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Urteil Steuergericht (SO)

Zusammenfassung des Urteils SGDIV.2019.6: Steuergericht

Die Veranlagungsadressatin X erhob Einspruch gegen die Ermessensveranlagung der Quellensteuer 2016 in Höhe von CHF 20'000. Das Steueramt des Kantons Solothurn behauptete, dass X Meldebestätigungen für den Stellenantritt bei einem Arbeitgeber im Erotikgewerbe beantragt habe. X argumentierte, dass die Damen und Herren im Erotikbereich unabhängig seien und keine Lohnzahlungen erhalten hätten. Das Steueramt wies die Einsprache ab, da X als Betreiberin eines Bordells angesehen wurde. X und Z legten gemeinsam Beschwerde ein, wobei sie die selbstständige Erwerbstätigkeit der Dienstleisterinnen betonten. Das Steuergericht entschied, dass die Dienstleisterinnen als unselbstständig Erwerbende gelten und X als Schuldnerin der Quellensteuer qualifiziert wird. Der Entscheid wurde am 6. Januar 2020 von Präsident Müller gefällt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SGDIV.2019.6

Kanton:SO
Fallnummer:SGDIV.2019.6
Instanz:Steuergericht
Abteilung:-
Steuergericht Entscheid SGDIV.2019.6 vom 06.01.2020 (SO)
Datum:06.01.2020
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Quellensteuer 2016
Schlagwörter : Quot; Arbeit; Person; Dienstleisterin; Recht; Personen; Dienstleisterinnen; Einsprecherin; Quellensteuer; Damen; Erwerbstätigkeit; Ausländer; Steueramt; Meldebestätigung; Einsprache; Arbeitgeber; Erwerbende; Miete; Solothurn; Miete; Bundesgericht; Vermieter; Verfügung
Rechtsnorm:Art. 139 DBG ;Art. 195 StGB ;Art. 253 OR ;Art. 321d OR ;Art. 83 DBG ;
Referenz BGE:140 II 460; 140 II 469; 140 II 471;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SGDIV.2019.6

Urteil vom 6. Januar 2020

Es wirken mit:

Präsident: Müller

Richter: Bobst, Kellerhals

Sekretär: Hatzinger

In Sachen SGDIV.2019.6

X,

v.d.

gegen

Steueramt des Kantons Solothurn, Recht und Aufsicht

betreffend Quellensteuer 2016


hat das Steuergericht den Akten entnommen:

1. Mit Datum vom 28. Juni 2017 wurde X, , die Ermessensveranlagung der Quellensteuer 2016 (für die Abrechnungsperiode 1.8. bis 31.12.2016) eröffnet. Diese Veranlagung erzeigte eine Steuerrechnung über CHF 20'000.00. Gegen diese Veranlagung erhob die Veranlagungsadressatin am 4. Juli 2017 Einsprache. Darin wies sie darauf hin, dass sie bereits in mehreren Schreiben dargelegt habe, dass vom 1.8. bis 31.12.2016 keine Anstellungen vertraglichen Verpflichtungen in einem Abhängigkeitsverhältnis bestanden hätten und somit in dieser Periode auch keine Lohnzahlungen getätigt worden seien. Ein entsprechendes Quellensteuerformular habe sie beigelegt; sie lege der Einsprache erneut ein unterzeichnetes Exemplar bei. Somit so die Einsprecherin weiter sei bewiesen und belegt, dass die Ermessensveranlagung ohne rechtliche Grundlage erfolgt sei.

2.1 Das Steueramt des Kantons Solothurn forderte die Einsprecherin mit Schreiben vom 9.8.2017 auf, zum Sachverhalt Stellung zu beziehen, wonach gemäss Unterlagen des Amts für Wirtschaft und Arbeit ersichtlich sei, dass durch die Einsprecherin X Meldebestätigungen für den Stellenantritt bei einem Arbeitgeber in der Schweiz (für Erotikgewerbe) beantragt worden seien. X nahm am 20.8.2017 in einem an den Chef des Steueramtes adressierten Brief Stellung. Darin wurde nebst der detaillierten Auflistung des bisherigen Verfahrensverlaufs dargelegt, dass die Meldebestätigungen des Amtes für Wirtschaft und Arbeit gemäss den gesetzlichen Vorgaben durch sie - die Einsprecherin - "analog einem Arbeitgeber" vorzunehmen seien. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gelte ein Vermieter eines Erotiketablissements nur dann als Arbeitgeber, wenn die ganze Infrastruktur zur Verfügung gestellt werde. Die Damen und Herren, die in ihren Wohnsitz begründen, würden jedoch ein komplett unabhängiges Gewerbe im Erotikbereich betreiben. Es bestünde keine Homepage, es gäbe keine Vorschriften über Art und Preise der Tätigkeiten, es gäbe keine gemeinsame Telefonnummer des Hauses und die Damen und Herren würden ihr eigenes Gewerbe teilweise als Escortservice in der ganzen Schweiz betreiben (wochenweise sogar in anderen Appartements). Es würde lediglich Wohnraum zur Nutzung eines stillen Gewerbes angeboten. Dabei erfolge auch die Auswahl der Bewohner im Meldeverfahren nicht durch die Einsprecherin; es genüge die Meldung mittels einer Passkopie zur Einleitung der fremdenpolizeilichen Meldung. Oftmals würden sich die betroffenen Personen auch selber bzw. direkt um die entsprechenden Bewilligungen bemühen. Ebenso würden keine Abgaben für die Einrichtung der einzelnen Zimmer von den Betroffenen erhoben, zumal keine Pro-Kopf-Abrechnungen existierten. Für eine nachträgliche Erhebung resp. Rückforderung von CHF 20'000.00 bei den betroffenen Bewohnern fehle ohnehin die rechtliche Grundlage. Auch wirtschaftlich betrachtet könne keine Verrechnung vorgenommen werden, zumal vorgängig keine Abgaben eingezogen worden seien.

2.2 Der Einsprecherin wurde durch den Chef des Steueramtes mit Brief vom 31.8.2017 beschieden, dass ihr Schreiben vom 20.8.2017 der Abteilung Recht und Gesetzgebung resp. Abteilung Sondersteuern/Quellensteuern zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet worden sei.

Mit Schreiben vom 29. Februar 2019 wurde die Einsprecherin durch das Steueramt des Kantons Solothurn aufgefordert, bis zum 25. März 2019 die unterschriebenen Mietverträge der im Jahr 2016 arbeitenden Damen zuzustellen. Zudem wurde die Einsprecherin gebeten mitzuteilen, nach welchen Kriterien die Zimmer vermietet und ob den Damen neben der Miete noch weitere Kosten in Rechnung gestellt würden. Ebenso solle die Einsprecherin die Benutzungsordnung der Räume in gleicher Frist einreichen. Auch solle erläutert werden, wer die Werbeanzeigen und die hierfür verfassten Texte für die Dienstleistung der Damen auf den einschlägigen Seiten aufschalte und verwalte. Des Weiteren sei aufzuzeigen, weshalb die Damen durch die Einsprecherin beim Amt für Wirtschaft und Arbeit zur Erlangung der Meldebestätigung angemeldet worden seien; dies deshalb, weil die Meldebestätigung für selbständig Erwerbende einzig dann ausgestellt werde, wenn die Damen sich selber anmelden und zudem den Nachweis der selbständigen Erwerbstätigkeit mittels hinreichenden Belegen (bspw. Businessplan) belegen würden. Könne der Nachweis der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht erbracht werden, werde keine Meldebestätigung ausgestellt. Sollten die eingeforderten Unterlagen so das Steueramt weiter - nicht innert Frist eingereicht werden, würde aufgrund der Akten entschieden.

2.3 Mit Eingabe vom 20.3.2019 liess sich die Einsprecherin über Z vernehmen. Zur Frage, weshalb die betroffenen Damen beim Amt für Wirtschaft und Arbeit zur Erlangung der Meldebestätigung angemeldet würden, wurde ausgeführt, dass den Gesuchstellenden "in Solothurn die Anmeldung als selbständig verweigert" werde, "da sie zuerst in den ersten drei Monaten im Meldeverfahren analog von Angestellten angemeldet werden müssen". Erst im Anschluss an diese drei Monate könnten die Dienstleistenden ihren Antrag als selbständig Erwerbende (unter Beilage eines Businessplans etc.) bei der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn zwecks Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung einreichen. Diese Personen würden in der Folge als selbständig Erwerbende gelten, obwohl sich an der Situation seit der Einreise nichts geändert habe. Bezüglich der Vermietungssituation wurde dargelegt, dass die im Erotikbereich Arbeitenden im Besitze der schweizerischenoder der EU-Staatsbürgerschaft sein müssten und dies mittels Vorlage eines Passes der ID-Karte belegt werden müsse. Dabei genüge es, vorgängig eine Kopie der Dokumente zu erhalten, um das kantonale Meldeverfahren auszulösen. Eine direkte Kontaktnahme mit den Betroffenen sei hierzu nicht notwendig. Bei der Liegenschaft an der in handle es sich um ein Mehrfamilienhaus mit Wohnungen, welche zur gewerblichen Nutzung zur Verfügung stünden. Bei den Personen im Meldeverfahren handle es sich meistens um ausländische Staatsangehörige, welche sich im Haus aufhielten, um Bekannte abzulösen sich die Miete mit anderen zu teilen. Wie erwähnt, erfolge ein Kontakt zu Frau X nach Zustellung der Dokumente teilweise nicht mehr und die fraglichen Personen genössen während ihres Aufenthalts sogar kostenlos Logis, trotz erhöhter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur. Dazu seien keine Mietverträge erforderlich. Es gäbe nur die Verpflichtung, die Hausordnung einzuhalten. Die erwähnten "MieterInnen" würden mehrheitlich keine Abgaben entrichten und es sei deshalb fraglich, wie bei den "BewohnerInnen" entsprechende Beträge eingezogen werden könnten; die Dienstleistenden würden in «eigener Regie und Kasse» arbeiten. Gemäss gesetzlicher Vorgabe sei das Einziehen des Einkommens bei "SexarbeiterInnen" nicht zulässig. Eine allfällige Quellensteuer liesse sich somit bei den Betroffenen nicht einziehen, zumal diese meist innert kürzester Zeit wieder wegzögen.

Eine Homepage, die Aufschluss über die Personen und deren Tätigkeiten in der Liegenschaft wiedergebe, existiere nicht. Die Werbung sei in fine die Angelegenheit jeder einzelnen Person. Hierbei würden diese durch Freunde Stammkunden unterstützt. Auch gäbe es wie durch das Steueramt eingefordert keine Benützungsordnung für die Räume. Die Unterkünfte würden "zur Miete mit Bewilligung zur gewerblichen Nutzung als stilles Gewerbe zur Verfügung gestellt". Somit bleibe es den Mietenden freigestellt, ob sie darin nur wohnen möchten, Massagen anböten ein Nähatelier betrieben.

Mit der Stellungnahme wurden dem Steueramt keine Belege eingereicht.

3. Das Steueramt des Kantons Solothurn (nachfolgend Vorinstanz) wies die Einsprache mit Verfügung (Einspracheentscheid) vom 14.5.2019 ab. In ihrem Einspracheentscheid hält die Vorinstanz fest, dass die Einsprecherin als Betreiberin eines Bordells zu qualifizieren sei und die durch diese innegehaltene Position derjenigen eines Arbeitgebers gleichzustellen sei. Zur Begründung dieser Auffassung legt die Vorinstanz im Wesentlichen dar, dass gemäss Lehre und Rechtsprechung jene natürlichen Personen als selbständig erwerbend gelten würden, die durch Einsatz von Arbeitsleistung und Kapital in frei gewählter Organisation, auf eigenes Risiko, anhaltend, planmässig und nach aussen sichtbar zum Zweck der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen Verkehr teilnähmen. Diese Merkmale träten in unterschiedlicher Intensität auf; ausschlaggebend sei somit das Gesamtbild der vollzogenen Tätigkeit, wobei alle Umstände des Einzelfalles in die Beurteilung einzubeziehen seien. Im Erotikgewerbe laufe der Betreiber Gefahr, sich bei Einflussnahme auf Ort, Zeit, Ausmass andere Umstände, gemäss Art. 195 StGB der Förderung der Prostitution strafbar zu machen. Diese Gefahr führe zu Anstellungsformen, die einem Arbeitsverhältnis im klassischen Sinne lediglich ähnlich seien. Mit Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung müsse davon ausgegangen werden, dass der Betreiber in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Salons unter anderem darüber entscheide, wer im Salon, allenfalls im Rahmen einer geltenden Hausordnung, als Prostituierte bzw. als Prostituierter tätig sein könne. Diese Annahme sei naheliegend, zumal die in der Branche tätigen Ausländerinnen und Ausländer, bedingt auch durch das sprachliche Defizit sowie die bescheidenen finanziellen Mittel und mangelnden Kenntnisse des schweizerischen Systems, zum Betreiber in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis stünden.

Bezüglich der konkreten Wohnsituation der im Erotikgewerbe tätigen Personen seien die Ausführungen der Einsprecherin wenig glaubhaft. So wohne diese selbst in der fraglichen Liegenschaft in , so dass Kenntnis über Identität und Anzahl der im Haus verweilenden Personen bestünde. So sei davon auszugehen, dass die Einsprecherin die Wohnsituation der im Haus wohnenden Frauen und Männer kenne und die erlassene Hausordnung auch selber kontrollieren könne. Damit sich der kurze Aufenthalt finanziell lohne, seien die Betroffenen auf die Aufschaltung von Werbung (Anzeigen) angewiesen; für diese Werbetätigkeit sei externe Hilfe nötig, so dass auch diesbezüglich ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis anzunehmen sei.

Das sog. Meldeverfahren betreffend verweist das Steueramt in seinen Ausführungen auf die solothurnische Praxis im Erotikgewerbe. So erhielten Arbeiterinnen und Arbeiter, welche nicht auf dem Strassenstrich arbeiteten, keine Meldebestätigung für selbständige Erwerbstätigkeit. Damit würden Prostituierte, die in einem Etablissement arbeiten, als unselbständig Erwerbende gelten. Diejenige Person, die für die Infrastruktur eines Etablissements im Erotikgewerbe zuständig sei und entscheide, welche Ausländerinnen und Ausländer in den Räumlichkeiten arbeiten könnten, gelte gemäss dieser Praxis als Geschäftsführer. Dies gelte auch dann, wenn diese Person den Arbeitnehmenden keinerlei Weisungen betreffend Arbeitszeit, Anzahl der zu bedienenden Freier sowie Art der Dienstleistung usw. erteilen könne. Verweigere die Einsprecherin einer Ausländerin einem Ausländer die Erteilung der Meldebestätigung, habe diese Person keine Möglichkeit an der zu arbeiten. Die Einsprecherin entscheide somit analog einem Geschäftsführer darüber, wer für ihr Etablissement arbeiten dürfe und wer nicht.

4. X (nachfolgend Beschwerdeführerin) und Z erhoben am 28.5.2019 gemeinsam "Beschwerde" gegen den vorinstanzlichen Einspracheentscheid. Zur Begründung führen sie zusammengefasst Folgendes aus:

4.1 Unter Bezugnahme auf die von der Vorinstanz im Zusammenhang mit dem Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit zitierten Bundesgerichtsentscheide sei just ersichtlich, dass die "MieterInnen" an der in in eigener Regie bestimmen, wer mit ihnen die Wohnung teilt die Nachmiete antritt, somit als selbständige "UnternehmerInnen" aufträten.

4.2 Der vermutungsweise getroffenen Annahme, die im Erotikbereich arbeitenden Personen wären der deutschen Sprache nicht mächtig genug, um zwangsläufig in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Vermieter zu gelangen, müsse entschieden widersprochen werden. Vielmehr sei es so, dass die Damen bestens orientiert und mit einem strukturierten Arbeitsplan einreisen würden. Zudem würden die fraglichen Personen in der Regel aus dem nahen europäischen Umfeld stammen, so dass die Sprache als Grund allfälliger Abhängigkeit gänzlich wegfalle.

4.3 Ebenso müsse die Behauptung des Steueramts, die auf Seiten der Dienstleisterinnen fehlenden finanziellen Mittel würden eine Situation der Abhängigkeit begründen, zurückgewiesen werden. Eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Vermieter und Dienstleisterin erfolge unabhängig von der finanziellen Situation der beteiligten Personen. Vielmehr bestimme der Markt, ob eine angebotene Dienstleistung von Erfolg gekrönt sei nicht.

4.4 Gemäss Lehre und Rechtsprechung würden natürliche Personen als selbständig erwerbend gelten, wenn diese durch Einsatz von Arbeitsleistung und Kapital in frei gewählter Organisation auf eigenes Risiko zum Zweck der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen Verkehr teilnähmen. Treffender so die Beschwerdeführerin liesse sich der Einsatz einer erotischen Dienstleisterin kaum darstellen. So träten die an der in tätigen Personen alle unter eigenen Künstlernamen auf, betrieben und investierten eigenständig ihre Dienstleistungen mit entsprechenden Internetsowie Tageszeitungspublikationen und trügen das Risiko bei Ausbleiben entsprechender Kundschaft selbst.

4.5 Es sei klar, dass schon bei geringster Weisungskompetenz ein Anstellungsverhältnis ausgemacht werden könne. Den individuellen Umständen eines jeden Hauses müsse aber Rechnung getragen werden; eine Verallgemeinerung dürfe nicht Platz greifen. So sei auch zu beachten, dass viele Bewohnerinnen ausserhalb der Liegenschaft tätig seien (Hausbesuche; Escortservice).

4.6 Das Geschäftsmodell der Vermieterin sähe vor, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, wobei eine Mehrheit der Mieterinnen im Meldeverfahren darin gratis wohnen würden. Im Hause bestünde ein durchschnittlicher Monatsmietzins von CHF 1'500.00 pro Wohnung, wobei «die gemeldeten Personen, die bei Kolleginnen einziehen» keine Abgabe bezahlen würden.

4.7 Es sei zudem abwegig anzunehmen, der Vermieterin, nur weil diese an der gleichen Adresse wohne, Kenntnis über die einzelnen Mieter zuzubilligen; dies treffe schlichtweg nicht zu. Auch eine Hausordnung, über deren Einhaltung eine Kontrolle der Mieterinnen ermöglicht werde, existiere nicht.

4.8 Es sei zwar richtig, dass gemäss solothurnischer Praxis Arbeiterinnen und Arbeiter im Erotikgewerbe keine Meldebestätigung für eine selbständige Erwerbstätigkeit erhielten. Diese frauenfeindliche Praxis sei zwar richtig, ändere aber an der effektiven Situation und an der Tatsache nichts, wonach die Damen und Herren sämtliche Anforderungen an eine «eigenständige» Unternehmenstätigkeit erfüllten. "Solothurn" verkenne die Tatsache, dass die betroffenen Personen selber entscheiden könnten, ob sie überhaupt arbeiten wollen.

Im Übrigen habe Frau X die Administration komplett an Z abgetreten, welche seinerseits lediglich per Zustellung einer Ausweiskopie die notwendige Meldebetätigung anfordere. Es seien demnach ausschliesslich die Behörden, welche über die Arbeitsberechtigung an der in entscheiden würden. Die diversen Strafgerichtsverfahren würden zudem belegen, dass seitens der Vermieterin gegenüber den Dienstleistern keine Weisungskraft vorliege. In diesen Verfahren sei es nämlich regelmässig um die unterlassenen Anmeldungen der involvierten Arbeiterinnen und Arbeiter gegangen. Des Weiteren sei festgehalten, dass der administrative Teil des Verfahrens an Z abgetreten worden sei.

5. Mit Eingabe vom 5.7.2019 liess sich die Vorinstanz zur Beschwerde vernehmen. Die Beschwerdeführerin ihrerseits hat hierzu mit Datum vom 2.9.2019 ihre Rückäusserung abgegeben. Auf die beiden Stellungnahmen bzw. Ausführungen wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.

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Das Steuergericht zieht in Erwägung:

1. Gemäss § 155 Abs. 3 StG (Gesetz über die Staatsund Gemeindesteuern, BGS 614,11) kann der Steuerpflichtige, der Schuldner der steuerbaren Leistung, das Finanzdepartement die beteiligte Gemeinde gegen Verfügungen über Quellensteuern bei der Veranlagungsbehörde Einsprache erheben; gegen deren Einspracheentscheid ist das Rechtsmittel des Rekurses beim Kantonalen Steuergericht vorgesehen. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde ergibt sich aus Art. 139 DBG (Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, SR 642.11) und § 4 der kantonalen Verordnung zum DBG (BGS 613.31).

Die durch die Veranlagungsadressatin X eingereichten Rechtsmittel der Einsprache vom 4.7.2017 und der Beschwerde vom 28.5.2019 richten sich grundsätzlich gegen die bei ihr (ermessensweise) veranlagte Quellensteuer. Sie ist durch die angefochtenen Verfügungen beschwert und daher zur Erhebung der Rechtsmittel legitimiert. Die gegen den Einspracheentscheid vom 14.5.2019 erhobene Beschwerde vom 28.5.2019 wird vom Kantonalen Steuergericht somit als Rekurs (Staatssteuer) und als Beschwerde (Bundessteuer) entgegengenommen und behandelt. Die durch das Gesetz vorgegebenen Fristen und Formen sind allesamt eingehalten.

2. Der Quellensteuer unterliegen ausländische Arbeitnehmer, welche die fremdenpolizeiliche Niederlassungsbewilligung nicht besitzen, im Kanton Solothurn in der Schweiz jedoch steuerrechtlichen Wohnsitz Aufenthalt haben (§ 114 Abs. 1 StG; Art. 83 Abs. 1 DBG). Auch bei der Quellensteuer ist wie im ordentlichen Verfahren - diejenige Person steuerpflichtig, welche die Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erhält. Im Unterschied zur ordentlichen Steuerveranlagung tritt im Bereich der Quellenbesteuerung an die Stelle des Steuerpflichtigen eine Drittperson, d.h. eine sog. Steuersubstitution (vgl. grundsätzlich zum Ganzen: Markus Reich, Steuerrecht 2. A., § 26 N 81 ff.; Felix Richner et al., Handkommentar zum DBG, 3. A., Art. 88 N 1 ff.). Als Schuldner der steuerbaren Leistung gelten u.a. Arbeitgeber (Felix Richner et al., a.a.O., Art. 88 N 3), wobei die Steuerlast durch den Abzug von der geschuldeten Leistung durch Einforderung vom Steuerpflichtigen zu überwälzen ist (vgl. Markus Reich, a.a.O., § 26 N 102).

3. Im hierortigen Rekursund Beschwerdeverfahren wird seitens der Beschwerdeführerin grundsätzlich bestritten, dieser Steuersubstitution zu unterliegen, mithin als Vermieterin diverser Räumlichkeiten bzw. Wohnungen an in an ausländische Dienstleisterinnen im Erotikbereich ohne fremdenpolizeiliche Niederlassungsbewilligungen überhaupt "Partei" des Quellensteuerverfahrens zu sein. Diese Auffassung wird durch die Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit untermauert, dass die bei ihr «eingemieteten» Dienstleisterinnen als selbständig Erwerbende zu qualifizieren seien, die keinerlei Weisungen seitens der Vermieterin zu vergegenwärtigen hätten; von einem Abhängigkeitsverhältnis könne ohnehin keine Rede sein. Es dürfe nicht sein, dass sie - die Beschwerdeführerin in ein Steuererhebungsverfahren involviert werde, weil sie für die Dienstleisterinnen lediglich das gesetzlich bzw. behördlich vorgesehene Meldeverfahren eingeleitet bzw. bei diesem für die betroffenen Personen Hilfestellung geleistet habe. Die vom Gesetz für die Subsumption unter das Quellensteuerverfahren vorgesehene Arbeitgeberstellung erfülle sie jedenfalls nicht.

4. Tatsächlich kann die Beschwerdeführerin als Leistungsschuldnerin nur in Betracht kommen, wenn sie in vorliegender Sache mindestens eine arbeitgeberähnliche Stellung einbzw. wahrnimmt. Bei Prüfung dieser Frage ist das Rechtsverhältnis zwischen Beschwerdeführerin und Dienstleisterinnen von zentraler Bedeutung. Das Bundesgericht hat im Entscheid BGE 140 II 460 ff. bei der Prüfung des Rechts der EU-Ausländer auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz nach Massgabe des mit der EU abgeschlossenen Freizügigkeitsabkommens u.a. auch aber explizit zur Frage Stellung bezogen, inwieweit die Arbeit einer Prostituierten als selbständige resp. unselbständige Erwerbstätigkeit betrachtet werden kann. Das Bundesgericht hält dazu fest, dass Kriterien zur Bestimmung der Art der Tätigkeit sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH und nach dem nationalen Recht zu prüfen sind, wobei diese anhand der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit in einem Etablissement zu prüfen sind. Als einzelne Kriterien, die auf eine unselbständige Erwerbstätigkeit schliessen liessen, nennt das Bundesgericht eine Benutzungsordnung, die Aufschaltung einer Homepage durch das fragliche Haus die Tatsache, dass die einzelnen Dienstleisterinnen zur Erzielung ihres Erwerbseinkommens auf die Kundschaft des Hauses angewiesen sind, was in fine zu einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem "Club" führe (BGE 140 II 469, E. 4.3.1).

Sodann führt das Bundesgericht aus (BGE 140 II 471, E. 4.3.3): "Das Bundesgericht hat sich zur Frage, ob ausländische Prostituierte in Clubs einer unselbständigen selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, auch im Kontext der Strafbestimmungen zur Ausländergesetzgebung bereits geäussert. Es hielt fest, Art. 117 Abs. 1 AuG (Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung) sei nicht nur auf einen Arbeitgeber im zivilrechtlichen Sinne anwendbar (Art. 319 ff. OR), der gegenüber Arbeitnehmern weisungsbefugt sei (Art. 321d OR; mit Verweisen). ( ) Gleichwohl hat das Bundesgericht auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten festgestellt, dass Frauen ebenfalls dann als unselbständig Beschäftigte im Sinne der Ausländergesetzgebung gelten, wenn sie selbst bestimmen, wann und wie lange sie im sog. Massagesalon arbeiteten, wie viele und welche Kunden sie akzeptierten und welche Dienstleistungen sie diesen anboten. Unerheblich sei hierbei, ob der Club dessen Geschäftsführer den Frauen keinerlei Weisungen betreffend die Arbeitszeit, die Anzahl der zu bedienenden Kunden, die Art der zu erbringenden Dienstleistungen etc. erteilte und die Frauen darüber selbst bestimmen konnten. Eine solche weitgehende Weisungsbefugnis, bei deren Ausübung der Club im Übrigen Gefahr liefe, wegen Förderung der Prostitution (Art. 195 lit. c StGB) verfolgt zu werden, sei zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses bzw. der Arbeitgeberstellung im Sinne der Ausländergesetzgebung nicht erforderlich (mit Verweisen auf die Rechtsprechung)."

5.1 Es bleibt folglich zu prüfen und zu entscheiden, ob die hierortige Beschwerdeführerin gestützt auf den erstellten Sachverhalt und im Lichte der zitierten Rechtsprechung als "Arbeitgeberin" zu gelten hat, mithin die im Etablissement der Beschwerdeführerin arbeitenden Erotik-Dienstleisterinnen als unselbständig Erwerbende einzustufen sind. Dabei ist vorab festzustellen, dass die Beschwerdeführerin mit Wirkung ab 2016 die beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (AWA) angeforderte Betriebsbewilligung für den Betrieb von "20 Fremdenzimmer (1. und 2. OG)" für die Ausübung von Sexarbeit an ihrer Wohnadresse in erhalten hat (Akten-Belege 3/1). Parallel hierzu eröffnete das AWA für mindestens 13 Personen für eine bis längstens bis zum 2016 dauernde Periode die sog. "Meldebestätigung für den Stellenantritt bei einem Arbeitgeber in der Schweiz" zuhanden der Beschwerdeführerin bzw. deren Verwaltung (Akten-Belege 3/2). Mit der Einforderung der behördlichen Betriebsbewilligung, in ihrer Liegenschaft an der in auf mindestens zwei Stockwerken Erotikdienstleistungen anbieten zu wollen, liess die Beschwerdeführerin in klarer Weise ihre Absicht zur entsprechenden Einkommenserzielung erkennen. Hingegen lässt sich aus den Akten nicht ersehen, dass die im Rahmen dieser Betriebsbewilligung durch einzelne Arbeiterinnen bzw. Dienstleisterinnen in der Liegenschaft der Beschwerdeführerin entwickelten und ausgeübten Aktivitäten einer selbständigen Erwerbstätigkeit gleichzusetzen wären. So ist nicht erkennbar, inwieweit die einzelnen Damen ihre Arbeitsleistung und Kapital in frei gewählter Organisation und auf eigenes Risiko bei gegebener Sachlage einzusetzen imstande wären. Vielmehr trifft das Gegenteil zu: So führt die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben vom 20.8.2017, 20.3.2019 und 22.5.2019 aus, dass sie lediglich Wohnraum zur Nutzung eines stillen Gewerbes anböte, mit ihren Dienstleisterinnen trotz erhöhter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur keine Mietverträge abschliesse und diese in ihren Wohnungen mehrheitlich gratis wohnten. Solche Ausführungen sind widersprüchlich und wenig glaubhaft. So kann füglich davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin den Dienstleisterinnen ihre Räumlichkeiten bzw. die von diesen benutzte Infrastruktur an der in kaum unentgeltlich zur Verfügung stellt. Die fehlenden (bzw. trotz Aufforderung nicht eingereichten) Mietverträge lassen vielmehr den Schluss zu, dass die einzelnen Dienstleisterinnen im Rahmen eines vorgegebenen Ablaufs ihren Aktivitäten gemeinsam mit anderen Damen nachgehen und im Rahmen dieser "Ordnung" ein Abgeltungsund Entlöhnungssystem greift, welches auch die Benützung der Infrastruktur durch die Dienstleisterinnen gegenüber der Beschwerdeführerin abdeckt. Ohne Mietvertrag besteht für die einzelnen Dienstleisterinnen aber kaum ein Anspruch auf eine bestimmte Sache (Art. 253 OR); die Ausübung einer frei gewählten Tätigkeit in frei gewählter Organisation kann bei dieser Sachund Rechtslage jedenfalls nicht ausgemacht werden, zumal die im Erotikbereich tätigen Damen bei ihrer Tätigkeit nebst dem Fehlen einer "eigenen" Räumlichkeit u.U. auch zeitliche Einschränkungen (Anwesenheit anderer Dienstleisterinnen) zu beachten haben. An dieser Einschätzung vermag auch der durch die Beschwerdeführerin angeführte teilweise eigenständige Werbeauftritt der Dienstleisterinnen nichts zu ändern, zumal auch die Betreiberin selbst über ihre eigene Adresse in mit mindestens einem Internetauftritt auf die entsprechenden Dienstleistungen "im Hause" verweist. Es wäre vorliegend Sache der Beschwerdeführerin gewesen darzulegen, inwiefern trotz fehlender Mietverträge eine selbständige Erwerbstätigkeit frei jeglicher Weisungsbefugnis bzw. jedwelcher Arbeitsbeschränkung und Arbeitseinschränkung möglich ist.

5.2 Nach Ausgeführtem kann offenbleiben, ob die durch die Vorinstanz erwähnte "solothurnische Praxis", wonach Prostituierte, welche nicht auf dem Strassenstrich arbeiteten, sondern weil in einem Etablissement tätig als unselbständig Erwerbende zu gelten haben, durchwegs gesetzeskonform ist. Das Freizügigkeitsabkommen schliesst jedenfalls nicht aus, dass Dienstleisterinnen in der Erotikbranche auch fern eines Strassenstrichs als selbständig Erwerbende in der Schweiz tätig werden können (vgl. Art. 1, 4 und 7 FZA; SR 0.142.112.681). Vorliegend führt die Beweissituation aber zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin nicht als Vermittlerin von selbständig Erwerbenden agiert bzw. agiert hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin alleine entscheidet, ob und für wen sie das Meldebestätigungsverfahren für ihren Betrieb einleitet. Reicht sie keine Meldung für eine unselbständige Erwerbstätigkeit ein, so kann die betreffende Person im Betrieb der Beschwerdeführerin nicht arbeiten.

6. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die im Erotikbetrieb der Beschwerdeführerin arbeitenden Dienstleisterinnen als unselbständig Erwerbende einzustufen sind und die Beschwerdeführerin im System der Quellensteuer als Schuldnerin zu qualifizieren ist. Rekurs und Beschwerde sind deshalb abzuweisen.

7. Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten zu tragen. Diese sind in Anwendung der §§ 3 und 150 des Gebührentarifs (BGS 615.11) auf CHF 1'620.00 festzusetzen (Grundgebühr: CHF 1'400.00; Zuschlag: CHF 220.00). Ausgangsgemäss ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.

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Demnach wird erkannt:

1.      Rekurs und Beschwerde werden abgewiesen.

2.      Die Gerichtskosten von CHF 1'620.00 werden der Rekurrentin/Beschwerdeführerin zur Bezahlung auferlegt.

Im Namen des Steuergerichts

Der Präsident: Der Sekretär:

Dr. Th. A. Müller W. Hatzinger

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Bundesgericht (Adresse: Schweizerisches Bundesgericht, 1000 Lausanne 14) Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angaben der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten.

Dieser Entscheid ist schriftlich zu eröffnen an:

- Vertreter der Rekurrentin/ Beschwerdeführerin (eingeschrieben)

- KStA, Recht und Aufsicht (mit Steuerakten)

- KStA, Sondersteuern, Quellensteuern

- Finanzdepartement

- Steuerregisterführer EG

- EStV, Hauptabt. dir. BSt, Bern

Expediert am:



Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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