Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2017/28: Obergericht
In dem Fall vor dem Obergericht des Kantons Zürich II. Strafkammer ging es um Brandstiftung, bei der der Beschuldigte verurteilt wurde, der Gebäudeversicherung des Kantons Zürich Schadenersatz in Höhe von Fr. 196'908.- zu zahlen. Die Privatkläger zogen ihre Zivilklagen zurück, und der Beschuldigte wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollzug aufgeschoben wurde. Die Gerichtskosten wurden dem Beschuldigten auferlegt, und sein Anwalt erhielt eine Entschädigung von Fr. 10'600.-. Das Urteil wurde im Berufungsverfahren teilweise abgeändert, und der Beschuldigte wurde dem Grundsatze nach zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wurden auf die Gerichtskasse genommen.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 60/2017/28 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 19.12.2017 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ausländerrechtliche Eingrenzung auf einen Teil des Schaffhauser Stadt-gebiets; Verhältnismässigkeit - Art. 10 Abs. 2 und Art. 36 BV; Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG. Die Eingrenzung schränkt die Bewegungsfreiheit ein; sie muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (E. 2). Die Grundvoraussetzung für die Eingrenzung, das Fehlen einer Aufenthaltsbewilligung, ist mit dem Ausweisungsentscheid erfüllt, ungeachtet dessen, ob die Ausweisung vollzogen werden kann (E. 3.3). Das öffentliche Interesse besteht im Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dabei ist von einem weiten Begriff des Polizeigüterschutzes auszugehen. Die für die Eingrenzung erforderliche Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht auf Begehung strafbarer Handlungen oder Kontakte zu extremistischen Kreisen bestehen (E. 3.4.1 und 3.5). Das Prinzip der Verhältnismässigkeit ist insbesondere bei der Festlegung des Rayons und der Dauer der Massnahme zu berücksichtigen. Die Eingrenzung darf keinen pönalen Charakter annehmen; sie ist entsprechend zeitlich zu begrenzen (E. 4, 4.2.4-4.2.6). |
Schlagwörter : | Eingrenzung; Massnahme; Sicherheit; Ausländer; Interesse; Schutz; Stadt; Recht; Verhältnismässigkeit; Aufenthaltsbewilligung; Ausweisung; Beschwerdeführers; Behörde; Rayon; Massnahmen; Bewegungsfreiheit; Gefährdung; Kontakte; Zünd; Ausländerrecht; Bezug; Organisation; Kälin |
Rechtsnorm: | Art. 10 BV ;Art. 36 BV ; |
Referenz BGE: | 142 II 1; |
Kommentar: | - |
Die Eingrenzung schränkt die Bewegungsfreiheit ein; sie muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (E. 2).
Die Grundvoraussetzung für die Eingrenzung, das Fehlen einer Aufenthaltsbewilligung, ist mit dem Ausweisungsentscheid erfüllt, ungeachtet dessen, ob die Ausweisung vollzogen werden kann (E. 3.3).
Das öffentliche Interesse besteht im Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dabei ist von einem weiten Begriff des Polizeigüterschutzes auszugehen. Die für die Eingrenzung erforderliche Störung Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht auf Begehung strafbarer Handlungen Kontakte zu extremistischen Kreisen bestehen (E. 3.4.1 und 3.5).
Das Prinzip der Verhältnismässigkeit ist insbesondere bei der Festlegung des Rayons und der Dauer der Massnahme zu berücksichtigen. Die Eingrenzung darf keinen pönalen Charakter annehmen; sie ist entsprechend zeitlich zu begrenzen (E. 4, 4.2.4-4.2.6).
OGE 60/2017/28 vom 19. Dezember 2017 Veröffentlichung im Amtsbericht
SachverhaltX., irakischer Staatsangehöriger, reiste 2012 in die Schweiz ein und erhielt als Flüchtling Asyl. Die Flüchtlingseigenschaft und das Asyl wurden als Folge einer strafrechtlichen Verurteilung widerrufen, doch erwies sich der Vollzug der Ausweisung in den Irak als derzeit unzulässig und wurde aufgeschoben. Nach Entlassung aus der Sicherheitshaft ordnete das Migrationsamt des Kantons Schaffhausen eine unbefristete Eingrenzung auf drei Quartiere der Stadt Schaffhausen an. Dagegen erhob X. ohne Erfolg Beschwerde an das Kantonsgericht. Eine gegen dessen Verfügung erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Obergericht teilweise gut; es befristete die Eingrenzung vorerst auf den 7. Mai 2018.
Aus den ErwägungenDie Eingrenzung des Beschwerdeführers auf einen Teil des Schaffhauser Stadtgebiets schränkt dessen Bewegungsfreiheit ein (Art. 10 Abs. 2 BV). Im Folgenden gilt es zu prüfen, ob die Voraussetzungen gemäss Art. 36 BV erfüllt sind:
Grundrechtseinschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (Abs. 1), müssen durch ein öffentliches Interesse durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt (Abs. 2) und verhältnismässig sein (Abs. 3). Eine Kerngehaltsverletzung (Abs. 4) liegt nicht vor und wird auch nicht gerügt (vgl. dazu indes OGE 60/2017/40 E. 3.1).
Die zuständige kantonale Behörde kann einer Person die Auflage machen, ein ihr zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten, wenn sie u.a. keine Aufenthaltsbewilligung besitzt und die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört gefährdet (Art. 74 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 [Ausländergesetz, AuG, SR 142.20]).
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Die Grundvoraussetzung für die Anordnung einer Eingrenzung, das Fehlen einer Aufenthaltsbewilligung, ist erfüllt. Der Beschwerdeführer wurde aus der Schweiz ausgewiesen; sobald der Vollzug der Ausweisung möglich ist, hat er auszureisen. Die Grundvoraussetzung des Fehlens einer Aufenthaltsbewilligung wäre selbst dann erfüllt, wenn das SEM dessen vorläufige Aufnahme verfügen würde (vgl. BGer 6B_808/2011 vom 24. Mai 2012 E. 1.2; Andreas Zünd, in: Spescha/ Thür/Zünd/Bolzli/Hruschka [Hrsg.], OF-Kommentar Migrationsrecht, 4. A., Zürich 2015, Art. 74 N. 2, S. 283; Wortha/Tiefenthal, Ausländerrechtliche Eingrenzung [Art. 74 AuG], Sicherheit & Recht 1/2017, S. 41 ff., S. 42).
Streitig und zu prüfen ist sodann, ob der Beschwerdeführer die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört gefährdet.
Einleitend ist festzuhalten, dass die Eingrenzung nach Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG zwar gemäss Gesetzeswortlaut insbesondere die Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels bezweckt, praxisgemäss aber von einem weiten Begriff des Polizeigüterschutzes auszugehen ist, zumal die Bestimmung offen, im Sinne einer Generalklausel, formuliert ist (BGE 142 II 1 E. 2.2 S. 4). Eine Störung Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt etwa auch vor, wenn konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht der Begehung strafbarer Handlungen oder Kontakte zu extremistischen Kreisen bestehen (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht vom 22. Dezember 1993, BBl 1994 I 305 ff., S. 327; Zünd, Art. 74 N. 2, S. 283; Wortha/Tiefenthal, S. 42).
Der Beschwerdeführer bestreit nach wie vor, straffällig geworden zu sein. Jedoch hat das Bundesgericht mit Bezug auf den Schuldpunkt festgehalten, dass er an einer kriminellen Organisation konkret am IS beteiligt war. Der Beschwerdeführer hat über längere Zeit hinweg (von September 2012 bis März 2014) aktiv und durch viele Einzelhandlungen (Informationsaustausch, Koordination, Erteilen
von Ratschlägen, Aufforderung von Dritten zur Vornahme von Kampfhandlungen, Planung eines nicht näher definierbaren Anschlags in Europa, Schlepperei von Glaubensgenossen etc.) an verbrecherischen Aktivitäten des IS partizipiert (vgl. OGE 60/2017/40 E. 3.3.2). Die Rückweisung ans Bundesstrafgericht erfolgte einzig zur neuen Entscheidung in Bezug auf die Strafzumessung. Die Möglichkeit einer allfälligen Individualbeschwerde an den EGMR ist im vorliegenden Kontext nicht von Belang, dies umso weniger, als die Eingrenzung als präventive Massnahme zur Gefahrenabwehr keine strafrechtliche Verurteilung voraussetzt (vgl. BGer 2A.148/2003 vom 30. Mai 2003 E. 2.3; Walter Kälin, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht: Materielles Recht, AJP 7/1995, S. 835 ff.).
Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass er sich in der Haft korrekt verhalten hat, und es sind auch in der jüngsten Vergangenheit keine Vorfälle aktenkundig, die auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit schliessen lassen würden. Hingegen war er über einen längeren Zeitraum wissentlich und willentlich an der kriminellen Organisation IS beteiligt und führte nach seiner Einreise in die Schweiz im Januar 2012 bis zur Festnahme im März 2014 diverse Aktivitäten für den IS aus, die in ihrer Gesamtheit von erheblicher Tragweite und geeignet sind, die innere und äussere Sicherheit in schwerer Weise zu gefährden, selbst wenn offen ist, wie weit das ihm u.a. angelastete Hinarbeiten auf einen Anschlag in Europa konkret gediehen war. Der Beschwerdeführer verbrachte rund drei Jahre in Untersuchungsbzw. Sicherheitshaft und wurde erst vor einigen Monaten, am
24. März 2017, aus der Haft entlassen. Vor diesem Hintergrund bestand zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses und besteht nicht zuletzt mit Blick auf die gegenwärtig unsichere Prognose hinsichtlich der Entwicklung des von ihm ausgehenden Gefahrenpotentials auch noch zum Zeitpunkt dieses Entscheids hinreichend Anlass zur Befürchtung, der Beschwerdeführer könnte wiederum Straftaten begehen bzw. sich erneut an der kriminellen Organisation IS beteiligen.
Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen für den Erlass einer Eingrenzung gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG grundsätzlich erfüllt. Ein öffentliches Interesse an einer Eingrenzung des Beschwerdeführers ist grundsätzlich zu bejahen; es besteht im Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. BGer 2C_287/2017 vom 13. November 2017 E. 2.1 mit Hinweisen), indem wie das Kantonsgericht zu Recht festgehalten hat ein allfälliges erneutes deliktisches Tätigwerden zwar nicht verunmöglicht, aber durch den eingeschränkten Aktivitätsradius und durch das Fernhalten von Ballungszentren erschwert wird (vgl. auch hinten, E. 4.1).
Die Massnahme der Eingrenzung unterliegt dem Prinzip der Verhältnismässigkeit. Sie muss geeignet sein, das verfolgte Ziel zu erreichen und darf nicht über das Erforderliche hinausgehen; dies ist insbesondere bei der Festlegung der
Grösse des Rayons und der Dauer der Massnahme zu berücksichtigen. Auf begründetes Gesuch hin muss die zuständige Behörde sodann für gewisse Gänge zu Behörden, Anwalt, Arzt Angehörigen Ausnahmen bewilligen, soweit die entsprechenden Grundbedürfnisse nicht sachgerecht und grundrechtskonform im bezeichneten Aufenthaltsgebiet selber abgedeckt werden können. Schliesslich muss die Massnahme die Zweck-Mittel-Relation wahren (vgl. BGE 142 II 1 E. 2.3 S. 4 f.; BGer 2A.148/2003 vom 30. Mai 2003 E. 2.4).
Die Eingrenzung gemäss Art. 74 AuG verfolgt verschiedene Zwecke, weshalb zunächst das angestrebte Ziel zu bestimmen und alsdann die ins Auge gefasste Massnahme daran zu messen ist, ob damit das gesteckte Ziel erreicht werden kann (BGE 142 II 1 E. 2.4 S. 5). Vorliegend wurde der Vollzug der Ausweisung des Beschwerdeführers in das Heimatland aufgeschoben; es geht mithin unstreitig nicht um die Durchsetzung von Fernhaltemassnahmen (Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG; vgl. dazu jüngst Urteil des BGer 2C_287/2017 vom 13. November 2017 insb. E. 4), sondern einzig um die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG). Der Beschwerdeführer bringt vor, die Eingrenzung sei nicht geeignet, die Kontaktaufnahme mit einer kriminellen Organisation zu verhindern, weil diese hauptsächlich über Kanäle wie Telefon und Internet erfolgen würde. Dieser Einwand erscheint auf den ersten Blick zwar nachvollziehbar, erfolgte doch die Beteiligung am IS in den Jahren 2012 bis 2014 im Wesentlichen mittels Kommunikationen auf Facebook, WhatsApp und Skype (vgl. BStGer SK.2015.45 vom 18. März 2016 E. II.3). Indes bewirkt die Eingrenzung eine Einschränkung des Aktivitätsradius (vgl. vorne, E. 3.5), die dem Beschwerdeführer nicht nur Kontaktaufnahmen in der realen Welt erschwert, sondern namentlich auch dessen Überwachung, bzw. - damit verbunden - die nachrichtendienstliche polizeiliche Informationsbeschaffung, erheblich erleichtert (vgl. etwa Art. 26 ff. des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 2015 [NDG, SR 121]; Art. 24f
f. des Polizeigesetzes vom 21. Februar 2000 [PolG, SHR 354.100]). Die Eingrenzung ist daher geeignet, das damit verfolgte Ziel, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, zu erreichen.
Der Beschwerdeführer bringt sodann vor, die Eingrenzung sei nicht erforderlich, d.h. sie sei weder in sachlicher, noch in örtlicher zeitlicher Hinsicht das mildeste Mittel.
Diesbezüglich ist einleitend festzuhalten, dass das Erfordernis der Verhältnismässigkeit sowohl ein Übermassals auch ein Untermassverbot beinhaltet. Eine Massnahme soll nicht weiter gehen, als zur Erreichung des Zieles erforderlich ist, aber auch nicht weniger weit. Es soll diejenige Massnahme angeordnet werden, die das angestrebte Ziel gerade noch sicherstellt (vgl. BGer 2C_287/2017 vom
13. November 2017 E. 5.3; Markus Müller, Verhältnismässigkeit, Bern 2013,
S. 30).
In sachlicher Hinsicht ist kein milderes Mittel ersichtlich, welches eine der Eingrenzung vergleichbare Schutzwirkung entfalten könnte; dies gilt auch für die Meldepflicht gemäss Art. 64e AuG, die zwar mit einem geringeren Eingriff in die Bewegungsfreiheit, aber auch mit einer stärkeren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und einer erschwerten Überwachung einherginge (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch BGer 2C_722/2015 vom 29. Oktober 2015 E. 3.2). Dasselbe gälte auch dann, wenn man es bei einer Ausgrenzung z.B. vom Stadtzentrum von weiteren als problematisch erachteten Örtlichkeiten beliesse, weshalb auch diese mildere Massnahme den Sicherungszweck nicht im selben Masse zu erreichen geeignet scheint (vgl. dazu Kälin, S. 852).
In Bezug auf den räumlichen Anwendungsbereich bringt der Beschwerdeführer vor, die Eingrenzung auf einen sehr kleinen Rayon sei nicht nachvollziehbar und eine Fortbewegung mit dem Rollstuhl sei in diesen Quartieren stark erschwert. Indes umfasst der festgelegte Rayon doch einen erheblichen Teil des Schaffhauser Stadtgebiets, in dem sich der Beschwerdeführer bewegen kann und in dem auch soziale Kontakte möglich sind. Die Einschränkung auf die Quartiere A., B. und C. lässt sich sodann mit Blick auf den Zweck der Massnahme sachlich begründen, zumal der Rayon auch nicht zu gross sein darf, so dass eine Überwachung illusorisch würde (vgl. Kälin, S. 853), und es wie dargetan auch darum geht, den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Sicherheit vom Stadtzentrum fernzuhalten. Sodann sind Ausnahmen zu bewilligen, sofern Grundbedürfnisse nicht sachgerecht und grundrechtskonform im bezeichneten Aufenthaltsgebiet selber abgedeckt werden können (vgl. vorne, E. 4).
In Bezug auf die Dauer der angeordneten Massnahme beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Eingrenzung auf unbestimmte Zeit ausgesprochen wurde. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seine Strafe verbüsst hat und die Eingrenzung keinen pönalen Charakter annehmen darf. Die Massnahme setzt daher voraus, dass ein hinreichend konkreter und aktueller Anlass zur Befürchtung besteht, der Beschwerdeführer könnte erneut Straftaten begehen bzw. erneut Kontakte mit dem IS aufnehmen. Seine entsprechenden Handlungen bis zur Festnahme im März 2014 liegen derzeit noch nicht so weit zurück, dass sie bereits keinerlei Relevanz mehr aufwiesen (vgl. vorne, E. 3.4.3); doch sind seither immerhin bald vier Jahre vergangen, in denen keine gefährdenden Aktivitäten verzeichnet wurden. Dies spricht dafür, die Eingrenzung vorerst zeitlich zu begrenzen (vgl. dazu Zünd, Art. 74 AuG N. 3, S. 284, und Kälin, S. 853).
Im Zusammenhang mit der Bemessung der Dauer der Eingrenzung erscheint es angezeigt, den vom Bundesrat jüngst vorgelegten Entwurf eines Bundesgesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus zu berücksichtigen. Dieser soll das polizeiliche Instrumentarium zur Gewährleistung der Sicherheit ausserhalb des Bereichs der Strafverfolgung verstärken und insoweit den bestehenden Rechtszustand konkretisieren. Vor diesem Hintergrund kann das mögliche künftige Recht auch bei der Auslegung der geltenden Bestimmungen herangezogen werden (vgl. z.B. BGer 5A_793/2011 vom 3. Februar 2012 E. 6.8.3). Der Gesetzesentwurf sieht eine Eingrenzung als präventiv-polizeiliche Massnahme vor (Art. 23j E-BWIS), die neu nicht mehr nur für Personen ohne Aufenthaltsbewilligung möglich sein soll, falls aufgrund konkreter und aktueller Anhaltspunkte angenommen werden muss, dass eine potenziell gefährliche Person eine terroristische Straftat begehen wird (Art. 23e Abs. 1 lit. a E-BWIS). Im erläuternden Bericht wird angemerkt, dass eine Ideologie und Gesinnung alleine nicht Auslöser präventiv-polizeilicher Massnahmen sein darf. Sodann ist im Gesetzesentwurf vorgesehen, dass die Eingrenzung auf höchstens sechs Monate begrenzt und einmalig um maximal sechs Monate verlängert werden kann (Art. 23e Abs. 2 E-BWIS), wobei wiederum gemäss erläuterndem Bericht generell der Grundsatz gelten soll, dass die Massnahmen für so kurze Zeit wie möglich anzuordnen sind (vgl. zum Ganzen https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home /aktuell/ news/2017/2017-12-080.html, Stand am 15. Dezember 2017).
Nach dem Gesagten erscheint es angemessen, die Eingrenzung vorerst auf die Dauer von einem Jahr seit Erlass der angefochtenen Verfügung zu begrenzen, d.h. sie gilt bis zum 7. Mai 2018. Eine solche einjährige Eingrenzung ist dem Beschwerdeführer zumutbar, zumal das Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der ungehinderten Ausübung der Bewegungsfreiheit überwiegt. Für die Zeit nach dem
7. Mai 2018 haben die zuständigen Behörden indes unter Berücksichtigung des aktuellen Verhaltens des Beschwerdeführers (d.h. in der Haft sowie in jüngster Vergangenheit) eine neue Gefahrenprognose zu erstellen und anschliessend darüber zu befinden, ob weiterhin präventiv-polizeiliche Massnahmen geboten sind bzw. wenn ja, welche Massnahmen verhältnismässig sind. Bei diesem Entscheid kommt den zuständigen Behörden ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Der vorliegende Entscheid ist dafür lediglich insofern präjudizierend, als eine neuerliche, auf Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG gestützte Eingrenzung nicht mehr alleine mit dem Hinweis auf die vergangene strafrechtliche Verurteilung begründet werden könnte.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gutzuheissen und die Eingrenzung auf den 7. Mai 2018 zu befristen ist.
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