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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2015/29: Obergericht

Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich bestätigt die Verurteilung des Beschuldigten wegen rechtswidrigen Aufenthalts und geringfügiger Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer. Der Beschuldigte wird zu 30 Tagen Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je Fr. 10.00 verurteilt. Eine Busse von Fr. 100.00 ist ebenfalls zu bezahlen. Der bedingte Vollzug einer früheren Geldstrafe wird widerrufen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung. Der amtliche Verteidiger wird mit Fr. 9'475.05 entschädigt. Die Gerichtsgebühr beträgt Fr. 3'000.-. Das Urteil kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 60/2015/29

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 60/2015/29
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 60/2015/29 vom 30.11.2018 (SH)
Datum:30.11.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Feststellungsverfügung von Amtes wegen - Art. 1 Abs. 3, Art. 6, Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 lit. a EntsG; Art. 9 Abs. 1bis und Art. 32a VEP; § 3 Vollziehungsverordnung-AuG; § 1 VV über minimale Arbeits- und Lohnbedingungen. Zuständigkeit zum Vollzug des Entsendegesetzes im Kanton Schaffhausen (E. 3). Erlass einer Feststellungsverfügung von Amtes wegen (E. 4.2). Zulässigkeit der Feststellung der Scheinselbständigkeit durch das Arbeitsamt verneint (E. 4.3.1 und 4.3.2).
Schlagwörter : ändig; Feststellung; EntsG; Arbeitnehmer; Feststellungsverfügung; Entsendegesetz; Arbeitsamt; Bundes; Scheinselbständigkeit; Meldepflicht; Amtes; Schaffhausen; Arbeitseinsatz; Arbeitgeber; Fassung; Verwaltungsverfahren; Person; Lohnbedingungen; Zuständigkeit; Kanton; Erlass; Dienstleistungserbringer; Scheinselbständiger; Bundesgesetz; Schweiz; Behörde; Vollziehungsverordnung; Verfügung
Rechtsnorm:Art. 1 StPO ;
Referenz BGE:137 II 199; 138 II 501;
Kommentar:
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Entscheid des Kantongerichts Nr. 60/2015/29

Feststellungsverfügung von Amtes wegen - Art. 1 Abs. 3, Art. 6, Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 lit. a EntsG; Art. 9 Abs. 1bis und Art. 32a VEP; § 3 Vollziehungsverordnung-AuG; § 1 VV über minimale Arbeitsund Lohnbedingungen.

Zuständigkeit zum Vollzug des Entsendegesetzes im Kanton Schaffhausen (E. 3). Erlass einer Feststellungsverfügung von Amtes wegen (E. 4.2).

Zulässigkeit der Feststellung der Scheinselbständigkeit durch das Arbeitsamt verneint (E. 4.3.1 und 4.3.2).

OGE 60/2015/29 vom 30. November 2018 Keine Veröffentlichung im Amtsbericht

Sachverhalt

X. meldete sich als selbständiger Dienstleistungserbringer für einen Arbeitseinsatz in der Stadt Schaffhausen an und wurde bei diesem Einsatz vom Arbeitsinspektorat auf der Baustelle überprüft. In der Folge sprach das Arbeitsamt gegen X. eine Verwaltungsbusse in Höhe von Fr. 500.- nach Entsendegesetz aus und stellte förmlich fest, dass X. in Bezug auf den fraglichen Arbeitseinsatz als Scheinselbständiger zu qualifizieren sei und zur A. in arbeitnehmerähnlicher Abhängigkeit stehe. Der Regierungsrat hiess einen dagegen erhobenen Rekurs teilweise gut und hob die verhängte Busse auf, nicht aber die Feststellung der Scheinselbständigkeit. Das Obergericht hiess die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde von X. gut.

Aus den Erwägungen
  1. Das Bundesgesetz über die flankierenden Massnahmen bei entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und über die Kontrolle der in Normalarbeitsverträgen vorgesehenen Mindestlöhne vom 8. Oktober 1999 (Entsendegesetz, EntsG, SR 823.20) regelt die minimalen Arbeitsund Lohnbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ein Arbeitgeber mit Wohnsitz Sitz im Ausland in die Schweiz entsendet, damit sie hier für einen bestimmten Zeitraum auf seine Rechnung und unter seiner Leitung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zwischen ihm und dem Leistungsempfänger eine Arbeitsleistung erbringen in einer Niederlassung einem Betrieb arbeiten, der zur Unternehmensgruppe des Arbeitgebers gehört (Art. 1 Abs. 1 EntsG). Nach Art. 7 Abs. 1 lit. d EntsG kontrolliert die durch den Kanton bezeichnete zuständige Behörde die Einhaltung der Anforderungen nach dem Entsendegesetz, sofern nicht eine andere Stelle nach Art. 7 Abs. 1 lit. a bis c EntsG zuständig ist. Die gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. d EntsG zuständige kantonale Behörde kann gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. a EntsG

    in der zeitlich massgebenden Fassung (d.h. mit Stand am 1. Januar 2007) bei Verstössen gegen die Meldepflicht nach Art. 6 EntsG, wonach der Arbeitgeber die für die Durchführung der Kontrollen notwendigen Angaben schriftlich zu melden hat, eine Verwaltungsbusse bis Fr. 5'000.aussprechen. Im Kanton Schaffhausen obliegt der Vollzug der entsenderechtlichen Bundeserlasse vorbehältlich anderer Bestimmungen der kantonalen Gesetzgebung dem Arbeitsamt, wobei dieses insbesondere die zuständige Behörde nach Art. 7 Abs. 1 lit. d EntsG ist (§ 1 der Vollziehungsverordnung zu den Bundesgesetzen über die minimalen Arbeitsund Lohnbedingungen für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und flankierende Massnahmen sowie über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vom 13. April 2004 [VV über minimale Arbeitsund Lohnbedingungen, SHR 823.201]).

  2. Der Beschwerdeführer rügt, die vom Regierungsrat geschützte Feststellung in Ziff. 1 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung, wonach der Beschwerdeführer in Bezug auf den Arbeitseinsatz [ ] in Schaffhausen nicht als selbständig Erwerbstätiger, sondern als Scheinselbständiger zu qualifizieren sei, in dem Sinne, dass er in arbeitnehmerähnlicher Abhängigkeit zur A. stehe, sei unzulässig.

    1. [ ]

    2. Das kantonale Verwaltungsverfahrensrecht regelt anders als etwa Art. 25 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG, SR 172.021) die Feststellungsverfügung nicht ausdrücklich. Praxisgemäss verfügen Verwaltungsbehörden aber über eine ungeschriebene Befugnis zum Erlass von Feststellungsverfügungen von Amtes wegen (OGE 60/2000/13 vom 22. Dezember 2000 E. 3b mit Hinweisen). Indes steht auch eine Feststellungsverfügung von Amtes wegen nicht im Belieben der Behörden, sondern setzt ein dem schutzwürdigen Interesse eines Gesuchstellers analoges öffentliches Feststellungsinteresse voraus. Darunter ist ein rechtliches tatsächliches und aktuelles Interesse an der sofortigen Feststellung des Bestehens Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zu verstehen, dem keine erheblichen öffentlichen privaten Interessen entgegenstehen und welches nicht durch eine rechtsgestaltende Verfügung gewahrt werden kann. Feststellungsverfügungen beziehen sich stets auf individuelle und konkrete Rechte und Pflichten, d.h. auf Rechtsfolgen, und nicht bloss auf abstrakte, theoretische Fragen. Mit Feststellungsverfügungen können schliesslich nur Rechtsfragen geklärt, nicht aber Tatsachenfeststellungen getroffen werden (vgl. zum Verwaltungsverfahren des Bundes BGE 137 II 199 E. 6.5 und E. 6.5.1 S. 218 f. sowie BGer 8C_949/2015 vom 7. September 2016 E. 4, jeweils mit weiteren Hinweisen).

    3. Gegenstand der strittigen Feststellung bildet im Kern die Frage der Scheinselbständigkeit des Beschwerdeführers.

      1. Der Vorwurf der Scheinselbständigkeit setzt voraus, dass sich eine Person als selbständige Dienstleistungserbringerin ausgibt, in Wirklichkeit aber Arbeitnehmerin ist. Dies impliziert, dass sich die scheinselbständige Person fälschlicherweise als selbständige Dienstleistungsgerbringerin angemeldet und möglicherweise die Meldepflicht von selbständigen Dienstleistungserbringern verletzt hat. Diese Meldepflicht ist indes nicht im Entsendegesetz, sondern in Art. 9 Abs. 1bis der Verordnung über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation vom 22. Mai 2002 (Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs, VEP, SR 142.203) geregelt. Zwar würde die Frage, ob der Beschwerdeführer mit seiner Anmeldung als selbständig Erwerbstätiger allenfalls die Meldepflicht nach Art. 9 Abs. 1bis VEP verletzt hat und somit sinngemäss als Scheinselbständiger zu qualifizieren wäre, eine Rechtsfrage darstellen, welche Gegenstand einer Feststellungsverfügung sein könnte. Die Zuständigkeit zum Erlass einer Feststellungsverfügung setzt allerdings die Zuständigkeit zum Erlass der entsprechenden Gestaltungsverfügung voraus (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. A., Bern 2014, § 28 N. 62, S. 258). Vorliegend wäre das Arbeitsamt für eine entsprechende Feststellung indes nicht zuständig, da für die Verfolgung und Beurteilung der Verletzung der Meldepflicht von selbständigen Dienstleistungserbringern die Strafbehörden zuständig sind (Art. 32a VEP

        i.V.m. Art. 1 Abs. 1 StPO; vgl. dazu auch Motion 18.3108 Meldepflicht nach dem Entsendegesetz und nach der VEP. Sanktionsverfahren bei Verstössen vereinheitlichen vom 8. März 2018 und dazugehörige Stellungnahme des Bundesrats vom

        23. Mai 2018). Im Übrigen obliegt der Vollzug der Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs im Kanton Schaffhausen dem Migrationsamt und Passbüro und nicht dem Arbeitsamt (§ 3 der Vollziehungsverordnung vom 16. Dezember 2008 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom

        16. Dezember 2005 und dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 [Vollziehungsverordnung-AuG, SHR 142.201]). Eine entsprechende Feststellung der Scheinselbständigkeit durch das Arbeitsamt wäre folglich mangels sachlicher Zuständigkeit nichtig, was von Amtes wegen zu beachten wäre (BGE 138 II 501 E. 3.1 S. 503 f. mit weiteren Hinweisen).

      2. Zu prüfen bleibt, ob sich die strittige Feststellung auf das Entsendegesetz stützen lässt. Dieses verwendet den Begriff der Scheinselbständigkeit nicht, bestimmt jedoch den Begriff des Arbeitnehmers (Art. 1 Abs. 2 EntsG in der zeitlich massgebenden Fassung [vom 17. Dezember 2004] bzw. Art. 1 Abs. 3 EntsG in der

        heute geltenden Fassung). Ob der Beschwerdeführer bezüglich des Arbeitseinsatzes [ ] als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist, stellt eine Rechtsfrage dar, welche grundsätzlich Gegenstand einer Feststellungsverfügung sein kann. Allerdings ist zu beachten, dass das Entsendegesetz in der zeitlich massgebenden Fassung den entsandten Arbeitnehmern im Gegensatz zu ihren Arbeitgebern keinerlei Pflichten auferlegt. [ ] Folglich konnte der Beschwerdeführer unter dem Entsendegesetz in der zeitlich massgebenden Fassung zum Arbeitsamt in keinem Verwaltungsrechtsverhältnis stehen, selbst wenn er für den fraglichen Arbeitseinsatz als Arbeitnehmer bzw. als Scheinselbständiger zu qualifizieren wäre. Dementsprechend würde anders als im Beschwerdeverfahren OGE 60/2015/31 betreffend Verletzung der Meldepflicht des Arbeitgebers nach Art. 6 EntsG im vorliegenden Verfahren mit der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft des Beschwerdeführers entsenderechtlich letztlich insofern eine abstrakte Rechtsfrage beurteilt, wofür die Figur der Feststellungsverfügung mangels schutzwürdigen Interesses nicht zur Verfügung steht (vgl. Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 340, S. 122).

      3. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Feststellung des Arbeitsamts in Ziff. 1 der Verfügung [ ], welche durch den Beschluss des Regierungsrats [ ] bestätigt wurde, unzulässig ist. Angesichts dessen braucht auf die übrigen Rügen, namentlich betreffend die nicht vorliegende Scheinselbständigkeit, nicht weiter eingegangen zu werden.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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