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Urteil Strafkammer (SO)

Zusammenfassung des Urteils STBER.2017.73: Strafkammer

Der Beschuldigte war in einen Fall von fahrlässiger Körperverletzung verwickelt und hat Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Dorneck-Thierstein eingelegt. In der Hauptverhandlung vor dem Obergericht am 11. April 2018 wurden verschiedene Zeugen befragt, darunter der Beschuldigte, der Privatkläger und ein Sachverständiger. Es wurde diskutiert, ob der Beschuldigte richtig am Strassenrand fuhr, als es zu einem Unfall mit dem Motorrad des Privatklägers kam. Der Sachverständige erklärte die technischen Aspekte des Unfalls und stellte fest, dass die Fahrzeuge sich gekreuzt haben, ohne sich zu berühren. Das Gericht berücksichtigte die Gutachten und Aussagen der Zeugen, um zu einem Urteil zu gelangen.

Urteilsdetails des Kantongerichts STBER.2017.73

Kanton:SO
Fallnummer:STBER.2017.73
Instanz:Strafkammer
Abteilung:-
Strafkammer Entscheid STBER.2017.73 vom 11.04.2018 (SO)
Datum:11.04.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:fahrlässige Körperverletzung, pflichtwidriges Verhalten bei Unfall
Schlagwörter : Motorrad; Beschuldigte; Strasse; Motorradfahrer; Beschuldigten; Geschwindigkeit; Privatkläger; Fahrzeug; Strassenrand; Berufung; Kreuzen; Recht; Fahrbahn; Gutachten; Urteil; Beweis; Vorinstanz; Position; Parteien; Verfahren; Staat; Kurve; Privatklägers; Verfahren
Rechtsnorm:Art. 125 StGB ;Art. 45 SVG ;
Referenz BGE:120 Ia 36; 85 IV 41;
Kommentar:
Bernhard Waldmann, Thomas, Basler Kommentar Strassenverkehrsgesetz, Art. 45 SVG, 2014
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts STBER.2017.73

Urteil vom 11. April 2018

Es wirken mit:

Präsident Kiefer

Oberrichter Kamber

Ersatzrichter Winiger

Gerichtsschreiberin Lupi De Bruycker

In Sachen

Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,

Anklägerin

gegen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Nikola Bellofatto,

Beschuldigter und Berufungskläger

betreffend fahrlässige Körperverletzung


Es erscheinen zur Hauptverhandlung vor Obergericht vom 11. April 2018:

1. A.___, Beschuldigter und Berufungskläger;

2. Rechtsanwalt Nikola Bellofatto, privater Verteidiger des Beschuldigten;

3.B.___, Privatkläger und Auskunftsperson;

4. Rechtsanwalt Philipp Gressly, Rechtsvertreter des Privatklägers;

5.C.___, Sachverständiger.

Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung, stellt die Anwesenden fest und gibt die Besetzung des Gerichts bekannt. Er weist den Sachverständigen im Hinblick auf dessen Befragung ausdrücklich auf den Tatbestand sowie die Straffolgen von Art. 307 StGB hin. Er fasst das Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Dorneck-Thierstein vom 5. Juli 2017 zusammen und legt dar, in welchem Umfang dieses aufgrund der vom Beschuldigten erhobenen Berufung zu überprüfen sei (vgl. hierzu nachfolgende Ziff. I.5. und I.6.).

In der Folge skizziert der Vorsitzende den weiteren Verhandlungsablauf wie folgt:

1. Vorfragen und Vorbemerkungen der Parteien sowie Stellungnahme des Privatklägers zum Beweisantrag des Beschuldigten (vgl. Verfügung vom 3.4.2018);

2. Befragung des Privatklägers;

3. Befragung des Beschuldigten;

4. Befragung des Sachverständigen;

5. Etwaige weitere Beweisabnahmen;

6. Parteivorträge;

7. Letztes Wort der Beschuldigten;

8. Geheime Urteilsberatung;

9. Mündliche Urteilseröffnung, vorgesehen auf 16:30 Uhr.

Der Vertreter des Privatklägers, Rechtsanwalt Philipp Gressly, wirft keine Vorfragen auf. Er beantragt für den Privatkläger, das Beweismittel des Berufungsklägers (Privatgutachten der [ ]) sei zu den Akten zu nehmen, auch wenn das Privatgutachten erst kurzfristig eingeholt worden sei und sich dieses bloss zu Nebenpunkten, nicht jedoch zu den vorliegend zentralen Fragen äussere.

Der private Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Nikola Bellofatto, wirft keine Vorfragen auf. Im Sinne einer Vorbemerkung räumt er ein, dass das Privatgutachten der [ ] erst kurzfristig eingegangen sei, was auf zwei Gründe zurückzuführen sei. Zum einen habe erst die Urteilsbegründung der Vorinstanz es erforderlich gemacht, die Bremswege von einem Gutachter berechnen zu lassen. Zum anderen sei es schwierig gewesen, überhaupt jemanden zu finden, der in der Lage gewesen sei, diese technischen Berechnungen zu erstellen. Er entschuldige sich, dass es nicht möglich gewesen sei, das Privatgutachten früher einzuholen. Des Weiteren bitte er das Berufungsgericht, ihm für die Einreichung seiner Honorarnote eine kurze Nachfrist von wenigen Tagen zu gewähren.

Der Vorsitzende weist den privaten Verteidiger darauf hin, dass seine Honorarnote dem Berufungsgericht in den nächsten Stunden per Fax zugestellt werden könne, eine Nachfrist im beantragten Sinne jedoch nicht gewährt werden könne, da das Urteil noch heute gefällt werde.

Der Vorsitzende eröffnet den Parteien mündlich den Beschluss des Berufungsgerichts, wonach das Privatgutachten der [ ] vom 2. März 2018 zu den Akten genommen werde.

In der Folge werden nach vorgängiger Belehrung über die jeweiligen Rechte und Pflichten der Privatkläger als Auskunftsperson, dann der Beschuldigte und schliesslich der Sachverständige befragt (vgl. die separaten Einvernahmeprotokolle vom 11.4.2018 im obergerichtlichen Dossier sowie die CD mit den Aufnahmen).

Der Sachverständige kann nach seiner Befragung verfügen und verlässt um 9:45 Uhr den Gerichtssaal.

Nachdem von den Parteien keine weiteren Beweisanträge gestellt worden sind, wird das Beweisverfahren vom Vorsitzenden geschlossen.

Rechtsanwalt Philipp Gressly stellt und begründet für den Privatkläger folgende Anträge:

« 1. Der Beschuldigte sei in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils wegen fahrlässiger Körperverletzung, begangen am 4. Oktober 2014, schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen.

2. Dem Beschuldigten seien in Bestätigung des erstinstanzlichen Kostenentscheids die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens anteilsmässig und des zweitinstanzlichen Verfahrens vollständig aufzuerlegen.

3. Der Beschuldigte sei zu verurteilen, dem Privatkläger für das erstinstanzliche Verfahren eine anteilsmässige Parteientschädigung gemäss erstinstanzlichem Kostenentscheid und für das zweitinstanzliche Verfahren eine vollständige Parteientschädigung gemäss Kostennote zu bezahlen.»

Rechtsanwalt Nikola Bellofatto stellt und begründet hierauf im Namen und Auftrag des Berufungsklägers folgende Anträge (vgl. auch die Plädoyernotizen im obergerichtlichen Dossier):

« Es seien die Ziffern 1, 3, 4, 5 und 6 des Urteilsdispositivs des erstinstanzlichen Urteils vom 5. Juli 2017 aufzuheben, der Berufungskläger sei insbesondere vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung frei zu sprechen, es seien die Verfahrenskosten auf die Staatskasse zu nehmen und ihm eine angemessene Entschädigung auch für das zweitinstanzliche Verfahren zuzusprechen.»

Sowohl der Vertreter des Privatklägers als auch der private Verteidiger des Berufungsklägers halten in der Folge einen zweiten Parteivortrag.

Der Beschuldigte macht von seinem Recht auf das letzte Wort sinngemäss wie folgt Gebrauch:

Er sei erstaunt und belastet von der langen Dauer dieses Strafverfahrens. Er habe nie die Gelegenheit gehabt, vor der Staatsanwaltschaft zu sagen, was Sache gewesen sei, sondern es sei ihm einfach der Strafbefehl mit den Vorhalten zugestellt worden. Als grössere Belastung habe er den Vorwurf der Führerflucht empfunden, da diesem Vorhalt ein fieses Verhalten zu Grunde liege. Von diesem Vorhalt sei er von der Vorinstanz zu seiner Erleichterung freigesprochen worden. Es treffe ihn aber auch in Bezug auf den weiteren Vorhalt keine Schuld. Er sei ganz rechts und nicht mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren. Es tue ihm leid, dass Herr B.___ gestürzt sei und sich dabei Verletzungen zugezogen habe, doch dies sei nicht auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen, sondern darauf, dass Herr B.___ viel zu schnell talwärts gefahren sei und erschrocken eine Vollbremsung eingeleitet habe. Er sei nach wie vor überzeugt, nichts falsch gemacht zu haben.

In der Folge erläutert der Vorsitzende die möglichen Modalitäten der Urteilseröffnung. Beide Parteien verzichten ausdrücklich auf eine mündliche Urteilseröffnung, so dass diese schriftlich erfolgt. Es wird vereinbart, dass die Parteivertreter im Anschluss an die Urteilsberatung vorab telefonisch von der Gerichtsschreiberin kurz über den Ausgang des Verfahrens orientiert werden.

Damit endet um 11:40 Uhr der öffentliche Teil der Hauptverhandlung und das Berufungsgericht zieht sich zur geheimen Urteilsberatung zurück.

Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung:

I. Prozessgeschichte

1. Am 4. Oktober 2014 befuhr der Beschuldigte als Führer des Personenwagens (BL-[...]) zusammen mit seinen Eltern bei schönem Wetter und auf trockener Fahrbahn, von Hofstetten (SO) herkommend, die Bergmattenstrasse resp. den Bergweg in Richtung des Restaurants Bergmatten. Der Vater des Beschuldigten (D.___) sass auf dem Beifahrersitz, seine Mutter (E.___) auf dem Rücksitz. Beim Bergweg handelt es sich um eine Nebenstrasse, welche zu einem grösseren Teil durch Wald verläuft und im Gebiet Bergmatten endet. Im Bereich einer leichten Rechtskurve kam dem Beschuldigten der zur selben Zeit talwärts fahrende Privatkläger, B.___, mit seinem Motorrad SO-[...] (Yamaha MT 01) entgegen. Der Privatkläger leitete eine Vollbremsung ein, fuhr am Personenwagen des Beschuldigten vorbei, kam rechts von der Fahrbahn ab und stürzte. Bei diesem Sturz zog sich der Privatkläger diverse Verletzungen zu. Der Beschuldigte setzte seine Fahrt ohne anzuhalten in Richtung des Restaurants Bergmatten fort.

2. Mit Strafbefehl vom 7. Mai 2015 sprach die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten der fahrlässigen Körperverletzung und des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (Führerflucht) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je CHF 60.00 sowie zur Bezahlung einer Busse von CHF 1'200.00, bei Nichtbezahlung ersatzweise zu 12 Tagen Freiheitsstrafe.

Mit Eingabe vom 21. Mai 2015 erhob der Beschuldigte Einsprache. Er verlangte die Aufhebung des Strafbefehls und die Einstellung des Verfahrens, eventualiter die Befragung der Parteien und die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens.

Am 5. Oktober 2015 erteilte die Staatsanwaltschaft Herrn F.___, [ ], den Auftrag zur Erstellung eines verkehrstechnischen Gutachtens, welches am 18. Dezember 2015 mit den Unterschriften C.___ und F.___ («geprüft») vorgelegt wurde.

3. Mit Anklageschrift vom 15. Dezember 2016 überwies die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten dem Richteramt Dorneck-Thierstein zur Beurteilung in Einzelrichterkompetenz wegen fahrlässiger Körperverletzung (Art. 125 Abs. 1 StGB) und pflichtwidrigem Verhalten bei Unfall (Führerflucht), evtl. fahrlässig begangen. In Bezug auf den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung wird dem Beschuldigten vorgehalten, er sei bergwärts in der leichten Rechtskurve zu weit links gefahren, weil er sich nicht an den rechten Strassenrand gehalten habe und nicht innerhalb der rechten Fahrbahnhälfte gefahren sei. Eventuell habe er zudem die Geschwindigkeit nicht den örtlichen Verhältnissen angepasst und seine Geschwindigkeit beim Erblicken des entgegenkommenden Motorrades nicht ausreichend reduziert. Er habe sich der Verkehrsregelverletzungen des ungenügenden Rechtsfahrens, evtl. auch des Nichtanpassens der Geschwindigkeit schuldig gemacht und damit aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit die Folgen seines Verhaltens nicht bedacht.

4. Am 5. Juli 2017 fällte der Amtsgerichtspräsident von Dorneck-Thierstein das folgende Urteil:

« 1. A.___ hat sich der fahrlässigen Körperverletzung, begangen am 04. Oktober 2014, um ca. 12:20 Uhr, in Hofstetten, Bergmattenstrasse, zum Nachteil des Privatklägers, B.___, schuldig gemacht.

2. A.___ wird vom Vorwurf des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall, angeblich begangen am 04. Oktober 2014, um ca. 12:20 Uhr, in Hofstetten, Bergmattenstrasse, freigesprochen.

3. A.___ wird verurteilt zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je CHF 110.00, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 1000.00 (bei Nichtbezahlung ersatzweise zu 9 Tagen Freiheitsstrafe).

4. A.___ hat dem Privatkläger, B.___, eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 3100.00 (inkl. Auslagen und 8% MwSt.) zu bezahlen.

5. Der Staat Solothurn hat A.___ eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 6000.00 (inkl. Auslagen und 8% MwSt.) zu bezahlen.

6. Von den Verfahrenskosten von CHF 15000.00 (inkl. einer Staatsgebühr von CHF 5000.00, Kosten für Gutachtenstätigkeit von CHF 9765.35, Gerichtsauslagen, Zeugengelder) hat A.___ CHF 10000.00 zu bezahlen und CHF 5000.00 hat der Staat Solothurn zu tragen.»

5. Gegen das Urteil erhob der Beschuldigte die Berufung. Er verlangt die Aufhebung der Dispositivziffern 1, 3 - 6 sowie einen Freispruch vom Vorhalt der fahrlässigen Körperverletzung, unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.

Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Anschlussberufung und auf eine weitere Teilnahme am Berufungsverfahren.

Auch der Privatkläger verzichtete auf eine Anschlussberufung. Er verlangt aber die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils, unter Kostenund Entschädigungsfolgen.

6. Anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht vom 11. April 2018 wurde auf Antrag des Berufungsklägers das Privatgutachten der [ ] vom 2. März 2018 zu den Akten genommen und der Privatkläger, der Beschuldigte und der Sachverständige befragt (vgl. auch vorstehendes Verhandlungsprotokoll).

Das erstinstanzliche Urteil ist mit Ausnahme der bereits rechtskräftigen Ziff. 2 (Freispruch vom Vorwurf des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall) vom Berufungsgericht umfassend zu überprüfen. Für die angefochtenen Urteilspunkte ist das Verschlechterungsverbot zu beachten.

II. Beweiswürdigung

 

1. Allgemeine Ausführungen zur Beweiswürdigung

Eine Verurteilung darf nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigen mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Straftatbestand verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, N 286). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 f.) betrifft der Grundsatz «in dubio pro reo» sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweiswürdigungsregel ist die Maxime verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhalts als überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Erforderlich sind daher erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bestehen unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, so geht das Gericht gemäss Art. 10 Abs. 3 Schweizerische Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus.

2. Aussagen des Beschuldigten

Am 4. Oktober 2014 fand eine erste polizeiliche Befragung mit einem handschriftlichen, vom Beschuldigten unterzeichneten Protokoll statt (AS 15). Er sei gegen 12:20 Uhr direkt vom Einkaufen mit seinen Eltern zum Mittagessen auf die Bergmatten ins Restaurant gefahren. Sie seien mit ca. 35 - 40 km/h, sicher nicht schneller, rechts auf der Fahrbahn gefahren. Im unteren Teil, also der ersten Hälfte, sei ihnen ein Motorradfahrer, mitten auf der Fahrbahn, aber nicht ungewöhnlich schnell, entgegengekommen. Als er sie gesehen habe, habe er auf seine Seite korrigieren müssen. Er (der Beschuldigte) habe in den Rückspiegel geblickt, aber ihn nicht stürzen gesehen. Es sei kurz darauf eine Kurve gekommen. Mehr könne er dazu nicht sagen.

Vor der Vorinstanz führte der Beschuldigte aus, er sei langsam Richtung Bergmatten gefahren, mehr als 30 - 35 km/h seien das nicht gewesen. Er sei ganz rechts gefahren. Dann sei in dieser Kurve, von seiner Seite aus eine Rechtskurve, der Motorradfahrer direkt auf ihn zu gefahren. Der sei sicher schneller gefahren als er selber, er hätte 60 - 70 km/h gesagt. Genaueres könne er aber zu dieser Geschwindigkeit nicht sagen. Er sei sicher ganz rechts gefahren und er sei auch nicht dem Schacht ausgewichen, das müsse man nicht. Das Motorrad habe an ihm vorbeifahren können, ohne zu kollidieren. Wäre er nicht ganz rechts gefahren, wäre das nicht möglich gewesen. Als er das Motorrad gesehen habe, sei er sofort vom Gas gegangen. Ausweichen habe er nicht können, bremsen hätte nichts gebracht. Der Motorradfahrer sei brüsk ausgewichen, als er ihn gesehen habe, sonst wäre dieser in ihn reingefahren. Er habe nach dem Kreuzen in den Rückspiegel gesehen, da sei der Motorradfahrer noch im Sattel gesessen.

Vor Berufungsgericht bestätigte der Beschuldigte seine bisherigen Aussagen (vgl. auch separates Einvernahmeprotokoll vom 11.4.2018 sowie CD): Es treffe nicht zu, dass er in der Mitte der Strasse gefahren sei. Er sei sich sicher, ganz rechts gefahren zu sein. Er wisse dies noch genau, da er dies während der Fahrt im Auto mit seinen Eltern thematisiert habe. Den Wasserbehälter habe er wahrgenommen, wobei er ergänzen wolle, dass dieser nicht in die Fahrbahn hineingeragt habe. Es sei somit auch dort möglich gewesen, rechts zu fahren. Der Motorradfahrer sei relativ schnell gefahren, viel schneller als er selber. Dieser sei auf ihn zugefahren. Das Motorrad habe sich sicherlich nicht auf seiner Seite ganz rechts befunden und sei dann brüsk ausgewichen. Als er es erkannt habe, sei er sofort vom Gas gegangen. Er sei mit dem uralten PW seines Vaters, einem Automaten, und mit drei Insassen steil bergaufwärts gefahren. Er habe deshalb stark an Geschwindigkeit verloren, als der Motorradfahrer an ihm vorbeigefahren sei. Ganz still gestanden sei das Auto aber nicht. Er habe einen Blick in den Rückspiegel geworfen, den Motorradfahrer auf dem Sattel gesehen, darauf sei bereits die Kurve gekommen und der Motorradfahrer sei weg gewesen. Mit dem Fahrzeug seines Vaters sei er ziemlich vertraut gewesen, da er es jeweils gefahren sei, wenn er seine Eltern besucht habe. (Auf Frage) Nein, er habe nicht versucht, im Sinne einer Kurskorrektur noch näher rechts zu fahren, weil er sich mit dem Auto schon ganz rechts befunden habe. Die von ihm im Strafverfahren genannte Geschwindigkeit von etwa 35 - 40 km/h habe sich auf seine Fahrt bezogen, bevor er vom Gas gegangen sei.

3. Aussagen des Privatklägers

Der Privatkläger war ein erstes Mal auf der Unfallstelle am 4. Oktober 2014 polizeilich befragt worden; es liegt ein handschriftliches, unterzeichnetes Protokoll vor. Er sei mit seinem Motorrad vom Restaurant Bergmatten herkommend auf dem Bergweg in Richtung Hofstetten mit einer Geschwindigkeit von 40 - 45 km/h talwärts gefahren. Kurz vor einer leichten Linkskurve habe er ein Auto gesehen, welches aus der Kurve gekommen sei. Das Auto sei nicht sehr schnell gefahren. Er habe sofort eine Vollbremsung eingeleitet. Das Auto habe überhaupt nicht reagiert. Das Auto sei mitten auf der Strasse gefahren. Er habe dem Auto ausweichen müssen, sei so immer weiter an den Rand und schliesslich von der Strasse abgekommen und gestürzt. Er sei mit seinem Helm gegen einen Baumstrunk aufgeschlagen und danach zu liegen gekommen. Er sei dann das Bord hinaufgeklettert und habe festgestellt, dass das Auto ohne anzuhalten weitergefahren sei. Er kenne die Strecke gut und fahre sie ca. 5 Mal pro Woche. Er sei deshalb vorsichtig gefahren.

Vor der Vorinstanz führte der Privatkläger vorab aus, er kenne die Strecke sehr gut und er fahre seit 37 Jahren Motorrad. Er sei in guter Stimmung gewesen, auf dem Nachhauseweg, um die Katzen zu füttern und einen Mittagsschlaf zu machen; er habe Arbeitsbeginn um 03:30 Uhr. In Bezug auf seine gefahrene Geschwindigkeit gehe er vom Gutachten aus. Zur Geschwindigkeit des entgegenkommenden Fahrzeuges könne er sich nicht genau äussern, er könne nicht sagen ob es 30, 40 55 km/h gewesen seien. Er könne sich zum Ablauf nicht mehr genau erinnern, er habe sich mit dem Kopf gestossen. Das entgegenkommende Fahrzeug sei nicht dort gewesen, wo es hätte sein sollen. Was aber genau passiert sei, könne er nicht mehr sagen. Er sei in einen Schreckmoment gekommen und habe ein Bremsmanöver eingeleitet und versucht, die Korrektur zu halten und nicht zu stürzen. Er habe die Situation nicht falsch eingeschätzt; das andere Fahrzeug sei schlicht nicht auf seiner Spur gefahren. Er habe dann aus dem bisschen Platz das Beste gemacht. Er könne nicht in Zentimetern sagen, wie weit das Auto auf seiner Spur gewesen sei, es sei einfach nicht auf der Position gewesen, wie es zu erwarten gewesen wäre. Wenn das Auto ganz am Strassenrand gewesen wäre, wäre er an ihm vorbeigekommen.

Vor Berufungsgericht führte der Privatkläger zusammengefasst aus, er könne sich noch gut erinnern, wie er mit ca. 45 - 50 km/h runtergefahren sei. Er kenne die Strecke privat wie geschäftlich sehr gut. Seine Geschwindigkeit sei ganz normal gewesen. Er fahre dort immer diese Geschwindigkeit. Das Auto sei nicht von seiner Fahrerseite, d.h. nicht von dort gekommen, wo es hingehört hätte. Als er es auf seiner Fahrerseite erkannt habe, sei er ins Bremsmanöver eingestiegen. Aufgrund seiner 35-jährigen Erfahrung als Motorradfahrer habe er die Bremseinleitung optimal ausgeführt, er habe aber zu wenig Platz gehabt, um sich auf der Teerspur zu halten, und er sei talwärts den Wald hinuntergestürzt. Er habe keine anderen technischen Mittel gesehen, um irgendwie anders zu fahren. Er sei auf seiner Seite gefahren. Er habe anfänglich wahrnehmen können, dass das Auto seine Geschwindigkeit nicht reduziert habe. Dann, als er talwärts in den Wald gestürzt sei, habe er nichts mehr sehen können. (Auf die Frage, ob er erschrocken sei, als das Auto aufgetaucht sei) Er sei sicherlich überrascht gewesen, weil das Auto nicht auf seiner Seite gekommen sei und vor allem auch, weil es nicht angehalten und nichts gemacht habe. Deshalb sei es von ihm auch zur brüsken und sehr intensiven Bremseinleitung gekommen. (Danach befragt, ob für ihn die Fahrt mit dem blockierten Hinterrad eine aussergewöhnliche Situation gewesen sei) Das Blockieren des Hinterrades könne immer wiedermal vorkommen, beispielsweise auf einer nassen Strasse, aber nicht im vorgenannten Kontext, d.h. auf einer Bergstrasse und in einer solchen Enge. Er könne sich nicht erinnern, so etwas schon mal erlebt zu haben. Das sei eine gefährliche Situation, man habe ja gesehen, was in der Folge passiert sei. (Im Zusammenhang mit seiner Aussage, das Auto sei nicht dort gewesen, wo es hingehört hätte: Ob er einen Abstand des Autos zum Strassenrand wahrgenommen habe) Den Abstand des Autos zum rechten Strassenrand habe er nicht beurteilen können. Er könne keine konkrete Angabe (Anzahl cm) machen. Er könne aber sagen, dass der Autofahrer nicht angehalten und auch keinen Schwenker gemacht habe.

4. Aussagen der im Auto mitfahrenden Eltern des Beschuldigten

4.1 E.___, die zwischenzeitlich verstorbene Mutter des Beschuldigten, sagte in der polizeilichen Befragung am Unfalltag, sie seien korrekt am Strassenrand gefahren, als ihnen ein Motorrad ca. in der Mitte der Strasse entgegengekommen sei. Wie schnell der Motorradfahrer gefahren sei, könne sie nicht sagen. Als dieser vor ihrem PW gewesen sei, sei er erschrocken und habe eine Ruckbewegung mit dem Lenker gemacht. Sie habe gesagt, «jösses Gott, wie der uns jetzt entgegenkam».

Vor der Vorinstanz als Zeugin befragt, sagte E.___, es sei so ein «Töff» ein «Töffli» um die Kurve gekommen. Sie habe im Auto gesagt, dass das ein Spinner sei. Sie könne nicht sagen, wie schnell der gefahren sei. Sie selber seien nicht sehr schnell unterwegs gewesen. Sie seien ziemlich am Rand gefahren, sie hätten nicht mehr weiter rüber fahren können. Der, der wie ein Spinner gefahren sei, sei ein wenig weiter in der Mitte gefahren, sie selber seien auf ihrer Seite gewesen. Beim Kreuzen sei es knapp gewesen, eventuell hätten sie sich noch gestreift, sie glaube es aber nicht. Nach der Reaktion des Motorradfahrers gefragt, machte die Zeugin eine Lenkbewegung mit den Händen. Er sei so schräg gewesen, sie habe das Gefühl gehabt, er sei erschrocken.

4.2 D.___, der Vater des Beschuldigten, sagte am Unfalltag einzig aus, es sei ihnen ein Motorradfahrer zu schnell und mitten auf der Fahrbahn entgegengekommen. Mehr möchte er nicht dazu sagen.

Vor der Vorinstanz als Zeuge befragt, führte er aus, sie würden immer auf der rechten Seite fahren, sie hätten dort schon unzählige Male Autos gekreuzt. An diesem Tag sei ihnen mitten auf der Strasse ein Motorrad entgegengekommen. Der Motorradfahrer sei vom Auto überrascht worden, habe den Lenker abrupt nach rechts ziehen müssen und sei an ihnen vorbeigefahren. Sie seien vielleicht mit 30 - 35 km/h unterwegs gewesen, das sei eine Schätzung. Wie schnell das Motorrad gefahren sei, könne er nicht beurteilen. Der Motorradfahrer habe sofort nach rechts lenken müssen, sonst wäre er in sie hineingefahren, da er in der Mitte gewesen sei. Er sei überrascht worden.

5. Polizeirapport/Strafanzeige (AS 6 ff.)

Bei der Bergmattenstrasse handle es sich um eine 4 m breite Nebenstrasse, welche von Hofstetten in das Gebiet Bergmatten führe und dort ende. Sie werde vor allem von Wanderern und Gästen des Restaurants Bergmatten benutzt und sei nur schwach befahren. Die Strasse sei mit Höchstgeschwindigkeit 80 km/h signalisiert, die Strasse sei trocken und die Witterung schön gewesen. Die Unfallstelle befinde sich in einer schwachen Kurve. Die Unfallstelle sei genügend breit, dass dort ein PW und ein Motorrad kreuzen könnten. Der PW weise eine Breite von 1765 mm auf, das Motorrad eine solche von 800 mm. Die auf dem Strassenbelag sichtbare Bremsspur des Motorrades beginne 0.95 m vom rechten Fahrbahnrand und verlaufe geradeaus und führe so infolge Kurve zum rechten Fahrbahnrand hin. Es sei damit eine Restbreite von 3.05 m zum Kreuzen geblieben, was ausgereicht hätte, wenn der PW-Lenker am rechten Fahrbahnrand gefahren wäre. Nach der Auffassung des rapportierenden Polizisten könnten die Aussagen, wonach der Motorradfahrer in der Fahrbahnmitte gefahren sei, nicht stimmen, weil die Bremsspur am rechten Fahrbahnrand beginne und konstant geradeaus verlaufe. Er vertritt ebenso die Meinung, der Beschuldigte hätte den Motorradfahrer im Rückspiegel trotz Kurve noch sehen müssen, wenn dieser nicht von der Strasse abgekommen und gestürzt wäre.

6. Gutachten des [ ] (AS 196 ff.)

6.1 Im Sinne einer Vorbemerkung ist festzustellen, dass dem Gutachter auch Rechtsfragen (der Verteidigung) unterbreitet worden sind (vgl. Frage 3.2. lit. h, ob der Motorradfahrer mit der den Verhältnissen angepassten Geschwindigkeit gefahren sei, und lit. j, ob das Motorrad dem bergwärts fahrenden Fahrzeug den Vortritt verweigert habe). Es ist dies aber kein Mangel, der die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens an sich erschüttern würde.

6.2 Das Gutachten enthält die folgenden wesentlichen Angaben zum Unfallhergang:

-        Die bereits von der Polizei festgestellte Bremsspur des Motorrades des Geschädigten weist eine Länge von 14.6 m auf. Die Bremsspur, beginnend auf der Fahrbahn 0.95 m vom Strassenrand entfernt, führt infolge der Kurve kontinuierlich gegen den Strassenrand, wo sie in den Grünstreifen neben der Fahrbahn übergeht.

- Ausgehend von einer Sturzgeschwindigkeit am Ende der Bremsspur von 13 - 19 km/h hatte das Motorrad eine Ausgangsgeschwindigkeit zu Beginn der Bremsung von 47 - 56 km/h.

- Der PW ist 1.76 m breit, inkl. Aussenspiegel 2.02 m. Das Motorrad hatte, in der Kurve mit einem Neigungswinkel zwischen 14 - 19 Grad gemessen, eine Breite von 0.9 - 1 m. Der Gutachter stellt auf S. 7 seines Gutachtens mit dem minimalen und dem maximalen Neigungswinkel des Motorrades die Platzverhältnisse während dem Kreuzen dar, unter der Annahme eines Reifenabstandes des PW vom Strassenrand von 0.27 m: Die beim Kreuzen verbleibende Distanz hätte so zwischen 17 - 27 cm betragen.

- Es gibt keine objektiven Hinweise für die Fahrlinie des PW. Es ist nicht möglich, die vom PW wirklich gefahrene Distanz zum Strassenrand zu bestimmen.

- Das Motorrad hätte bei einer Geschwindigkeit von 56 km/h mit der Annahme einer Bremsverzögerung von 6m/s2, einer Bremsschwellzeit von 0.4 s und einer Reaktionszeit von 0.8 s einen Anhalteweg von 35.7 m gehabt, bei 47 km/h einen solchen von 32 m. Die Sichtweite um die Kurve betrug mehr als 40 m.

-        Das Motorrad war nicht mit ABS ausgerüstet.

- Die Fahrbahnbreite betrug auch im Bereich des Wassersammlers 4.0 m.

- Es gibt keine Hinweise auf technische Mängel des Motorrades.

6.3 Im Anhang zum Gutachten finden sich 2 Unfallpläne (AS 215 und 216), je mit einer minimalen und einer maximalen Variante (welche sich auf die vom Motorradfahrer gefahrene Geschwindigkeit beziehen). Daraus ergeben sich die folgenden gutachterlichen Feststellungen (es werden nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» die Zahlen für die höhere Geschwindigkeit des Motorrades eingesetzt, also die maximale Variante gemäss AS 216).

-        Im Moment, als der Motorradfahrer den PW erblickte und zu reagieren begann, war der PW genau neben dem Wassersammler (13.5 m vor FXP). In diesem Moment waren die Fahrzeuge 46.5 m voneinander entfernt.

-        Das Motorrad fuhr nach der ersten Reaktion noch 18.4 m weit, bis die Bremsspur zu zeichnen begann. In diesem Moment des Beginns der Vollbremsung war der PW bereits 12.5 m nach dem Wassersammler und noch 15.6 m vom Motorrad entfernt.

-        Als das Motorrad die Position erreichte, wo es von der Strasse abkam (= FXP), war der PW bereits 4.5 m davon entfernt.

7. Aussagen des Experten

7.1 Vor erster Instanz gab der Sachverständige an, die Aussagen, wonach der Motorradfahrer vor dem Bremsmanöver noch einen Schlenker gegen den Strassenrand gemacht habe, sehe er nicht nur im allerkleinsten Masse. Es wären dazu sehr hohe Anforderungen an das Können des Motorradfahrers nötig, um nach einem Schlenker eine solche Spur zu legen. Bei der Darstellung der Platzverhältnisse beim Kreuzen in der Grafik (Gutachten S. 7) habe er in Bezug auf den Abstand des PW zur Strasse eine Annahme getroffen. Es gebe keine optischen Hinweise für den Standort des PW. Man sehe aus der Grafik, dass es so zu keiner Kollision komme. Es gebe aber einen psychologischen Effekt, wenn man so knapp an einem Fahrzeug vorbeifahren müsse. Das führe logischerweise zu einer Reaktion, Platz zu gewinnen und Geschwindigkeit abzubauen. Es habe tatsächlich zwischen den Fahrzeugen beim Kreuzen keinen Kontakt, keine Kollision gegeben. Angesprochen auf den Satz im Gutachten auf S. 7 oben: «Lediglich die situative Einschätzung des Motorradfahrers muss zur Annahme geführt haben, dass der verfügbare Platz nicht zum Kreuzen reicht, worauf dieser das Bremsmanöver einleitete»: Wenn man auf diese Kurve zufahre und das Fahrzeug komme einem entgegen, wisse man nicht, dass es noch 20 - 30 cm zur Verfügung habe. Wenn es so eng werde, sage einem der Körper, man müsse reagieren und etwas machen. In den allermeisten Fällen werde ein normalroutinierter Fahrer abbremsen.

7.2 Vor Obergericht erörterte der Sachverständige auf die entsprechenden Fragen des Referenten folgende Aspekte des Gutachtens: Auf beiden Plänen im Gutachten (AS 215 und 216) sei aus Platzgründen die Position, wo es zur Kreuzung der beiden Fahrzeuge gekommen sei, nicht eingetragen worden. Die erste auf dem Plan 1 eingezeichnete Position des Motorrades (umschrieben mit «wenn der Motorradfahrer auf den PW reagiert») entspreche dem ersten Sichtkontakt. Dort habe der Motorradfahrer das Fahrzeug des Beschuldigten erstmals sehen können. Die seitliche Position (= 0.95 m vom rechten Strassenrand entfernt) sei bei diesem ersten Punkt dieselbe wie beim Punkt, wo die Bremsspur beginne (= 15.4 m weiter unten), weil es für eine andere Position des Motorrades schlicht keine objektiven Anhaltspunkte gebe. Er gehe davon aus, dass der Motorradfahrer mehr weniger parallel zum Strassenrand gefahren sei und auch der erste Teil der Bremsspur verlaufe ungefähr parallel zum Strassenrand. Die berechnete Geschwindigkeit des Motorrades (47 - 56 km/h) beziehe sich auf den Zeitpunkt vor der einsetzenden Verzögerung, d.h. vor der sog. Bremsschwellphase (= Zeitphase zwischen dem Einsetzen der Verzögerung und dem Erreichen der maximalen Verzögerung). Er habe keine Anhaltspunkte dafür, dass es bereits vorher zu einer Geschwindigkeitsreduktion gekommen sei. Während der sog. Reaktionszeit, die der Bremsschwellphase vorausgehe, finde üblicherweise keine Verzögerung statt. Er gehe deshalb davon aus, dass das Motorrad schon vorher, d.h. bei Punkt 1 (= 33 m vor FXP gemäss Plan 2 bzw. 30 m vor FXP gemäss Plan 1), mit einer Geschwindigkeit von 47 - 56 km/h gefahren sei. Ja, die Auslegung der gutachterlichen Ausführungen auf S. 7 (oben) sei zutreffend, wonach objektiv der verfügbare Platz zum Kreuzen gereicht habe, der Motorradfahrer die Situation aber enger eingeschätzt habe, als sie es tatsächlich gewesen sei, und deshalb gebremst habe. Ebenso treffe zu, dass es für die Fahrlinie des PWs keine objektiven Anhaltspunkte gebe. Die von ihm im Gutachten aufgeführte Position (= Karosserie 24 cm bzw. Reifen 27 cm vom rechten Strassenrand entfernt) sei eine reine Annahme. Er könne bestätigen, dass es dem Beschuldigten aufgrund der objektiven Beschaffenheit des Strassenrandes im mutmasslichen Kreuzungsraum, d.h. nach dem Wassersammler, möglich gewesen sei, ganz rechts zu fahren. Er wolle von sich aus lediglich ergänzen, dass sich nach seiner Synchronisation im Gutachten das Auto ungefähr beim Wassersammler befunden habe, als es zum ersten Sichtkontakt mit dem Motorrad gekommen sei, und an dieser Stelle dem Beschuldigten eine solche Fahrweise nicht möglich gewesen sei, da sonst die Karosserie am Wassersammler beschädigt worden wäre. Nach dem Wassersammler sei eine solche Fahrweise aber sehr wohl möglich gewesen. Ausgehend von der Annahme, der Beschuldigte sei mit einem Abstand von 0 - 14 cm zum rechten Strassenrand gefahren, treffe es zu, dass das gesamte Fahrzeug des Beschuldigten auf der eigenen Fahrbahnhälfte von 2 m geblieben wäre und dann gemäss den Ausführungen im Gutachten auf Seite 13 lit. i das Kreuzen problemlos möglich gewesen sei. (Auf Frage) Ja, sofern das Auto nur seine eigene Fahrbahnhälfte beansprucht habe, sei die Frage, ob es mit 30, 35 40 km/h gefahren sei, für die Beurteilung des problemlosen Kreuzens ohne jegliche Relevanz. Des Weiteren bestätigte der Sachverständige, dass der vom Beschuldigten gefahrene PW nicht als besonders breites Fahrzeug einzustufen und tendenziell eher schmäler als heutige Mittelklassefahrzeuge sei. (Auf Frage) Ja, das Hinterrad des Motorrades habe 14.6 m vor dem FXP zu zeichnen begonnen und die Bremsspur habe bis zum Absturzort weitergezeichnet. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, das Hinterrad des Motorrades sei in der Folge während 14.6 m ununterbrochen blockiert gewesen, denn selbst ein nur leicht drehendes Rad könne noch eine Bremsspur zeichnen, es komme nämlich hierfür nicht auf das blockierte Rad, sondern auf den Schlupf des Rades an. Es sei aber festzuhalten, dass das Hinterrad sicherlich über eine längere Zeit blockiert gewesen sei und sich das Motorrad während des Kreuzens in der Vollbremsphase befunden habe. (Auf die Frage, ob das vom Motorradfahrer ausgeführte Bremsmanöver der Situation angemessen gewesen sei) Ja, das sei so. Man müsse als Motorradfahrer verhindern, dass das Vorderrad ganz blockiere. Man erzeuge zuerst eine starke Bremswirkung auf dem Hinterrad, was eine Radlastveränderung auf das Vorderrad bewirke. Dadurch werde dieses Rad stärker am Boden angepresst und es könne mehr Verzögerung übertragen und somit mehr Geschwindigkeit abgebaut werden. Man versuche als Motorradfahrer, mit dem Hinterrad möglichst nahe am Blockierpunkt zu fahren, ohne aber über eine längere Distanz mit vollständig blockiertem Hinterrad zu fahren, da das Rad sonst auf die eine andere Seite weggleiten und es zum Sturz kommen würde. (Ob es dem Motorradfahrer in der konkreten Situation nach seiner Erfahrung möglich gewesen wäre, stark zu bremsen, ohne dass es zum Blockieren des Hinterrades und damit zu einer Stabilitätseinbusse gekommen wäre). Es sei zu beachten, dass dem Motorradfahrer sehr wenig Zeit zur Verfügung gestanden habe, um die entsprechenden Regulierungen von Hand vorzunehmen. Er habe über kein ABS verfügt. Es sei zum einen eine sehr starke Bremsung gewesen, wobei die konkrete Situation dies wohl auch verlangt habe. Wenn sich dann zum anderen in der letzten Phase der Fahrt ein Sturz abzeichne, würde er sich selber in der Situation des Motorradfahrers nicht mehr um die optimale Bremsung, sondern um die grösstmögliche Geschwindigkeitsreduktion bemühen, damit der Sturz nicht zu schwer ausfalle. (Auf die Ergänzungsfrage des Verteidigers) Die halbe Sichtweite habe für den Motorradfahrer gemäss Plan 1 des Gutachtens 21.75 m ([30 m + 13.5 m]): 2) betragen und es sei nicht wahrscheinlich, dass das Motorrad innerhalb dieser halben Sichtweite zum Stillstand hätte kommen können.

8. Beweisergebnis der Vorinstanz

«Der Beschuldigte fuhr um ca. 12:20 Uhr mit dem PW auf dem Bergweg bergwärts in Richtung Bergmatten, mit einer Geschwindigkeit von 35 km/h und dem rechten Rückspiegel bündig zum rechten Strassenrand. Zur selben Zeit fuhr der Privatkläger mit seinem Motorrad, mit einer Geschwindigkeit von 47 bis 56 km/h und einem seitlichen Abstand zum Strassenrand von 0.95 m, talwärts auf dem Bergweg in Richtung Hofstetten. Im Bereich einer, aus Sicht des Privatklägers, leichten Linkskurve leitete dieser nach Erblicken des entgegenkommenden PW, welcher mit mindestens 2 cm seine Fahrbahnhälfte befuhr, auf Grund der beengten Platzverhältnisse eine kontrollierte Vollbremsung ein, wodurch er weil er während einer Bremsung nur geradeausfahren kann infolge der Linkskurve von der Fahrbahn abkam. Nach Verlassen der Fahrbahn verlor er im Bereich des Grünstreifens die Kontrolle über das Motorrad, wodurch er stürzte. Als er den Motorradfahrer bemerkte, ging der Beschuldigte vom Gas und blickte nach dem Kreuzen in den Rückspiegel, wo er den Privatkläger noch auf dem Motorrad sitzend resp. fahrend sah. Der Beschuldigte setzte sodann seine Fahrt in Richtung Bergmatten fort, wobei der Motorradfahrer aufgrund der folgenden Kurve nicht mehr in seinem Sichtfeld war. Beim Sturz zog sich der Privatkläger die in Erwägung II.C.d. hievor genannten Verletzungen zu».

9. Beweisergebnis des Berufungsgerichts

Aufgrund des schlüssigen Gutachtens, das anlässlich der Berufungsverhandlung vom Sachverständigen eingehend erläutert wurde (vgl. hierzu vorstehende Ziff. II.7.2 sowie das Einvernahmeprotokoll des Sachverständigen vom 11.4.2018), ist die Fahrt des Privatklägers einigermassen nachvollziehbar. Er fuhr mit seinem schweren Motorrad (Betriebsgewicht von 334 kg, vgl. AS 198) auf dem Bergweg talwärts in Richtung Hofstetten mit einer Geschwindigkeit von 47 - 56 km/h, als ihm (aus seiner Sicht) in einer leichten Linkskurve der PW mit dem Beschuldigten am Steuer entgegenkam. Für die Fahrweise des Beschuldigten gibt es keine objektiven Anhaltspunkte. Nach seinen eigenen Angaben, die von seinen im Fahrzeug mitfahrenden Eltern weitgehend bestätigt worden sind, fuhr er ganz am rechten Strassenrand mit einer Geschwindigkeit von etwa 35 km/h (zur Frage der Fahrposition beim Wassersammler vgl. die Ausführungen auf nachfolgender S. 15). Als er das Motorrad erblickte, ging er so seine Aussage vom Gas. Es hatte einzig der Privatkläger in seiner ersten Aussage am Unfallort ausgesagt, der Beschuldigte sei mitten auf der Strasse gefahren. Vor der Vorinstanz relativierte er diese Aussage: Der PW sei nicht dort gewesen, wo er hätte sein sollen. Dies war auch seine Aussage vor Berufungsgericht: Der Beschuldigte sei nicht dort gefahren, wo er hingehört hätte, wobei er wiederum relativierend hinzufügte, er habe den seitlichen Abstand nicht beurteilen können, er können hierzu keine Angaben machen. Wenn der ganz rechts gefahren wäre, wäre er an ihm vorbeigekommen.

Genau das war aber der Fall: Die beiden Fahrzeuge, der vom Beschuldigten gelenkte alte PW, der kein breites, sondern vergleichsweise schmales Auto war, und das Motorrad des Privatklägers, haben sich gekreuzt, ohne sich zu berühren und dies in einer prekären Situation: Im Zeitpunkt des Kreuzens befand sich das Motorrad gemäss den Ausführungen des Gutachters in der Vollbremsphase und während des heftigen Bremsmanövers war das Hinterrad über eine längere Zeit blockiert. Es herrschten zum Kreuzen in der Tat enge Verhältnisse, wie das der Gutachter mit den Abb. 8 und 9 S. 7 des Gutachtens aufgezeigt hat. Der Gutachter nahm an, der Beschuldigte sei mit den Reifen 27 cm vom rechten Fahrbahnrand entfernt gefahren, so dass die Karosserie genau in der Mitte der Fahrbahn geendet, der Rückspiegel noch in die Gegenfahrbahn geragt hätte und der Motorradfahrer in einem Abstand von 0.17 - 0.27 cm in Schräglage am Auto vorbeigefahren wäre. Der Gutachter hielt im Gutachten auf S. 7 (oben) fest, es habe lediglich die situative Einschätzung des Motorradfahrers zur Annahme geführt, dass der verfügbare Platz nicht zum Kreuzen reiche. Es hat ja tatsächlich gereicht. Der Gutachter führte dazu vor der Vorinstanz (AS 373) aus, wenn man mit einem Motorrad eine Kurve fahre und es komme ein Fahrzeug entgegen, könne man nicht genau wissen, dass man da noch 20 - 30 cm zur Verfügung habe. Wenn es so eng werde, sage der Körper, man müsse reagieren, ein normalroutinierter Fahrer würde abbremsen.

 

Es ist in Bezug auf die Position des Personenwagens eine Ergänzung wichtig: Wie aus Abb. 14 und 25 des Gutachtens (AS 203 und 213) ersichtlich, war der unmittelbare rechte Strassenrand für den PW ungehindert befahrbar. Lediglich auf der Höhe des Wassersammlers, der sich gemäss Abb. 15 und Abb. 27 des Gutachtens (AS 203, 214) am rechten Strassenrand befand, soll es dem Beschuldigten gemäss den Ausführungen des Gutachters vor Obergericht nicht möglich gewesen sein, ganz rechts zu fahren, da sonst die Karosserie des Personenwagens beschädigt worden wäre. An dieser Stelle befand sich das Auto, als der Motorradfahrer erstmals vom Beschuldigten erblickt wurde und zwischen den beiden Fahrzeugen eine Entfernung von 46.5 m (33 m + 13.5 m) bestand. Unmittelbar danach und insbesondere in der darauffolgenden Kreuzungsphase hätte der Beschuldigte aber wieder, wie dies vom Gutachter vor Berufungsgericht explizit bestätigt worden ist, auch mit dem Reifen ganz rechts an den Strassenrand fahren können, womit noch 27 cm mehr Platz zum Kreuzen vorhanden gewesen wären, als dies der Gutachter auf S. 7 (Abb. 8 und 9) angenommen hatte. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass er das nach dem Erkennen des entgegenkommenden Motorrades auch tatsächlich so gemacht hat. Da sich die Räder auf jeder Seite 3 cm innerhalb der Karosserie befinden (siehe Abb. 8 und 9, Gutachten S. 7), hätte sich damit das ganze Fahrzeug inkl. Spiegel auf der eigenen Fahrbahnhälfte von 2 m befunden und es wäre auch nicht wie das die Vorinstanz angenommen hat um 2 cm in die Gegenfahrbahn hineingeragt. Wäre der Personenwagen mit dem rechten Reifen am Strassenrand gefahren, hätte er inkl. linker Spiegel 1.86 m beansprucht (der rechte Spiegel von 0.13 m und 3 cm der Karosserie hätten rechts über den Strassenrand geragt). Bei einem seitlichen Reifen-Abstand von 0 - 14 cm zum rechten Strassenrand blieb der Personenwagen also vollständig auf seiner Fahrbahnhälfte von 2 m. Diese Berechnungen zeigen auch, dass der Beschuldigte selbst auf der Höhe des Wassersammlers nicht die andere Fahrbahnhälfte beanspruchen musste.

Zu Gunsten des Beschuldigten muss von seinen eigenen Aussagen ausgegangen werden: Er war mit dem 18-jährigen PW mit seinen Eltern in ruhiger Fahrt mit ca. 35 km/h unterwegs. Unmittelbar nachdem der Beschuldigte den Motorradfahrer auf der Höhe des Wassersammlers erblickt hatte, fuhr er ganz am rechten Strassenrand und ging vom Gas, wodurch sich die Geschwindigkeit des bergaufwärts fahrenden Fahrzeuges reduzierte. Die Aussagen des Beschuldigten werden gestützt durch den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse: Obwohl enge Verhältnisse herrschten und der Motorradfahrer knapp 1 m vom Strassenrand und in der Kurve in Schräglage fuhr, konnten die beiden Fahrzeuge kreuzen. Es ist nicht erstellt, dass das Auto des Beschuldigten jemals in die Fahrbahnhälfte der Gegenfahrbahn geragt hätte, wobei selbst das objektiv nicht geschadet hätte, da die Abbildungen im Gutachten S. 7 zeigen, dass das Kreuzen auch in diesem Fall möglich gewesen wäre. Es ist mit dem Gutachter davon auszugehen, dass der Motorradfahrer in der Annahme, der Platz sei für das Kreuzen zu eng, voll abbremste. Er hatte so heftig abgebremst, dass das Hinterrad gemäss den Ausführungen des Sachverständigen vor Berufungsgericht mindestens über eine längere Zeit blockierte und der Privatkläger in der Folge abstürzte.

Der Vorhalt in der Anklage, der Beschuldigte sei ungenügend rechts gefahren, er habe sich nicht an den rechten Strassenrand gehalten, ist nicht erstellt. Insoweit besteht mit der Vorinstanz ein übereinstimmendes Beweisergebnis. In Bezug auf das Nichtanpassen der Geschwindigkeit ist folgendes Beweisergebnis festzuhalten: Der Beschuldigte fuhr mit ca. 35 km/h und ging vom Gas, womit die Geschwindigkeit im Zeitpunkt des Kreuzens unterhalb von 35 km/h gelegen haben musste (der Beschuldigte fuhr bergwärts, als er vom Gas ging). Für den in der Anklage formulierten Vorhalt, es habe der korrekt talwärts fahrende Motorradfahrer als Folge der vom Beschuldigten nicht ausreichend reduzierten Geschwindigkeit eine Bremsung einleiten müssen, gibt es keinen Beweis.

In Anbetracht dieses klaren Beweisergebnisses kann die Frage, ob es in Bezug auf den Vorhalt des ungenügenden Rechtsfahrens aufgrund des geltenden Verschlechterungsverbotes überhaupt zu einem anderen Resultat hätte kommen können, offengelassen werden.

III. Rechtliche Würdigung

1. Der Vorhalt des ungenügenden Rechtsfahrens ist nicht nachgewiesen und kann nicht als Grundlage für eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung dienen. Dieses Resultat entspricht jenem der Vorinstanz. Es wird nachfolgend darauf nochmals einzugehen sein.

2. Zu prüfen ist der von der Vorinstanz bejahte Vorhalt des Nichtanpassens der Geschwindigkeit. Dieser Vorhalt bezieht sich gemäss Anklageschrift auf die Fahrt des Beschuldigten «beim Erblicken des entgegenkommenden Motorradlenkers» (AKS Ziff. 1), nicht hingegen wie dies vom Vertreter des Privatklägers vor Obergericht behauptet wurde auf die Fahrt des Beschuldigten vor dem Kurvenbereich, d.h. vor der ersten Reaktionsmöglichkeit auf den Motorradfahrer.

Der Beschuldigte war mit ca. 35 km/h bergwärts langsam unterwegs und ging vor dem Kreuzen mit dem Motorrad noch vom Gas, was zu einer noch tieferen Geschwindigkeit führte. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern bei diesem Beweisergebnis der Beschuldigte die Geschwindigkeit den Verhältnissen nicht angepasst haben sollte, zumal die Vorinstanz in US 19 gleichzeitig die vom Privatkläger mit dem Motorrad talwärts gefahrene und deutlich höhere Geschwindigkeit von 56 km/h als angemessen bezeichnete. Die Annahme der Vorinstanz, der bergwärts fahrende Beschuldigte hätte bis zum Stillstand abbremsen müssen, ist wie nachfolgend aufgezeigt wird unzutreffend.

Die Vorinstanz begründet ihren Schuldspruch vorab damit, das Fahrzeug des Beschuldigten habe selbst bei rechtsbündigem Fahren noch 2 cm auf die Gegenfahrbahn geragt, weshalb er den erforderlichen Zwischenraum zum Kreuzen nicht habe gewähren können, womit er eine Gefahrenlage geschaffen und dadurch sein Vortrittsrecht als bergwärts fahrendes Fahrzeug nach Art. 45 Strassenverkehrsgesetz (SVG, SR 741.01) verloren habe. Diese Argumentation ist falsch:

-        Wie aus dem Gutachten S. 7 (Abb. 8 und 9) ersichtlich, ist die Fahrzeugbreite 2.02 m von Spiegelende zu Spiegelende. Wenn aber das Fahrzeug mit dem rechten Rad am Strassenrand fährt, ragt der rechte Spiegel über den Strassenrand und der linke Spiegel nicht über die eigene Fahrbahnhälfte von 2 m hinaus (auf Abbildung 8 kann das Fahrzeug noch max. 27 cm weiter rechts am Strassenrand fahren; dann benötigt die Karosserie noch 1.73 m plus 1 Spiegel (0.13 m) = 1.86 m).

-        Der Gutachter kommt zum Schluss, dass im vorliegenden Fall ein Kreuzen dieser beiden Fahrzeuge problemlos möglich war (Gutachten S. 13 lit. i), wenn der PW mit seinem äussersten Punkt höchstens bis zur Strassenmitte gelangt war; und das war gemäss obiger Berechnung möglich bei einem Abstand Rad-Strassenrand zwischen 0 - 14 cm.

-        Aber selbst bei der Annahme des Gutachters in Abb. 8 und 9 (S. 7), der PW sei mit dem Rad 27 cm und mit der Karosserie 24 cm vom rechten Strassenrand gefahren, war ein Kreuzen mit einem mit 47 - 56 km/h und mit einem Strassenabstand von 0.95 cm fahrenden Motorrad möglich.

-        Es ist aber nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» und aufgrund des Fehlens von objektiven Anhaltspunkten für ein anderes Resultat davon auszugehen, dass der Beschuldigte mit seinem PW möglichst knapp am rechten Strassenrand fuhr. Zu Recht hat denn auch die Vorinstanz den Vorhalt des ungenügenden Rechtsfahrens verneint.

Fazit: Die Einschätzung der Vorinstanz (US 19), es habe der Beschuldigte mit seinem Fahrzeug den erforderlichen Zwischenraum beim Kreuzen nicht gewähren können und er habe dadurch eine Gefahrenlage geschaffen, ist daher nicht zutreffend. Wie oben zitiert, war die Situation zwischen dem PW und dem Motorrad aufgrund des Gutachtens unter der Annahme des Rechtsfahrens des PW sogar so, dass ein Kreuzen problemlos möglich war.

Der von der Vorinstanz zitierte Art. 45 SVG war vom Strassenverlauf her grundsätzlich anwendbar; es handelt sich um eine 4 m breite Bergstrasse mit einem Gefälle von 10 % im Kreuzungsbereich (Gutachten S. 3). Dieser Art. 45 SVG stellt Regeln auf für:

a) ein schwieriges (aber mögliches) Kreuzen (Abs. 1 Satz 2);

b) ein unmögliches Kreuzen (Abs. 1 Satz 3).

Der zweite Fall ist vorliegend nicht relevant, da ein Kreuzen möglich war. Es ist aber nach dem vorliegenden Beweisergebnis auch der erste Fall nicht gegeben, da nach obigem Beweisergebnis bei korrekter Fahrweise die beiden Fahrzeuge kreuzen konnten, ohne die Fahrzone des anderen beanspruchen zu müssen (Nina Rindlisbacher, in: Marcel Alexander Niggli/Thomas Probst/Bernhard Waldmann [Hrsg.], Basler Kommentar Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, Art. 45 SVG N 11).

Aber selbst wenn die Annahme der Vorinstanz, der Personenwagen des Beschuldigten habe auch bei rechtsbündigem Fahren aufgrund der Fahrzeugbreite mit Spiegel von 2.02 m über seine eigene Fahrzone von 2 m um 2 cm hinausgeragt, richtig wäre (was sie aber nicht ist), war die Schlussfolgerung, der Beschuldigte habe damit seine Vortrittsberechtigung nach Art. 45 Abs. 1 SVG verloren (US 19), nicht zutreffend. Wenn ein breites Fahrzeug korrekt bergwärts gefahren wird und es zu einer schwierigen Kreuzungssituation kommt, so greift die Regel von Art. 45 Abs. 1 Satz 2 SVG. Das heisst, das abwärtsfahrende Fahrzeug (auch wenn es das schmalere ist) ist vortrittsbelastet und hat falls nötig rechtzeitig anzuhalten. Diese Verpflichtung des talwärts Fahrenden zum Anhalten geht auf die Überlegung zurück, dass dem abwärts Fahrenden das Wiederanfahren leichter fällt als dem aufwärts Fahrenden und er eine bessere Übersicht über die Fahrbahn hat und daher müheloser am Fahrbahnrand manövrieren kann (BGE 85 IV 41, E. 2). Das galt auch für den talwärts fahrenden Privatkläger auf dem Motorrad. Nur der Vollständigkeit halber: Die Einschränkung von Art. 38 Abs. 1 Verkehrsregelnverordnung (VRV, SR 741.11), wonach die Kreuzungsregel nach Art. 45 SVG nur bei «gleichartigen Fahrzeugen» gelte, kommt hier von vornherein nicht zum Tragen, da diese nur zur Anwendung kommt, wenn die Fahrzeuge im Sinne von Art. 45 Abs. 1 Satz 3 SVG nicht Kreuzen können und eines der Fahrzeuge zurückfahren muss.

Zu keinen anderen rechtlichen Schlussfolgerungen führt die vom Vertreter des Privatklägers vor Obergericht zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung (6B_801/2015 vom 22.2.2016, 6B_432/2013 vom 12.12.2013, 6B_126/2017 vom 1.6.2017, 6B_51/2012 vom 3.4.2012). Diesen Entscheiden lag im Unterschied zum vorliegenden Fall eine Kollision zweier Fahrzeuge zugrunde und auch in Bezug auf die Fahrpositionen und die Fahrgeschwindigkeiten unterscheiden sich die Fälle grundlegend von der vorliegenden Ausgangslage (so war in 6B_801/2015 die Fahrt eines Fahrzeuglenkers an der Mittellinie und mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h in einer Kurve zu beurteilen). Ebenso wenig kann das ebenfalls von der Privatklägerschaft herangezogene Urteil 6B_309/2016 vom 10. November 2016 als einschlägig bezeichnet werden. In diesem Fall wurde der Motorradlenker unvermittelt mit einer Gefahrensituation konfrontiert, da die verurteilte Beschwerdeführerin mit ihrem Personenwagen aus einem Stoppfeld in die vom Motorradlenker befahrene Strasse einbog, worauf der Beschwerdegegner mit einer Schreckbremsung reagierte, was als zwar nicht optimale, aber naheliegende Reaktion qualifiziert wurde und kein Mitverschulden des Beschwerdegegners zu begründen vermochte. Auch aus dieser ganz anders gelagerten Konstellation mit einem offensichtlichen Fehlverhalten der vortrittsbelasteten Beschwerdeführerin lässt sich nichts zu Lasten des Beschuldigten ableiten, der wie bereits ausführlich dargelegt als korrekt bergwärts fahrender Lenker vortrittsberechtigt war.

3. Zusammenfassend ist der Beschuldigte aus folgenden Gründen vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung, begangen durch die pflichtwidrige Unvorsichtigkeit des ungenügenden Rechtsfahrens, evtl. des Nichtanpassens der Geschwindigkeit, freizusprechen:

3.1 Der Beschuldigte ist nach dem vorliegenden Beweisergebnis am rechten Strassenrand gefahren. Es gibt keinen Beweis für die Unterstellung in der Anklageschrift, er sei zu weit links gefahren.

3.2 Der Beschuldigte fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 35 km/h bergwärts. Es ist dies eine der konkreten Situation angepasste Geschwindigkeit. Er ging vor dem Kreuzen mit dem Privatkläger vom Gas, was zu einer Geschwindigkeitsreduktion führte. Der Beschuldigte war nicht verpflichtet, in dieser Situation abzubremsen und ein solches Bremsmanöver hätte im Übrigen nach der hypothetischen Kausalität an der Reaktion des Motorradfahrers auch nichts geändert. Es gibt des Weiteren keinen Nachweis für ein schwieriges Kreuzen im Sinne von Art. 45 Abs. 1 Satz 2 SVG. Der Eventualvorhalt in der AKS, der Motorradfahrer habe zufolge nicht ausreichend reduzierter Geschwindigkeit des Beschuldigten bremsen müssen, ist nicht erstellt.

3.3 Soweit dem Privatkläger das Kreuzen subjektiv als schwierig erschienen war (so die Mutmassung des Gutachters auf S. 7 oben), war er als talwärts fahrender Fahrzeuglenker zur Reduktion der Geschwindigkeit und notfalls zum Anhalten verpflichtet. Er hatte dementsprechend seine Fahrgeschwindigkeit so anzupassen, dass er auch in einer Kurve vor einem entgegenkommenden Fahrzeug falls nötig anhalten konnte.

IV. Kostenund Entschädigungsfolgen

 

1. Erstinstanzliches Verfahren

1.1 Aufgrund des vollumfänglichen Freispruchs sind die gesamten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens dem Staat aufzuerlegen. Ein Anwendungsfall von Art. 427 Abs. 2 lit. a StPO (Kostentragungspflicht der Privatklägerschaft) liegt nicht vor, da der Privatkläger die Einleitung des Strafverfahrens weder mutwillig noch grobfahrlässig bewirkt hat.

1.2 Der Antrag des Privatklägers auf Zusprechung einer anteilsmässigen Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren ist abzuweisen.

1.3 Dem Beschuldigten ist eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO), wobei nicht jeder Aufwand, der im Strafverfahren entstanden ist, auch zu entschädigen ist. Sowohl der Beizug eines Verteidigers als auch der von diesem betriebene Aufwand müssen sich als angemessen erweisen. Als Massstab bei der Beantwortung der Frage, welcher Aufwand für eine angemessene Verteidigung im Strafverfahren nötig ist, hat der erfahrene Anwalt zu gelten, der im Bereich des materiellen Strafrechts und des Strafprozessrechts über fundierte Kenntnisse verfügt und deshalb seine Leistungen von Anfang an zielgerichtet und effizient erbringen kann (Urteil des Bundesgerichts 6B_336/2014 vom 6.2.2015 E. 2.2 mit Hinweis auf Urteil 6B_74/2014 vom 7.7.2014 E. 1.4.2).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nicht, dass der Verteidigung vor einer allfälligen Kürzung der Honorarnote Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird. Die Festsetzung der Parteientschädigung erfolgt von Amtes wegen in Anwendung der massgebenden gesetzlichen Bestimmungen, welche als bekannt vorausgesetzt werden dürfen (Urteil des Bundesgerichts 6B_74/2014 vom 7.7.2014 E. 1.3.2, ebenso 6B_74/2016 vom 19.8.2014 E. 1.3.2 mit Hinweis auf die Urteile 6B_566/2015 vom 18.11.2015 E. 2.4.2 und 6B_803/2014 vom 15.1.2015 E. 3.2.2).

Der private Verteidiger reichte vor der Vorinstanz 12 Honorarnoten mit einem Aufwand von insgesamt 95.25 Stunden ein. Inkl. Auslagen und MWSt werden CHF 29'803.45 geltend gemacht (vgl. Übersicht der Honorarnoten gemäss AS 336). Er rechnete mit einem Stundenansatz von CHF 380.00, für den Aufwand des in derselben Kanzlei tätigen Rechtsanwaltes Dr. [ ] wurde gar ein Stundenansatz von CHF 500.00 geltend gemacht (vgl. AS 339). Der Stundenansatz ist in Anwendung von § 158 Abs. 2 des kantonalen Gebührentarifs (GT, BGS 615.11) und vor dem Hintergrund, dass die Vertretung in einem Strafverfahren ausgeübt wurde, der keine juristischen Spezialkenntnisse erforderte, praxisgemäss auf CHF 250.00 zu reduzieren.

Der von der Verteidigung betriebene Aufwand ist auch in Beachtung der Tatsachen, dass eine Einsprache verfasst und ein Gutachten eingeholt worden war, mit welchem sich die Verteidigung in der Folge auseinandersetzen musste, weit überrissen. Die Staatsanwaltschaft führte weder Einvernahmen durch, noch machte sie einen Augenschein an Ort und Stelle. Der Aufwand, der für die Verteidigung im vorliegenden Strafverfahren anfiel, war weder besonders hoch noch gering. Vielmehr bewegte sich dieser im durchschnittlichen Bereich. Der von Rechtsanwalt Nikola Bellofatto betriebene Aufwand für Kontakte mit dem Klienten (Mails, Telefonanrufe, Besprechungen) kann mit Blick auf den klar umrissenen Verfahrensgegenstand nicht mehr als angemessen bezeichnet werden. Gleiches gilt für den aufgelisteten Arbeitsaufwand für schriftliche Eingaben, bei welchen bis zu vier Arbeitsphasen (Entwurf, Arbeit, Ergänzung und schliesslich das Finalisieren von Stellungnahmen) differenziert und in Rechnung gestellt werden. Des Weiteren weist die Vorinstanz zu Recht auf die rein haftungsrechtlichen und damit verfahrensfremden Positionen (Kontakte und Abklärungen mit der Basler Versicherungen) in der Honorarnote hin (vgl. US 23 f.), die im Strafverfahren nicht zu entschädigen sind. Es ist bei dieser Ausgangslage ein Pauschalaufwand nach richterlichem Ermessen festzusetzen. Neben der Teilnahme an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (9:00 Uhr - 12:35 Uhr, vgl. AS 302 ff.), die inkl. Reiseweg 6 ½ Stunden in Anspruch nahm, sind weitere 23 ½ Stunden zu entschädigen, gesamthaft somit 30 Stunden zu je CHF 250.00. Inkl. CHF 600.00 für die Auslagen sowie 8 % MWSt auf CHF 8'100.00 (= CHF 648.00) resultieren CHF 8'748.00, die der Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse, dem Beschuldigten für das erstinstanzliche Verfahren als Parteientschädigung zu bezahlen hat.

2. Berufungsverfahren

Die Berufung des Berufungsklägers ist erfolgreich; der Beschuldigte wird antragsgemäss freigesprochen. Die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens sind deshalb dem Staat aufzuerlegen.

Der Antrag des Privatklägers auf Zusprechung einer vollen Parteientschädigung für das Berufungsverfahren ist abzuweisen.

Der Beschuldigte hat Anspruch auf eine Parteientschädigung für das Berufungsverfahren (Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO).

Rechtsanwalt Nikola Bellofatto macht für das Berufungsverfahren einen Aufwand (inkl. HV) von total 64,79 Stunden zu einem Stundenansatz von CHF 380.00 (Rechtsanwalt Nikola Bellofatto) bzw. CHF 150.00 ([ ]) geltend (vgl. Übersicht der Honorarnoten, S. 2 der Faxeingabe vom 11.4.2018). Auch dieser Aufwand erweist sich als exorbitant hoch. Der geltend gemachte Aufwand für E-Mails und Telefonate mit dem Mandanten ist enorm und in seiner Summe nicht nachvollziehbar. Diverse Positionen beziehen sich auf die Korrespondenz mit der Basler Versicherungen, beispielhaft seien die Positionen vom 11.7.2017 (0.25 h), 12.7.2017 (0.35 h), 26.7.2017 (0.25 h), 27.7.2017 (0.65 h), 10.2017 (0.25 h), 18.1.2018 (0.55 h), 24.1.2018 (0.30 h) und vom 23.2.2018 (0.45 h) erwähnt. Diese Positionen sind nicht dem Strafverfahren zuzurechnen und können nicht berücksichtigt werden. Dasselbe gilt in Bezug auf die Positionen, welche die Korrespondenz des Verteidigers mit der Rechtsschutzversicherung des Beschuldigten erfassen (vgl. insbesondere die Position vom 12.7.2017 zu 0.20 h sowie die beiden Positionen vom 6.10.2017 zu je 0.20 h). Des Weiteren fällt auf, dass allein für die Berufungserklärung (22-seitige Eingabe) ein Aufwand von knapp 3 Arbeitstagen (rund 25 Stunden) geltend gemacht wird. In Anbetracht der Tatsache, dass in der Berufungserklärung lediglich anzugeben ist, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angefochten wird und welche Abänderungen im Einzelnen verlangt werden, ohne dass hierfür eine Begründung erforderlich ist, erweist sich dieser Aufwand als deutlich übertrieben. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass für die Ausarbeitung des Plädoyers und die Vorbereitung der Fragen für die HV in der Honorarnote weitere 7.45 Stunden geltend gemacht werden (vgl. hierzu die Positionen vom 23.1.2018 mit 0.70 h, 24.1.2018 mit 2.20 h, 27.3.2018 mit 2 h, 29.3.2018 mit 1 h, 3.4.2018 mit 1.3 h sowie die Position vom 5.4.2018 mit 0.25 h). Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der effektiv erforderliche Zeitaufwand für die Kenntnisnahme von standardisierten verfahrensleitenden Kurzverfügungen pro Position (auch unter Berücksichtigung der Orientierung des Klienten) im Bereich von 5 Minuten anzusiedeln ist, hierfür von der Verteidigung aber übersetzte Zeiten geltend gemacht werden (vgl. beispielsweise die Positionen vom 27.11.2017 mit 0.25 h, 12.12.2017 mit 0.25 h, 9.3.2018 mit 0.45 h, 15.3.2018 mit 0.25 h sowie die Position vom 6.4.2018 mit 0.35 h).

Auch in Bezug auf das Berufungsverfahren ist bei dieser Ausgangslage der angemessene Aufwand ermessensweise festzusetzen. Für die Teilnahme an der Hauptverhandlung vor Obergericht (8:30 Uhr - 11:40 Uhr) sind inkl. Reiseweg 6 Stunden und 10 Minuten zu entschädigen. Für den weiteren Aufwand, namentlich für eine Besprechung mit dem Klienten, die Berufungserklärung sowie das Verfassen des Plädoyers, wobei der Verteidiger hierzu auf die bereits von ihm vor erster Instanz ausgearbeiteten Eingaben und Unteralgen zurückgreifen konnte, sind rund 14 weitere Stunden hinzuzuzählen, so dass ein Aufwand von pauschal 20 Stunden zu je CHF 250.00 (= CHF 5'000.00) zu entschädigen ist. Die Auslagen sind mit pauschal CHF 150.00 zu berücksichtigen. Inkl. MWSt, nämlich 7,7 % MWSt auf CHF 2'575.00 (=CHF 198.30) sowie 8 % MWSt auf CHF 2'575.00 (= CHF 206.00), ist dem Beschuldigten eine Parteientschädigung von total CHF 5'554.30 zuzusprechen, zahlbar durch den Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse.

Demnach wird in Anwendung von Art. 379 ff., Art. 398 ff., Art. 423 Abs. 1, Art. 428 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO erkannt:

1.    Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte A.___ gemäss rechtskräftiger Ziffer 2 des Urteils des Amtsgerichtspräsidenten von Dorneck-Thierstein vom 5. Juli 2017 vom Vorwurf des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (AKS Ziff. 2) freigesprochen worden ist.

2.    Der Beschuldigte wird zudem vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung (AKS Ziff. 1) freigesprochen.

3.    Dem Beschuldigten, vertreten durch Rechtsanwalt Nikola Bellofatto, wird eine Parteientschädigung von total CHF 8'748.00 (inkl. Auslagen und MWSt) für das erstinstanzliche Verfahren und eine Parteientschädigung von total CHF 5'554.30 (inkl. Auslagen und MWSt) für das obergerichtliche Verfahren zugesprochen, zahlbar durch den Staat Solothurn, vertreten durch die Zentrale Gerichtskasse.

4.    Der Antrag des Privatklägers B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Gressly, wonach der Beschuldigte ihm für das erstinstanzliche Verfahren eine anteilsmässige und für das obergerichtliche Verfahren eine vollständige Parteientschädigung zu bezahlen habe, wird abgewiesen.

5.    Die Kosten des erstinstanzlichen und obergerichtlichen Verfahrens trägt der Staat Solothurn.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Strafkammer des Obergerichts

Der Präsident Die Gerichtsschreiberin

Kiefer Lupi De Bruycker



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