E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 61/2012/2: Obergericht

Der Beschuldigte wurde wegen Verleumdung gemäss Art. 174 Ziff. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je Fr. 100.00 verurteilt. Die Geldstrafe wurde aufgeschoben und eine Probezeit von 2 Jahren festgesetzt. Er muss dem Privatkläger Fr. 1'000.00 als Genugtuung zahlen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf Fr. 1'500.00, zuzüglich weiterer Auslagen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt. Die Berufung des Beschuldigten wurde gutgeheissen, er wurde freigesprochen und die Zivilforderungen des Privatklägers wurden abgewiesen.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 61/2012/2

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 61/2012/2
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 61/2012/2 vom 07.06.2013 (SH)
Datum:07.06.2013
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 18 Abs. 1 KV; Art. 44 Abs. 1 lit. a und Art. 46 JG; Art. 51 ff. VRG; §§ 8 ff. KVD; Anhang KVV/SH. Verbilligung der Krankenversicherungsprämien; Änderung der bestehenden Verordnung aufgrund des bisherigen Rechts; Zuwarten mit Inkraftsetzung des durch Annahme einer Volksinitiative geänderten Gesetzes
Schlagwörter : Recht; Regierung; Regierungsrat; Inkraftsetzung; Kanton; Normen; Normenkontrolle; Verwaltungsgericht; Verwaltungsgerichts; Rechtsmittel; Vollzug; Regierungsrats; Prämie; Prämien; Kantons; Gesetzes; Volksinitiative; Schaffhausen; Prämienverbilligung; Gesuch; Dekret; Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Marti; KVG/SH; Bundesgericht; KVV/SH; Krankenversicherung
Rechtsnorm:Art. 2 KVG ;Art. 29 BV ;Art. 29a BV ;Art. 86 BGG ;Art. 87 BGG ;Art. 9 BV ;
Referenz BGE:124 I 101; 130 I 174; 137 I 305;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 61/2012/2

Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 18 Abs. 1 KV; Art. 44 Abs. 1 lit. a und Art. 46 JG; Art. 51 ff. VRG; §§ 8 ff. KVD; Anhang KVV/SH. Verbilligung der Krankenversicherungsprämien; Änderung der bestehenden Verordnung aufgrund des bisherigen Rechts; Zuwarten mit Inkraftsetzung des durch Annahme einer Volksinitiative geänderten Gesetzes (OGE 61/2012/2 vom 7. Juni 2013)

Veröffentlichung im Amtsbericht

Die Änderung einer regierungsrätlichen Verordnung ist ausschliesslich mit Gesuch um abstrakte Normenkontrolle anfechtbar (E. 1a/aa und bb). Anfechtbarkeit des Inkraftsetzungsbeschlusses im Gesetzgebungsverfahren bzw. dessen Hinausschieben mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Frage offen gelassen; E. 1a/cc).

Es ist zulässig, mit der Inkraftsetzung einer durch Annahme einer Volksinitiative erfolgten Gesetzesänderung zuzuwarten und die Anpassung des Vollzugsrechts nach bisherigem Recht vorzunehmen, wenn hierfür sachliche Gründe administrativer Art bestehen (namentlich das Erfordernis der Anpassung weiterer Vollzugsvorschriften). Finanzielle Interessen sind dabei grundsätzlich ausgeschlossen (E. 2c). Im vorliegenden Fall sind solche sachlich-administrative Gründe gegeben (E. 2d).

Die Stimmberechtigten des Kantons Schaffhausen nahmen am 25. November 2012 die Volksinitiative für bezahlbare Krankenkassenprämien (Prämienverbilligungsinitiative) an. Damit wurde das kantonale Krankenversicherungsgesetz wie folgt angepasst:

Art. 1 Abs. 2

Ein Anspruch auf Beiträge zur Prämienverbilligung kann geltend gemacht werden, wenn die anrechenbaren Prämien der obligatorischen Krankenversicherung 15 Prozent des anrechenbaren Einkommens übersteigen. Die Beiträge zur Prämienverbilligung übersteigen die effektiv bezahlten Prämien nicht.

Art. 2

Der Kantonsrat regelt durch Dekret das Verfahren bezüglich Datenerhebung und Vollzug sowie die Finanzierung der Verwaltungskosten. Er kann Spezialregelungen für bestimmte Personengruppen vorsehen.

Am 27. November 2012 verabschiedete der Regierungsrat den aufgrund des bisherigen Rechts revidierten Anhang der Verordnung über den Vollzug des Krankenversicherungsgesetzes. Daraus ergaben sich deutlich höhere Ein-

kommensgrenzen. Die neue Gesetzesregelung sollte erst auf 1. Januar 2014 in Kraft gesetzt werden.

Hiegegen erhoben mehrere Bezüger von Prämienverbilligungsbeiträgen Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Obergericht. Dieses behandelte die Beschwerde als Gesuch um abstrakte Normenkontrolle und wies dieses ab.

Aus den Erwägungen:

1.a) aa) Im Kanton Schaffhausen besteht für die Anfechtung von Anordnungen der Verwaltungsbehörden folgende, von der Regelung in anderen Kantonen teilweise abweichende Ordnung: Individuell-konkrete Verwaltungsakte (Verfügungen) sind nach Erschöpfung des verwaltungsinternen Instanzenzugs mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Obergericht anfechtbar (Art. 44 Abs. 1 lit. a JG1 i.V.m. Art. 35 ff. VRG2). Generell-abstrakte Anordnungen von Verwaltungsbehörden (namentlich Verordnungen des Regierungsrats) sind demgegenüber - unter Ausschluss des verwaltungsinternen In-

stanzenzugs und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - direkt mit einem Gesuch um abstrakte Normenkontrolle beim Obergericht anfechtbar (Art. 46 JG

i.V.m. Art. 51 ff. VRG). Die entsprechenden Zuständigkeiten des Obergerichts im Bereich der Verwaltungsrechtspflege (nicht aber die zugehörigen Verfahrensvorschriften) wurden mit dem Erlass des Justizgesetzes im Jahr

2009 vom Verwaltungsrechtspflegegesetz ins Justizgesetz transferiert, wobei jedoch keine materielle Änderung beabsichtigt war.3 Das Gesuch um abstrakte Normenkontrolle bildet daher weiterhin auch wenn dies im Wortlaut des Justizgesetzes heute nicht mehr ganz klar zum Ausdruck kommt4 ein selbständiges, von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzugrenzendes Rechtsmittel, mit welchem grundsätzlich sämtliche rechtlichen Mängel eines solchen Erlasses, nicht nur die Unvereinbarkeit mit einschlägigen Rechtsnormen höherer Stufe, gerügt werden können.5

  1. Justizgesetz vom 9. November 2009 (JG, SHR 173.200).

  2. Gesetz über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1971 (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, SHR 172.200).

  3. Vgl. Bericht und Antrag des Regierungsrates an den Kantonsrat betreffend das Justizgesetz (JG) vom 19. Mai 2009, S. 14.

  4. Vgl. dazu auch den Hinweis im Bericht über das neue Schaffhauser Justizgesetz in SJZ 2010, S. 207.

  5. Vgl. zum besonderen Rechtsmittel der abstrakten Normenkontrolle und zur abweichenden Regelung in den Verwaltungsrechtspflegegesetzen anderer Kantone, namentlich des Kantons Zürich, Arnold Marti, Abstrakte Normenkontrolle, Klageverfahren und weitere besondere

    bb) Im vorliegenden Fall wird mit dem Rechtsmittelantrag 1 ausdrücklich die Aufhebung des Beschlusses des Regierungsrats beantragt, mit welchem der Anhang der Verordnung über den Vollzug des Krankenversicherungsgesetzes (KVV/SH6) geändert wurde. Anfechtungsobjekt bildet somit die Änderung generell-abstrakter Vorschriften. Hierfür einzig zulässiges Rechtsmittel bildet das Gesuch um abstrakte Normenkontrolle i.S.v. Art. 46 JG i.V.m. Art. 51 ff. VRG, zumal auch Teilakte eines Rechtsetzungsverfahrens (z.B. die Verabschiedung einer Vorlage der Beitritt zu einer Vereinbarung) nach der Rechtsprechung des Obergerichts nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern einzig mit einem Gesuch um abstrakte Normenkontrolle angefochten werden können.7 Da die Gesuchsteller, welche ihren Rechtsmittelantrag 1 aufrechterhalten, aber an der Bezeichnung des Rechtsmittels als Verwaltungsgerichtsbeschwerde festgehalten haben, insofern offensichtlich einem Irrtum über die Rechtslage unterliegen, ist das vorliegende Rechtsmittel hinsichtlich des Rechtsmittelantrags 1 im Sinn der Rechtsanwendung von Amts wegen und gestützt auf das Verbot des überspitzten Formalismus8 als Gesuch um abstrakte Normenkontrolle zu behandeln. Dem steht entgegen der Auffassung des Regierungsrats auch nicht entgegen, dass die durch die Annahme der Prämienverbilligungsinitiative erfolgte Änderung des kantonalen Krankenversicherungsgesetzes noch nicht in Kraft gesetzt worden ist, da mit einem Gesuch um abstrakte Normenkontrolle

    wie erwähnt grundsätzlich alle rechtlichen Mängel der angefochtenen Normen gerügt werden können und damit auch vorfrageweise geprüft werden kann, ob der Anhang zur KVV/SH zu Recht noch gestützt auf die bisher geltenden Bestimmungen des KVG/SH9 erlassen wurde ob zunächst umgehend die Initiative hätte in Kraft gesetzt werden müssen.10

    Verfahren, in: Griffel/Jaag (Hrsg.), Reform der Zürcher Verwaltungsrechtspflege, Zürich/ St. Gallen 2010, S. 103 ff. (nachfolgend zitiert Marti, Abstrakte Normenkontrolle); zur Schaffhauser Regelung insbesondere Arnold Marti, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Schaffhausen, Diss. Zürich 1986, S. 56 f., 113 ff. und passim (nachfolgend zitiert Marti, Verwaltungsgerichtsbarkeit).

  6. Verordnung über den Vollzug des Krankenversicherungsgesetzes vom 9. Juli 1996 (KVV/SH, SHR 832.111).

  7. Vgl. dazu die Hinweise bei Marti, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 116 bei Fn. 73.

  8. Laurent Merz, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. A., Basel 2011, Art. 42 N. 10,

    1. 470.

  9. Krankenversicherungsgesetz vom 19. Dezember 1994 (KVG/SH, SHR 832.100).

  10. Vgl. zum Begriff der Verfassungsund Gesetzmässigkeitsprüfung gemäss Art. 46 JG die Hinweise bei Marti, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 227, zur gleichlautenden ursprünglichen Regelung im VRG, und derselbe, Abstrakte Normenkontrolle, S. 115, zu ähnlichen Regelungen anderer Kantone.

    cc) Weniger klar ist die Rechtslage hinsichtlich des Rechtsmittelantrags 2, mit dem eine unverzügliche Inkraftsetzung der vom Volk angenommenen Prämienverbilligungsinitiative beantragt wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Inkraftsetzung eines Gesetzes durch den Regierungsrat den abschliessenden Teil des Gesetzgebungsprozesses bildet und damit der entsprechende Regierungsratsbeschluss eine generell-abstrakte Norm darstellt, mit welcher das Inkrafttreten eines Gesetzes festgelegt wird. Dementsprechend behandelt etwa das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Rechtsmittel gegen Inkraftsetzungsbeschlüsse des Regierungsrats als Erlassbeschwerde, was sich auf den Spruchkörper (Fünferbesetzung) und die Legitimation (Genügen einer bloss virtuellen Betroffenheit) auswirkt.11 Auch der Kanton Aargau, welcher wie der Kanton Schaffhausen das besondere Rechtsmittel der abstrakten Normenkontrolle kennt, welches jederzeit erhoben werden kann, lässt gegen Inkraftsetzungsbeschlüsse des Regierungsrats nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern die abstrakte Normenkontrolle zu.12 Die Rechtsprechung des Bundesgerichts geht dagegen bei der Überprüfung von Inkraftsetzungsentscheiden eher von einer Einzelakt-Beschwerde aus, ohne dies allerdings näher zu begründen.13 Im Kanton Schaffhausen tendiert die Praxis dazu, eine möglichst einheitliche Anfechtung von Erlassen mit der abstrakten Normenkontrolle zu ermöglichen, wobei sich allerdings die Frage der Anfechtung selbständiger Inkraftsetzungsentscheide des Regierungsrats bisher nicht stellte und in der Literatur auch angeregt wurde, dagegen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zuzulassen, weil es sich um einen blossen Vollzugsakt handle.14

    Da ein selbständiger Inkraftsetzungsbeschluss des Regierungsrats eine untergesetzliche generell-abstrakte Norm über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des betreffenden Erlasses, nicht einen Vollzugsakt im Einzelfall enthält, liegt die Zulassung des Normenkontrollgesuchs auch bezüglich eines solchen Beschlusses nahe. Soweit eine Inkraftsetzung durch den Regierungsrat noch nicht erfolgt ist bzw. dessen Untätigkeit angefochten wird, stellt sich allerdings die Frage, ob ein Normenkontrollgesuch auch bei behördlicher Untätigkeit erhoben werden kann. Ob dies möglich ist, musste bisher im Kanton Schaffhausen nicht entschieden werden und ist aufgrund des Wortlauts unklar, zumal es sich eigentlich nicht um eine Normenkontrolle, sondern um

    eine Normerlassklage handeln würde.15 Die neuere Rechtsprechung des Bun-

  11. Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts VB.2011.00722 vom 17. Januar 2012, E. 1 und 2.

  12. Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichts vom 26. März 1981, E. 2, AGVE 1981, S. 108 ff.

  13. Vgl. BGE 130 I 174 ff., E. 2.2 und dazu die Bemerkungen von Yvo Hangartner, AJP 2004,

    1. 1545 ff., S. 1546, sowie neuerdings BGer 2C_158/2012 vom 20. April 2012.

  14. Vgl. Marti, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 116 Fn. 73, mit verschiedenen Hinweisen.

  15. Vgl. dazu Art. 46 JG und Marti, Abstrakte Normenkontrolle, S. 111 Fn. 36.

    desgerichts lässt jedoch eine Beschwerde wegen unrechtmässiger Verweigerung Verzögerung eines Erlasses ebenfalls zu, soweit eine Handlungspflicht der rechtsetzenden Behörde dargetan wird,16 was für die Zulassung eines solchen Antrags im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle spricht. In diesem Zusammenhang kann überdies darauf hingewiesen werden, dass auch die Anfechtung behördlicher Untätigkeit im Einzelfall mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt wird, sondern durch die Praxis ermöglicht wurde.17 Jedenfalls aber muss heute sowohl die Anfechtung eines regierungsrätlichen Inkraftsetzungsbeschlusses als auch eines einstweiligen Verzichts auf eine Inkraftsetzung seitens der Exekutive beim Obergericht als Verwaltungsgericht möglich sein. Dies ergibt sich aus der Rechtsweggarantie von Art. 29a BV18 bzw. der Vorinstanzenregelung von Art. 86 BGG19, wonach bereits auf kantonaler Ebene ein gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, soweit es sich nicht um einen Entscheid mit vorwiegend politischem Charakter handelt, bei welchem eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts eingesetzt werden kann. Gleiches gilt gemäss Art. 87 Abs. 2 BGG auch, soweit das kantonale Recht Rechtsmittel gegen Erlasse vorsieht. Letzteres trifft im Kanton Schaffhausen zu und es sind keine besonderen Rechtsmittel für Entscheide mit politischem Charakter vorgesehen, weshalb gegen regierungsrätliche Akte Unterlassungen im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung von Erlassen bereits auf kantonaler Ebene ein Rechtsmittel an ein Gericht gegeben sein muss.20

    Die Frage, ob dieses Rechtsmittel bei Hinausschieben des Inkraftsetzungsbeschlusses durch den Regierungsrat das Gesuch um Normenkontrolle eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde sein soll, braucht hier aber nicht abschliessend geklärt werden, da die Frage der Zulässigkeit des Zuwartens mit der Inkraftsetzung der vom Volk angenommenen Prämienverbilligungsinitiative vorliegend bereits im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle hinsichtlich des Rechtsmittelantrags 1 (Zulässigkeit der Änderung des Anhangs der KVV/SH) als Vorfrage geprüft werden muss. Wie nachfolgend zu zeigen

  16. Vgl. BGE 137 I 305 ff.

  17. Vgl. Marti, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 138 f., und heute den Wortlaut von Art. 44 Abs. 1 lit. a JG.

  18. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101).

  19. Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110).

  20. Vgl. dazu auch Esther Tophinke, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. A., Basel 2011, Art. 86 N. 18 ff., S. 1149 ff.; zur früheren Rechtslage BGE 130 I 174 ff., E. 1.1 (Zulässigkeit einer direkten staatsrechtlichen Beschwerde ans Bundesgericht).

    sein wird, ergibt sich hierbei sodann, dass der Rechtsmittelantrag 2 (Anweisung zur unverzüglichen Inkraftsetzung der angenommenen Initiative) jedenfalls abzuweisen wäre, weshalb letztlich offen gelassen werden kann, welches das zulässige Rechtsmittel zur direkten Behandlung dieses Antrags wäre.

    2.-

    1. Zwischen den Parteien ist unbestritten geblieben, dass die mit der Annahme der Prämienverbilligungsinitiative verbundene Änderung des KVG/SH mangels entsprechender genereller Vorschrift im Recht des Kantons Schaffhausen bzw. mangels ausdrücklicher Vorschrift im Initiativtext nicht automatisch in Kraft getreten ist und die vom Regierungsrat am 27. November 2012 vorgenommene Änderung der KVV/SH dem bisherigen, einstweilen noch in Kraft stehenden Recht (KVG/SH; KVD21) entspricht. Fraglich und umstritten ist jedoch, ob es zulässig war, zwei Tage nach dem Abstimmungs-

      sonntag die Regelung in der KVV/SH für das Jahr 2013 ohne Berücksichtigung des Abstimmungsresultats aufgrund des bisherigen Rechts vorzunehmen und im Ergebnis noch zu verschlechtern, da der Anteil der Richtprämien am anrechenbaren Einkommen der Haushalte wegen der unveränderten Beitragssumme gemäss § 8a KVD von 17,5 auf 19,0 % erhöht werden musste,22 sowie den mit der Annahme der Volksinitiative geänderten Gesetzestext noch nicht in Kraft zu setzen. Da die Frage der Inkraftsetzung von Gesetzesänderungen im Schaffhauser Recht nicht ausdrücklich geregelt ist, ergibt sich die entsprechende Zuständigkeit des Regierungsrats unbestrittenerweise aus dessen allgemeiner Zuständigkeit zum Vollzug der Erlasse von Bund und Kantonen.23 Hierbei handelt es sich dementsprechend grundsätzlich um einen blossen Vollzugsakt, bei welchem dem Regierungsrat hinsichtlich der Inkraftsetzung kein gesetzgeberisch-politisches Ermessen zukommt. Der verfassungsmässige Vollzugsauftrag des Regierungsrats erfordert nach herrschender, vom Bundesgericht bestätigter Auffassung vielmehr, dass neue Gesetzesbestimmungen entsprechend dem Willen des Gesetzgebers zügig in Kraft gesetzt werden. Der Verzicht auf die Inkraftsetzung eines gültig

  21. Dekret über den Vollzug des Krankenversicherungsgesetzes vom 10. Juli 1996 (KVD, SHR 832.110).

  22. Vgl. dazu die Mitteilung des Regierungsrats zur Verordnungsänderung im Amtsblatt für den Kanton Schaffhausen vom 30. November 2012, S. 1802.

  23. Art. 67 lit. e der Verfassung des Kantons Schaffhausen vom 17. Juni 2002 (KV, SHR 101.000); vgl. dazu Dubach/Marti/Spahn, Verfassung des Kantons Schaffhausen, Kommentar, Schaffhausen 2004, S. 208.

    beschlossenen Gesetzes verstiesse gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung.24

    Soweit die Wahl des Zeitpunkts der Inkraftsetzung in Frage steht und diese wie im vorliegenden Fall in die Hände des Regierungsrats als Vollzugsbehörde gelegt ist, ist als Schranke gegen eine übermässige Verzögerung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht das auf das Verfahren vor Gerichtsund Verwaltungsbehörden zugeschnittene Rechtsverzögerungsverbot,25 sondern einzig das allgemeine Willkürverbot26 zu beachten. Demnach sollen beschlossene Gesetzesänderungen vom beauftragten Vollzugsorgan nicht ohne zulässigen Grund verzögert werden. Anlass für einen Aufschub können insbesondere Gründe administrativer Art bilden, indem zum

    Beispiel Ausführungserlasse ausgearbeitet organisatorische Massnahmen getroffen werden müssen, welche eine gewisse Zeit beanspruchen. Zulässig

    sind auch Zweckmässigkeitsüberlegungen anderer Art (z.B. Inkraftsetzung auf den Beginn einer neuen Steuerperiode eines neuen Kalenderjahrs),

    doch müssen sie sachlicher Natur sein. Rein finanzielle Interessen reichen demgegenüber grundsätzlich nicht aus, um etwa die Einführung beschlossener Steuererleichterungen wie vorliegend erhöhter Subventionen länger

    hinauszuschieben. Ein gewisser Spielraum ist dem zuständigen Vollzugs-

    organ aber zuzugestehen. Überdies kann auch dem Umstand, dass der vorgesehene Inkraftsetzungszeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren öffentlich kundgemacht worden ist, eine gewisse Bedeutung zukommen.27

    1. aa) Im vorliegenden Fall weist der Regierungsrat zunächst zutreffend darauf hin, er habe bereits in der Vorlage zur Volksinitiative an den Kantonsrat darauf hingewiesen, dass die konkrete Umsetzung im Falle der Annahme der Initiative erst im Jahr 2014 erfolgen könnte, da die mit der Initiative verbundenen Mehrkosten eine derartige Dimension hätten, dass sie nicht ausserhalb des ordentlichen Budgetprozesses sachgerecht aufgefangen werden könnten.28 Auch der Abstimmungsvorlage an die Stimmberechtigten kann zumindest sinngemäss entnommen werden, dass die zuständigen Behörden (Kantonsrat und Regierungsrat) von einer Inkraftsetzung erst für das Jahr

      2014 ausgingen, wird doch ausgeführt, dass sich für das Jahr 2014 Mehr-

  24. Art. 8 KV.

  25. Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 18 Abs. 1 KV.

  26. Art. 9 BV.

  27. BGE 130 I 174 ff., insbesondere E. 2.2, 2.3 und 2.4 a. E.; vgl. dazu auch die teilweise kritischen - Bemerkungen von Hangartner, S. 1546 f., sowie die ergänzenden Hinweise bei André W. Moser, Das verzögerte Inkraftsetzen eines Gesetzes durch die Regierung (beurteilt aus verfassungsrechtlicher Sicht und erläutert anhand BGE 130 I 174), LeGes 2005/3 S. 47 ff.

  28. Vorlage des Regierungsrats an den Kantonsrat betreffend die kantonale Volksinitiative für bezahlbare Krankenkassenprämien vom 6. März 2012 (Amtsdruckschrift 12-19), S. 9.

    kosten von rund 10 Mio. Franken ergeben würden.29 Die Gesuchsteller bestreiten die Grössenordnung dieser Mehrkosten grundsätzlich nicht, machen aber geltend, es handle sich hinsichtlich der Planung der Inkraftsetzung um eine blosse Stellungnahme des Regierungsrats, welche weder von der Parlamentskommission noch vom Kantonsrat selber näher behandelt worden sei. Dies trifft zwar im Prinzip ebenfalls zu, doch ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, dass der Regierungsrat wie dargelegt mangels anderer Regelung für die Inkraftsetzung des durch die Initiative geänderten KVG/SH zuständig ist und somit der entsprechenden Angabe des Regierungsrats im Gesetzgebungsprozess nach Treu und Glauben bzw. nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung durchaus eine gewisse Bedeutung zukommt. Freilich kann dies nicht entscheidend sein, da wie erwähnt für ein Hinausschieben der Inkraftsetzung genügende sachliche Gründe (grundsätzlich keine rein finanzpolitischen Argumente) erforderlich sind.

    bb) Sachliche Gründe für eine Inkraftsetzung erst auf den 1. Januar 2014 macht der Regierungsrat aber ebenfalls geltend. So weist er darauf hin, dass die Umsetzung der Prämienverbilligungsinitiative in verschiedenen Punkten eine Überprüfung und Änderung des KVD und somit ein Rechtsetzungsverfahren im Parlament nötig mache, weshalb eine Inkraftsetzung durch eine Verordnungsänderung allein bereits auf den 1. Januar 2013 nicht möglich gewesen sei. Die Gesuchsteller stellen dies in Frage und machen geltend, mit der Neufassung des KVG/SH nicht mehr vereinbare Bestimmungen im KVD würden gemäss der Verfassungsbestimmung über die Hierarchie der Normen30 mit der Inkraftsetzung der neuen Gesetzesbestimmungen automatisch ausser Kraft treten. Dies trifft grundsätzlich zu, doch blieben die entsprechenden Bestimmungen bis zu ihrer Aufhebung weiterhin im Dekretstext aufgeführt und dürften lediglich vom Regierungsrat und von den Rechtspflegebehörden (nicht aber von den unteren Verwaltungsbehörden) nicht mehr angewandt werden.31 Für die für die Prämienverbilligung erstinstanzlich zuständige Behörde (AHV-Ausgleichskasse32) ergäbe sich damit eine völlig unbefriedigende, widersprüchliche Situation, welche wohl nur durch eine nicht unproblematische aufsichtsrechtliche Anweisung (Nichtanwendbarerklärung der vom Kantonsrat erlassenen widersprechenden Dekretsbestimmungen) durch den Regierungsrat geklärt werden könnte.

  29. Schaffhauser Abstimmungsmagazin zur Volksabstimmung vom 25. November 2012, S. 49.

  30. Art. 38 Abs. 2 KV.

  31. Vgl. zur sog. akzessorischen Normenkontrolle nach Art. 38 Abs. 2 KV Dubach/Marti/Spahn,

    1. 118.

  32. § 8 Abs. 1 KVD.

    Überdies weist der Regierungsrat zu Recht darauf hin, dass verschiedene Dekretsbestimmungen im Lichte der angenommenen Volksinitiative überprüft und allenfalls angepasst werden müssen, was nur auf dem ordentlichen Rechtsetzungsweg, d.h. durch eine Änderung des KVD möglich ist. Dies gilt namentlich für die Regelung der anrechenbaren Prämie, bei welcher nach geltendem Recht auf die vom Bund für die Berechnung der Ergänzungsleistungen im Kanton Schaffhausen festgelegten Durchschnittsprämien, nicht auf die effektiv bezahlten Grundversicherungsprämien abgestellt wird.33 Überdies fehlt im Dekret eine Umsetzung der mit der Initiative eingeführten Vorgabe, dass die Beiträge zur Prämienverbilligung die effektiv bezahlten Prämien nicht übersteigen dürfen.34 Unter diesen Umständen aber vermag der Regierungsrat jedenfalls genügende Gründe administrativer Art vorzubringen, welche für eine Inkraftsetzung erst auf den 1. Januar 2014 sprechen bzw. diese rechtfertigen. Der Initiativtext sieht im Übrigen ausdrücklich vor, dass der Kantonsrat durch Dekret das Verfahren bezüglich Datenerhebung und Vollzug sowie die Finanzierung der Verwaltungskosten zu regeln habe, wobei er Spezialregelungen für bestimmte Personengruppen vorsehen könne.35 Die Volksinitiative ging somit selber davon aus, dass neue Dekretsvorschriften nötig sind, was das Vorgehen des Regierungsrats zusätzlich zu rechtfertigen vermag. Der Regierungsrat ist andererseits dabei zu behaften, dass er für eine rechtzeitige Dekretsänderung sorgen wird, damit die auf den 1. Januar 2014 angekündigte Inkraftsetzung des neuen Rechts jedenfalls realisiert werden kann.

    cc) Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob der weitere vom Regierungsrat geltend gemachte Grund für eine Inkraftsetzung des durch die Annahme des Volksinitiative geänderten KVG/SH erst auf den 1. Januar 2014 (die hohen zu erwartenden Mehrausgaben bzw. der im Abstimmungszeitpunkt weitgehend abgeschlossene Budgetprozess bei Kanton und Gemeinden) dies nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls zu rechtfertigen vermag. Wie erwähnt, genügen finanzpolitische Überlegungen für ein Hinausschieben der Inkraftsetzung einer neuen Subventionsregelung grundsätzlich nicht, wobei das Bundesgericht im mehrfach zitierten Entscheid, bei welchem es um ein Hinausschieben der Inkraftsetzung von Steuererleichterungen (Ausgleich der Teuerung und weitergehende Erhöhung von Abzügen) im Kanton Zürich um fast zweieinhalb Jahre ging, diese Verzögerung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken im Ergebnis doch zugelassen hat.36 Das Bundesgericht

  33. Vgl. dazu die geltende Fassung von § 11 KVD.

  34. Art. 1 Abs. 2 letzter Satz KVG/SH (Fassung gemäss angenommener Volksinitiative).

  35. Art. 2 KVG/SH (Fassung gemäss der angenommenen Volksinitiative).

  36. Vgl. BGE 130 I 174 ff., E. 2.4, und dazu kritisch Hangartner, S. 1547.

    hat im Übrigen aber nicht dargelegt, in welchen Ausnahmefällen finanzpolitische Interessen allenfalls doch eine Rolle spielen dürfen. Im vorliegenden Fall geht es ebenfalls um sehr hohe Mehrkosten (im Rahmen von 10 Mio. Franken), wobei der Regierungsrat die Inkraftsetzung nicht um mehrere Jahre, sondern nur um ein Jahr hinausgeschoben hat, um damit auch die erforderlichen Kompensationen im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses vornehmen zu können, also ein weitaus schonenderes - und mit dem Budgetverfahren objektiv begründbares - Vorgehen als das letztlich rein finanzpolitisch begründete Hinausschieben im erwähnten Zürcher Fall. Es erschiene daher wohl vertretbar, in dieser Konstellation einen solchen Ausnahmefall anzunehmen, zumal der Regierungsrat zusammen mit dem Kantonsrat von Verfassungs wegen auch für die Sicherstellung des Haushaltgleichgewichts und damit für die ordnungsgemässe Durchführung des Budgetverfahrens verantwortlich ist.37 Letztlich kann die Frage aber offen gelassen werden, da genügende sachlich-administrative Gründe für das Hinausschieben des Inkrafttretens um ein Jahr bereits im Zusammenhang mit der erforderlichen Dekretsänderung angeführt werden können.

    1. Zusammenfassend ergibt sich, dass das Vorgehen des Regierungsrats, mit der Inkraftsetzung der neuen KVG/SH-Bestimmungen gemäss der angenommenen Volksinitiative zuzuwarten bzw. diese erst auf den 1. Januar 2014 vorzunehmen und die Vollzugsregelung in der KVV/SH für das Jahr 2013 dementsprechend nach dem geltenden Gesetzesund Dekretsrecht abzufassen, zulässig und jedenfalls nicht willkürlich ist. Dass sich damit im Ergebnis für die Bezüger der Prämienverbilligung für das Jahr 2013 sogar noch eine Verschlechterung gegenüber dem Vorjahr ergibt, muss aufgrund der bestehenden, grundsätzlich weiter geltenden Gesetzesbzw. Dekretsregelung in Kauf genommen werden. Der Regierungsrat hat diese Verschlechterung nicht aus freien Stücken vorgenommen, was wohl nach Annahme der Volksinitiative unzulässig wäre,38 sondern sie ergibt sich bei der Anwendung des bisherigen Rechts zwingend aus der summenmässigen Begrenzung der Beiträge in § 8a KVD.

    Dementsprechend sind das Normenkontrollgesuch bzw. die Anträge, die am 27. November 2012 beschlossene Änderung der KVV/SH aufzuheben und den Regierungsrat anzuweisen, das durch die Prämienverbilligungsinitiative geänderte KVG/SH unmittelbar in Kraft zu setzen, abzuweisen.

  37. Art. 96 ff. KV.

  38. BGE 124 I 101 ff. (Unzulässigkeit einer Verschlechterung während der Umsetzungsfrist für neue Vorschriften).

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.