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Urteil Versicherungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2019.63
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:-
Versicherungsgericht Entscheid VSBES.2019.63 vom 08.10.2019 (SO)
Datum:08.10.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Unfallversicherung / Taggeld
Schlagwörter : Beschwerde; Einsprache; Einspracheentscheid; Entscheid; Beschwerdeführer; Urteil; Brief; Bundesgericht; Versicherungsgericht; Schrieben; Postfach; Verfügung; Vertreter; Beschwerdegegnerin; Bundesgerichts; Beschwerdeführers; A-Post; Militärversicherung; Zustellung; Eröffnung; Empfänger; Schriftlich; Adressat; Datum; Einspracheentscheids; Parteien; Angefochtene; Präsident; Nichtig
Rechtsnorm: Art. 138 ZPO ; Art. 38 ATSG ; Art. 49 ATSG ;
Referenz BGE:142 III 599;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil vom 8. Oktober 2019


Präsident Flückiger

Oberrichter Kiefer

Oberrichter von Felten

Gerichtsschreiber Haldemann


A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt

Beschwerdeführer

gegen


Postfach 8715, 3001 Bern

Beschwerdegegnerin

betreffend Militärversicherung / Taggeld (Einspracheentscheid vom 31. Januar 2019)


zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.

1. Die Suva Abteilung Militärversicherung (fortan: Beschwerdegegnerin) wies die Einsprache des Versicherten A.___ (fortan: Beschwerdeführer) vom 30. September 2013 am 31. Januar 2019 ab (Aktenseite / A.S. 1 ff.). Sie verschickte diesen Entscheid gemäss «Empfängerliste aller eingeschrieben Sendungen» am gleichen Tag mittels A-Post Plus an den damaligen Vertreter des Beschwerdeführers, Dr. iur. B.___ (Beleg der Beschwerdegegnerin Nr. 1). Aus dem Sendeverfolgungsbeleg (Track and Trace) ergibt sich, dass der Entscheid am Samstag, 2. Februar 2019, ins Postfach des Vertreters gelegt wurde (Beleg Nr. 2).

2.

2.1 Rechtsanwalt Daniel Altermatt, der neue Vertreter des Beschwerdeführers, erhebt mit Schreiben vom 7. März 2019, welches er gleichentags der Post übergibt, beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn (fortan: Versicherungsgericht) Beschwerde gegen den Einspracheentscheid (A.S. 9 ff.). Er macht dabei geltend, dieser Entscheid sei Dr. iur. B.___ am 5. Februar 2019 eröffnet worden (A.S. 10).

Die Beschwerdegegnerin beantragt mit Beschwerdeantwort vom 23. Mai 2019 (A.S. 22 ff.), auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Sie bringt vor, angesichts der Eröffnung des Einspracheentscheids am 2. Februar 2019 sei die Beschwerde vom 7. März 2019 erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgt (A.S. 23).

2.2 Der Präsident des Versicherungsgerichts gibt dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 7. Juni 2019 Gelegenheit, sich zur Einhaltung der Beschwerdefrist zu äussern (A.S. 26 f.). Dieser begehrt mit Eingabe vom 12. Juli 2019 (A.S. 31 ff.), es sei festzustellen, dass der angefochtene Einspracheentscheid nicht unterschrieben worden und damit nichtig sei. Ein Einspracheentscheid dürfe zudem angesichts von Art. 138 Abs. 1 Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) nicht mit A-Post Plus versendet werden, weshalb es an einer rechtsgenüglichen Eröffnung fehle. Im Übrigen sei der Entscheid nicht am 2. Februar 2019 ins Postfach von Dr. iur. B.___ gelegt worden, sondern erst am Dienstag, den 5. Februar 2019. Dieses Datum sei sowohl auf dem Einspracheentscheid als auch auf dem Zustellkuvert vermerkt worden (s. Beschwerdebeilage / BB-Nr. 3 f.). Zudem erkläre Dr. iur. B.___ in seiner E-Mail an den Sohn des Beschwerdeführers vom 8. Februar 2019, dass der Entscheid am 5. Februar 2019 bei ihm eingegangen sei (BB-Nr. 5).

Die Beschwerdegegnerin hält am 4. September 2019 daran fest, dass auf die verspätete Beschwerde nicht eingetreten werden könne (A.S. 39 ff.).

2.3 Der Präsident teilt den Parteien am 10. September 2019 mit, es sei vorgesehen, demnächst über die formellen Fragen der Nichtigkeit des Einspracheentscheids sowie der Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu entscheiden (A.S. 42).

II.

1. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) sind auf die Militärversicherung anwendbar, soweit das Bundesgesetz über die Militärversicherung (MVG, SR 833.1) nicht ausdrücklich eine Abweichung vorsieht (Art. 2 ATSG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 MVG). Dies ist bezüglich der Rechtspflege nicht der Fall (s. dazu das 5. Kapitel 3. Abschnitt [«Besonderheiten der Rechtspflege»] des MVG).

2. Der angefochtene Einspracheentscheid ist nicht eigenhändig unterschrieben worden (s. A.S. 7). Verfügungen eines Sozialversicherungsträgers sind schriftlich zu erlassen (Art. 49 Abs. 1 ATSG), was auch für Einspracheentscheide gilt. Eine handschriftliche Unterzeichnung stellt indes kein Gültigkeitserfordernis dar, wird sie doch weder im Gesetz ausdrücklich verlangt noch gehört sie zwingend zur Schriftlichkeit (Ueli Kieser: ATSG-Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2015, Art. 49 N 48; Valérie Défago Gaudin in: Anne-Sylvie Dupont / Margit Moser-Szeless [Hrsg.], Loi sur la partie générale des assurances sociales, Commentaire, Basel 2018, Art. 49 N 17; Urteil des Bundesgerichts 8C_434/2017 vom 3. Januar 2018 E. 5.2; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts [EVG] U 68/02 vom 14. April 2003 E. 1.1). Eine fehlerhafte Verfügung ist nur ausnahmsweise nichtig, wenn der Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist, und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird (Urteil des Bundesgerichts 9C_95/2015 vom 27. Mai 2015 E. 5.2.1). Eine fehlende Unterschrift stellt für sich allein keinen besonders schweren Mangel dar, zumal wenn wie hier immerhin der Urheber des Entscheids ersichtlich ist. Dem Beschwerdeführer ist durch die Eröffnung des nicht unterschriebenen Einspracheentscheids kein Nachteil entstanden (s. dazu Art. 49 Abs. 3 ATSG), war er doch in der Lage, den Entscheid sachgerecht beim Versicherungsgericht anzufechten (s. Urteil des Bundesgerichts 9C_532/2018 vom 18. Oktober 2015 E. 3.2.3). Die Rüge der fehlenden Unterzeichnung wurde denn auch nicht in der Beschwerdeschrift, sondern erst in der Replik vom 12. Juli 2019 erhoben (vgl. EVG-Urteil U 68/02 vom 14. April 2003 E. 1.3). Der Einwand, der angefochtene Einspracheentscheid sei nichtig, erweist sich damit als unzutreffend.

3.

3.1 Gegen Einspracheentscheide eines Sozialversicherungsträgers kann innert 30 Tagen ab Eröffnung beim kantonalen Versicherungsgericht Beschwerde erhoben werden (Art. 56 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 1 ATSG).

Im Sozialversicherungsverfahren bestehen keine Vorschriften darüber, wie die Versicherungsträger ihre Verfügungen und Entscheide zustellen sollen. Es steht ihnen daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers frei, sich auch der Versandart A-Post Plus zu bedienen (der in der Beschwerde angerufene Art. 138 Abs. 1 ZPO ist hier nicht einschlägig, denn er regelt lediglich die Zustellung gerichtlicher Sendungen, wie aus der Überschrift des fraglichen Abschnitts der ZPO hervorgeht). Die Eröffnung muss bloss so erfolgen, dass sie dem Adressaten ermöglicht, von der Verfügung oder der Entscheidung Kenntnis zu erlangen, um diese gegebenenfalls anfechten zu können. Bei einem uneingeschriebenen Brief erfolgt die Zustellung bereits dadurch, dass er in den Briefkasten oder ins Postfach des Adressaten gelegt wird und damit in den Machtbzw. Verfügungsbereich des Empfängers gelangt. Nicht erforderlich ist, dass der Empfänger vom Brief tatsächlich Kenntnis nimmt (BGE 142 III 599 E. 2.4.1 S. 603; Urteil des Bundesgerichts 8C_271/2019 vom 11. Juni 2019 E. 6.1). Bei der Versandmethode A-Post Plus wird der Brief mit einer Nummer versehen und ähnlich wie ein eingeschriebener Brief mit A-Post spediert. Im Unterschied zu den eingeschriebenen Briefpostsendungen wird aber der Empfang nicht quittiert. Der Adressat wird im Falle seiner Abwesenheit auch nicht durch Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Die Zustellung wird vielmehr elektronisch erfasst, wenn die Sendung in das Postfach oder in den Briefkasten des Empfängers gelegt wird (BGE 142 III 599 E. 2.2 S. 601; Urteil des Bundesgerichts 8C_271/2019 vom 11. Juni 2019 E. 6.1).

Ein Fehler bei der Postzustellung liegt nicht ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Eine fehlerhafte Zustellung ist allerdings nicht zu vermuten, sondern nur anzunehmen, wenn sie auf Grund der Umstände plausibel erscheint. Auf die Darstellung des Adressaten, dass eine fehlerhafte Postzustellung vorliegt, ist daher abzustellen, wenn seine Darlegung der Umstände nachvollziehbar ist und einer gewissen Wahrscheinlichkeit entspricht, wobei sein guter Glaube zu vermuten ist (BGE 142 III 599 E. 2.4.1 S. 604).

3.2 Gemäss Track and Trace-Auszug wurde der angefochtene Einspracheentscheid am 2. Februar 2019 um 6:51 Uhr ins Postfach des damaligen Vertreters Dr. iur. B.___ in Laufen gelegt (Beleg Nr. 2). Das korrespondiert mit dem vorhergehenden Eintrag, wonach der Brief am 2. Februar 2019 um 6:43 Uhr auf der Post in Laufen eintraf. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Zustellung tatsächlich an diesem Datum erfolgte. Dem Beschwerdeführer gelingt es nicht, einen späteren Eingang des Einspracheentscheids bei seinem Vertreter plausibel zu machen. Weder der Entscheid vom 31. Januar 2019, der im Beschwerdeverfahren eingereicht wurde, noch das entsprechende Zustellkuvert weisen einen Eingangsstempel der Kanzlei von Dr. iur. B.___ auf. Vorhanden ist jeweils der handschriftliche Vermerk «5.2.19», der aber keinen Urheber erkennen lässt und keinen überzeugenden Eindruck vermittelt. Das Argument des Beschwerdeführers, auf Kuvert und Einspracheentscheid müsste das Datum vom Montag, den 4. Februar 2019, vermerkt sein, wenn der Entscheid tatsächlich am Samstag, den 2. Februar 2019, ins Postfach gelegt worden wäre, ist nicht zwingend; der Vermerk «5.2.19» kann genauso gut bedeuten, dass der Entscheid erst an diesem Tag effektiv zur Kenntnis genommen wurde, was aber am früheren Zustelldatum nichts ändern würde. Die Bemerkung in der Mailnachricht vom 8. Februar 2019 wiederum, der Einspracheentscheid sei am 5. Februar 2019 bei Dr. iur. B.___ eingegangen, bleibt eine blosse Behauptung, die sich auf den zweifelhaften handschriftlichen Datumsvermerk stützen dürfte.

Ist aber erstellt, dass der Einspracheentscheid dem damaligen Vertreter am 2. Februar 2019 zugestellt wurde, so fing die Beschwerdefrist am 3. Februar 2019 zu laufen an (Art. 60 Abs. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 2 ATSG) und endete am Montag, den 4. März 2019. Die am 7. März 2019 abgeschickte Beschwerde ist damit verspätet, weshalb darauf nicht eingetreten werden kann.

4. Bei diesem Verfahrensausgang steht dem Beschwerdeführer keine Parteientschädigung zu. Die Beschwerdegegnerin wiederum hat als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. etwa BGE 128 V 133 E. 5b, 126 V 150 E. 4a).

5. In Beschwerdesachen der Militärversicherung sind keine Verfahrenskosten zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Demnach wird erkannt:

1.    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.    Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen und keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vorund Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 oder 93 BGG zu beachten.

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Präsident Der Gerichtsschreiber

Flückiger Haldemann



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