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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 92/2005/23: Obergericht

Der Privatkläger 1 und die Beschuldigten haben unterschiedliche Versionen des Geschehens dargestellt. Der Beschuldigte 1 gab zu, den Privatkläger 1 mit Faustschlägen ins Gesicht traktiert zu haben, bestritt jedoch weitere Schläge. Der Beschuldigte 2 bestritt jegliche Beteiligung an den Schlägen gegen den Privatkläger 1. Der Beschuldigte 3 beteuerte ebenfalls, den Privatkläger 1 nicht geschlagen zu haben. Der Privatkläger 1 berichtete von Bedrohungen und Sachbeschädigung durch den Beschuldigten 1. Die genauen Abläufe und Verletzungen des Vorfalls wurden kontrovers diskutiert. Letztendlich wurde festgestellt, dass der Beschuldigte 1 den Privatkläger 1 geschlagen hat, während die Beteiligung der Beschuldigten 2 und 3 nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Die Gerichtskosten und Entschädigungen wurden entsprechend verteilt.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 92/2005/23

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 92/2005/23
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 92/2005/23 vom 19.08.2005 (SH)
Datum:19.08.2005
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 321 StGB; § 41 MedV; Art. 115, Art. 172 Abs. 2, Art. 186, Art. 188 und Art. 189 StPO. Beschlagnahme und Entsiegelung einer Kranken­geschichte
Schlagwörter : Krankengeschichte; Über; Aufzeichnungen; Gesuch; Entsiegelung; Überprüfung; Gesuchsgegner; Schweigepflicht; Beschlag; Berufsgeheimnis; Inhaber; Handlung; Aussage; Beschlagnahme; Editionsverweigerungsrecht; Kanton; Schriftstücke; Auskunft; Bewilligung; Departement; Gesuchsgegners; Aussagebzw; Entbindung; Hausdurchsuchung; Umständen; Verfügung; Amtsoder
Rechtsnorm:Art. 115 StPO ;Art. 165 StPO ;Art. 172 StPO ;Art. 178 StPO ;Art. 186 StPO ;Art. 188 StPO ;Art. 189 StPO ;Art. 321 StGB ;
Referenz BGE:126 II 502; 130 II 196;
Kommentar:
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Entscheid des Kantongerichts Nr. 92/2005/23

Art. 321 StGB; § 41 MedV; Art. 115, Art. 172 Abs. 2, Art. 186, Art. 188und Art. 189 StPO. Beschlagnahme und Entsiegelung einer Krankengeschichte (OGE 92/2005/23 vom 19. August 2005)

Veröffentlichung im Amtsbericht.

Die beim Hausarzt sichergestellte Krankengeschichte des Angeklagten kann nicht entsiegelt werden, wenn sich der Arzt auf sein Aussagebzw. Editionsverweigerungsrecht beruft und keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorliegt.

Aus den Erwägungen:

  1. .- Nach Art. 186 Abs. 1 der Strafprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 (StPO, SHR 320.100) dürfen bei einer Hausdurchsuchung Schriftstücke und andere Aufzeichnungen inhaltlich nur überprüft werden, wenn nach den Umständen zu vermuten ist, dass sich darunter Dokumente befinden, die gemäss Art. 172 StPO zu beschlagnahmen sind. Nach dieser Bestimmung sind unter anderem Gegenstände, die als Beweismittel dienen können, mit Beschlag zu belegen und in amtliche Verwahrung zu nehmen auf andere Weise der unbefugten Verfügung zu entziehen (Abs. 1). Gegenstände, namentlich Schriftstücke und Aufzeichnungen, die ein Amtsoder Berufsgeheimnis enthalten, über welches der Inhaber gemäss Art. 114 und Art. 115 StPO die Auskunft verweigern könnte, sind von der Beschlagnahme ausgenommen; ebenso die Verteidigungskorrespondenz, soweit sie nicht nach Art. 165 StPO der Überwachung unterliegt (Abs. 2). Gegenstände Vermögenswerte, die durch eine strafbare Handlung hervorgebracht erlangt worden sind, an mit denen eine strafbare Handlung begangen wurde die zur Begehung einer strafbaren Handlung bestimmt waren, können in jedem Fall beschlagnahmt werden (Abs. 3).

    Die Überprüfung von Aufzeichnungen ist in jedem Fall unter möglichster Schonung berechtigter Geheimhaltungsinteressen vorzunehmen (Art. 186 Abs. 2 StPO). Sie ist grundsätzlich vom Richter anzuordnen und durchzuführen, es sei denn, der Inhaber gestatte ausdrücklich die Überprüfung durch andere Personen (Art. 187 Abs. 1 Satz 1 StPO). Gemäss Art. 188 StPO ist dem Inhaber wenn möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Überprüfung zum Inhalt der Aufzeichnungen zu äussern und ihr beizuwohnen (Abs. 1). Wider-

    setzt er sich der Überprüfung, so sind die Aufzeichnungen zu versiegeln und amtlich zu verwahren (Abs. 2).

    Nach Art. 189 StPO entscheidet das Obergericht auf Antrag des Richters, der die Überprüfung angeordnet hat, und nach Anhörung der Betroffenen sowie allenfalls einer fachkundigen Vertrauensperson über die Entsiegelung (Abs. 1). Wird diese bewilligt, so bestimmt das Obergericht zugleich das weitere Vorgehen. Es kann den Beizug einer fachkundigen Vertrauensperson anordnen diese mit der Überprüfung betrauen (Abs. 2). Wird die Entsiegelung nicht bewilligt, so sind die versiegelten Aufzeichnungen zurückzugeben (Abs. 3).

  2. .a) Ärzte unterliegen der Schweigepflicht nach Art. 321 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0). Die Schweigepflicht entfällt bei einer Einwilligung des Patienten bei einer schriftlichen Bewilligung des Departements des Innern, wobei es Sache des Arztes ist, beim Departement um die Bewilligung nachzusuchen (§ 40 und

§ 41 Abs. 1 und 3 der Verordnung über die Medizinalpersonen und medizinischen Hilfspersonen vom 30. November 1976 [Medizinalverordnung, MedV, SHR 811.001]).

Wer Gegenstände Vermögenswerte in Gewahrsam hat, die gemäss Art. 172 StPO beschlagnahmt werden können, ist verpflichtet, diese auf amtliche Aufforderung hin herauszugeben jederzeit für das Strafverfahren zur Verfügung zu halten (Art. 178 Abs. 1 StPO). Gegenstände, namentlich Schriftstücke und Aufzeichnungen, die ein Amtsoder Berufsgeheimnis enthalten, über welches der Inhaber gemäss Art. 114 und 115 die Auskunft verweigern könnte, sind von der Beschlagnahme ausgenommen (Art. 172 Abs. 2 StPO). Der Berufsgeheimnisträger kann sich jedoch dann nicht auf das Aussageund Editionsverweigerungsrecht berufen, wenn er selbst strafrechtlich angeschuldigt wird (vgl. Art. 172 Abs. 3 StPO).

Über den Inhalt der Krankengeschichte des Gesuchsgegners könnte Dr. med. X. aufgrund des Berufsgeheimnisses gestützt auf Art. 115 StPO die Auskunft verweigern, zumal weder behauptet wird noch ersichtlich ist, dass der Verdacht besteht, diese sei in irgendeiner Form in die dem Gesuchsgegner vorgeworfenen strafbaren Handlungen einbezogen. Die Krankengeschichte kann daher grundsätzlich nicht beschlagnahmt werden, weshalb Dr. med. X. nicht verpflichtet ist, diese herauszugeben (vgl. dazu BGE 130 II 196 f. E. 2.3 und 4.2 mit Hinweisen, u.a. auf BGE 126 II 502 und 505, E. 5e aa und dd; ZR 2000 Nr. 15, S. 43 ff.).

b) Mit Eingabe vom ... beantragte der Gesuchsgegner dem Kantonsgericht, es sei bei Dr. med. X. ein ärztlicher Bericht einzuholen. Zu diesem Zweck befreite er jene zwar im Zusammenhang mit den Unfallfolgen ... -

von ihrem Arztgeheimnis. Der Gesuchsgegner präzisierte jedoch, er habe die Befreiungserklärung auf Auskünfte im Zusammenhang mit den Unfallfolgen beschränkt. Mit dem Beizug der gesamten Krankengeschichte sei er nicht einverstanden. Dr. med. X. teilte dem Kantonsgericht in der Folge mit, sie werde den gewünschten ärztlichen Bericht erstatten, verweigerte jedoch die Herausgabe der Krankengeschichte des Gesuchsgegners. Zudem erklärte sie, dass sie das Departement nicht um Entbindung von der Schweigepflicht nachsuchen werde.

Dr. med. X. ist wie erwähnt aufgrund ihres Aussageverweigerungsrechts nicht verpflichtet, die Krankengeschichte des Gesuchsgegners herauszugeben. In dieser Situation kann es nicht angehen, die im Strafverfahren interessierende Krankengeschichte mittels Hausdurchsuchung bei ihr zu beschlagnahmen und zu versiegeln, um anschliessend die Entsiegelung zu beantragen. Anders entscheiden hiesse, durch gerichtliche Bewilligung der Entsiegelung das Aussagebzw. Editionsverweigerungsrecht zu umgehen und auszuhöhlen.

Unter den gegebenen Umständen ist das Gesuch um Entsiegelung abzuweisen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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