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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2017/48: Obergericht

Die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Anwalt, hat gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 25. März 2019 Beschwerde eingereicht. Der Fall dreht sich um Vorwürfe zwischen einer Polizeibeamtin und einer Autofahrerin, die zu einer Strafanzeige wegen Ehrverletzung führten. Die Staatsanwaltschaft entschied jedoch, keine Untersuchung einzuleiten. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass sie zu Unrecht angegriffen wurde, während die Gegenseite berufliche Kritik äusserte. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde ab und legte die Gerichtskosten von CHF 900.- der Beschwerdeführerin auf, ohne Entschädigung für die Gegenseite.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 60/2017/48

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 60/2017/48
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 60/2017/48 vom 21.05.2019 (SH)
Datum:21.05.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Sozialhilfe; stabiles Konkubinat; Leistungskürzung; Auswirkung auf andere Familienmitglieder - Art. 12 BV; Art. 276 Abs. 2 ZGB; Art. 23 SHEG. Stabile Konkubinatspaare sind nicht besser zu stellen als ein unterstütztes Ehe-paar. Diese Betrachtungsweise basiert auf der tatsächlich gelebten Solidarität in einem gefestigten Konkubinat (E. 4.4). Liegt eine Notlage aufgrund eines zumutbaren Taglohnprogramms bloss in reduzierter Form vor, ist die wirtschaftliche Hilfe für die gesamte Unterstützungseinheit zu reduzieren (E. 4.5). Die Pflicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen besteht unabhängig von der Frage des Sorgerechts (E. 4.7).
Schlagwörter : Unterstützung; Sozialhilfe; Konkubinat; Unterstützungseinheit; Taglohnprogramm; Notlage; Leistung; Stiftung; Kinder; Ehepaar; Hilfe; Teilnahme; Programm; Person; Einkommen; Familie; Unterhalt; Betrachtungsweise; Solidarität; Taglohnprogramms; Haushalt; Sozialhilfekommission; Weigerung; Auflage; Beschäftigungs; Grundbedarf
Rechtsnorm:Art. 12 BV ;Art. 276 ZGB ;
Referenz BGE:130 I 71; 139 I 218; 141 I 153; 142 I 1;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 60/2017/48

Sozialhilfe; stabiles Konkubinat; Leistungskürzung; Auswirkung auf andere Familienmitglieder - Art. 12 BV; Art. 276 Abs. 2 ZGB; Art. 23 SHEG.

Stabile Konkubinatspaare sind nicht besser zu stellen als ein unterstütztes Ehepaar. Diese Betrachtungsweise basiert auf der tatsächlich gelebten Solidarität in einem gefestigten Konkubinat (E. 4.4).

Liegt eine Notlage aufgrund eines zumutbaren Taglohnprogramms bloss in reduzierter Form vor, ist die wirtschaftliche Hilfe für die gesamte Unterstützungseinheit zu reduzieren (E. 4.5).

Die Pflicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen besteht unabhängig von der Frage des Sorgerechts (E. 4.7).

OGE 60/2017/48 vom 21. Mai 2019

Keine Veröffentlichung im Amtsbericht

Sachverhalt

X. lebt in einem Haushalt mit seiner Lebenspartnerin Y. sowie den drei gemeinsamen Kindern und bezieht Sozialhilfe. Im Herbst 2017 wies die Sozialhilfekommission X. dem Taglohnprogramm der Stiftung Z. zu. Die Teilnahme an diesem Programm ermögliche ihm, Fr. aaa pro Monat zu verdienen. Derselbe Betrag werde ihm von der monatlichen Unterstützung abgezogen. Den dagegen erhobenen Rekurs von X. wies das Departement des Inneren ab. Die von X. und Y. hierauf erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Obergericht ab.

Aus den Erwägungen
    1. [ ] Streitig und zu prüfen ist [ ], ob die Anrechnung der Verdienstmöglichkeit aus dem Taglohnprogramm im Umfang von Fr. aaa bei Weigerung der Teilnahme des X. rechtlich zulässig ist.

    2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann die Ausrichtung von Sozialhilfe mit der Auflage zur Teilnahme an Beschäftigungsund Integrationsmassnahmen verbunden werden, wobei eine solche Massnahme bzw. ein solches Programm grundsätzlich als zumutbar anzusehen ist. Bei der Auflage des Gemeinwesens, eine zumutbare Arbeit anzunehmen, handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung für die Erbringung der staatlichen Leistung. Weigert sich die bedürftige Person, an entlöhnten Beschäftigungsund Integrationsmassnahmen teilzunehmen, dürfen die finanziellen Unterstützungsleistungen reduziert ein-

      gestellt werden, da im Umfang des ausgeschlagenen Lohns nicht von einer anspruchsbegründenden Notlage ausgegangen werden kann. Eine Person, die eine konkret zur Verfügung stehende Erwerbsmöglichkeit ausschlägt, steht nicht in jener spezifischen Notlage, auf die Art. 12 BV zugeschnitten ist, soweit sie objektiv in der Lage wäre, sich die lebensnotwendigen Mittel aus eigener Kraft zu verschaffen (BGE 142 I 1 E. 7.2.2 S. 6; BGE 139 I 218 E. 3.5 und 5.3 S. 222 und

      227 ff.).

    3. Der Beschwerdeführer X. ist im hier massgebenden Zeitraum unstrittig zu insgesamt drei für ihn vereinbarten Vorstellungsgesprächen bei der Stiftung Z. unentschuldigt nicht erschienen und hat auch auf entsprechende Nachfragen nicht geantwortet. Nach dem ersten verpassten Termin wurde er mit Weisung [ ] über mögliche Folgen einer Nichtteilnahme am Programm in Kenntnis gesetzt. Mit Beschluss [ ] kürzte die Sozialhilfekommission X. den Grundbedarf [ ] bis zur Teilnahme am Programm der Stiftung Z. um 20%. Nachdem X. auch einem Beratungsgespräch beim RAV [ ] unentschuldigt ferngeblieben war, wies ihn die Sozialhilfekommission [ ] dem Taglohnprogramm der Stiftung Z. zu. Auch hatte der Sozialdienst mehrfach mit X. das Gespräch gesucht, womit der Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt wurde. Seine grundsätzliche Weigerung, am Beschäftigungsprogramm teilzunehmen, begründete er lediglich pauschal bzw. unter Verweis auf ein angeblich schikanöses Verhalten des Sozialdienstes. Damit erfüllt er mangels einer Notlage die Voraussetzungen von Art. 23 des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und öffentliche Einrichtungen vom 28. Oktober 2013 (SHEG, SHR 850.100) nicht, was aufgrund der Verletzung des Subsidiaritätsprinzips die Reduktion des Grundbedarfs rechtfertigt (vgl. Schaffhauser Richtlinien, B. 5.3; BGE 130 I 71 E. 6 S. 81). Folgerichtig anerkennen die Beschwerdeführer sowohl die Zuweisung zum Tagelohnprogramm an sich als auch eine Reduktion des Grundbedarfs bei Nichtbefolgung dieser Auflage ( ). Streitig - und nachfolgend zu prüfen bleibt somit einzig, ob die Höhe des angedrohten Abzugs verhältnismässig ist, ob er die übrigen Familienmitglieder in unzulässiger Weise beeinträchtigt.

    4. Die in einer familienähnlichen Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft zusammenlebenden Personen dürfen in der Regel nicht als Unterstützungseinheit erfasst werden. Eine Ausnahme besteht bei stabilen Konkubinatspaaren. Diese sind materiell nicht besser zu stellen als ein unterstütztes Ehepaar ein unterstütztes eingetragenes Paar. Von einem stabilen Konkubinat ist namentlich dann auszugehen, wenn dieses mindestens zwei Jahre andauert die Partner mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Schaffhauser Richtlinien, F.5.1). Die Berücksichtigung des Einkommens des Partners in einem stabilen Konkubinat

      heisst nicht, dass dieses einer Ehe gleichgestellt wird. Hingegen ist es im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, welche bei Personengemeinschaften in der Sozialhilfe angewendet wird, unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit geboten, die Eigenmittel des gefestigten Konkubinatspartners zu berücksichtigen. Andernfalls würde der Gedanke der Solidarität und des gemeinsamen Wirtschaftens in den beiden Gemeinschaften ohne hinreichenden Grund ungleich behandelt. Diese Betrachtungsweise basiert auf der tatsächlich gelebten Solidarität in einem gefestigten Konkubinat (BGE 141 I 153 E. 4.3 S. 157 und E. 5.2 S. 157 f. mit Hinweisen).

    5. Die Beschwerdeführer und ihre drei gemeinsamen Kinder leben unbestrittenermassen seit mehreren Jahren in einem gemeinsamen Haushalt. Somit besteht ein stabiles Konkubinat (vgl. BGE 141 I 153 E. 6.2.1 S. 158 f.). Sie dürfen folglich als Unterstützungseinheit betrachtet werden, womit sich die Erstellung eines einzigen Budgets rechtfertigt (vgl. auch BGer 8C_698/2017 vom 13. April 2018 E. 5.2), zumal sie andernfalls besser gestellt würden als ein unterstütztes Ehepaar ein unterstütztes eingetragenes Paar. Im Falle einer Unterstützungseinheit, bei welcher bloss ein Fallkonto geführt und ein Unterstützungsbudget erstellt wird, erfolgt die Auszahlung der wirtschaftlichen Hilfe nicht an die einzelnen Mitglieder der Unterstützungseinheit, sondern für diese gesamthaft. Das Verhalten eines Mitglieds der Unterstützungseinheit hat demnach zwangsläufig Auswirkungen auf die gesamte Unterstützungseinheit. Erzielt ein Elternteil beispielsweise ein Arbeitseinkommen, verringert dies die Höhe der auszurichtenden wirtschaftlichen Hilfe. Ergibt sich vorliegend, dass eine Notlage aufgrund eines zumutbaren Taglohnprogramms bloss in reduzierter Form vorliegt, muss die wirtschaftliche Hilfe für die gesamte Unterstützungseinheit reduziert werden (vgl. zum Ganzen auch: VGer ZH VB.2007.00465 vom 7. Februar 2008 E. 4.3).

    6. Durch seine Weigerung, am Taglohnprogramm der Stiftung Z. teilzunehmen, befindet sich X. insoweit nicht in der zur Ausrichtung der Sozialhilfe geforderten anspruchsbegründenden Notlage, da er damit auf ein erzielbares Einkommen verzichtet (vgl. vorangehende E. 4.2). Ein solcher Verzicht besteht vorliegend im Umfang eines erzielbaren Einkommens von Fr. aaa pro Monat. Dieses ist zu berücksichtigen. Für die in einem stabilen Konkubinat lebenden Beschwerdeführer kann wie dargetan nichts anderes gelten als für ein Ehepaar ein eingetragenes Paar - nämlich die Behandlung als Unterstützungseinheit und eine entsprechende Anrechnung des im Rahmen des Taglohnprogramms erzielbaren Einkommens für die gesamte Unterstützungseinheit. Daran vermag auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin Y. nichts zu ändern, dass weder sie noch die

      gemeinsamen Kinder etwas mit den Taten des Beschwerdeführers X. zu tun hätten. Im Übrigen würde der Zweck der Leistungskürzung, den Beschwerdeführer X. zu einer ihm zumutbaren Minderung der Bedürftigkeit anzuhalten, unterlaufen, wenn die Sozialhilfe weiterhin an seine im gleichen Haushalt lebende Familie ausgerichtet würde und er diesfalls wiederum von den Leistungen (mit)profitieren könnte (vgl. in diesem Sinn auch VGer BE 200 16 361 SH vom 22. September 2016 E. 4.4).

    7. Schliesslich kann der Beschwerdeführer X. auch aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin Y. gemäss ihrer Darstellung das alleinige Sorgerecht an den gemeinsamen Kindern hat, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Pflicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen besteht unabhängig von der Frage des Sorgerechts (vgl. BGer 5A_609/2016 vom 13. Februar 2017 E. 4.1). Gemäss Art. 276 Abs. 2 ZGB sorgen die Eltern gemeinsam, ein jeder Elternteil nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Kinder. Die Unterhaltspflicht des Vaters geht der Sozialhilfe vor. Dies entspricht dem Grundsatz der Subsidiarität. Der Beschwerdeführer X. hat wie das Departement zu Recht festhält - die Verantwortung für seine Familie wahrzunehmen und muss das ihm Mögliche und Zumutbare dazu beitragen, um auch deren Bedürftigkeit zu verhindern.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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