Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2018/38: Obergericht
In dem vorliegenden Fall vor dem Obergericht des Kantons Zürich ging es um die Feststellung der Nachzahlungspflicht von Gerichtskosten und Anwaltsgebühren, die einem Gesuchsteller auferlegt wurden. Der Gesuchsgegner hatte die unentgeltliche Rechtspflege beantragt, jedoch nicht auf Schreiben des Gesuchstellers reagiert. Letztendlich entschied das Gericht, dass der Gesuchsgegner zur Nachzahlung verpflichtet ist. Der Gesuchsgegner erhob Beschwerde, die als Berufung behandelt wurde, aber letztendlich abgewiesen wurde, da seine Einwendungen zu spät kamen. Die Gerichtskosten wurden dem Gesuchsgegner auferlegt, ohne Parteientschädigung. Der Betrag der Gerichtskosten beträgt CHF 1'500.-.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 60/2018/38 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 08.03.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Opferhilfeentschädigung; Verwirkungsfrist; Treu und Glauben - Art. 9 BV; Art. 8 ZGB; Art. 25 Abs. 2 und Art. 48 lit. a OHG; Art. 16 Abs. 3 aOHG. Beweislast und Beweismass bezüglich Zeitpunkt der Straftat (E. 2 und 3.4). Kommt die altrechtliche zweijährige Verwirkungsfrist zur Anwendung und wurde das Entschädigungsgesuch nach Ablauf der Verwirkungsfrist eingereicht, ist zu prüfen, ob das Gesuch nach Treu und Glauben rechtzeitig erfolgte (E. 4.1). Rechtzeitigkeit des Gesuchs verneint (E. 4.2.3, 4.3.3 und 4.4.3). |
Schlagwörter : | Opfer; Entschädigung; Gesuch; Opferhilfe; Sozialamt; Genugtuung; Übergriff; Verwirkung; Verwirkungsfrist; Fachstelle; Hilfe; Beweis; Gewaltbetroffene; Recht; Antrag; Übergriffe; Zeitpunkt; Opferhilfegesuch; Glauben; Taten; Ansprüche; Entschädigungsgesuch; Gesuchs; Polizei; Formular |
Rechtsnorm: | Art. 8 ZGB ;Art. 9 BV ;Art. 97 StGB ; |
Referenz BGE: | 126 II 348; 126 II 97; 129 II 409; 142 II 433; 144 II 406; 144 III 264; 144 V 418; |
Kommentar: | - |
Beweislast und Beweismass bezüglich Zeitpunkt der Straftat (E. 2 und 3.4).
Kommt die altrechtliche zweijährige Verwirkungsfrist zur Anwendung und wurde das Entschädigungsgesuch nach Ablauf der Verwirkungsfrist eingereicht, ist zu prüfen, ob das Gesuch nach Treu und Glauben rechtzeitig erfolgte (E. 4.1).
Rechtzeitigkeit des Gesuchs verneint (E. 4.2.3, 4.3.3 und 4.4.3).
OGE 60/2018/38 vom 8. März 2019 Keine Veröffentlichung im Amtsbericht
SachverhaltC. wurde als Kind mehrfach sexuell missbraucht und reichte als junge Erwachsene zwei Gesuche um Opferhilfe ein. Einige Jahre später stellte sie ein weiteres Opferhilfegesuch, worauf ihr das Sozialamt des Kantons Schaffhausen eine Genugtuung zusprach. Ein daraufhin eingereichtes Gesuch um Entschädigung wies das kantonale Sozialamt ab. Das Obergericht wies die von C. dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
Aus den Erwägungen 2. Das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten vom 23. März 2007 (Opferhilfegesetz, OHG, SR 312.5) trat am 1. Januar 2009 in Kraft. Gemäss Art. 48 lit. a OHG gilt für Ansprüche auf Entschädigung Genugtuung für Straftaten, die vor dessen Inkrafttreten verübt wurden, das altrechtliche Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten vom 4. Oktober 1991 (aOHG; AS 1992 2465). Für Ansprüche aus Straftaten, die weniger als zwei Jahre vor dem Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes verübt wurden, gelten indes die Fristen nach Art. 25 OHG. Danach kann das Opfer, welches im Tatzeitpunkt unter 16 Jahre alt war, bei Straftaten nach Art. 97 Abs. 2 StGB bis zum vollendeten 25. Lebensjahr ein Gesuch um Entschädigung und Genugtuung stellen. Unter altem Recht musste das Opfer die Gesuche um Entschädigung und Genugtuung innert zwei Jahren nach der Straftat einreichen, andernfalls es seine Ansprüche verwirkte (Art. 16 Abs. 3 aOHG). Die Beweislast für den Zeitpunkt der Straftat obliegt dabei dem um Entschädigung Genugtuung ersuchenden Opfer, da dieses daraus Rechte ableitet (Art. 8 ZGB; vgl. BGE 142 II 433 E. 3.2.6 S. 439 f. mit zahlreichen Hinweisen). Ist dem Opfer ein strikter Beweis nach der Natur der Sache nicht möglich nicht zumutbar, insbesondere weil der behauptete Zeitpunkt der Straftat vomOpfer nur mittelbar durch Indizien bewiesen werden kann (sog. Beweisnot), kommt das herabgesetzte Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zum Tragen (BGE 144 II 406 E. 3.1 S. 409 ff. mit zahlreichen Hinweisen). Danach gilt ein Beweis als erbracht, wenn für die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven Gesichtspunkten derart gewichtige Gründe sprechen, dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise nicht massgeblich in Betracht fallen. Eine Beweisnot liegt aber nicht schon darin begründet, dass eine Tatsache, die ihrer Natur nach ohne Weiteres dem unmittelbaren Beweis zugänglich wäre, nicht bewiesen werden kann, weil der beweisbelasteten Partei die Beweismittel fehlen. Blosse Beweisschwierigkeiten im konkreten Einzelfall können nicht zu einer Beweiserleichterung führen (BGE 144 III 264 E. 5.2 f. S. 269 f.).
3.1. Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin als unter Sechzehnjährige Opfer von sexuellen Übergriffen und somit von Katalogtaten nach Art. 97 Abs. 2 StGB wurde. Strittig ist, wann der letzte Übergriff stattfand und ob in der Folge die altrechtliche zweijährige Verwirkungsfrist nach Art. 16 Abs. 3 aOHG die Verwirkungsfrist nach Art. 25 Abs. 2 OHG zur Anwendung gelangt.Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Übergriffe hätten bis ins Jahr 2007 angedauert, weshalb die für sie günstigere Verwirkungsfrist nach Art. 25 Abs. 2 OHG zur Anwendung gelange. [ ]
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Im Folgenden ist zu prüfen, ob der letzte Übergriff [ ], wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, im Jahr 2007 erfolgte. [ ]
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Nach dem Gesagten erscheint es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der letzte Übergriff, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, im Jahr 2007 stattfand. Es ist vielmehr selbst im Lichte des Beweismasses der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der letzte Übergriff spätestens im Jahr 2006 ereignete, weshalb die zweijährige Verwirkungsfrist nach Art. 16 Abs. 3 aOHG anwendbar und spätestens Ende 2008 abgelaufen ist. Das Entschädigungsgesuch der Beschwerdeführerin erfolgte unbestritten zu einem späteren Zeitpunkt.
Strittig ist indes, ob die Beschwerdeführerin das Gesuch um Entschädigung nach Treu und Glauben rechtzeitig eingereicht hat.
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann die zweijährige Verwirkungsfrist nach Art. 16 Abs. 3 aOHG einem Entschädigungsgesuch nur entgegengehalten werden, wenn das Opfer über die Mittel zur wirksamen Wahrnehmung
seiner Rechte verfügt hat. Entscheidend ist insoweit die Pflicht der Polizei, das Opfer bei der ersten Einvernahme über die Beratungsstellen zu informieren, welche ihrerseits über die Hilfe an Opfer orientieren und Letztere bei ihren rechtlichen Schritten unterstützen. Diese behördliche Informationspflicht stellt das Korrelat zur Strenge der altrechtlichen Verwirkungsfrist dar. Die Verwirkungsfrist kann deshalb einem Opfer grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, wenn die Behörden ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sind. Wurde das Opfer erst nach Ablauf der Verwirkungsfrist hinreichend informiert, ist es gehalten, ohne weitere Verzögerung ein Gesuch um Entschädigung zu stellen, nachdem es die gesetzlich vorgesehene Information erhalten hat. Sodann müssen die Behörden in Würdigung der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben prüfen, ob das Opfer alle geeigneten und ihm zumutbaren Vorkehren zur Wahrung seiner Rechte getroffen hat. Bejahendenfalls ist der Eintritt der Verwirkung ausnahmsweise zu verneinen. Das Opfer kann sich indes dann nicht auf seine Schuldlosigkeit berufen, wenn es von dritter Seite Kenntnis von der Möglichkeit erlangt hat, opferhilferechtliche Ansprüche zu stellen (vgl. BGE 129 II 409 E. 2 f. S. 410 ff.; BGer 1C_99/2015 vom 18. November 2015 E. 3.1
und 1C_338/2014 vom 10. Dezember 2014 E. 3.2, jeweils mit weiteren Hinweisen; ferner Aemisegger/Schoder, Opferhilfe in der Gerichtspraxis, insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, ZBl 2008 582). Schliesslich können an die Substantiierung eines Gesuchs um Entschädigung keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Namentlich kann es genügen, zur Fristwahrung ein unbeziffertes Entschädigungsbegehren einzureichen (vgl. BGE 126 II 97 E. 2.c S. 100 f.; ferner BGer 1C_216/2016 vom 5. Dezember 2016 E. 2.1.2).
Zu prüfen ist zunächst, wann die Beschwerdeführerin ein Gesuch um Entschädigung eingereicht hat und ob ihr eine frühere Gesuchseinreichung möglich und zumutbar gewesen wäre.
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4.2.3. Gesuche bzw. Rechtsbegehren sind nach Treu und Glauben und namentlich im Lichte der dazu gegebenen Begründung auszulegen (vgl. in BGE 144 V 418 nicht publ. E. 1.2.2 von BGer 8C_62/2018 vom 19. September 2018).Vorliegend unterzeichnete die Beschwerdeführerin am 15. Dezember 2011 das teilweise von ihr selber ausgefüllte Formular OHG, Opferhilfe, Gesuch um Entschädigung/Vorschuss. Indes enthält das Formular weder Angaben zum Tathergang, noch zum Schaden. Auch wurde nicht angekreuzt, ob in einem Strafoder Zivilverfahren Ansprüche gegen den Täter gestellt worden waren. Zum Tathergang verweist das Formular auf einen Bericht, wobei dieser Verweis der Schrift nach nicht von der Beschwerdeführerin selber angebracht worden war. Das Formular
wurde denn auch zusammen mit anderen Unterlagen als Beilage zum Kurzbericht zum Gesuch um längerfristige Hilfe für anwaltliche Beratung/Therapie und Genugtuung für [ ] der Fachstelle für Gewaltbetroffene vom 10. Januar 2012 beim Sozialamt eingereicht. Dies ergibt sich einerseits aus dem Umstand, wonach nur der Kurzbericht mit einem Eingangsstempel des Sozialamts versehen ist. Andererseits wurde beim Sozialamt auch ein an die Fachstelle für Gewaltbetroffene gerichteter Therapiebericht der Fachpsychologin vom 3. Januar 2011 (recte: 3. Januar 2012), welcher bei der Fachstelle für Gewaltbetroffene am 6. Januar 2012 eingegangen war, beim Sozialamt eingereicht. Dieser Therapiebericht konnte im Dezember 2011 noch nicht vorgelegen haben. Sodann waren die einzelnen Anträge im besagten Kurzbericht selbst formuliert, welcher folglich das eigentliche Opferhilfegesuch darstellte und wie sich bereits aus dem Titel Kurzbericht zum Gesuch um längerfristige Hilfe für anwaltliche Beratung/Therapie und Genugtuung für [ ] ergibt - nur Anträge auf längerfristige Hilfe (vgl. Art. 3 Abs. 4 aOHG) und Genugtuung (Art. 11 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 aOHG) umfasste. Demgegenüber beinhaltete das Opferhilfegesuch keinen Antrag auf Entschädigung, auch nicht einen vorsorglichen, unbezifferten. In der Folge erliess das Sozialamt nach einem entsprechenden Vorbescheid denn auch nur eine Verfügung bezüglich längerfristige Hilfe Dritter und Genugtuung, wobei es den Antrag auf Genugtuung sistierte. Einwände, wonach das Sozialamt auch einen Antrag auf Entschädigung hätte prüfen bzw. sistieren müssen, wurden von der Beschwerdeführerin bzw. von der für sie handelnden Fachstelle für Gewaltbetroffene keine vorgebracht. Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen in diesem Zusammenhang geltend macht, sie sei damals nicht vertreten gewesen, ist dies offensichtlich unzutreffend. So war es denn auch die Fachstelle für Gewaltbetroffene, welche am
29. November 2012 erneut ein Opferhilfegesuch einreichte. Entgegen dem von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Sozialamt noch vertretenen Standpunkt, ein Gesuch um Entschädigung sei erstmals am 29. November 2012 eingereicht worden, beschränkte sich das Gesuch vom November 2012 auf längerfristige Hilfe Dritter. So lautete der konkrete Antrag auf die Übernahme der Kosten für die Weiterführung der Psychotherapie für das Jahr 2013. Unerheblich ist dabei, dass der Antrag mit längerfristige Hilfe und Entschädigung betitelt war, zumal auch das teilweise von der Beschwerdeführerin ausgefüllte und unterzeichnete Opferhilfegesuchsformular, welches dem Schreiben der Fachstelle für Gewaltbetroffene beilag, als Schaden ausschliesslich die Kosten für die Psychotherapie auswies. Die Angaben zu den Schadenspositionen im Formular stammten indes nicht von der Beschwerdeführerin, sondern wiederum von der Fachstelle für Gewaltbetroffene. Dementsprechend bewilligte das Sozialamt in der Folge nur eine
Kostengutsprache für längerfristige Hilfe Dritter und sistierte den Antrag auf Genugtuung bis 31. Dezember 2013. Einwände, wonach das Sozialamt auch einen Antrag auf Entschädigung hätte prüfen sollen, wurden erneut keine erhoben.
Nach dem Gesagten handelte die Beschwerdeführerin in Bezug auf die beiden Opferhilfegesuche vom Januar und November 2012 somit durch die Fachstelle für Gewaltbetroffene, welche auch die jeweiligen Anträge auf längerfristige Hilfe Dritter und Genugtuung formulierte. Die durch die Beschwerdeführerin unterzeichneten Gesuchsformulare dienten der Fachstelle für Gewaltbetroffene zur Geltendmachung dieser Anträge gegenüber dem Sozialamt (vgl. auch Schaffhauser Richtlinien für die Opferhilfe, gültig ab 1. März 2016, Ziff. A.3). Die Beschwerdeführerin bzw. die für sie handelnde Fachstelle für Gewaltbetroffene mussten sich daher bewusst gewesen sein, dass noch kein Antrag auf Entschädigung gestellt worden war. Hätten die Beschwerdeführerin bzw. die Fachstelle für Gewaltbetroffene ein Gesuch um Entschädigung stellen wollen, hätten sie dies ausdrücklich tun nach Treu und Glauben jeweils im Rahmen des rechtlichen Gehörs entsprechende Einwände erheben müssen (vgl. auch Empfehlung der Schweizerischen Verbindungsstellen-Konferenz Opferhilfegesetz [SVK-OHG] zur Anwendung des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten [OHG] vom 21. Januar 2010, Ziff. 4.3.1). Das Sozialamt durfte sich folglich darauf beschränken, die konkreten Anträge auf längerfristige Hilfe Dritter und Genugtuung zu behandeln. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, das Sozialamt habe lediglich das Genugtuungsgesuch sistiert und das Gesuch um Entschädigung gar nicht behandelt, ist daher unbehelflich. Mangels Gesuchs um Entschädigung war das Sozialamt denn auch nicht gehalten, die Beschwerdeführerin zur weiteren Substantiierung von Schadenspositionen aufzufordern (vgl. BGer 1C_216/2016 vom 5. Dezember 2016
E. 2.1.2 mit Hinweisen).
Im Ergebnis stellte die Beschwerdeführerin somit erst am 26. Oktober 2017 ein erstes Gesuch um Entschädigung. Die Konsultation der Opferhilfe fand indes bereits Anfang März 2011 statt ( ). Sowohl die durch die Übergriffe erlittenen massgeblichen Verletzungen ihrer körperlichen, sexuellen und psychischen Integrität wie auch die Möglichkeit der Beantragung einer Entschädigung nach OHG mussten der Beschwerdeführerin somit bereits im Frühling 2011 bekannt gewesen sein. Zudem erachtete die behandelnde Psychologin sie schon damals als in der freien Wirtschaft nicht einsetzbar (vgl. zum Ganzen BGE 126 II 348 E. 5.c f. S. 355 f.). Es wäre der Beschwerdeführerin somit möglich gewesen, im Frühling spätestens im Sommer 2011 ein vorsorgliches, unbeziffertes Gesuch um Entschädigung verbunden mit einem Sistierungsantrag einzureichen bzw. über die Opferhilfe einrei-
chen zu lassen (vgl. BGE 126 II 97 E. 2.c S. 100 f.). Die Einreichung des Entschädigungsgesuchs erfolgte damit nicht unverzüglich im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und war somit verspätet.
Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, sie und die Opferhilfe hätten aufgrund der Akten der Polizei und der Sozialhilfe, welche von Übergriffen bis Mitte 2007 gesprochen hätten, davon ausgehen können und dürfen, dass für sie die längere Verwirkungsfrist gelte. [ ]
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Die Beschwerdeführerin wurde am 4. März 2011 von der Opferhilfe dahingehend informiert, dass die Frist für die Einreichung eines Antrags auf Entschädigung und/oder Genugtuung bis am 10. Juli 2012 laufe. Aus dem Schreiben der Fachstelle für Gewaltbetroffene wird indes ersichtlich, dass die Fachstelle zu Gunsten der Beschwerdeführerin eine Verwirkungsfrist bis Sommer 2012 annahm, da die Beschwerdeführerin das Ende der Übergriffe auf das Jahr 2006 2007 geschätzt habe. Der Zeitpunkt des letzten Übergriffs war folglich unklar. Unter diesen Umständen mussten sich die Beschwerdeführerin und die Opferhilfe bewusst gewesen sein, dass die altrechtliche Verwirkungsfrist bereits abgelaufen gewesen sein konnte. Sie durften daher nicht darauf vertrauen, dass die Verwirkungsfrist noch nicht verstrichen war. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin im Strafverfahren [ ] in der Folge nicht aussagte, der letzte Übergriff habe im Jahr 2007, als sie [ ] Jahre alt gewesen sei, stattgefunden ( ). Entsprechende Aussagen fanden sich lediglich in den Darstellungen der Fachstelle für Gewaltbetroffene, und zwar ungeachtet dessen, dass bereits die Schaffhauser Polizei und die Stadtpolizei Zürich nach Befragungen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter übereinstimmend von Übergriffen bis ins Jahr 2006 ausgegangen waren ( ). Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin war in den Polizeiakten nie die Rede davon, dass der letzte Übergriff im Jahr 2007 stattfand ( ). Diese Akten waren der Beschwerdeführerin bzw. der Opferhilfe bekannt, reichten sie doch relevante Dokumente daraus zusammen mit den Opferhilfegesuchen von Januar und November 2012 ein. Soweit die Beschwerdeführerin daher geltend macht, das Sozialamt habe in seiner Verfügung vom 14. Januar 2013 ebenfalls das Jahr 2007 als Zeitpunkt des letzten Übergriffs betrachtet und sei darauf zu behaften, kann sie nicht gehört werden, da diese Angabe letztlich von ihr selber bzw. von der für sie handelnden Opferhilfe stammte. In Anbetracht dessen bestand für die Annahme eines letzten Übergriffs im Jahr 2007 keine Vertrauensgrundlage. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass das Sozialamt bereits in der Verfügung vom 8. März 2012 ausführte, die Beschwerdeführerin sei gemäss Opferhilfe-
gesuch und Polizeiakten bis Juli 2007 Opfer von Übergriffen geworden. Am Ergebnis vermag dies nach dem Gesagten freilich nichts zu ändern. Somit kann sich die Beschwerdeführerin zusammenfassend mangels Vertrauensgrundlage im Ergebnis nicht auf Vertrauensschutz berufen (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. A., Bern 2014, § 22 N. 11, S. 175). Sie hätte vielmehr angesichts der bereits zum damaligen Zeitpunkt gefestigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung unverzüglich nach der Konsultation der Opferhilfe im März 2011 beim Sozialamt ein Gesuch um Entschädigung einreichen müssen.
Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, das Sozialamt habe ihr am 18. Januar 2018 in extensiver Gesetzesauslegung eine Genugtuung zugesprochen. Für die geltend gemachte Entschädigungszahlung würden die exakt gleichen Überlegungen zum Tragen kommen und das Sozialamt sei darauf zu behaften. [ ]
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Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden (Art. 9 BV). Behörden unterliegen dementsprechend dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Demnach darf ein und dieselbe Behörde von einem Standpunkt, den sie gegenüber einem bestimmten Bürger verbindlich eingenommen hat, nicht ohne sachlichen Grund abweichen (Tschannen/Zimmerli/Müller, § 22 N. 22, S. 180). Vorliegend sprach das Sozialamt der Beschwerdeführerin am 8. Januar 2018 für die Übergriffe [ ] bis Juli 2001 (recte: bis Ende 2000; vgl. oben E. 3.3) eine Genugtuung zu. Es führte aus, es sei der Beschwerdeführerin angesichts des damals noch jungen Alters nicht zumutbar gewesen, ihre Ansprüche innerhalb der altrechtlichen Verwirkungsfrist von zwei Jahren geltend zu machen, weshalb ihr die Verwirkung nicht entgegengehalten werden könne. Allerdings bezog sich das Sozialamt auf das Opferhilfegesuch vom Januar 2012, welches wie erwähnt einen Antrag auf Genugtuung enthielt (oben E. 4.2.3). Wie das Sozialamt zutreffend ausführte, unterscheidet sich der Entschädigungsanspruch, welcher erstmals im Oktober 2017 in Bezug auf die Übergriffe [ ] beantragt wurde (vgl. oben E. 4.2.3), wesentlich von der mit Verfügung vom 8. Januar 2018 zugesprochenen Genugtuung. Es wäre der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar gewesen, im Januar 2012 ebenfalls ein vorsorgliches, unbeziffertes Gesuch um Entschädigung einzureichen (vgl. auch oben
E. 4.2.3). Dies wird von ihr denn auch nicht bestritten, führt sie doch selbst aus, sie habe ein Entschädigungsgesuch im November 2011 (recte: wohl Dezember 2011) und somit zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingereicht. Tatsächlich aber reichte sie ein erstes Gesuch um Entschädigung erst im Oktober 2017 und somit über fünfeinhalb Jahre später als ihr Gesuch um Genugtuung ein. Damit wäre das Entschädi-
gungsgesuch selbst nach der extensiven Auslegung des Sozialamts in der Verfügung vom 8. Januar 2018 (die vorliegend nicht näher zu prüfen ist) offensichtlich verspätet. Ein widersprüchliches Verhalten auf Seiten des Sozialamts eine krasse Ungleichbehandlung verschiedener Opfer liegt entgegen den Darstellungen der Beschwerdeführerin nicht vor.
4.5. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet und ist abzuweisen. Auf die übrigen Vorbringen der Beschwerdeführerin braucht daher nicht eingegangen zu werden.Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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