Zusammenfassung des Urteils Nr. 93/2007/7: Obergericht
Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, hat am 24. April 2019 ein Urteil in einem Strafverfahren gefällt. Der Beschuldigte A. wurde wegen mehrfacher, teilweise qualifizierter einfacher Körperverletzung, versuchter Drohung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch schuldig gesprochen. Er wurde zu 28 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, von denen 16 Monate aufgeschoben wurden. Eine Landesverweisung für 5 Jahre wurde angeordnet. Zivilansprüche wurden dem Grundsatz nach gutgeheissen und auf den Zivilprozessweg verwiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt. Das Urteil kann beim Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 93/2007/7 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 01.06.2007 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 64 Abs. 1 SchKG. Zustellung des Zahlungsbefehls bei Abwesenheit des Schuldners an ein Mitglied einer Wohngemeinschaft |
Schlagwörter : | Zahlungsbefehl; Betreibung; SchKG; Schuldner; Haushalt; Zustellung; Zahlungsbefehls; Wohngemeinschaft; Person; Schuldners; Mitbewohner; Personen; Betreibungsamt; Mitteilung; Mitbewohnerin; Hände; Wohnung; Betreibungsurkunde; Zeitpunkt; Urkunde; Gemeinschaft; Basel/Genf/München; Rechtsprechung; Beschwerdeführers; Pfändungsanschlusses |
Rechtsnorm: | Art. 64 KG ;Art. 69 KG ; |
Referenz BGE: | 110 III 11; 117 III 10; |
Kommentar: | - |
Veröffentlichung im Amtsbericht
Art. 64 Abs. 1 SchKG. Zustellung des Zahlungsbefehls bei Abwesenheit des Schuldners an ein Mitglied einer Wohngemeinschaft (OGE 93/2007/7 vom 1. Juni 2007)Eine gewöhnliche Wohngemeinschaft ist kein gemeinsamer Haushalt im Sinn von Art. 64 Abs. 1 SchKG. Die Zustellung des Zahlungsbefehls an einen Mitbewohner des Schuldners ist daher fehlerhaft (E. 2a).
Weiss der Schuldner nur, dass eine Betreibung gegen ihn erhoben wurde, ist aber der Zahlungsbefehl nicht in seine Hände gelangt, so ist die zugrundeliegende Betreibung nichtig (E. 2b).
Aus den Erwägungen:
2.- Gemäss Art. 64 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SchKG, SR 281.1) werden die Betreibungsurkunden dem Schuldner in seiner Wohnung an dem Ort, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er dort nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person an einen Angestellten geschehen. Wird keine der erwähnten Personen angetroffen, so ist die Betreibungsurkunde nach Art. 64 Abs. 2 SchKG zuhanden des Schuldners einem Gemeindeoder Polizeibeamten zu übergeben.
Im Zeitpunkt der in Frage stehenden Zustellung des Zahlungsbefehls wohnte der Beschwerdeführer in einer Wohngemeinschaft ... in Schaffhausen. Die Urkunde wurde am 12. Oktober 2006 einer Mitbewohnerin der Gemeinschaft ausgehändigt.
Die zum Haushalt eines Schuldners gehörenden Personen sind dem Kreis zuzurechnen, von denen erwartet werden darf, dass sie die Urkunde innert nützlicher Frist dem Schuldner übergeben. Voraussetzung ist immer, dass sie im gleichen Haushalt wie der Schuldner wohnen. Der Zimmermieter der Zimmervermieter fallen nicht darunter, ausser wenn Kost und Logis vereinbart worden sind (Jeanneret/Lembo, Commentaire romand, LP, Basel/Genf/München 2005, Art. 64 N. 24, S. 242; Paul Angst, Basler Kommen-
tar, SchKG I, Basel/Genf/München 1998, Art. 64 N. 19, S. 463 f.).
Bei einer gewöhnlichen Wohngemeinschaft leben mehrere Personen vorwiegend aus Kostengründen in derselben Wohnung. Jede trägt einen Teil an die Wohnkosten bei. Alle anderen Auslagen wie jene für Essen und Trinken, Kleidung, Freizeit und dergleichen gehen jeweils zu eigenen Lasten. Somit ist zwar eine teilweise Gemeinschaft gegeben; diese beschränkt sich aber auf das Wohnen. In den anderen Belangen sind die Personen auf sich gestellt. Daher kann bei einer Wohngemeinschaft grundsätzlich nicht von einem gleichen Haushalt im Sinn von Art. 64 Abs. 1 SchKG und der Auslegung dieser Bestimmung in Rechtsprechung Lehre gesprochen werden. Dieser Auffassung ist denn auch das Betreibungsamt.
Anders wäre es nur, wenn die Gemeinsamkeit weiterginge, etwa wenn der Haushalt mit gemeinsamer Kasse zusammen geführt würde. Dass dem im vorliegenden Fall so wäre, ist weder behauptet noch zu sehen.
Wurde somit der Zahlungsbefehl einer Mitbewohnerin des Beschwerdeführers übergeben, die nicht seinem Haushalt angehört, so entsprach diese Zustellung nicht Art. 64 Abs. 1 SchKG.
Der Beschwerdeführer macht geltend, den Zahlungsbefehl gar nicht erhalten zu haben, weil ihm die Mitbewohnerin das Dokument nicht ausgehändigt habe. Das Betreibungsamt wendet ein, dass er dennoch spätestens im Zeitpunkt der Abfassung der Beschwerdeschrift vom Inhalt des Zahlungsbefehls Kenntnis erhalten habe; daher sei die Betreibung nicht nichtig.
Mit dieser Argumentation räumt das Betreibungsamt ein, dass der Beschwerdeführer erst durch die Mitteilung des Pfändungsanschlusses von der gegen ihn laufenden Betreibung Kenntnis erhalten hat. Damit fehlt aber eine sichere Kenntnis darüber, dass der Beschwerdeführer den Zahlungsbefehl als solchen erhalten hat. Fest steht vielmehr nur, dass der Beschwerdeführer aus der erwähnten Mitteilung auf die Existenz eines Zahlungsbefehls schliessen konnte.
In der Mitteilung des Pfändungsanschlusses sind wohl die Grundforderung ohne Zinsen und Kosten und die Restforderung einschliesslich Zinsen und Kosten angegeben. Diese Information ersetzt aber den Zahlungsbefehl nicht, enthält sie doch alle weiteren Angaben nicht, die Art. 69 SchKG als Inhalt des Zahlungsbefehls vorschreibt. Die Mitteilung vermag daher den Zahlungsbefehl nicht zu ersetzen.
Verhält es sich so, ist davon auszugehen, dass der Zahlungsbefehl infolge fehlerhafter Zustellung nicht in die Hände des Beschwerdeführers gelangt ist. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die zugrundeliegende Betreibung deshalb nichtig (BGE 110 III 11 E. 2 mit Hinweisen). Dies kann und muss jederzeit von Amts wegen festgestellt werden (BGE 117 III 10
E. 3c mit Hinweis). Das Betreibungsamt hat für eine rechtsgültige Betreibung besorgt zu sein.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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