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Urteil Beschwerdekammer (SO)

Zusammenfassung des Urteils BKBES.2011.76: Beschwerdekammer

Die Cour des poursuites et faillites des Kantonsgerichts verhandelt über den Einspruch von L.________ aus Blonay gegen das Urteil des Friedensrichters des Bezirks Riviera-Pays-d'Enhaut vom 22. Januar 2009 in einem Fall zwischen der Einsprechenden und A.G.________ aus Corcelles. A.G.________ hatte eine Änderung des Scheidungsurteils beantragt, um das Sorgerecht für das Kind zu erhalten und eine Unterhaltszahlung von 700 CHF pro Monat ab Oktober 2007 festzulegen. L.________ stimmte diesen Forderungen zu. Nach verschiedenen Gerichtsentscheiden wurde L.________ zur Zahlung des Unterhalts verpflichtet. Ein späterer Einspruch von L.________ wurde abgelehnt. Die Gerichtskosten belaufen sich auf 405 CHF.

Urteilsdetails des Kantongerichts BKBES.2011.76

Kanton:SO
Fallnummer:BKBES.2011.76
Instanz:Beschwerdekammer
Abteilung:-
Beschwerdekammer Entscheid BKBES.2011.76 vom 06.07.2011 (SO)
Datum:06.07.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entlassung aus der Sicherheitshaft
Schlagwörter : Sicherheit; Sicherheitshaft; Vollzug; Massnahme; Amtsgericht; Prozessordnung; Urteil; Verwahrung; Entlassung; Entscheid; Recht; Kammer; Beschuldigte; Sanktion; Verfahren; Beschuldigten; Haftgericht; Haftentlassungsgesuch; Anordnung; Obergericht; Schweiz; Amtsgerichts; Gutachten; Eidgenössische; Person; üllt
Rechtsnorm:Art. 221 StPO ;Art. 413 StPO ;Art. 64 StGB ;
Referenz BGE: BGE 1B_378/2011).;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts BKBES.2011.76

Urteil aus dem Jahre 2008 entweder eine stationäre Massnahme nach Art. 59 Abs. 3 StGB die Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB angeordnet; eine Entlassung nach dem Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe wäre nicht denkbar gewesen. Das Wiederaufnahmebegehren wurde gutgeheissen und die Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts insofern aufgehoben, als nachträglich die Verwahrung angeordnet werden könne. Die Akten wurden an das Amtsgericht zur Weiterführung des Verfahrens über die nachträgliche Änderung der Sanktion zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde da der ordentliche Strafvollzug von A. im Juli 2011 ende, eine Freilassung nicht erfolgen könne und es höchst wahrscheinlich sei, dass im weiteren Verlauf des Verfahrens eine stationäre Massnahme eine Verwahrung angeordnet werde in analoger Anwendung von § 219 der bis Ende Dezember 2010 in Kraft gestandenen kantonalen Strafprozessordnung Sicherheitshaft angeordnet mit Wirkung ab der Entlassung von A. aus dem Strafvollzug, um den allfälligen Massnahmenvollzug sicherzustellen.

2. Im Verfahren vor dem Amtsgericht liess A. im April 2011 u.a. ein forensisch-psychiatrisches Gutachten und im Juni 2011 die Entlassung aus dem Strafvollzug per 8. Juli 2011 beantragen. Der Amtsgerichtspräsident bewilligte den Antrag auf Begutachtung des Beschuldigten, wies den Antrag auf Entlassung aus dem Strafvollzug resp. aus der Sicherheitshaft ab und überwies die Akten zum Entscheid über die Entlassung des Beschuldigten aus dem Strafvollzug resp. über die Aufhebung der Sicherheitshaft über den 8. Juli 2011 hinaus dem Haftgericht. Dieses wies das Haftentlassungsgesuch von A. im Juni 2011 ab.

3. Gegen diesen Entscheid liess A. durch seinen amtlichen Verteidiger mit der Begründung Beschwerde führen, der Entscheid des Haftgerichts könne sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen und sei verfassungswidrig. Die Beschwerdekammer weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2. ( ) Anwendbar ist neues Recht, d.h. die Eidgenössische Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0). Das Rechtsmittel der Beschwerde ist zulässig.

3. Nach Art. 413 Abs. 4 StPO kann das Berufungsgericht im Falle einer Gutheissung des Revisionsgesuchs und Rückweisung der Sache an die von ihm bezeichnete Behörde die beschuldigte Person vorläufig in Sicherheitshaft setzen darin belassen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Mit dem rechtskräftigen Entscheid vom Dezember 2010 hat die Strafkammer des Obergerichts Sicherheitshaft mit Wirkung ab Entlassung des Beschuldigten aus dem derzeitigen Strafvollzug angeordnet, um den allfälligen Massnahmenvollzug sicherzustellen. Die Anordnung erfolgte zwar in analoger Anwendung des damals noch in Kraft stehenden § 219 der kantonalen Strafprozessordnung, jedoch mit ausdrücklichem Verweis auf Art. 413 Abs. 4 der ab 1. Januar 2011 in Kraft stehenden Eidgenössischen Strafprozessordnung.

Nach der Botschaft zur Eidgenössischen Strafprozessordnung (S. 1322) wird die vom Berufungsgericht angeordnete Haft beibehalten, bis die Staatsanwaltschaft (z.B. bei Rückweisung ins Stadium der Voruntersuchung) geprüft hat, ob eine neue Untersuchungshaft aufgrund der Art. 223 ff. StPO angebracht ist, und gegebenenfalls dem Zwangsmassnahmengericht ein entsprechendes Gesuch gestellt hat (vgl. auch Marcel Alexander Niggli/Marianne Heer/Hans Wiprächtiger: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, N 17 zu Art. 413; Andreas Donatsch/Thomas Hansjakob/Viktor Lieber: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 413 Abs. 4; Niklaus Schmid: Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, Art. 413).

Vorliegend nahm das Amtsgericht, an welches die Sache mit Revisionsentscheid zurückgewiesen wurde, keine Haftprüfung vor. Dies war angesichts der Erwägungen der Strafkammer im Urteil vom Dezember 2010 auch nicht angezeigt, wurde doch dort auf die Möglichkeit hingewiesen, sowohl während des erstinstanzlichen Nachverfahrens wie auch in einem Rechtsmittelverfahren ein Haftentlassungsgesuch stellen zu können. Dies hat der Beschuldigte getan, womit ihm kein Recht verlustig ging, da es unerheblich ist, ob das Haftgericht auf ein entsprechendes Gesuch der Staatsanwaltschaft resp. des Gerichts hin entscheidet gestützt auf ein Haftentlassungsgesuch seitens des Beschuldigten. In zeitlicher Hinsicht bedeutet es ebenfalls keinen Nachteil, da sich die Sicherheitshaft erst nach dem Ende des Strafvollzugs am 8. Juli 2011 auswirkt.

4.a) Nach Art. 221 Abs. 1 StPO sind Untersuchungsund Sicherheitshaft nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens Vergehens dringend verdächtigt ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren der zu erwartenden Sanktion entzieht (lit. a), Personen beeinflusst auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (lit. b) durch schwere Verbrechen Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (lit. c).

b) Die allgemeine Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts ist vorliegend nicht zu prüfen, da das an das Amtsgericht zurückgewiesene Verfahren nur noch die Sanktion zum Gegenstand hat. Zu prüfen ist, ob die Anordnung einer stationären Massnahme einer Verwahrung als wahrscheinlich erscheint und ob ein Haftgrund besteht.

c) Bezüglich Ersterem kann auf die ausführliche Begründung im Urteil der Strafkammer des Obergerichts vom Dezember 2010 verwiesen werden. Das Obergericht stellte fest, das Amtsgericht hätte in seinem Urteil vom September 2008 bei Kenntnis der aus dem forensisch-psychiatrischen Gutachten der Psychiatrischen Dienste der Solothurner Spitäler AG im Jahr 2010 gewonnenen neuen Erkenntnisse ohne jeden Zweifel entweder eine stationäre Massnahme nach Art. 59 Abs. 3 StGB die Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB angeordnet. Angesichts dieser Beurteilung ist eine nachträgliche Änderung der Sanktion zum jetzigen Zeitpunkt, in dem das durch den Amtsgerichtspräsidenten bewilligte neue Gutachten noch nicht vorliegt, als sehr wahrscheinlich zu bezeichnen.

d) ( ) Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist als erfüllt zu erachten.

e) Im Hinblick auf die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer stationären Massnahme einer Verwahrung ist die Sicherheitshaft auch verhältnismässig.

5. Zusammenfassend ist folglich festzuhalten, dass in den Art. 413 Abs. 4 und Art. 229 resp. Art. 221 StPO eine gesetzliche Grundlage für eine Sicherheitshaft nach der Gutheissung des Revisionsgesuchs besteht. Die von der Verteidigung erwähnte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Entscheid vom 10. Juni 2010 i.S. Borer vs. Schweiz. Eidgenossenschaft) ist deshalb auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die weiteren Voraussetzungen für eine Sicherheitshaft (hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer stationären Massnahme einer Verwahrung, Wiederholungsgefahr und Verhältnismässigkeit) sind ebenfalls erfüllt. Die Abweisung des Haftentlassungsgesuchs durch das Haftgericht ist demnach nicht zu beanstanden.

Obergericht Beschwerdekammer, Urteil vom 6. Juli 2011 (BKBES.2011.76)

Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 15. August 2011 ab (BGE 1B_378/2011).



Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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