Zusammenfassung des Urteils SGSTA.1995.27: Steuergericht
Die Klage von A.K. gegen die Caisse de pensions de l'Etat de Vaud (CPEV) zur Anpassung seiner Renten- oder Pensionszahlungen an die Inflation ab dem 1. Januar 2009 wurde aufgrund seines Todes zurückgezogen. Gemäss Artikel 63 Absatz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) treten im Falle des Todes einer Partei die Erben an ihre Stelle. Da A.K. nach Einleitung des Verfahrens verstorben ist, haben seine Erben seine Position eingenommen. Die Klage wird daher gemäss Artikel 94 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung über das Verfahren vor Verwaltungsgerichten (VwVG) vom Gericht abgewiesen, und es werden keine Gerichtskosten oder Anwaltskosten erhoben.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | SGSTA.1995.27 |
Instanz: | Steuergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 17.11.1997 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Berechnung des Einkommens, Mitarbeiteraktien |
Schlagwörter : | Praxis; Einkommen; Mitarbeiter; Steuerjahr; Praxisänderung; Mitarbeiteraktien; Bundes; Zeitpunkt; Verfügungssperre; Steuerverwaltung; Vorinstanz; Einkommens; Veranlagung; Besteuerung; Bundessteuer; Rekurrent; Rückgabepflicht; Einsprache; Rekurs; Kreisschreiben; Eigentumserwerb; Lösung; Kanton; Bundesgericht; Steuergericht; Cereghetti; Rückgabeverpflichtung; Staats |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Sachverhalt:
1. a) Der Steuerpflichtige ist Angestellter der Firma S. in Biel. Als Kadermitarbeiter konnte er im Juli 1992 150 Mitarbeiteraktien seiner Arbeitgeberin erwerben. Dabei galt eine zweijährige Verfügungssperre (Rückgabepflicht). Erst nach Ablauf derselben konnte der Steuerpflichtige gemäss Reglement über seine Aktien frei verfügen. Am 16. September 1993 änderte die Firma S. Reglement. Die bisherige Ziffer 6 ("Verfügungssperre") fiel ersatzlos weg. Damit konnte der Steuerpflichtige ab diesem Datum über die erworbenen 150 Aktien frei verfügen.
b) Entsprechend der bisherigen und vom Kantonalen Steuergericht bestätigten Praxis stellte die Vorinstanz mit Veranlagung vom 9. März 1994 auf den Zeitpunkt des Wegfalls der Verfügungssperre ab, nahm also die Besteuerung des fraglichen Einkommens im Steuerjahr 1994 (Bemessungsjahr 1993) in Aussicht. Mit Einsprache vom 31. März 1994 stellte sich der Steuerpflichtige demgegenüber auf den Standpunkt, die ab dem Steuerjahr 1995 geltende Praxis der kantonalen Steuerverwaltung müsse auch in seinem Fall bereits zur Anwendung gelangen.
Die Vorinstanz hielt mit Einspracheentscheid vom 10. Mai 1995 an ihrer Auffassung fest.
2. Mit Eingabe vom 10. Juni 1995 erhebt der Steuerpflichtige Rekurs, wobei er beantragt, die Veranlagung 1993 sei vorzunehmen unter Berücksichtigung der von ihm 1992 erworbenen 150 Mitarbeiteraktien als steuerbares Einkommen. Zur Begründung macht er geltend, die frühere Praxis betreffend Mitarbeiteraktien trage dem Grundsatz der leistungsgerechten Besteuerung nicht Rechnung. Zudem sei ein Einkommen in demjenigen Zeitpunkt zu besteuern, in welchem es tatsächlich zufliesse, und dies sei vorliegend 1992.
Bei der Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen sei zu berücksichtigen, dass die kantonale Steuerverwaltung in einer Praxisänderung ab dem Steuerjahr 1995 die Bundessteuerpraxis gemäss Kreisschreiben Nr. 5 der EStV vom 17. Mai 1990 übernommen habe. Für die Veranlagung früherer Steuerjahre, die noch nicht in Rechtskraft erwachsen seien, verweigere sie dies indessen, und das zu Unrecht.
Die Sperrfrist habe weder auf den Eigentumserwerb noch auf den Zeitpunkt des Einkommenszuflusses eine Auswirkung. Dies werde auch von Marco Cereghetti (Die Besteuerung von Mitarbeiteraktien und Mitarbeiteroptionen als Einkommen und als Vermögen, Diss. Zürich 1994, S. 105 ff) nachgewiesen. Der Zeitpunkt des Eigentumserwerbs sei allein massgeblich, nicht derjenige des Wegfalls der Verfügungssperre. Dasselbe gelte für eine befristete Rückgabepflicht, weil der Mitarbeiteraktionär dadurch nicht daran gehindert werde, über die Aktien zu verfügen. Den aus dem Erwerb von Mitarbeiteraktien resultierende Vermögensvorteil im Erwerbszeitpunkt zu besteuern, sei deshalb nicht eine von mehreren richtigen Lösungen, sondern die einzig richtige. Hinzu komme, dass die frühere Solothurner Lösung im Widerspruch zur Praxis der AHV stehe. Das Steuergericht müsse die von der Steuerverwaltung ab dem Steuerjahr 1995 angewandte Praxis auch im vorliegenden Fall berücksichtigen. Von einer eigentlichen, ggf. unzulässigen Rückwirkung könne dabei nicht gesprochen werden. Auch die Rechtsgleichheit werde nicht tangiert.
b) In ihrer Vernehmlassung vom 26. Januar 1996 hielt die Vorinstanz an ihrem Einspracheentscheid fest.
Zunächst warf sie die Frage der Beschwer des Rekurrenten auf, nachdem dieser verlange, im Steuerjahr 1993 mehr Steuern bezahlen zu müssen als veranlagt. Formell sei er aber beschwert, weil er mit seinem Einsprachebegehren nicht durchgedrungen sei. Materiell bestehe auch eine Beschwer, nämlich durch Nachteile, die in folgenden Veranlagungsperioden drohten.
Zur Sache hält die Vorinstanz fest, dass gemäss früherer Praxis Mitarbeiteraktien mit Verfügungssperre und befristeter Rückgabeverpflichtung erst in demjenigen Zeitpunkt besteuert wurden, da die Rückgabeverpflichtung wegfiel. Diese Praxis könne gut begründet werden. Trotzdem habe die kantonale Steuerverwaltung ihre Praxis ab dem Steuerjahr 1995 geändert, nämlich derjenigen für die direkte Bundessteuer angeglichen. Die wesentlichen Gründe hiefür seien gewesen:
Die Dissertation von Cereghetti (a.a.O.) habe dogmatisch überzeugend nachgewiesen, dass Verfügungssperre und Rückgabeverpflichtung an der Realisierung des Einkommens aus Mitarbeiteraktien nichts änderten. Der Kanton Solothurn verfolge ferner als einziger Kanton eine unterschiedliche Praxis für die Staatsund Bundessteuer. Dies sei administrativ aufwendig und für den Steuerpflichtigen wenig verständlich. Bei einem Kantonswechsel könne zudem ein solches Einkommen u.U. doppelt gar nicht besteuert werden. Auch die neue Praxis der AHV ab 01. Januar 1993 falle schliesslich ins Gewicht.
Die vorgenommene Praxisänderung stütze sich somit sowohl auf rechtliche Erwägungen als auch auf Ueberlegungen der Praktikabilität. Dies ändere nichts daran, dass die anwendbaren Bestimmungen des Staatssteuergesetzes in guten Treuen unterschiedlich ausgelegt werden könnten. Es sei daher auch nicht zu beanstanden, wenn die neue, besseren Erkenntnissen folgende Praxis nicht sofort und überall, sondern erst ab dem Steuerjahr 1995 zur Anwendung gelange. Der Rekurs sei daher abzuweisen.
c) In der Rückäusserung vom 30. Mai 1996 bestreitet der Rekurrent die Richtigkeit der Ausführungen der Vernehmlassung. Sodann habe das Bundesgericht im Urteil vom 6. November 1995 in Anlehnung an ASA 48, 136, erkannt, dass in zeitlicher Hinsicht allein der Eigentumserwerb und nicht der Wegfall von Verfügungssperre Rückgabepflicht massgeblich sei.
Bezüglich der Diskontierungsmethode sei aufgrund des obgenannten Bundesgerichtsentscheids davon auszugehen, dass das Kreisschreiben 1990 der EStV sachwidrig sei. Der Minderwert bestimme sich ausschliesslich aufgrund der Verfügungssperre und ihrer Dauer, unabhängig also vom Abgabepreis. Berücksichtige man die bereits bezahlten AHV-Arbeitnehmerbeiträge von Fr. 6'136.--, so ergebe sich damit ein steuerpflichtiges Nettoeinkommen von Fr. 109'626.--, das im Steuerjahr 1993 zu erfassen sei.
Erwägungen:
1. Zur Eintretensfrage ist folgendes festzuhalten: Hintergrund des Rekursverfahrens ist, dass eine Besteuerung der Mitarbeiteraktien im Steuerjahr 1994 (Bemessungsjahr 1993) zu einem höheren Einkommen geführt hätte. Der Rekurrent hat somit ein materielles Interesse daran, dass das fragliche Einkommen im Steuerjahr 1993 erfasst wird. Insofern ist er nicht nur formell, sondern auch materiell beschwert, nachdem die Vorinstanz einem diesbezüglichen Begehren im Einspracheentscheid nicht entsprochen hat. Auf den Rekurs ist daher einzutreten.
2. a) Klar ist, dass vermögenswerte Vorteile aus dem Bezug von Mitarbeiteraktien steuerbares Einkommen darstellen. Ebenso selbstverständlich muss sodann sein, dass Steuerverwaltung und Steuergericht für die Staatssteuer eine andere Praxis einführen und verfolgen können als die Eidgenössische Steuerverwaltung und das Bundesgericht für die Bundessteuer. Das KSG ist vorliegend in seinem Entscheid frei.
b) Im vorliegenden Verfahren stellen sich somit drei Fragen, welche nachfolgend zu beurteilen sein werden. Es gilt zu prüfen, ob eine Praxisänderung im Zusammenhang mit der Besteuerung von Mitarbeiteraktien möglich und zulässig ist, wobei im weiteren zu erörtern ist, in welchem Sinne diese Praxis allenfalls zu ändern sei. Schliesslich wird zu klären sein, ab wann eine allfällige neue Praxis gelten soll.
3. a) Sowohl der Rekurrent als auch die Vorinstanz weisen überzeugend nach, dass eine Aenderung der bisherigen Praxis angebracht ist. Es kann auf die vorstehende Wiedergabe der Vorbringen der Parteien im Rekursverfahren verwiesen werden. Ergänzend ist festzuhalten, dass die Sperrfrist tatsächlich zivilrechtlich als vertraglich vereinbartes Verfügungsverbot zur qualifizieren ist, die den Eigentumsübergang nicht beeinflusst. Mithin vermag sie auf den Zeitpunkt des Einkommenszuflusses keine Auswirkungen zu entfalten. Der Eigentumserwerb von Mitarbeiteraktien bzw. das Zufliessen allfälliger Mitgliedschaftsrechte bewirkt beim Mitarbeiter grundsätzlich eine Bereicherung, weshalb ein allfälliger geldwerter Vorteil spätestens im Zeitpunkt des Eigentumserwerbes realisiert ist (Cereghetti, a.a.O., S. 160). Ebenso hat eine befristete Rückgabepflicht keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Einkommenszuflusses. So kann eine reglementarisch vorgesehene Bedingung zum Eigentumsübergang den Empfänger nicht daran hindern, seinerseits bedingte Verfügungshandlungen vorzunehmen. Entsprechend ist eine Eigentumsübertragung unter Rückgabepflicht weder rechtlich noch wirtschaftlich inhaltsleer (vgl. Cereghetti, a.a.O.S. 111 ff). Entsprechende Umstände haben lediglich allenfalls einen Einfluss auf die Bewertung des zugeflossenen Einkommens, nicht aber auf den Einkommenszufluss als solchen.
b) Ferner sprechen auch praktische Gründe gegen die von der Steuerverwaltung mit Wirkung ab Steuerjahr 1995 aufgegebene Praxis. Zunächst einmal wäre der Kanton Solothurn heute offenbar der einzige Kanton, welcher die Besteuerung erst zum Zeitpunkt des Wegfalls der Verfügungssperre bzw. des Ablaufs der Rückgabeverpflichtung vornehmen würde. Es würde somit eine unter Praktikabilitätsüberlegungen unglücklich erscheinende Differenz zur Veranlagungspraxis des Bundes bestehen. Die ferner interkantonal bestehenden Unterschiede würden Doppelbesteuerungen nicht ausschliessen bzw. Steuerlücken eröffnen. Schliesslich überzeugt die neue Praxis auch unter dem Aspekt der Harmonisierung mit der AHV-Praxis.
4. Mithin gilt es nun zu prüfen, in welchem Sinne die Praxis zu ändern ist. Eine Uebernahme der Praxis zur Bundessteuer ist die einzige sinnvolle Alternative zur Fortführung der bisherigen kantonalen Praxis. Hiefür sprechen neben den vorstehenden Erwägungen insbesondere der Gedanke der Harmonisierung mit den Bundessteuern und der AHV.
Ausgeschlossen ist es indessen, die Standpunkte einer der Parteien zu übernehmen. Die neue Praxis der kantonalen Steuerverwaltung gründet auf einem Kreisschreiben der EStV, das vom Bundesgericht als gesetzeswidrig ausser Kraft gesetzt worden ist. Die vom Rekurrenten befürwortete Anlehnung an das Kreisschreiben der EStV vom 8. November 1993 kommt ebenfalls nicht in Frage, stellt das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 6. November 1995 doch ausdrücklich fest, dass der angewandte Zinssatz der wirtschaftlichen Realität nicht entspricht. Die einzige zweckmässige Lösung besteht damit darin, die neue Regelung des Kreisschreibens Nr. 5 vom 30. April 1997 der EStV zu übernehmen, das der bundesgerichtlichen Rechtssprechung Rechnung trägt.
5. a) Es stellt sich mithin schliesslich die Frage, ab wann die angezeigte Praxisänderung zur Anwendung zu bringen ist. Die Praxisänderung ist nicht die Folge veränderter äusserer Verhältnisse, beispielsweise einer aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung. Sie fusst vielmehr in erster Linie auf neuen Erkenntnissen rechtlicher Natur. Es ist daher nicht angängig, die Praxisänderung erst ab einem bestimmten Steuerjahr zur Anwendung zu bringen. Sie muss vielmehr für alle Veranlagungen gelten, die hängig sind.
Einzig diese Lösung überzeugt in rechtlicher Hinsicht, wobei die vom Rekurrenten in diesem Zusammenhang vorgebrachten Ueberlegungen weitestgehend überzeugen. Die verwaltungsintern vorgenommene Praxisänderung basiert auf einer Veränderung der rechtlichen Ueberzeugungen. Eine Praxisänderung kann nun nicht leichthin vorgenommen werden, was vorliegend sicherlich auch nicht geschah. Umso mehr muss sie aber von einer festen rechtlichen Ueberzeugung hinsichtlich Auslegung und Anwendung eines Rechtssatzes getragen sein. Dies spricht aber gerade dafür, dass, wenn eine frühere Auslegung nach gründlichen und ernsthaften Ueberlegungen aufgegeben wird, die bisherige Sinndeutung eines Rechtssatzes falsch war. Eine bisherige falsche Sinndeutung eines Rechtssatzes darf nun natürlich nicht quasi verzögert aufgegeben werden (vgl. Fritz Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 183). Eine Praxisänderung muss mithin sofort und überall angewendet werden, eine gewisse faktische Ungleichbehandlung ist dabei systemimmanent. Letztere wird aber dadurch gelindert, als es jedem nachteilig Betroffenen möglich gewesen wäre, zu versuchen, eine Praxisänderung zu erwirken. Die Ueberlegungen der Vorinstanz hingegen bergen einen Widerspruch in sich, zumal sie selber nicht in Abrede stellt, dass die neue Praxis richtig sei. Könnte eine aufgrund neuer rechtlicher Erkenntnisse und Ueberzeugungen vorgenommene Praxisänderung erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Anwendung gebracht werden, dürfte dies im übrigen ganz allgemein kaum willkürfrei möglich sein.
b) Diese Lösung hat nun den Nachteil, dass die Harmonisierung mit der AHV-Praxis in diesem Fall nicht vollständig ist, weil diese erst auf den 01.01.1993 hin geändert wurde und vorliegend ein Einkommen aus Mitarbeiteraktien des Jahres 1992 beurteilt werden muss. Es wäre daher möglich, die neue Praxis zur Staatssteuer ebenfalls auf den 01.01.1993, d.h. ab dem Steuerjahr 1994 einzuführen. Entscheidend ist somit, welchem Grund für die Praxisänderung das grösste Gewicht zugemessen wird. Naheliegenderweise stehen die neuen rechtlichen Erkenntnisse im Vordergrund, wobei auf die vorstehenden Ausführungen unter lit. a verwiesen werden kann. Dies schliesst eine zeitliche Beschränkung der Praxisänderung aus.
Steuergericht, Urteil vom 17. November 1997
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