Zusammenfassung des Urteils SGDIV.2003.3: Steuergericht
Die Chambre des recours des Kantonsgerichts behandelt einen Rekurs von T.________ gegen ein Urteil des Zivilgerichtspräsidenten von Lausanne in einer Scheidungssache. Der Rekurs wird abgelehnt, die Gerichtskosten betragen 1'008 CHF für den Kläger und 1'116 CHF für die Beklagte. Der Kläger muss der Beklagten 3'616 CHF zahlen. Der Kläger hatte erfolglos versucht, die Unterhaltszahlungen für die Beklagte zu ändern. Es wird festgestellt, dass der Kläger freiwillig auf eine gut bezahlte Stelle verzichtet hat und daher ein hypothetisches Einkommen von mindestens 4'000 CHF pro Monat angenommen wird. Der Rekurs wird abgelehnt, da die behauptete Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht ausreichend nachgewiesen wurde.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | SGDIV.2003.3 |
Instanz: | Steuergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 26.01.2004 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Akteneinsicht |
Schlagwörter : | Akten; Erben; Akteneinsicht; Verfahren; Einsicht; Veranlagung; Interesse; Erblasser; Recht; Gesuch; Interessen; Veranlagungsbehörde; Erblassers; Miterben; Rechte; Vertreter; Steuererklärungen; Verfahrens; Rekurrent; Absatz; Zweifel; Auskunft; Steuerpflichtigen; Pflichten; Akteneinsichtsrecht; Martin; Veranlagungsverfahren; Bundesgesetz |
Rechtsnorm: | Art. 114 DBG ;Art. 12 DBG ; |
Referenz BGE: | 122 I 153; |
Kommentar: | - |
Sachverhalt:
1. Am 17. Juli 2003 stellte der Vertreter für R. B. ein Gesuch um Einsicht in die Steuerakten 1996 2002 der am 20. Oktober 2002 verstorbenen M. B. Der Gesuchsteller ist Erbe von M. B. Die Veranlagungen der Steuerjahre 1996 2001 sind per Todestag alle abgeschlossen und rechtskräftig.
2. Mit Schreiben der Veranlagungsbehörde vom 21. Juli 2003 teilte diese dem Vertreter mit, dass sie aufgrund einer Abklärung beim Rechtsdienst der Ansicht sei, dass sie keine Auskunft bezüglich rechtskräftig veranlagten Steuererklärungen erteilen könne, solange nicht alle Miterben damit einverstanden seien und diese das Gesuch um Akteneinsicht mitunterzeichnet hätten.
3. Nach telefonischer Rücksprache wurde die Veranlagungsbehörde vom Vertreter gebeten, eine rekursfähige Verfügung zu erlassen.
4. Mit Verfügung vom 7. August 2003 kam die Veranlagungsbehörde dieser Aufforderung nach. Sie machte geltend, dass beim Hinschied eines Steuerpflichtigen die Erben in seine Rechte und Pflichten einträten. In Bezug auf ein abgeschlossenes Verfahren diene die Akteneinsicht nicht direkt der Wahrung seiner steuerlichen Verfahrensrechte; sie sei jedoch in solchen Fällen zu gestatten, sofern nicht öffentliche private Interessen entgegenständen und wenn ein schützenswertes Interesse daran glaubhaft gemacht werde. Mit Rücksicht auf die Geheimsphäre des Erblassers könne das Akteneinsichtsrecht dem Erben verweigert werden. Im weiteren wird ausgeführt, dass die Erben Gesamteigentümer des Nachlasses und gemeinsam über die Rechte des Nachlasses verfügen würden. Der Erbe könne alleine Handlungen vornehmen, die als Handlungen in Bezug auf den Nachlass gelten würden, jedoch nur soweit, als keine Benachteiligung der Miterben eintrete. Gestützt darauf rechtfertige es sich, dass die Erben nur dann Einsicht in die Akten eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens erhielten, wenn das Gesuch von sämtlichen Erben schriftlich gestellt werde. Dies treffe vorliegend nicht zu.
5. Im Rekurs und der Beschwerde vom 18. August 2003 machte der Vertreter geltend, dass dem Rekurrent und Beschwerdeführer zu Unrecht das Gesuch um Akteneinsicht abgewiesen worden sei. Gestützt auf § 18 des Gesetzes über die Staatsund Gemeindesteuern (StG) trete der Erbe in die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen ein. Der Steuerpflichtige bzw. jeder einzelne Erbe habe nach § 134 Absatz 1 StG ein Einsichtsrecht in alle von ihm eingereichten unterzeichneten Akten. In die übrigen Akten habe er gemäss § 134 Absatz 2 StG Einsicht, sofern die Ermittlung des Sachverhaltes abgeschlossen sei und soweit nicht öffentliche private Interessen entgegenständen. Die Veranlagungsbehörde habe weder öffentliche noch private Interessen nachweisen können, die einer Akteneinsicht entgegenstehen würden.
6. In ihrer Vernehmlassung vom 10. September 2003 wies die Veranlagungsbehörde darauf hin, dass nur in einem hängigen Verfahren jedem einzelnen Erben die Akteneinsicht zu gewähren sei. In einem abgeschlossenen Verfahren sei die Akteneinsicht nur dann zuzulassen, wenn das Gesuch von allen Erben unterzeichnet worden sei. Gegen eine Akteneinsichtnahme des Rekurrenten sprächen aber auch wichtige Gründe, da mit der Gewährung der Akteneinsicht eine Benachteiligung der Miterben eintreten könnte.
7. Mit Schreiben vom 24. September 2003 schloss sich die Eidg. Steuerverwaltung der Vernehmlassung der Veranlagungsbehörde an. In seiner Beschwerde zeige der Pflichtige eindrücklich auf, dass es ihm nicht um eine Interessenwahrung gegenüber dem Fiskus, sondern um eine solche gegenüber den Miterben gehe. Dafür sei aber das Institut der Akteneinsicht nicht geschaffen worden.
8. In seiner Rückausserung vom 21. Oktober machte der Vertreter geltend, dass die Aus-führungen der Veranlagungsbehörde falsch seien. In Ziffer 2 des Kreisschreibens Nr. 24 der Eidg. Steuerverwaltung vom 7. Oktober 1952 werde festgehalten, dass jeder einzelne Erbe in die steuerrechtliche Stellung des Erblassers eintrete. Dazu gehöre einerseits die Erfüllung der verfahrensrechtlichen Pflichten, andererseits müssten ihm auch die entsprechenden Rechte, das heisst die verfahrensrechtlichen Rechte eingeräumt werden, wobei eine Zustimmung aller Miterben nicht erforderlich sei, seien doch die Miterben im Rahmen des Steuerrechtsverhältnisses untereinander nicht Dritte.
Erwägungen
1. ...
2. Nach § 134 Absatz 1 StG und Artikel 114 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) sind Steuerpflichtige berechtigt, in die von ihnen eingereichten von ihnen unterzeichneten Akten Einsicht zu nehmen. Die übrigen Akten stehen den Steuerpflichtigen zur Einsicht offen, sofern die Ermittlung des Sachverhalts abgeschlossen ist und soweit nicht öffentliche private Interessen entgegenstehen (§ 134 Abs. 2 StG, Art. 114 Abs. 2 DBG).
3. Stirbt der Steuerpflichtige, so treten seine Erben als Gesamtnachfolger in seine Rechte und Pflichten ein (§ 18 Abs. 1 StG, Art. 12 Abs. 1 DBG). Aus der Universalsukzession in das Steuerrechtsverhältnis des Erblassers folgt, dass die Erben in ein hängiges Verfahren des verstorbenen Steuerpflichtigen in jenem Verfahrensstadium und in jener verfahrensrechtlichen Lage eintreten, in welchem sich das Verfahren bei dessen Tod befunden hat (vgl. Martin Zweifel, die verfahrensund steuerstrafrechtliche Stellung der Erben bei den Einkommensund Vermögenssteuern, ASA 64 (1995/96), S. 339f.). Die Erben bilden im Veranlagungsverfahren wegen der Unteilbarkeit des ihnen gemeinsamen Steuerobjektes in Form des steuerbaren Einkommens des Erblassers eine notwendige Streitgenossenschaft. Allen Erben muss es im Hinblick auf ihre Solidarhaftung gestattet sein, ihre eigenen Interessen selbständig wahrzunehmen; so kann zum Beispiel jeder Erbe Akteneinsicht nehmen (vgl. Martin Zweifel, Peter Athanas, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, I/2a, S. 102).
4. Nach § 134 Absatz 1 StG und Artikel 114 Absatz 1 DBG bzw. Artikel 41 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) haben die Erben als Steuernachfolger des Erblassers nicht nur im hängigen Verfahren, sondern auch hinsichtlich rechtskräftig abgeschlossener Verfahren ein uneingeschränktes Recht auf Akteneinsicht bezüglich jener Akten, die der Erblasser selber eingereicht unterzeichnet hat (vgl. Martin Zweifel, ASA 64, S. 352). Andere Akten stehen ihnen zur Einsicht offen, falls sie Entscheidungsgrundlage gebildet haben und soweit nicht öffentliche private Interessen der Einsichtnahme entgegenstehen. Ausnahmsweise können schützenswerte Interessen des Erblassers, insbesondere des Persönlichkeitsschutzes, zu einer Beschränkung des Einsichtsrechts führen. Bei den Steuererklärungen der Erblasserin, in die Einsicht verlangt wird, handelt es sich zweifellos um Akten, in die grundsätzlich ein uneingeschränktes Recht auf Akteneinsicht besteht. In casu wird nicht geltend gemacht, dass die Akteneinsicht die Geheimsphäre der Erblasserin ver-letzen würde. Somit haben die Erben grundsätzlich ein uneingeschränktes Recht auf Akteneinsicht in die Steuererklärungen der Erblasserin (1996-2002).
5. Gemäss Inventar über den Vermögensnachlass der verstorbenen Ma. B. vom 20. Oktober 2002 ist R. B. gesetzlicher Erbe. Mit Schreiben vom 17. Juli 2003 ersuchte der Rekurrent um Auskunft und Einsicht in die Steuererklärungen der Verstorbenen für die Jahre 1996 bis 2002. Unbestritten ist, dass das Gesuch allein durch den Rekurrenten und Beschwerdeführer, ohne Einbezug der anderen gesetzlichen Erben erfolgte.
6. Strittig ist, ob der Rekurrent und Beschwerdeführer als Erbe nur dann Einsicht in die Akten eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nehmen kann, wenn das Gesuch von sämtlichen Erben schriftlich gestellt und ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft gemacht wird.
7. Bei einem hängigen Veranlagungsverfahren kann die herrschende Lehre zur Frage, ob ein Gesuch um Akteneinsicht durch einen einzelnen lediglich durch sämtliche Erben rechtsgültig gestellt werden kann, wie folgt zusammengefasst werden: Die Erben bilden im Veranlagungsverfahren wegen der Unteilbarkeit des ihnen gemeinsamen Steuerobjekts in Form des steuerbaren Einkommens des Erblassers eine notwendige Streitgenossenschaft; jedem Erben muss es im Hinblick auf seine Solidarhaftung gestattet sein, seine eigenen Interessen selbständig wahrzunehmen und zum Beispiel Akteneinsicht zu verlangen (Martin Zweifel, Peter Athanas, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, I/2a, S. 102).
Unbestritten ist, dass jeder Erbe selbständig die Revision einer rechtskräftigen Veranlagung des Erblassers verlangen kann (vgl. ASA 64, S. 354). Damit ein Erbe aber seine Verfahrensrechte ausüben, das heisst einen Revisionsgrund geltend machen kann, muss er über die entsprechenden Auskunftsrechte verfügen. Deshalb steht das Auskunftsrecht jedem Erben individuell zu (vgl. Jean Nicolas Druey, Grundriss des Erbrechts, § 13 N 14). Auch im Kreisschreiben Nr. 24 der ESTV vom 7. Oktober 1952 wird bereits diese Auffassung vertreten: Für die Einsichtnahme in die Steuerakten ist eine gegenseitige Zustimmung der verschiedenen Erben nicht erforderlich. Dass sich diese Aussage nur auf Verfahren bezieht, die noch nicht abgeschlossen sind, wie die Steuerbehörde geltend macht, kann aus dem zitierten Kreisschreiben nicht entnommen werden. Was den von der Steuerbehörde angeführten Bundesgerichtsentscheid (121 III 122) betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um eine zivilprozessrechtliche Auseinandersetzung handelt, bei der andere Voraussetzungen gelten (vgl. ASA 64, S. 341). Somit ist jeder einzelne Erbe berechtigt, Akteneinsicht zu verlangen.
8. Das Akteneinsichtsrecht setzt bei abgeschlossenem Verfahren ein schützenswertes Interesse voraus (BGE 122 I 153). Nach rechtskräftigem Abschluss des Veranlagungsverfahrens steht auch den Erben grundsätzlich kein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht mehr zu. Den Erben werden jedoch auch die Akten rechtskräftig abgeschlossener Verfahren geöffnet, wenn und soweit sie ein rechtlich erhebliches Interesse am Einsichtsrecht (z.B. der Klärung von Erbansprüchen) nachweisen und die Gewährung des Akteneinsichtsrechts zumutbar erscheint (vgl. Felix Richner, Walter Frei, Stefan Kaufmann: Handkommentar zum DBG, S. 873). Diese doppelte Voraussetzung trifft im vorliegenden Fall ohne Zweifel zu.
9. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Akteneinsicht in die Steuererklärungen 1996 bis 2002 der Erblasserin gegeben sind. Die Verfügung der Veranlagungsbehörde vom 7. August 2003 ist deshalb aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Steuergericht, Urteil vom 26. Januar 2004
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