Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2019/1: Obergericht
Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, hat am 11. Juli 2019 in einem Fall von Veruntreuung entschieden. Die Beschuldigte A. wurde für schuldig befunden und zu 20 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wovon 2 Tage bereits durch Haft erstanden sind. Die Beschuldigte muss der Privatklägerin Schadenersatz in Höhe von Fr. 133'090.- zahlen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf Fr. 4'500.00, zusätzliche Kosten von Fr. 2'100.00 entstanden für das Vorverfahren und medizinische Gutachten. Der Anwalt der Beschuldigten wird mit Fr. 5'000.- entschädigt. Die Kosten der Untersuchung und des Verfahrens werden der Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden vorerst von der Gerichtskasse übernommen, können aber später von der Beschuldigten eingefordert werden. Die Beschuldigte hat die Möglichkeit, gegen das Urteil beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen einzureichen.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 60/2019/1 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 30.07.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Kostentragung bei ausserkantonalen Fremdplatzierungen; Rückforderung durch den Kanton; Entscheidkompetenz; Rechtsmittelweg; Parteientschädigung an obsiegende Behörde - Art. 19 IVSE; Art. 48 Abs. 2 VRG; Art. 44 JG; Art. 8 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 SHEG; §§ 2a, 5 Abs. 2 und 72 Abs. 3 SHEV. Übernimmt der Kanton Schaffhausen im interkantonalen Verhältnis die Kosten einer Fremdplatzierung, so kommt im innerkantonalen Verhältnis der Entscheid darüber, ob dem Kanton die übernommenen Kosten zurückzuerstatten sind, der jeweiligen Gemeinde zu (E. 1.2.1 und E. 1.2.2). Ersucht das kantonale Sozialamt eine Gemeinde um Rückerstattung von Fremdplatzierungskosten, hat es einen ablehnenden Beschluss der Gemeinde zunächst mit Rekurs beim Departement des Innern anzufechten (E. 1.2.3 und E. 1.2.4). Keine Abweichung vom Grundsatz, wonach obsiegenden Behörden keine Parteientschädigung zugesprochen wird (E. 2). |
Schlagwörter : | Kanton; Gemeinde; Sozialhilfe; Verwaltung; Entscheid; Sozialamt; Schaffhausen; Departement; Obergericht; Rekurs; Innern; Zuständigkeit; Verhältnis; Fremdplatzierung; Kostenübernahme; Kantons; Verwaltungsgericht; Behörde; Einrichtungen; Kostenübernahmegarantie; Gemeinden; Sozialhilfebehörde; Einwohnergemeinde; Parteientschädigung; Beschluss; Gesetzes; Regierungsrat; Verwaltungsbehörde |
Rechtsnorm: | Art. 60 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Bühler, Frank, Kommentar zur aargaui- schen Zivilprozessordnung, 1998 |
Übernimmt der Kanton Schaffhausen im interkantonalen Verhältnis die Kosten einer Fremdplatzierung, so kommt im innerkantonalen Verhältnis der Entscheid darüber, ob dem Kanton die übernommenen Kosten zurückzuerstatten sind, der jeweiligen Gemeinde zu (E. 1.2.1 und E. 1.2.2).
Ersucht das kantonale Sozialamt eine Gemeinde um Rückerstattung von Fremdplatzierungskosten, hat es einen ablehnenden Beschluss der Gemeinde zunächst mit Rekurs beim Departement des Innern anzufechten (E. 1.2.3 und E. 1.2.4).
Keine Abweichung vom Grundsatz, wonach obsiegenden Behörden keine Parteientschädigung zugesprochen wird (E. 2).
OGE 60/2019/1 vom 30. Juli 2019 Keine Veröffentlichung im Amtsbericht
SachverhaltDer Kanton Schaffhausen übernahm in einer interkantonalen Vereinbarung die Kosten einer Fremdplatzierung und ersuchte im innerkantonalen Verhältnis die Gemeinde X. um Übernahme der entsprechenden Kosten. Die Gemeinde X. lehnte die Übernahme ab. Gegen den ablehnenden Beschluss erhob der Kanton Schaffhausen, vertreten durch das kantonale Sozialamt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Obergericht. Dieses trat auf die Beschwerde nicht ein.
Aus den Erwägungen 1. Das Obergericht prüft seine Zuständigkeit als Eintretensvoraussetzung von Amtes wegen (Art. 50 Abs. 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1971 [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, SHR 172.200] i.V.m. Art. 59 Abs. 2 lit. b und Art. 60 ZPO).[ ]
Das kantonale Sozialamt ist gemäss Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und soziale Einrichtungen vom 28. Oktober 2013 (Sozialhilfegesetz, SHEG, SHR 850.100) i.V.m. § 6 Abs. 1 der Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe und soziale Einrichtungen vom 18. Februar 2014 (Sozialhilfeverordnung, SHEV, SHR 850.111) das kantonale Organ für die öffentliche Sozialhilfe und soziale Einrichtungen sowie die Vollzugsstelle der öffentlichen
Sozialhilfe, soweit diese nicht durch kommunale Sozialhilfebehörden andere kantonale Verwaltungsbehörden Dritte ausgeführt werden. Insbesondere nimmt es nach § 69 SHEV alle Aufgaben gemäss Interkantonaler Vereinbarung für soziale Einrichtungen IVSE vom 13. Dezember 2002 (IVSE, SHR 850.130) wahr, soweit im Rahmen der Sozialhilfeverordnung anderer Erlasse keine abweichenden Regelungen bestehen. Das kantonale Sozialamt übernimmt namentlich die Aufgaben der Verbindungsstelle nach Art. 10 IVSE. Demnach ist es unter anderem zuständig für das Einholen der Kostenübernahmegarantie nach Art. 19 IVSE, mittels welcher der Wohnkanton der Einrichtung des Standortkantons die Leistungsabgeltung zu Gunsten der Person für die zu garantierende Periode zusichert, und für die Entgegennahme und Bearbeitung von Gesuchen um Kostenübernahmegarantie und den Entscheid über dieselben (Art. 11 Abs. 1 lit. a und b IVSE; § 72 Abs. 1 SHEV). Die Leistungsabgeltung wird indes von den zahlungspflichtigen Stellen und Personen des Wohnkantons geschuldet und kann diesen von der Einrichtung des Standortkantons monatlich in Rechnung gestellt werden (Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 IVSE).
Die Kostenübernahmegarantie nach Art. 19 IVSE stellt dementsprechend die Berechtigung, die Zuständigkeit und die Zahlungspflicht der Kostenträger fest (§ 72 Abs. 3 Satz 2 SHEV). Voraussetzung für die Erteilung der Kostenübernahmegarantie durch das kantonale Sozialamt ist gemäss § 72 Abs. 3 Satz 1 SHEV jedoch das Vorliegen eines positiven Entscheids bzw. ein positives Resultat (§ 72 Abs. 3 Satz 1 SHEV in der Fassung vom 18. Februar 2014; Amtsblatt 2014,
S. 303). Anders als bei ausserkantonalen Unterstützungsanzeigen (vgl. § 27 SHEV
i.V.m. Art. 33 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24. Juni 1977 [Zuständigkeitsgesetz, ZUG, SR 851.1]) sind im innerkantonalen Verhältnis das verfahrensmässige Vorgehen und der Rechtsmittelweg in Bezug auf die Erteilung der Kostenübernahmegarantie nach IVSE nicht weiter geregelt. Namentlich schweigen sich Gesetz und Verordnung darüber aus, ob das kantonale Sozialamt die innerkantonale Zuständigkeit und die Zahlungspflicht der Kostenträger zu bestimmen hat, mithin ob diesem gegenüber den Sozialhilfebehörden Entscheidungskompetenz zukommt, ob die jeweilige Gemeinde wie vorliegend geschehen - darüber zu befinden hat.
Für Letzteres spricht, dass die Zusprechung von Leistungen der öffentlichen Sozialhilfe an zu unterstützende Personen nach Art. 8 Abs. 1 SHEG den Gemeinden obliegt und die IVSE anders als das Zuständigkeitsgesetz (vgl. Art. 33 Abs. 1 ZUG) im interkantonalen Verhältnis hierfür keine kantonale Entscheidinstanz vorschreibt. Entsprechend sieht etwa § 26 Abs. 2 SHEV vor, dass bei rückerstattungspflichtigen Massnahmen innerhalb des Kantons die fallführende Gemeinde entscheidet, wobei negative Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Gemeinden seit
dem 1. Juli 2018 ausdrücklich durch das zuständige Departement des Innern als Rekursinstanz zu entscheiden sind (Art. 34 Abs. 1bis SHEG und § 5 Abs. 2 SHEV
i.V.m. § 1 Abs. 1 lit. i der Verordnung über die Organisation der kantonalen Verwaltung vom 6. Mai 1986 [Organisationsverordnung, OrgV, SHR 172.101]). In Bezug auf die Erteilung der Kostenübernahmegarantie nach Art. 19 IVSE scheint das kantonale Sozialamt in der Vergangenheit sodann jeweils das Vorliegen einer Kostengutsprache des innerkantonalen Kostenträgers in aller Regel der zuständigen Sozialhilfebehörde vorausgesetzt zu haben (vgl. Bericht und Antrag des Regierungsrates an den Kantonsrat betreffend die Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und soziale Einrichtungen und des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Amtsdruckschrift 16-128,
S. 5) und somit ebenfalls davon ausgegangen zu sein, dass die innerkantonale Entscheidkompetenz (grundsätzlich) bei den Gemeinden liegt. Nichts anderes ergibt sich schliesslich auch aus den am 1. Juli 2018 in Kraft getretenen sozialhilferechtlichen Bestimmungen. So sieht § 2a SHEV bei unrechtmässiger Verzögerung Verweigerung von Leistungen durch die Gemeinde zwar eine Rückerstattung von vorerst durch den Kanton erbrachten Leistungen nach Art. 8 Abs. 4 SHEG, aber keine Kompetenz des Kantons, die Rückerstattung gegenüber den Gemeinden anzuordnen, vor (vgl. auch Bericht und Antrag des Regierungsrates,
S. 5 f.; ferner Bericht und Antrag der Spezialkommission 2017/1 betreffend Sozialhilfegesetz, Amtsdruckschrift 17-77, S. 1 f.). Somit kommt die Entscheidkompetenz zusammenfassend den Gemeinden zu.
Gemäss den allgemeinen Regeln über das Beschwerdeund Rekursverfahren nach Art. 34 Abs. 1 SHEG entfällt die Möglichkeit eines Rekurses an den Regierungsrat, da unbestritten kein erstinstanzlicher Entscheid des Departements des Innern vorliegt (Art. 34 Abs. 2 SHEG). Demnach entscheidet das Departement über alle Rekurse und Beschwerden in Sozialhilfeangelegenheiten, die bereits von einer untergeordneten Behörde beurteilt worden sind, vorbehältlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Obergericht in letzter Instanz. Folglich wäre zunächst das Departement des Innern für die Behandlung des Rekurses gegen den angefochtenen Beschluss zuständig. Dies entspricht im Übrigen auch dem ebenfalls auf den 1. Juli 2018 in Kraft getretenen § 5 Abs. 2 SHEV, wonach das Departement des Innern insbesondere Rechtsmittelinstanz bei Streitigkeiten zwischen Sozialhilfebehörden und dem kantonalen Sozialamt ist.
Zu prüfen bleibt somit, ob vom gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittelweg an das Departement des Innern im vorliegenden Fall abzuweichen ist.
Das geltende Verwaltungsrechtspflegegesetz sieht keine Sprungbeschwerde ans Obergericht vor (vgl. demgegenüber Art. 17 aVRG [OS 22, S. 386 f.]; Arnold Marti, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Schaffhausen, Diss. Zürich 1986,
S. 100 ff.). Eine Beschwerde ans Obergericht als allgemeines Verwaltungsgericht setzt dementsprechend grundsätzlich einen letztinstanzlichen Entscheid einer kantonalen Verwaltungsbehörde voraus (Art. 44 Abs. 1 lit. a des Justizgesetzes vom
9. November 2009 [JG, SHR 173.200]). Erstinstanzliche Entscheide unterer Verwaltungsbehörden können nur dann direkt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, wenn dies in der Spezialgesetzgebung vorgesehen ist (vgl. Art. 44 Abs. 4 und 5 JG). Entsprechend kann die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit des Obergerichts auch nicht durch Einlassung begründet werden (vgl. Kaspar Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. A., Zürich/Basel/Genf 2014, § 5 N. 7, S. 78). Zwar macht das kantonale Sozialamt geltend, es liege ein letztinstanzlicher Entscheid vor und der Kanton Schaffhausen könne infolge unmittelbarer Betroffenheit direkt ans Obergericht gelangen. Zudem scheint es den vorliegenden Fall mit demjenigen einer aufsichtsrechtlichen Anweisung des Regierungsrats in OGE 60/2014/15 und 60/2015/1 zu vergleichen. Indes liegt hier keine derartige Anweisung vor. Von einer solchen ging offensichtlich auch das kantonale Sozialamt nicht aus, hatte es doch die Einwohnergemeinde X. im Namen das Kantons Schaffhausen am 11. Oktober 2018 ausdrücklich um Übernahme der Kosten der Fremdplatzierung bzw. (eventualiter) um den Erlass einer anfechtbaren Verfügung durch die Gemeinde ersucht. Folglich trat das kantonale Sozialamt bzw. der von diesem vertretene Kanton Schaffhausen gegenüber der Einwohnergemeinde X. als Gesuchsteller auf. Der Umstand, dass der Kanton Schaffhausen mit Vereinbarung vom 5. Februar 2018 gegenüber den Kantonen [ ] im interkantonalen Verhältnis die Kosten der Fremdplatzierung übernommen hat, ändert daran nichts. Soweit mit der geltend gemachten direkten Betroffenheit des Kantons Schaffhausen impliziert werden soll, der Kanton könne nicht gleichzeitig Gesuchsteller sein und über seinen eigenen Rekurs entscheiden, ist dies unbehelflich. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob das kantonale Sozialamt gegenüber einer Sozialhilfebehörde als verfügende Behörde als Gesuchsteller aufritt. In beiden Fällen ist der Kanton als Rechtsperson betroffen, und in beiden Fällen hat das Departement des Innern als unvoreingenommene Rechtsmittelinstanz zu walten.
1.3. Nach dem Gesagten war gegen den angefochtenen Beschluss zunächst Rekurs an das Departement des Innern zu erheben. Mangels Vorliegens eines letztinstanzlichen Entscheids einer kantonalen Verwaltungsbehörde nach Art. 44 Abs. 1 lit. a JG ist das Obergericht als Verwaltungsgericht für die Behandlung der Beschwerde gegen den Entscheid der Einwohnergemeinde X. funktionell nicht zuständig. Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Der Nichteintretensentscheid ist durch die Kammer zu treffen, da die Beschwerde nicht offensichtlich unzulässig war (Art. 53 Abs. 2 JG e contrario).
2. Dem Kanton Schaffhausen werden als unterliegende Partei keine Verfahrenskosten auferlegt (Art. 48 Abs. 1 VRG i.V.m. Art. 92 JG). Obsiegenden Behörden wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen (Art. 48 Abs. 2 VRG). Von diesem Grundsatz kann nur in besonderen Fällen abgewichen werden. So kann nach der Praxis des Obergerichts etwa einer kleinen Gemeinde, die über keinen ständigen rechtskundigen Mitarbeiter verfügt und daher wegen der Schwierigkeit eines Falles die Hilfe eines aussenstehenden Rechtsvertreters beanspruchen muss, ausnahmsweise eine Prozessentschädigung zugesprochen werden (OGE 60/2002/4 vom 1. November 2002 E. 4, Amtsbericht 2002, S. 141; OGE vom21. Juni 1979 i.S. Baugesellschaft T., E. 5b in fine, Amtsbericht 1979, S. 100; vgl. ferner BGer 1C_44/2017 vom 19. Juli 2017 E. 4.3). Die Einwohnergemeinde X. macht geltend, sie verfüge über keinen gemeindeeigenen Rechtsdienst und sei auf rechtlichen Beistand angewiesen gewesen. Indes verfügt sie über eine Gemeindeund Erbschaftsschreiberin mit juristischem Hochschulabschluss [ ]. Angesichts dessen rechtfertigt es sich vorliegend nicht, ausnahmsweise vom Grundsatz nach Art. 48 Abs. 2 VRG abzuweichen. Folglich ist der Einwohnergemeinde X. keine Parteientschädigung zuzusprechen.
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