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Urteil Steuergericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:SGNEB.2014.7
Instanz:Steuergericht
Abteilung:-
Steuergericht Entscheid SGNEB.2014.7 vom 04.05.2015 (SO)
Datum:04.05.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Erbschaftssteuer
Schlagwörter : Konkubinat; Konkubinats; Recht; Pflege; Rekurrentin; Klasse; Gesetzgeber; Person; Stief; Privilegiert; Familie; Erbschafts; Ehegatte; Partner; Urteil; Pflegekinder; Ehegatten; Konkubinatspartner; Kanton; Personen; Erbschaftssteuer; Auslegung; Verhältnisse; Kantonale; Privilegierung; Ungleichbehandlung; Behandelt; Rechtsgleichheitsgebot; Rekurs
Rechtsnorm: Art. 127 BV ; Art. 20a BV ; Art. 21 ZGB ; Art. 300 ZGB ; Art. 316 ZGB ; Art. 8 BV ; Art. 9 BV ;
Referenz BGE:102 Ia 38; 110 Ia 7; 118 II 235; 118 Ia 1; 120 Ia 329; 123 I 241; 124 I 193; 125 I 65; 125 V 221; 126 II 377; 127 I 54; 129 I 1; 131 I 1; 137 V 105; 138 II 105;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil KSGE 1997 Nr. 11 (recte: Nr. 15) verwiesen. Was die verlangte Einordnung in Klasse 1 anbelangt, wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Pflegekindverhältnis trete stets durch behördliche Verfügung ein, womit ein objektives Kriterium vorliege, das sich klar feststellen lasse. Bloss auf das Zusammenleben bzw. die Beziehungsnähe abzustellen, würde zu nicht vertretbaren Beurteilungsschwierigkeiten führen.

2.1 Mit Rekurs vom 29. September 2014 an das kantonale Steuergericht wird beantragt, der Einspracheentscheid sei unter Kostenund Entschädigungsfolge aufzuheben und X. (nachfolgend Rekurrentin) sei in die Steuerklasse 1 einzuteilen. Es wird präzisiert, dass die Rekurrentin (anders als in der Einsprache) auf den Antrag auf Gleichbehandlung mit einem Ehepaar verzichte. Sie verlange nur noch die Gleichstellung mit in der Steuerklasse 1 eingereihten Personen. Begründet wird, die angefochtene Verfügung verletze das Rechtsgleichheitsgebot, das Diskriminierungsverbot und das Willkürverbot. Die Privilegierung der Klasse 1 orientiere sich nicht an der gesetzlichen Erbfolge gemäss Zivilrecht, sondern es werde auf die Beziehungsnähe abgestellt. Die Ungleichbehandlung eines über 20 Jahre dauernden Konkubinats im Vergleich mit den in Klasse 1 genannten Personen, v.a. den Pflegeeltern und -kindern (v.a. bei bloss zwei Jahren dauernden Pflegeverhältnissen) sei offensichtlich und im heutigen gesellschaftlichen Umfeld nicht mit vernünftigen Gründen erklärbar. Weiter wird auf das Urteil KSGE 1997 Nr. 15 Bezug genommen. Dieses stamme aus einer Zeit, als das Konkubinat gesellschaftlich noch weniger anerkannt gewesen sei. Zudem sei das obiter dictum in E. 5d unhaltbar. Weiter wird auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 25. Oktober 1993 (NStP 1994 S. 1 ff.) verwiesen. Schliesslich wird ausgeführt, die Vorinstanz mache die Praktikabilität zum ausschliesslichen Beurteilungskriterium. Es sei aber nicht nachvollziehbar, dass einzig die solothurnischen Erbschaftssteuerbehörden nicht in der Lage sein sollten, das Vorliegen eines Konkubinats zu beurteilen. Deren Kollegen bei der Einkommenssteuer würden diese Beurteilung regelmässig vornehmen, z.B. bei der Bestimmung des Steuerdomizils. Es wird auf weitere Beispiele verwiesen, wo Behörden diese oder ähnliche Beurteilungen vorzunehmen hätten. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die steuerpflichtige Person das Vorliegen eines Konkubinats nachweisen müsste, um die Steuerprivilegierung beanspruchen zu können.

2.2 Mit Vernehmlassung des Steueramtes (Vorinstanz) vom 29. Oktober 2014 wird auf kostenfällige Abweisung des Rekurses geschlossen und zu den Argumenten des Rekurses Stellung bezogen. Dazu wird in der Replik vom 11. November 2014 Stellung genommen. Auf die Ausführungen dieser beiden Eingaben ist, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen einzugehen.

Aus den Erwägungen:

2. Für die Normen des Verwaltungsrechts, folglich auch des Steuerrechts, gelten die üblichen Methoden der Gesetzesauslegung. Es gelangen die grammatikalische, historische, zeitgemässe, systematische und teleologische Auslegungsmethode zur Anwendung (KSGE 2012 Nr. 13 E. 4.2). Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinns und der dem Text zu Grunde liegenden Wertungen. Vom klaren, das heisst eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (BGE 138 II 105 E. 5.2; 138 III 166 E. 3.2 und 138 III 359 E. 6.2).

3.1 Ein Erlass ist willkürlich im Sinne von Art. 9 BV, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinnund zwecklos ist (BGE 131 I 1 E. 4.2). Willkürlich ist ein Erlass nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 127 I 54 E. 2b m.w.H.).

3.2 Ein Erlass verletzt das Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 8 Abs. 1 BV, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass sich die ungerechtfertigte Gleichbzw. Ungleichbehandlung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden (BGE 129 I 1 E. 3, 265 E. 3.2; 127 I 185 E. 5; 127 V 448 E. 3b, je mit Hinweisen).

3.3 Im Bereich der Steuern wird das Gebot der rechtsgleichen Behandlung gemäss Art. 8 Abs. 1 BV insbesondere durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit konkretisiert (Art. 127 Abs. 2 BV).

3.4 Dem Gesetzgeber wird im Rahmen des Gleichheitsgebots und des Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltung zuerkannt und der Richter darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Gesetzgebers setzen und ebensowenig hat er die Zweckmässigkeit zu untersuchen (BGE 125 V 221 E. 3b; 129 I 1 E. 3; 127 I 185 E. 5; 127 V 448 E. 3b, je mit Hinweisen, KSGE 1997 Nr. 15 E. 6). Dies gilt auch und gerade für das Steuerrecht; auch hier hat der Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheiten. Er kann bis zu einem gewissen Grad schematische, auf die Durchschnittserfahrungen abstellende Normen schaffen, die leicht zu handhaben sind (BGE 110 Ia 7 E. 2a). Art. 8 BV verlangt nicht, dass eine gesetzliche Lösung für alle denkbaren Einzelfälle absolut gerecht ist (BGE 102 Ia 38 E. 3d; BGE 125 I 65). In Rechtsbereichen, die (wie das Steuerrecht) auf Schematismen angewiesen sind, verlangt Art. 8 Abs. 1 BV nicht, dass alle Steuerpflichtigen absolut und strikt gleich behandelt werden (BGE 118 Ia 1 E. 3c). Eine Verfassungswidrigkeit kann aber darin liegen, dass die Anwendung eines Erlasses in einer erheblichen Zahl von Fällen zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung bestimmter Steuerpflichtiger führt oder systematisch bestimmte Gruppen in verfassungswidriger Weise benachteiligt (vgl. BGE 124 I 193 E. 3e; 123 II 9 E. 4c).

3.5 Eine Diskriminierung gemäss Art. 8 Abs. 2 BV liegt dann vor, wenn eine Person rechtsungleich behandelt wird allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch und in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder sonst als minderwertig behandelt wurde. Die Diskriminierung stellt eine qualifizierte Art von Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen dar, indem sie eine Benachteiligung eines Menschen bewirkt, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an ein Unterscheidungsmerkmal anknüpft, das einen wesentlichen und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betreffenden Person ausmacht (BGE 126 II 377 E. 6a). Wird auf ein solches in Art. 8 Abs. 2 BV genanntes Merkmal (z.B. Lebensform) abgestellt, so ist dies durch eine qualifizierte Begründung zu rechtfertigen (schweizer, St. Galler Kommentar, 2008, N 44 f. zu Art. 8).

4. Erbrechtliche Zuwendungen unterliegen der Erbschaftssteuer nach § 223 ff. StG. Steu-erpflichtig ist der Empfänger der Zuwendung (§ 224 Abs. 1 StG). Von der Steuerpflicht befreit sind nach § 225 StG u.a. der Ehegatte und der eingetragene Partner oder die eingetragene Partnerin (Bst. a) sowie die Nachkommen, die Adoptivkinder und ihre Nachkommen sowie die Eltern und Adoptiveltern (Bst. b). Weiter privilegiert das Steuergesetz bestimmte Klassen von Steuerpflichtigen, indem der Steuersatz nach § 232 StG je nach Steuerklasse abgestuft ist. § 230 sieht folgende Steuerklassen vor: Klasse 1: Stiefeltern und Stiefkinder, Pflegeeltern und Pflegekinder, sofern das Pflegeverhältnis während mindestens zwei Jahren bestanden hat, sowie die Nachkommen von Stiefund Pflegekindern (Bst. a); Klasse 2: Geschwister und Halbgeschwister (Bst. b); Klasse 3: Grosseltern und Schwiegereltern (Bst. c); Klasse 4: Onkel und Tanten, Neffen und Nichten (Bst. d); Klasse 5: alle weiteren Steuerpflichtigen (Bst. e).

5. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz die Rekurrentin, welche langjährige Lebens-partnerin des Erblassers war, für die Festsetzung der Erbschaftssteuer in die Steuerklasse 5 gemäss § 230 Bst. e StG eingereiht. Die Rekurrentin beantragt hingegen die Einteilung in die Steuerklasse 1 gemäss § 230 Bst. a StG. Sie rügt, § 230 StG sei, weil er die in Klasse 1 eingereihten Personengruppen privilegiere, die Konkubinatspartner hingegen nicht, verfassungswidrig und verletzte das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV), das Willkürverbot (Art. 9 BV) und das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV). Die Ungleichbehandlung eines über zwanzig Jahre dauernden Konkubinats im Vergleich mit den in Klasse 1 genannten Personen, v.a. Pflegekindern und Pflegeeltern, und zwar erst noch bei bloss zwei Jahre dauernden Pflegeverhältnissen, sei mit vernünftigen Gründen nicht erklärbar. Das Pflegekinderverhältnis fusse wie das Konkubinat ebenfalls nicht auf verwandtschaftlichen Banden. Die Begünstigung der Pflegekinder lasse sich einzig mit engen persönlichen Beziehungen und dem Vorsorgebedürfnis begründen. Diese Kriterien würden mindestens im gleichen bzw. tatsächlich sogar in weit grösserem Umfang auf sie zutreffen, zumal bei Pflegeverhältnissen die Privilegierung bereits nach zwei Jahren greife und zudem auch zu Gunsten der Pflegeeltern wirke. Die Rekurrentin habe während über 20 Jahren in einer Gemeinschaft von Tisch und Bett, also in einer an Intensität wohl kaum zu überbietenden Lebensgemeinschaft mit dem Erblasser und ihrem behinderten Kind gelebt. Auch ihr Vorsorgebedürfnis sei augenscheinlich.

Die Rekurrentin führt hingegen im Rekurs explizit aus, sie verlange (anders als noch in der Einsprache) keine Befreiung von der Erbschaftssteuer entsprechend der Regelung für Ehegatten (§ 225 Bst. a StG).

6. Vorliegend ist zunächst zu prüfen, ob die Vorinstanz bei der Verfügung der Erb-schaftssteuer das Gesetz (§ 230 StG und § 225 Abs. 1 Bst. a StG) richtig angewendet und ausgelegt hat. Die Rekurrentin hat diese Rüge zwar im Rekurs nicht (mehr) vorgebracht, diese Frage muss aber aufgrund des Grundsatzes der Rechtsanwendung von Amtes wegen dennoch geprüft werden (in der gebotenen Kürze). Der Wortlaut von § 225 Abs. 1 StG und von § 230 Bst. a-d StG ist eindeutig: Konkubinatspartner können unter keine der privilegierten Gruppen subsumiert werden. Die Aufzählung der Privilegierungen in § 230 Bst. a-d StG ist auch unbestrittenermassen abschliessend (zum Ganzen auch KSGE 1997 Nr. 15 E. 3). Von einem derart klaren Wortlaut könnte nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn aus den anderen Auslegungsmethoden sich ergebende triftige Gründe zur Annahme führten, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn wiedergibt (E. 2). In Bezug auf das historische Auslegungselement ist, wie die Vorinstanz zu Recht geltend macht, zu berücksichtigen, dass ein im Rahmen der Teilrevision des Steuergesetzes im Jahr 1995 gestellter Antrag, Konkubinate in Klasse 1 aufzunehmen, nicht durchdrang. Der Gesetzgeber hat sich also ganz bewusst dagegen entschieden, Konkubinate zu privilegieren (vgl. schon KSGE 1997 Nr. 15 E. 3). Kein anderes Ergebnis ergibt sich auch unter geltungszeitlicher Auslegung: Seit der erwähnten Teilrevision im Jahr 1995 haben keine derartig grossen gesellschaftlichen Veränderungen stattgefunden, dass sich eine Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut und entgegen dem historischen Willen des Gesetzgebers rechtfertigen würde. Die Auslegung ergibt, dass Konkubinatspartner nicht unter § 225 Abs. 1 Bst. a und b oder § 230 StG subsumiert werden können, sondern unter Bst. e (Klasse 5) einzureihen sind.

Dieses Ergebnis bedeutet lediglich, dass das von der Rekurrentin gewünschte Ergebnis nicht schon durch Auslegung des Gesetzes erreicht werden kann. Zu prüfen bleibt, ob das Gesetz, wie die Rekurrentin vertritt, das verfassungsmässige Rechtsgleichheitsgebot oder das Willkürverbot verletzt. Wenn dies der Fall wäre, müsste das Gericht dem kantonalen Gesetz die Anwendung versagen. Dies gälte selbst, wenn der kantonale Gesetzgeber ganz bewusst ein rechtsungleiches oder ein willkürliches Gesetz aufgestellt hätte.

7. Dabei wird vorab geprüft, ob das verfassungsmässige Gleichheitsgebot eine Gleich-stellung des Konkubinats mit der Gruppe der Ehegatten oder eingetragenen Partner und Partnerinnen, welche gemäss § 225 StG von der Erbschaftssteuer befreit sind, erfordert. Darauf wird, da die Rekurrentin im Rekurs (anders als noch in der Einsprache) keinen entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. E. 5), unter Rechtsanwendung von Amtes wegen - und in der gebotenen Kürze - eingegangen.

Sowohl das kantonale Steuergericht als auch das Bundesgericht haben bereits erkannt, es liege keine Verfassungsverletzung vor, wenn ein kantonales Gesetz bei der Erbschaftssteuer Konkubinatspartner den Ehegatten nicht gleichstellt (BGE 123 I 241; KSGE 1997 Nr. 15). § 225 Bst. a StG stellt nicht auf die Enge der persönlichen Beziehungen ab, sondern auf das formale Bestehen einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft, dieses Abstellen auf formale Verhältnisse hat das kantonale Steuergericht explizit als zulässig bezeichnet (KSGE 1997 Nr. 15 E. 5a-c, vgl. dazu auch unten E. 8.4). Es ist bis heute eine Rechtsrealität, dass Ehegatten und eingetragene Partnerschaften einerseits und Konkubinatspaare andererseits nicht gleich behandelt werden. In gewissen Rechtsgebieten erfolgten zwar gewisse Annäherungen, die aber eher Korrekturmechanismen denn Gleichstellungsmassnahmen sind (vgl. die in E. 8.4 genannten Konstellationen). Das Konkubinat ist - anders als die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft (vgl. dazu auch unten E. 8.2) - kein Institut des Familienrechts. Die Grundsätze des Eherechts gelten für Konkubinatspartner nicht und die rechtlichen Beziehungen zwischen Ehepartnern sind ganz anderer Natur als diejenigen zwischen Konkubinatspartnern, namentlich betrifft dies die Beistandsund Unterstützungspflichten (vgl. KSGE 1997 Nr. 15 E. 5d). Auch in anderen Rechtsgebieten gibt es keine Gleichbehandlung. Insbesondere knüpfen sowohl die Einkommenssteuer als auch die AHV/IV an den Zivilstand an und sehen nur für Ehegatten und eingetragene Partner eine besondere Behandlung vor. Dies führt im Einkommenssteuerrecht teilweise zu einer Bevorteilung der Konkubinate gegenüber Ehepaaren, während bei der AHV/IV gesamthaft eher die Ehepaare bessergestellt sind (vgl. ausführlich zum Ganzen Botschaft zur Volksinitiative «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» vom 23. Oktober 2013, BBl 2013 8513 ff., 8530). Zwar ist gemäss der Rechtsprechung zur Einkommenssteuer eine Gleichbehandlung von Ehegatten und Konkubinatspaaren anzustreben, jedoch bezieht sich diese Aussage auf eine vergleichbare Steuerbelastung, eine absolute Gleichstellung wird nicht verlangt (BGE 120 Ia 329). Das Bundesgericht sieht auch in der unterschiedlichen Behandlung von Ehegatten und Konkubinatspartnern im Sozialversicherungsrecht keinen Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot (BGE 137 V 105; 134 V 369; 125 V 221). Somit bestehen objektive Unterschiede und es kann nicht davon gesprochen werden, es liege bei Ehegatten sowie eingetragenen Partnerschaften und bei Konkubinatspaaren Gleiches vor, das gestützt auf Art. 8 BV gleich behandelt werden müsste. Ebensowenig ist das Willkürverbot verletzt. Der Gesetzgeber verletzt kein Verfassungsrecht, wenn er beschliesst, Konkubinatspartner (anders als Ehegatten und eingetragene Partner) nicht von der Erb-schaftssteuer zu befreien. Das Steuergericht sieht somit keinen Grund, von seiner eigenen und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (KSGE 1997 Nr. 15, BGE 123 I 241) abzuweichen.

8. Schliesslich ist zu prüfen, ob das Rechtsgleichheitsgebot erfordert, dass die Rekurrentin in eine der gemäss § 230 StG privilegierten Klassen (namentlich in Klasse 1, wie sie verlangt) eingereiht wird. Diese Bestimmung sieht einen günstigeren Tarif vor einerseits für verschiedene Verwandte (Bst. b-d), andererseits aber auch für bestimmte nicht verwandte Personen, nämlich Pflegekinder und -eltern, Stiefkinder und -eltern sowie die Nachkommen von Stiefund Pflegekindern (Bst. a) und Schwiegereltern (Bst. c).

8.1 Das kantonale Erbschaftssteuerrecht stellt nicht auf die im Einzelfall vorhandene persönliche Beziehungsnähe zum Erblasser ab, sondern privilegiert abstrakt umschriebene Gruppen (bei welchen eine grosse Beziehungsnähe vermutet wird). Dies ist gemäss der Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil die Intensität persönlicher Beziehungen kaum je objektiv bestimmbar ist (Urteil des Bundesgerichts 2P.139/2004 vom 30.11.2004 E. 3.1; s.a. KSGE 1997 Nr. 15 E. 5a; BGE 123 I 241 E. 4a, 5b). Solche Pauschalierungen (Schematisierungen) sind im Steuerrecht im Allgemeinen zulässig und dienen letztlich der rechtsgleichen Rechtsanwendung. Eine solche schematische Lösung kann zwangsläufig nicht für alle Einzelfälle absolut gerecht sein (vorn E. 3.4). Die Ausführungen der Rekurrentin zu ihrem konkreten Fall (über 20 Jahre Konkubinat usw.) können somit nicht berücksichtigt werden. Nur wenn mit dem (qualifizierten) Konkubinat eine ganze Gruppe rechtsungleich behandelt würde, läge ein Verfassungsverstoss vor.

8.2 In erster Linie schützt und privilegiert das durch § 225 Bst. a und b und § 230 StG ge-schaffene System die Ehe und die Familie (Verwandtschaft). Die privilegierten Verhältnisse werden im Eheund Familienrecht des ZGB geregelt und die dort genannten Personen sind (ausser den Schwiegereltern) gesetzliche Erben nach Art. 457 ff. ZGB. Das Bundesgericht hat erkannt, dass ein solches System, das auf Familie und Verwandtschaft abstellt, und die Konkubinatspaare nicht einbezieht, nicht verfassungswidrig ist. Ein solches System schützt Ehe und Familie aufgrund von deren wichtigen Bedeutung in der Gesellschaft. Es berücksichtigt auch die zivilrechtlichen Beistandsund Unterstützungspflichten (BGE 123 I 241 E. 4, 5).

8.3 Neben Ehegatten und Verwandten werden durch die solothurnische Erbschaftssteu-ergesetzgebung auch noch nicht verwandte Personen, nämlich Pflegeund Stiefkinder und deren Nachkommen, Pflegeund Stiefeltern, sowie Schwiegereltern privilegiert (§ 230 Bst. a StG). Auch wenn es an der Verwandtschaft fehlt, werden die Pflegeund Stiefkindverhältnisse nichtsdestotrotz ebenfalls im ZGB und genauer im Familienrecht geregelt, nämlich in Art. 299 und Art. 300 ZGB (die Schwägerschaft ist in Art. 21 ZGB erwähnt), sie gehören also in einem weiteren Sinn zur Familie. Im Zusammenhang mit Art. 230 Bst. a StG war der kantonale Gesetzgeber offenkundig der Auffassung, dass die Pflegeund Stiefkindverhältnisse in ihrer Intensität den Verwandtschaftsverhältnissen gleichkommen und deswegen auch zu privilegieren sind (s.a. KSGE 1997 Nr. 15 E. 2). Dieser Entscheid des Gesetzgebers dürfte darauf beruhen, dass Pflegekinder und Stiefkinder in einer Familie eine den eigenen Kindern vergleichbare Stellung erhalten. Im Bericht und Antrag des Regierungsrats vom 2. April 1984 zur Totalrevision des StG (S. 127) wurde die Privilegierung des Pflegekindverhältnisses zudem aus sozialen Gründen gerechtfertigt. Es bestehen damit objektive Gründe für diese Privilegierungen, welche für das Konkubinat nicht gelten. Das Konkubinat ist mit den Pflegeund Stiefkinderverhältnissen, welche faktisch regelmässig eine Eltern-Kind-Beziehung bewirken, nicht vergleichbar. Damit liegt, anders als die Rekurrentin geltend macht, kein Verfassungsverstoss darin, dass Pflegekinder und -eltern privilegiert werden, nicht aber das Konkubinatsverhältnis.

8.4 Alle privilegierten Sachverhalte sind zudem registriert oder sind durch eine Verfügung geregelt. Die Ehe, eingetragene Partnerschaft und die Verwandtschaft, aber auch das Stiefkinderverhältnis und die Schwägerschaft lassen sich aus Registern nachvollziehen. Das Pflegekindverhältnis bedarf einer behördlichen Verfügung (Art. 316 ZGB, § 110 Abs. 1 des kant. Sozialgesetzes). § 225 und § 230 StG stellen also auf Verhältnisse ab, die sich klar und unzweideutig feststellen lassen (vgl. KSGE 1997 Nr. 15 E. 5b; s.a. Urteil des Bundesgerichts 2C_1031/2012 vom 31.3.2013 E. 4.2). Auch insofern besteht ein objektiver Unterschied zum Konkubinat, welches nicht auf einem Rechtsakt beruht, sondern formlos begründet und wieder aufgelöst werden kann, und welches nicht registriert ist.

Die Rekurrentin kritisiert, dass gemäss den Ausführungen der Vorinstanz die Praktikabilität zum ausschliesslichen Beurteilungskriterium gemacht werde, und dies die Ungleichbehandlung nicht rechtfertige. Sie verweist auf diverse Beispiele, in welchen Behörden beurteilen müssten, ob ein Konkubinatsverhältnis vorliege. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die steuerpflichtige Person das Vorliegen eines Konkubinats nachweisen müsste, um die Steuerprivilegierung beanspruchen zu können (S. 11 ff. des Rekurses). Der Rekurrentin ist insofern Recht zu geben, dass eine Privilegierung des Konkubinats bei der Erbschaftssteuer durchaus möglich und praktisch durchführbar wäre. Dies zeigt schon die Tatsache, dass einige andere Kantone das (qualifizierte) Konkubinat bei der Erbschaftssteuer privilegieren (vgl. dazu die Übersicht in SSK, Erbschaftsund Schenkungssteuern, März 2013). Zudem gibt es einige Rechtsgebiete, in welchen (teilweise gestützt auf Gesetz, teilweise gestützt auf die Rechtsprechung) an das (qualifizierte) Konkubinat bestimmte Rechtsfolgen angeknüpft werden (z.B. Kürzung/Verweigerung von Sozialhilfeleistungen, Anpassung nachehelicher Unterhalt, BVG-Rente gemäss Art. 20a BVG, ausländerrechtliche Konsequenzen, Bestimmung des Steuerdomizils bei der Einkommenssteuer, usw.). Richtig ist auch, wie die Rekurrentin ausführt, dass betreffend das Vorliegen eines privilegierenden Tatbestands die steuerpflichtige Person die Beweislast trägt. Jedoch ändert die Tatsache, dass es durchführbar wäre, das Konkubinat zu privilegieren, nichts daran, dass dies doch mit gewissem Aufwand und Abgrenzungsfragen verbunden wäre (KSGE 1997 Nr. 15 E. 5b und c; betr. die Einkommenssteuer s.a. BGE 110 Ia 7 E. 3d; Die Familienbesteuerung, März 2011, SSK, Ziff. 23). Das Abstellen auf den Zivilstand, die Verwandtschaft und registrierte oder zumindest behördlich verfügte Verhältnisse ist demgegenüber einfacher (s.a. Urteil des Bundesgerichts 2C_1031/2012 vom 31.3.2013 E. 4.1, 4.3; BGE 123 I 241 E. 4, 5). Es ist deswegen nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber - zumal ihm ein grosser Gestaltungsspielraum eingeräumt wird (E. 3.4) - auf solche formale Kriterien abgestellt und nur leicht nachvollziehbare Verhältnisse privilegiert. Dass das Konkubinat nicht privilegiert wurde, erklärt sich zudem anders als die Rekurrentin vorbringt keineswegs ausschliesslich mit Praktikabilitätsgründen. Offenkundig stand ursprünglich wie ausgeführt (E. 8.1) die Bevorzugung der Familie, welche bis heute (anders als das Konkubinat) eine besondere Stellung im Rechtssystem und einen besonderen Schutz geniesst, im Vordergrund. Auch die Bevorzugung der Stiefund Pflegekinderverhältnisse beruht auf bestimmten, bereits erwähnten Gründen (vorn E. 8.3).

8.5 Die Rekurrentin verweist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 25. Oktober 1993 (NStP 1994 S. 1 ff.), in welchem das Gericht zum Ergebnis kam, es sei verfassungswidrig, Konkubinatsverhältnisse nicht zu privilegieren (ähnlich im Übrigen auch Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern vom 10.1.2004, LGVE 2004 II Nr. 28, E. 3d). Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die Rechtslage in den Kantonen Bern bzw. Luzern und jene im Kanton Solothurn nicht übereinstimmen, denn erstere sehen auch eine Bevorzugung für Haushalthilfen bzw. Dienstboten und Arbeitnehmer vor. Im Kanton Solothurn existieren hingegen keine derart frappanten Ungleichbehandlungen, die eine Verfassungswidrigkeit des Systems bewirken würden. Ohnehin ist das kantonale Steuergericht nicht an Urteile aus anderen Kantonen gebunden.

8.6 Zusammenfassend handelt es sich bei den privilegierten Gruppen und dem Konkubinat nicht um Gleiches, das im Sinn des Rechtsgleichheitsgebots gleich behandelt werden müsste. Das kantonale Steuergericht hat bereits in einem früheren Entscheid - wenn auch in einem obiter dictum - festgehalten, dass das Rechtsgleichheitsgebot eine Privilegierung des Konkubinats durch Einreihung in eine der Klassen 1-4 nicht erfordere (KSGE 1997 Nr. 15 E. 5d). Das Rechtsgleichheitsgebot, ebenso wie die Grundsätze nach Art. 127 Abs. 2 BV (oben E. 3.4), die im hier interessierenden Zusammenhang nicht über Art. 8 BV hinausgehen, sind vorliegend nicht verletzt. Die Regelung ist zudem - aufgrund der genannten nachvollziehbaren und objektiven Gründe für eine Ungleichbehandlung - auch nicht willkürlich.

8.7 Anzufügen ist, dass es möglicherweise durchaus als angemessen betrachtet werden könnte, Konkubinatspaare zu privilegieren, wie dies viele andere Kantone auch tun (vgl. die Übersicht in SSK, Erbschaftsund Schenkungssteuern, März 2013). Bei einem sog. qualifizierten (mind. fünfjährigen) Konkubinat (vgl. die bundesgerichtliche Definition in BGE 118 II 235), das im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch bestand, bestehen zweifellos sehr enge Beziehungen, die häufig enger sein dürften als die Beziehungen des Erblassers zu den in Klasse 1-4 genannten Personen. Eine Privilegierung des Konkubinats bedingte aber neue Wertungen durch den Gesetzgeber, indem dem Konkubinat ein der Ehe bzw. Familie ähnlicher Stellenwert beigemessen und indem auch auf rein faktische Verhältnisse abgestellt würde. Solche (politischen) Wertungen sind dem Gesetzgeber vorbehalten. Dem Gesetzgeber ist vom Gericht ein weiter Spielraum zuzugestehen und das Gericht darf sein Ermessen nicht anstelle desjenigen des Gesetzgebers setzen und ebensowenig hat es die Zweckmässigkeit zu untersuchen (E. 3.4).

8.8 Schliesslich macht die Rekurrentin geltend, der Kanton verstosse gegen das Diskrimi-nierungsverbot, indem er Konkubinatspartner im Erbfall der höchsten Progression unterstelle und im Fürsorgebereich beim Bestehen eines - lediglich zweijährigen - Konkubinats eine Kürzung vornehme; ganz offensichtlich werde diese heute allseits anerkannte Lebensform bewusst benachteiligt (S. 13 f. und S. 15 Rekurs). Die Voraussetzungen eines Verstosses gegen Art. 8 Abs. 2 BV sind hier nicht gegeben. Die zur Diskussion stehende Benachteiligung bewirkt keine Herabwürdigung oder Ausgrenzung (vgl. dazu E. 3.5) der betroffenen Konkubinatspartner, es kann nicht davon gesprochen werden, durch die Steuerbelastung erfolge ein Ausschluss aus oder eine Marginalisierung innerhalb der Gesellschaft. Im Übrigen ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen, wonach die Regelung auf sachlichen Gründen beruht. Damit erfolgt durch § 230 StG keine verfassungswidrige Diskriminierung. Die von der Rekurrentin erwähnte Behandlung des Konkubinats im Sozialhilfebereich hingegen ist vorliegend nicht Urteilsthema.

Steuergericht, Urteil vom 4. Mai 2015 (SGNEB.2014.7)



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