Zusammenfassung des Urteils Nr. 66/2007/1°: Obergericht
Der Fall handelt von einem selbstständig Erwerbstätigen namens X, der im Kanton Y wohnt und sekundär steuerpflichtig im Kanton Schaffhausen ist. Die Steuerverwaltung von Schaffhausen holte Unterlagen von einer Treuhandfirma ein, um X zu veranlagen. X erhob Einspruch gegen die Steuerrechnungen von 2006 und argumentierte, dass die Forderung verjährt sei. Die kantonale Steuerkommission wies den Einspruch ab, aber das Obergericht gab X recht, da keine verjährungsunterbrechenden Handlungen nachgewiesen wurden. Die Veranlagungsmitteilung von 2002 wurde nicht nachgewiesen zugestellt, daher sind die Steuerforderungen verjährt.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 66/2007/1° |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 20.06.2008 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 138 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a StG; Art. 89 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a aStG; § 81 StV; § 80 aStV. Kantons- und Gemeindesteuern; Unterbrechung der Veranlagungsverjährung |
Schlagwörter : | Steuer; Veranlagung; Rekurrent; Rekurrenten; Steuerperiode; Treuhandbüro; Steuerverwaltung; Veranlagungsmitteilung; Steuerkommission; Unterlagen; Beweis; Steuerpflichtigen; Kanton; Mitteilung; Zustellung; Steuerrechnungen; Rekurs; Unterbrechung; Schaffhausen; Steuererklärung; Steuerforderung; Treuhänder; Steuerbehörde; Steuerbehörden; Rekursverfahren; Steuerausscheidung; Steuerperioden |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 126 II 2; |
Kommentar: | Egloff, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 2004 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Keine Veröffentlichung im Amtsbericht
Art. 138 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a StG; Art. 89 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a aStG; § 81 StV; § 80 aStV. Kantonsund Gemeindesteuern; Unterbrechung der Veranlagungsverjährung (OGE 66/2007/1 vom 20. Juni 2008)Amtshandlungen der Steuerbehörden unterbrechen die Veranlagungsverjährung nur, wenn sie gegenüber dem Steuerpflichtigen seinem legitimierten Vertreter vorgenommen werden. Holt die Steuerverwaltung ohne Kenntnis des Steuerpflichtigen Auskünfte und Unterlagen bei einem nicht zur Vertretung im Steuerverfahren ermächtigten Treuhandbüro ein, so hat dies keine verjährungsunterbrechende Wirkung (E. 3c).
Für die verjährungsunterbrechende Zustellung einer Veranlagungsmitteilung ist die Steuerverwaltung beweispflichtig. Dabei kann im gerichtlichen Rekursverfahren nur über hinreichend konkretisierte tatsächliche Behauptungen Beweis erhoben werden; eine allgemeine Beweisausforschung ist nicht möglich (E. 3d).
X. wohnt im Kanton Y. Er ist in Schaffhausen selbständig erwerbstätig und damit im Kanton Schaffhausen sekundär steuerpflichtig. Mit Steuererklärung vom 22. Dezember 1999 für die Steuerperiode 1999-2000 verwies er auf seine Steuererklärung im Kanton Y. Die kantonale Steuerverwaltung Schaffhausen holte im Jahr 2002 von der Treuhandfirma Z. Unterlagen unter anderem zur selbständigen Erwerbstätigkeit von X. ein. Am 24. Oktober 2002 ging bei der Steuerverwaltung der Stadt Schaffhausen die Steuerausscheidung des Kantons Y. für die Steuerperioden 1997/1998 und 1999/2000 ein. Am 11. November 2002 nahm die Steuerverwaltung des Kantons Schaffhausen die Steuerausscheidung für die Steuerperioden 1997/1998 und 1999/2000 vor; sie erstellte zudem die Veranlagungsmitteilungen. Die Schaffhauser Steuerverwaltung eröffnete X. mit definitiven Steuerrechnungen vom 22. April 2003 die Veranlagung für die Staatsund Gemeindesteuern 1997 und 1998 sowie mit definitiven Steuerrechnungen vom 10. Februar 2006 die Veranlagung für die Staatsund Gemeindesteuern 1999 und 2000. X. erhob Einsprache gegen die definitiven Steuerrechnungen vom 10. Februar 2006; er machte geltend, die Steuerforderung sei verjährt. Die kantonale Steuerkommission wies die Einsprache ab. Einen hiegegen gerichteten Rekurs von X. hiess das Obergericht gut.
Aus den Erwägungen:
2. - Es geht um die Steuerjahre 1999 und 2000. Nach Art. 220 des Gesetzes über die direkten Steuern vom 20. März 2000 (StG, SHR 641.100) sind daher in materieller Hinsicht die Bestimmungen des früheren Gesetzes über die direkten Steuern vom 17. Dezember 1956 anwendbar (aStG; OS 19, S. 212 ff.). Bei der strittigen Verjährung handelt es sich um ein materiellrechtliches Institut, welches den Bestand der Steuerforderung betrifft. Die Frage ist daher grundsätzlich nach den altrechtlichen Vorschriften zu beurteilen (vgl. BGE 126 II 2 f. E. 2a). Das spielt jedoch letztlich keine Rolle, wurde doch die frühere Regelung im neuen Steuergesetz beibehalten.
3.a) Nach Art. 89 aStG verjährt das Recht, eine Steuer zu veranlagen grundsätzlich fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode (Abs. 1). Die Verjährung wird unterbrochen und beginnt von neuem durch jede auf Feststellung Geltendmachung der Steuerforderung gerichtete Amtshandlung, die dem Steuerpflichtigen Mithaftenden zur Kenntnis gebracht wird (Abs. 3 lit. a; vgl. heute Art. 138 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a StG).
Erste Unterbrechungshandlung ist die Einleitung der Veranlagung durch Aufforderung des Steuerpflichtigen zur Einreichung seiner Steuererklärung. Weitere Unterbrechungshandlungen sind insbesondere die Eröffnung der vorläufigen Veranlagung und die schriftliche Einforderung von zusätzlichen Unterlagen (§ 80 der früheren Verordnung über die direkten Steuern vom 23. November 1982 [OS 25, S. 255 ff.]; vgl. heute § 81 der Verordnung über die direkten Steuern vom 26. Januar 2001 [SHR 641.111]).
Die Steuerperiode 1999/2000 lief am 31. Dezember 2000 ab. Schon zuvor war der Rekurrent offenbar aufgefordert worden, seine Steuererklärung einzureichen; diese datiert vom 22. Dezember 2000. Die provisorischen Steuerrechnungen dürften sodann wie üblich schon im Verlauf der jeweiligen Steuerjahre und damit vor Ablauf der Steuerperiode zugestellt worden sein. Die strittigen Rechnungen vom 10. Februar 2006 ersetzen jedenfalls frühere Rechnungen vom 31. Mai 1999 bzw. 26. Mai 2000.
Die endgültige Veranlagung der Steuerjahre 1999 und 2000 wurde dem Rekurrenten mit den definitiven Rechnungen vom 10. Februar 2006, d.h. über fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, eröffnet. Wie auch die Steuerkommission einräumt, ist die damit geltende gemachte (Rest-)Forderung verjährt, wenn keine zwischenzeitliche verjährungsunterbrechende Handlung dargetan wird.
Eine auf Feststellung Geltendmachung der Steuerforderung gerichtete Amtshandlung führt nur zur Unterbrechung der Verjährung, wenn sie
gegenüber dem Steuerpflichtigen seinem legitimierten Vertreter vorgenommen wird. Amtshandlungen der Steuerbehörden, die allenfalls als Unterbrechungshandlung geeignet wären (beispielsweise Auskunftsbegehren gegenüber Dritten), haben keine unterbrechende Wirkung, wenn sie dem Steuerpflichtigen seinem Vertreter nicht zur Kenntnis gebracht werden (Dieter Egloff in: Klöti-Weber/Siegrist/Weber [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 2. A., Muri-Bern 2004, § 177 N. 36, S. 1452).
Die Steuerkommission hat im Jahr 2002 verschiedene Unterlagen zu den steuerlich massgebenden Verhältnissen des Rekurrenten und dessen Ehefrau von einem Treuhandbüro beigezogen. Dass die entsprechenden Begehren dem Rekurrenten seinerzeit zur Kenntnis gebracht worden wären, behauptet die Steuerkommission nicht; es ist aus den Akten auch nicht ersichtlich. Die Steuerkommission macht im vorliegenden Rekursverfahren sodann nicht bzw. nicht mehr konkret geltend, dass das Treuhandbüro den Rekurrenten damals formell gegenüber den Steuerbehörden vertreten habe. Eine entsprechende Vollmacht liegt nicht vor (vgl. Art. 135 Abs. 2 StG). Die Akten enthalten auch sonst keine Hinweise auf eine Vertretung. Der Rekurrent verneint sie ausdrücklich (vgl. auch seinen Hinweis, dass der Treuhänder der Steuerverwaltung auf deren Anfrage ebenfalls den Bescheid gegeben habe, nicht bevollmächtigt zu sein). Der Umstand als solcher, dass das Treuhandbüro - das buchhalterisch für den Rekurrenten tätig war -, der Steuerverwaltung Auskunft erteilt bzw. Unterlagen geliefert hat, lässt jedenfalls noch nicht auf ein Vertretungsverhältnis schliessen. Das Treuhandbüro ist daher in diesem Zusammenhang als Dritter zu betrachten.
In dieser Situation stellen die Kontakte der Steuerverwaltung zum Treuhandbüro, um zusätzliche Unterlagen zu erhalten, keine dem Rekurrenten zur Kenntnis gebrachte verjährungsunterbrechende Handlung dar. Im Übrigen wurden die Unterlagen soweit ersichtlich - nicht schriftlich eingefordert, wie in der Verordnung in diesem Zusammenhang ausdrücklich vorgesehen.
Die Steuerkommission sieht die verjährungsunterbrechende Handlung in der Steuerausscheidung und Veranlagungsmitteilung vom 11. November 2002. Sie macht geltend, es bestehe kein Anlass zur Annahme, dass diese seinerzeit nicht zugestellt worden seien. Der Rekurrent bestreitet, dass ihm die Mitteilung vor den Steuerrechnungen vom 10. Februar 2006 zugestellt worden seien.
Das Obergericht hat bereits früher in einem Fall, in dem es wie hier - um die Frage der Zustellung der Veranlagungsmitteilung ging (vgl. Art. 149 Abs. 2 StG), darauf hingewiesen, dass die Beweislast für die Zustellung der Steuerbehörde obliege (vgl. Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom
10. Dezember 1907 [ZGB, SR 210]). Der Beweis kann mit den üblichen Be-
weismitteln erbracht werden, insbesondere aufgrund von Indizien gestützt auf die gesamten Umstände. Ob die Tatsache der Zeitpunkt einer Zustellung als gegeben anzunehmen sei, ist Frage der freien richterlichen Beweiswürdigung (OGE 66/2004/54 vom 25. Februar 2005, E. 3).
Die fragliche Mitteilung befindet sich an den Akten. Ein Beleg dafür, dass sie dem Rekurrenten tatsächlich zugestellt worden sei, fehlt jedoch. Die Mitteilung wurde jedenfalls nicht mit eingeschriebener Post geschickt. Die Steuerverwaltung erkundigte sich nach der Einsprache des Rekurrenten beim Treuhänder nach der Mitteilung, in der Meinung, der Rekurrent könnte sie nach Erhalt dorthin weitergeleitet haben (welches Vorgehen vom Rekurrenten gerügt wurde). Der Treuhänder reagierte jedoch nicht. Die Steuerkommission erklärt dazu, es sei nicht sinnvoll gewesen, diesen Punkt weiterzuverfolgen, weil sie keine Zwangsmittel habe. Sie ersucht das Obergericht, das Treuhandbüro und den Rekurrenten aufzufordern, sämtliche in deren Besitz befindlichen Unterlagen betreffend die Steuerperioden 1999/2000 und 1997/1998 einzureichen, sowie den Treuhänder als Zeugen zu befragen.
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit aufgrund der - neben der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (Art. 142 ff. StG) beschränkten Auskunftspflicht Dritter (Art. 145 ff. StG) das Treuhandbüro bzw. dessen Inhaber überhaupt eine entsprechende umfassende Mitwirkungsbzw. Zeugnispflicht hätte und ob eine formelle Zeugeneinvernahme gegebenenfalls nicht schon im verwaltungsinternen Veranlagungsverfahren zulässig gewesen wäre (vgl. Art. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1971 [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, SHR 172.200]; Conrad Walther, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, § 174 N. 16 f., S. 1410 f., zur vergleichbaren Situation im Kanton Aargau). Im Rekursverfahren kann jedenfalls nicht eine umfassende Untersuchung gleichsam nachgeholt werden. Zwar herrscht auch in diesem Verfahren der Untersuchungsgrundsatz, und das Obergericht hat die volle Überprüfungsbefugnis (Art. 161 Abs. 3 StG). Doch ist prinzipiell nur über hinreichend konkretisierte tatsächliche Behauptungen Beweis zu erheben. Dagegen kann im Rechtsmittelverfahren nicht nach theoretisch möglichen entscheidrelevanten Sachumständen erst geforscht werden.
Dem Antrag der Steuerkommission liegt die Überlegung zugrunde, dass der Rekurrent die fragliche Mitteilung gegebenenfalls dem Treuhandbüro weitergeleitet haben könnte, was den Rückschluss erlauben würde, dass er sie tatsächlich erhalten habe. Dabei handelt es sich letztlich um eine blosse Hypothese (vgl. verwaltungsinterne Bemerkung, dass angenommen werde dürfe, die Mitteilung habe den Steuerpflichtigen und vermutlich auch den Treuhänder erreicht, in der Notiz vom 20. März 2006). Konkrete Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich. Dass der Rekurrent im Jahr 2005, d.h. Jah-
re später, dem Treuhandbüro eine damals erhaltene Veranlagungsmitteilung geschickt hat, bewirkt ebenso wenig einen hinreichend begründeten und damit näher zu prüfenden Verdacht der Weiterleitung der fraglichen Mitteilung im Jahr 2002 wie der Umstand, dass das Treuhandbüro die Beilagen zur Steuererklärung 1999A des Rekurrenten und dessen Ehefrau im Kanton Y. zur Verfügung hatte. Der Antrag der Steuerkommission stellt in dieser Situation keinen konkreten Beweisantrag zu einer bestimmten Tatsache dar. Die verlangten Massnahmen erweisen sich im Ergebnis vielmehr als allgemeine Beweisausforschung, um so überhaupt erst allfällige Anhaltspunkte für die Zustellung der Veranlagungsmitteilung 1999/2000 zu erhalten. Dem kann im Rekursverfahren nicht entsprochen werden.
Nach Auffassung der Steuerkommission liegen auch ohne Einforderung der genannten weiteren Unterlagen genügend Indizien für die effektive Zustellung der fraglichen Mitteilung vor. Sie verweist auf die ebenfalls vom 11. November 2002 datierte Steuerausscheidung und Veranlagungsmitteilung für die Steuerperiode 1997/1998, deren Erhalt unbestritten sei; es sei nicht nachvollziehbar, wie es dazu kommen könnte, dass zwar beide Veranlagungsmitteilungen ausgedruckt und in den jeweiligen Akten abgelegt worden seien, die eine aber nicht an den Rekurrenten verschickt worden sein sollte. Letzteres ist jedoch keineswegs ausgeschlossen. Die Veranlagungen der beiden Steuerperioden wurden jedenfalls insoweit unterschiedlich weiterbearbeitet, als in der Folge am 22. April 2003 - nur die endgültigen Rechnungen für die Steuerjahre 1997 und 1998 erstellt wurden, die Rechnungsstellung für die Steuerperiode 1999/2000 dagegen unterging (vgl. Notiz vom 20. März 2006). Es ist im Grundsatz ohne weiteres denkbar, dass dies auf eine Säumnis unmittelbar nach Erstellung der Veranlagungsmitteilung zurückzuführen sein könnte.
Es ist demnach nicht bewiesen, dass die am 11. November 2002 erstellte Veranlagungsmitteilung für die Steuerperiode 1999/2000 dem Rekurrenten damals tatsächlich zugestellt worden wäre. Insbesondere kann aufgrund der aktenkundigen Umstände auch nicht gesagt werden, es lägen Indizien dafür in einer Dichte vor, dass kein anderer Schluss möglich wäre. Bleibt die Zustellung aber unbewiesen, so treffen die Folgen der Beweislosigkeit die beweispflichtigen Steuerbehörden.
Zusammenfassend sind keine verjährungsunterbrechenden Handlungen dargetan. Demnach sind die mit den endgültigen Steuerrechnungen 1999 und 2000 vom 10. Februar 2006 geltend gemachten Steuerforderungen verjährt. Der Rekurs erweist sich damit als begründet.
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