Berufung wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 1'500.00 hat A.___ zu tragen. Sie werden mit dem von ihm geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
Rechtsmittel: Der Streitwert übersteigt CHF 30'000.00.
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts
Der Präsident Die Gerichtsschreiberin
Frey Trutmann
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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