Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2015/43: Obergericht
Die Beschuldigte hat versucht, D. zur Tötung ihres Ehemannes anzustiften, indem sie ihm konkrete Anweisungen für die Tatausführung gab. Die Videoaufzeichnung des Gesprächs zwischen der Beschuldigten und D. unterstützt die Glaubhaftigkeit der Aussagen von D. und widerlegt die Behauptung der Beschuldigten, sie sei zu den Äusserungen gezwungen worden. Die Beweise zeigen, dass die Beschuldigte den Tod ihres Ehemannes beabsichtigt hat und somit der Tatbestand der versuchten Anstiftung zur vorsätzlichen Tötung erfüllt ist. Es gibt keine rechtserheblichen Zweifel daran, dass sich der Sachverhalt wie angeklagt zugetragen hat. Daher ist die Beschuldigte schuldig zu sprechen.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 60/2015/43 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 30.12.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Wildschadenschätzung; Anfechtung nach Einigung - Art. 28 Abs. 2 lit. a und Art. 30 Abs. 2 JagdG; Art. 50 Abs. 1 VRG; Art. 239 und Art. 241 ZPO. Im verwaltungsrechtlichen Verfahren der Wildschadenschätzung ist ein Vergleich zulässig. Anschliessend bedarf es eines förmlichen, aber nicht näher zu be-gründenden Abschreibungsentscheids. Dieser hat - anders als im Zivilprozess - konstitutive Wirkung; er kann mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Verwaltungs-gerichtsbeschwerde angefochten werden (E. 1.3). Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob die dem Abschreibungsentscheid zu-grundeliegende Willenserklärung wegen eines Willensmangels unwirksam sei (E. 1.4). Das ist unter den gegebenen Umständen nicht der Fall (E. 2). |
Schlagwörter : | Vergleich; Schätzung; Recht; Verfahren; JagdG; Entscheid; Abschreibungsentscheid; Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Schätzungskommission; Entschädigung; Schutz; Parteien; Einigung; Jagdgesellschaft; Obmann; Obergericht; Kanton; Schaden; Kommentar; Griffel; Zivil; Willensmangel; Schutzmassnahmen; Wildschadenschätzung; Rechtsmittel; Willensmangels; ündete |
Rechtsnorm: | Art. 239 ZPO ;Art. 241 ZPO ;Art. 56 OR ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Alain Griffel, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2014 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Im verwaltungsrechtlichen Verfahren der Wildschadenschätzung ist ein Vergleich zulässig. Anschliessend bedarf es eines förmlichen, aber nicht näher zu begründenden Abschreibungsentscheids. Dieser hat anders als im Zivilprozess konstitutive Wirkung; er kann mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (E. 1.3).
Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob die dem Abschreibungsentscheid zugrundeliegende Willenserklärung wegen eines Willensmangels unwirksam sei (E. 1.4). Das ist unter den gegebenen Umständen nicht der Fall (E. 2).
OGE 60/2015/43 vom 30. Dezember 2016 Veröffentlichung im Amtsbericht
SachverhaltIm Rahmen einer Wildschadenschätzung setzte die Schätzungskommission für Wildschäden eine Entschädigung von Fr. 504.fest (Fr. 672.abzüglich 25%, weil keine Einzäunung vorliege), je zur Hälfte zulasten der Jagdgesellschaft und des Kantons Schaffhausen. Der gesuchstellende Landwirt und der zum Augenschein bzw. zur Schätzungsverhandlung erschienene Obmann der Jagdgesellschaft, A., erklärten sich damit unterschriftlich einverstanden. In der Folge erhob jedoch die Jagdgesellschaft, nunmehr vertreten durch B., Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Obergericht; sie beantragte, die Schätzung und die entsprechende Schadenersatzforderung für ungültig zu erklären. Das Obergericht wies die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen 1.1 Schäden, die jagdbare Tiere an Wald, landwirtschaftlichen Kulturen und Nutztieren anrichten, sind von den Jagdgesellschaften angemessen zu entschädigen (Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel vom 15. Juni 1992 [Kantonales Jagdgesetz, JagdG, SHR 922.100]). Vorbehalten sind gewisse Ausschlussgründe (Art. 28 Abs. 2 JagdG). Der Kanton entschädigt unter Vorbehalt dieser Ausschlussgründe unter anderem den Schaden durch Wildschweine zur Hälfte (Art. 29 Abs. 1 lit. a JagdG).Kommt keine Einigung über Berechtigung Höhe der Schadenersatzforderung zustande, entscheidet nach Art. 30 JagdG eine aus Sachverständigen zusammengesetzte Schätzungskommission (Abs. 1 Satz 1). Gegen deren Entscheid kann Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Obergericht erhoben werden
(Abs. 2 Satz 1). Das ist aber grundsätzlich erst gegen die schriftlich begründete Ausfertigung des Entscheids zulässig. Wird der Entscheid nur im Dispositiv, ohne Begründung eröffnet, so ist zunächst bei der Schätzungskommission eine Begründung zu verlangen (vgl. Art. 50 Abs. 1 des Gesetze über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1971 [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, SHR 172.200] i.V.m. Art. 239 ZPO).
Im vorliegenden Fall besteht kein schriftlich begründeter Entscheid. Angesichts des unterschriftlich erklärten Einverständnisses der Parteien geht es denn auch nicht um einen strittigen materiellen Entscheid, sondern um einen Vergleich. Ein solcher ist bei der in Frage stehenden, früher im Zivilrecht (aArt. 56 Abs. 3 OR) geregelten Materie grundsätzlich zulässig und nicht aussergewöhnlich (vgl. Art. 30 Abs. 1 Satz 1 am Anfang JagdG, worin eine mögliche Einigung ausdrücklich erwähnt wird). Die Schätzungskommission hatte somit lediglich noch das Verfahren abzuschreiben. Einer näheren Begründung bedurfte es von daher nicht (vgl. Art. 59 Abs. 5 des Justizgesetzes vom 9. November 2009 [JG, SHR 173.200] i.V.m.
Art. 50 Abs. 1 VRG und Art. 241 ZPO).
In dieser Situation fragt sich, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den unterschriftlich anerkannten Formularentscheid überhaupt zulässig sei. Nach der sinngemäss also nicht unmittelbar anwendbaren zivilprozessualen Regelung (Art. 50 Abs. 1 VRG) wird das Verfahren durch eine Vergleichsvereinbarung prinzipiell unmittelbar beendet; der Abschreibungsentscheid hat nur deklaratorische Bedeutung (Laurent Killias, Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band II, Bern 2012, Art. 241 N. 40, S. 2402 f.). Die dem Vergleich zugrundeliegende Parteidisposition kann zivilprozessual nicht mit den ordentlichen Rechtsmitteln, sondern nur noch mit Revision angefochten werden (Killias, Art. 241
N. 47, 49, S. 2404 f.; vgl. Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO, gemäss Art. 49 VRG sinngemäss auch bei verwaltungsgerichtlichen Entscheiden anwendbar). Im öffentlichen Recht ist ein Vergleich jedoch nur ausnahmsweise zulässig, wenn der betreffende Gegenstand den Parteien einen Gestaltungsspielraum belässt. Er wird verfahrensrechtlich prinzipiell als gemeinsamer Antrag an die zuständige Behörde betreffend Erledigung der Streitsache verstanden (vgl. Alain Griffel in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. A., Zürich/Basel/Genf 2014 [Kommentar VRG/ZH], § 28 N. 27 f., S. 828 f.). Die unmittelbare Verfahrenserledigung durch Vergleich gehört daher nicht zu den Bereichen, die sich für die analoge Anwendung der zivilprozessualen Vorschriften im Verwaltungsverfahrensrecht eignen (vgl. Arnold Marti, Die Vereinheitlichung des Zivilund Strafprozessrechts, die Revision des Vormundschaftsrechts
und das öffentliche Recht, ZBl 2007, S. 237 ff., S. 271, Fn. 189; vgl. zur Verfahrenserledigung bei einer einvernehmlichen Lösung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch Marco Donatsch, Kommentar VRG/ZH, § 63 N. 10 ff., S. 1112 ff.). Das spricht dafür, dass es eines förmlichen Abschreibungsentscheids bedarf, der nicht nur deklaratorische, sondern insofern konstitutive Wirkung hat, dass das Verfahren erst dadurch beendet wird, und der mit den ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden kann (vgl. Griffel, § 28 N. 17 f., S. 826).
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den wenn auch mangels materieller Beurteilung nicht näher begründeten - Erledigungsentscheid ist demnach zulässig. Sie wurde fristund im Übrigen auch formgerecht erhoben. Daher ist grundsätzlich darauf einzutreten.
Angesichts der formellen Einigung der Parteien war die Sache mit dem angefochtenen Abschreibungsentscheid nicht näher zu prüfen. Daher ist sie auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht materiell zu beurteilen. Es fragt sich lediglich, ob die dem Abschreibungsentscheid zugrundeliegende Willenserklärung des damaligen Vertreters der Beschwerdeführerin wegen eines Willensmangels unwirksam sei.
2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Schätzung entspreche nicht den gesetzlichen Grundlagen. Der Obmann der Beschwerdeführerin habe bei der Schätzung nur widerwillig seine Unterschrift abgegeben. Er habe sich unter Druck gesetzt gefühlt.
Der gerichtliche Vergleich ist ein Vertrag, mit welchem sich die Parteien zur Beseitigung des Streits der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis durch gegenseitiges Nachgeben einigen. Weil demnach der Vergleich in bewusster Ungewissheit über die Rechtsund/oder Sachlage abgeschlossen wird, ist die nachträgliche Irrtumsanfechtung bzw. die Anfechtung wegen eines Willensmangels nur in sehr beschränktem Masse möglich (Killias, Art. 241 N. 11, 48, S. 2395, 2404).
Nach Angaben der Beschwerdeführerin haben ihr nunmehriger Vertreter (am Vorabend der Schätzung) und ihr Obmann (bei der Schätzung selber) die Mitglieder der Schätzungskommission ausdrücklich auf die nach ihrer Auffassung massgebliche Rechtslage hingewiesen. Wenn sich der Obmann nach der Diskussion dennoch unterschriftlich mit einer reduzierten Entschädigung einverstanden erklärt hat, tat er dies demnach im Bewusstsein, dass er damit von der zunächst geäusserten Auffassung abweiche. Demnach unterlag er nicht etwa einem Grundlagenirrtum (vgl. Art. 23 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Inwieweit zuvor tatsächlich Druck auf
ihn ausgeübt worden wäre, konkretisiert die Beschwerdeführerin nicht näher. Damit ist nicht dargetan, dass Druck in einem Ausmass vorgelegen hätte, dass von unzulässiger, widerrechtlicher Täuschung Drohung gesprochen werden müsste (vgl. Art. 28 ff. OR). Daher kann nicht von einem Willensmangel ausgegangen werden, der die Einverständniserklärung nachträglich als unwirksam erscheinen liesse.
Mit einem Vergleich können auch Lösungen getroffen werden, die von der objektiven Sachund Rechtslage abweichen; dies etwa in der Absicht, die mit der Weiterführung des Verfahrens verbundenen Aufwendungen und Unannehmlichkeiten zu vermeiden, insbesondere wenn es wie hier - nur um einen geringen Streitwert geht. Im Übrigen kann bei summarischer Prüfung nicht gesagt werden, die im Vergleich getroffene Regelung sei offensichtlich unzulässig (vgl. Griffel, § 28 N. 28,
S. 829; Donatsch, § 63 N. 10, 15, S. 1112 f.). Das Obergericht hat in dem von der Beschwerdeführerin erwähnten Entscheid zwar ausgeführt, es sei grundsätzlich keine Entschädigung zuzusprechen, wenn der Landwirt die nötigen Schutzmassnahmen überhaupt nicht getroffen habe und auch nicht gesagt werden könne, diese hätten ohnehin nichts gebracht (vgl. Art. 28 Abs. 2 lit. a JagdG). Es hat jedoch eine teilweise Entschädigung als zulässig bezeichnet, wenn die Zumutbarkeit der Schutzmassnahmen fraglich sei der Schaden ganz teilweise unabhängig von den Schutzmassnahmen eingetreten wäre. Unzulässig sei die schematische Zusprechung einer halben Entschädigung bei fehlenden Schutzmassnahmen (OGE 95/2003/8 vom 19. November 2004, E. 2). Wie sich die Situation hier darstelle, haben aber die Parteien mit dem Vergleich gerade offengelassen.
Die Einverständniserklärung der Beschwerdeführerin ist demnach nicht unwirksam. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet; sie ist abzuweisen
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