Zusammenfassung des Urteils STBER.2013.4: Strafkammer
Die T.________SA aus Montreux hat gegen eine Entscheidung des Präsidenten des Bezirksgerichts Est vaudois vom 8. Juli 2009, die eine Beschwerde gegen eine Pfändung des Amtes für Betreibungen und Konkurs in Montreux abgelehnt hat, Beschwerde eingelegt. Die Pfändung wurde im Namen der Fiduciaire N.________Sàrl aus Clarens durchgeführt. Nachdem die Beschwerde abgelehnt wurde, hat die T.________SA erneut Beschwerde eingereicht und die Aufhebung der Pfändung gefordert. Die Beschwerde wurde abgelehnt und das Aufschubrecht wurde widerrufen. Das Gericht entscheidet, dass die Beschwerde abgelehnt wird und keine Gerichtskosten anfallen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2013.4 |
Instanz: | Strafkammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 20.11.2013 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gewerbsmässiger Diebstahl, Geldwäscherei, mehrfache Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Absicht; Niggli; Riedo; Beschuldigten; Währung; Dollar; Täter; Erwerbseinkommen; Währungen; Probleme; Diebstahl; Gewerbsmässigkeit; Diebstahls; Delinquieren; Vielzahl; Begriffselement; Einkommen; Ehemann; Deliktsgut; Keller; Urteil; Sozialgefährlichkeit; Täters; Bereitschaft |
Rechtsnorm: | Art. 139 StGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
2.2.2 Die Gewerbsmässigkeit ist eine qualifizierte Form des Diebstahls und ist deshalb mit einer Mindeststrafe von 90 Tagessätzen Geldstrafe bedroht (Art. 139 Ziff. 2 Strafgesetzbuch [StGB, SR 311.0]). Der Zweck der Qualifizierung des gewerbsmässigen Diebstahls wird mit der Sozialgefährlichkeit des Täters begründet (Marcel Alexander Niggli / Christof Riedo [Hrsg.]: Basler Kommentar, Strafrecht II, Basel 2013, Art. 139 StGB N 84). Gewerbsmässigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn sich der Täter derart auf regelmässige Einnahmen verlässt, dass ein eigentlicher «Ausstieg» kaum mehr möglich ist. Soziale Gefährlichkeit besteht dann, wenn der Täter aufgrund der konkreten Lebensumstände geradezu auf weiteres Delinquieren angewiesen ist (Niggli / Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N 94).
2.2.3 Die Gewerbsmässigkeit enthält folgende Begriffselemente:
Mehrfaches Delinquieren;
Die Absicht, ein Erwerbseinkommen zu erzielen;
Die Bereitschaft zur Verübung einer Vielzahl von Delikten der fraglichen Art (Niggli / Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N 90 ff.).
2.2.4 Die Beschuldigte hat während der vorgehaltenen Tatzeit zwischen dem 3. Mai 2011 bis 8. November 2011 eine Vielzahl von Postsendungen geöffnet und das darin enthaltene Bargeld die Reisechecks entwendet. Das erste Begriffsmerkmal des «mehrfachen Delinquierens» ist damit erfüllt. Aufgrund ihres Verhaltens ab dem 3. Mai 2011 und der Art ihres Vorgehens (die Beschuldigte führte aus, dass sie mit der Zeit gespürt habe, in welchen Couverts Geld enthalten sei, weil diese etwas schwerer gewesen seien; die Beschuldigte verstaute das entwendete Geld jeweils in eine persönliche Tasche, die sie immer am Arbeitsplatz hatte) hat die Beschuldigte auch ihre Bereitschaft zur Verübung einer Vielzahl von Delikten offenbart.
2.2.5 Das dritte Begriffselement die Absicht, ein Erwerbseinkommen zu erzielen manifestiert sich im Bestreben, aus der deliktischen Tätigkeit mit einer gewissen Regelmässigkeit Einkünfte zu erzielen, die geeignet sind, einen namhaften Teil der Lebenskosten zu decken (Niggli / Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N 98). Nicht vorausgesetzt ist, dass die deliktische Tätigkeit die einzige die hauptsächliche Einnahmequelle des Täters bildet, ein Nebenerwerb genügt (Niggli / Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N 99).
Für die Annahme einer Absicht, mit der deliktischen Tätigkeit ein regelmässiges Einkommen zu erzielen, spricht die finanzielle Situation der fünfköpfigen Familie, welche von der Beschuldigten selbst als problematisch dargestellt wurde. Während sie selbst mit einem Arbeitspensum von 60 % ein Einkommen von ca. CHF 3300.00 bis 3600.00 erzielte, war der Ehemann nicht immer regelmässig erwerbstätig. Aus den Akten ergibt sich zudem, dass gegenüber dem Ehemann zahlreiche Verlustscheine bestehen. Auch die ersten Aussagen der Beschuldigten, wonach sie das Deliktsgut für den Lebensunterhalt verwendet habe, spricht für eine solche Absicht. Schliesslich deutet auch der Umstand, dass die Beschuldigte die entwendeten US-Dollar in den Kosovo verschob, darauf hin, dass sie die Absicht hatte, dieses Geld für ihre Lebenskosten einzusetzen. Jedenfalls gelang es ihr im Strafverfahren nicht, dieses Verhalten schlüssig zu erklären. Ihre Aussage, andernfalls hätte der Ehemann die Dollars entdeckt, wirkt vor dem Hintergrund, dass die Beschuldigte zahlreiche andere ausländische Währungen im Keller lagerte, wenig glaubhaft.
Andererseits führte das Beweisergebnis zum Schluss, dass die Beschuldigte das entwendete Geld und die entwendeten Reisechecks mit Ausnahme eines geringen Betrags in kroatischer Währung nicht verbrauchte. Praktisch das gesamte Deliktsgut konnte sichergestellt werden bzw. wurde von der Beschuldigten beigebracht. Die entwendeten ausländischen Währungen wurden von der Beschuldigten auch nicht gewechselt und damit «verbrauchsbereit» gemacht. In der im Keller sichergestellten Plastiktasche fanden sich u.a. wenig gebräuchliche Währungen wie indonesische Rupien, kanadische Dollar Neuseeland Dollar. Es liegen damit keine Hinweise dafür vor, dass die Beschuldigte das entwendete Geld für den Verbrauch «vorbereitet» d.h. in Schweizer Franken umgewechselt hätte. Vielmehr lagerte sie das Deliktsgut während der gesamten Dauer der deliktischen Tätigkeit im Keller. Auch die US-Dollar im Kosovo, für deren Überweisung eine schlüssige Erklärung zwar fehlt, blieben unangetastet; dem sich in den Akten befindlichen Kontoauszug sind jedenfalls keine Ausgänge zu entnehmen.
Die Beschuldigte führte anlässlich ihrer Einvernahme sowie anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung aus, sie habe zur Tatzeit unter psychischen Problemen gelitten und die Diebstähle deshalb begangen. Offenbar hingen diese Probleme mit der Ehe und mit ihrem Sohn zusammen, der eine Sonderschule besuchen musste und deshalb vermehrt abwesend war; weitere Abklärungen sind in diesem Zusammenhang nicht erfolgt. Die Existenz dieser Probleme ist nicht ausgeschlossen. Angesichts der Tatsache, dass die Beschuldigte das entwendete Geld trotz offensichtlich enger finanzieller Verhältnisse nicht verbrauchte und auch nicht für den Verbrauch vorbereitete (Wechsel der ausländischen Währungen in CHF), ist deshalb entsprechend dem Grundsatz «im Zweifel für die Angeklagte» davon auszugehen, dass sie die Diebstähle nicht mit der Absicht beging, ein Erwerbseinkommen zu erzielen, sondern dass andere Motive im Vordergrund standen, die mit ihren damaligen psychischen Problemen im Zusammenhang standen. Fehlt es aber am Begriffselement der Absicht, ein Erwerbseinkommen zu erzielen, so muss das Vorliegen der qualifizierten Form des gewerbsmässigen Diebstahls verneint werden. Die Beschuldigte hatte sich nicht auf ein bestimmtes zusätzliches (deliktisch erworbenes) Einkommen verlassen, indem sie sich bzw. ihrer Familie einen höheren Lebensstandard gönnte durch die Eingehung neuer Verpflichtungen (z.B. teurere Wohnung, Leasing eines Personenwagens etc.) Sachzwänge schuf, welche sie dazu zwangen, weiter zu delinquieren. In diesem Sinne ist die Sozialgefährlichkeit, welche durch die Anwendung von Art. 139 Ziff. 2 StGB sanktioniert werden soll, bei der Beschuldigten nicht festzustellen.
2.2.6 Die Beschuldigte ist deshalb wegen mehrfach begangenem Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB, begangen in der Zeit zwischen dem 3. Mai 2011 bis 8. November 2011, schuldig zu sprechen.
Obergericht Strafkammer, Urteil vom 20. November 2013 (STBER.2013.4)
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