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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2014/28: Obergericht

Ein rechtskräftig weggewiesener Asylbewerber hat keinen Anspruch auf reguläre Sozialhilfe, sondern nur auf Nothilfe, wenn ihm die Strafverfolgungsbehörden das Verlassen der Schweiz während des Strafverfahrens untersagt haben. Dies ergibt sich aus dem Asylgesetz und dem Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe. Der Beschwerdeführer wurde rechtskräftig weggewiesen und hat daher nur Anspruch auf Nothilfe. Auch nach kantonalem Recht wird bei fehlender Aufenthaltsbewilligung grundsätzlich nur Nothilfe gewährt. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf ordentliche Sozialhilfe, da er nicht längerfristig in der Schweiz verbleibt und nur Nothilfe als Überbrückungshilfe erhalten soll.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 60/2014/28

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 60/2014/28
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 60/2014/28 vom 17.07.2015 (SH)
Datum:17.07.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 12 BV; Art. 82 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG; Art. 25 Abs. 4 und Abs. 5 SHEG; § 16 und § 17 SHEV. Sozialhilfe; Nothilfe für weggewiesene Asylbewerber
Schlagwörter : Nothilfe; Sozialhilfe; Person; Schweiz; Aufenthalt; Personen; Aufenthaltsbewilligung; Wegweisung; Recht; Zielsetzung; Migrationsbehörden; Asylbewerber; Anspruch; Verfolgungsbehörden; Asylgesuch; Asylgesetzes; Sozialhilfestopp; Botschaft; Rechtsmittel; Verfahren; Einrichtungen; Verordnung; Ausreise; Hilfe; ängig
Rechtsnorm:Art. 12 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Hegnauer, Berner Bern, Art. 279 ZGB ZG, 1997

Entscheid des Kantongerichts Nr. 60/2014/28

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Sozialhilfe; Nothilfe für weggewiesene Asylbewerber - Art. 12 BV; Art. 82 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG; Art. 25 Abs. 4 und Abs. 5 SHEG; § 16 und § 17 SHEV.

Ein rechtskräftig weggewiesener Asylbewerber hat auch dann keinen Anspruch auf reguläre Sozialhilfe, sondern nur auf Nothilfe, wenn ihm von den Strafverfolgungsbehörden verboten worden ist, während des Strafverfahrens die Schweiz zu verlassen (E. 2.2).

OGE 60/2014/28 vom 17. Juli 2015

Veröffentlichung im Amtsbericht

Aus den Erwägungen 2.2. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer erfolglos ein Asylgesuch stellte und rechtskräftig weggewiesen wurde. Nach Art. 82 Abs. 1 des Asylgesetzes vom

26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) werden Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid, denen eine Ausreisefrist angesetzt worden ist, von der Sozialhilfe ausgeschlossen. Sie haben dementsprechend gestützt auf Art. 12 BV lediglich noch Anspruch auf Nothilfe. Mit dem Sozialhilfestopp soll der Wegweisungsvollzug verbessert werden (Botschaft des Bundesrats zur Änderung des Asylgesetzes vom 26. Mai 2010, BBl 2010 4462). Nach Art. 82 Abs. 2 AsylG erhalten auch Personen, die ein ausserordentliches Rechtsmittel erheben nach einer rechtskräftigen Wegweisung ein erneutes Asylgesuch stellen, nur Nothilfe, und zwar auch dann, wenn der Vollzug der Wegweisung während des Verfahrens ausgesetzt wird. Damit soll verhindert werden, dass solche Verfahren auch in aussichtslosen Fällen eingeleitet werden und dadurch der Sozialhilfestopp unterlaufen wird (Botschaft, BBl 2010 4500). Auch nach kantonalem Recht wird bei fehlender Aufenthaltsbewilligung grundsätzlich nur Nothilfe gewährt (Art. 25 Abs. 4 und 5 des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und soziale Einrichtungen vom 28. Oktober 2013 [SHEG, SHR 850.100]). Dies betrifft nicht nur Personen aus dem Asylbereich, welche rechtskräftig weggewiesen wurden, sondern auch andere ausländische Personen ohne Aufenthaltsbewilligung (§ 16 und § 17 der Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe und soziale Einrichtungen vom 18. Februar 2014 [SHEV, SHR 850.111]). Die Zielsetzung dürfte unter anderem ebenfalls darin liegen, eine Ausreise der betroffenen Personen zu fördern.

Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, dass diese Zielsetzung in seinem Fall fehl geht, weil ihm von den Strafverfolgungsbehörden einstweilen bis 9. Oktober 2014 verboten wurde, die Schweiz zu verlassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihm ungeachtet des klaren Wortlauts der gesetzlichen Bestimmungen ordentliche Sozialhilfe zu gewähren wäre. Unabhängig von der genannten Zielsetzung ist

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bei Fehlen einer Aufenthaltsbewilligung in der Regel zu erwarten, dass die betroffene Person nicht längerfristig in der Schweiz verbleibt. In einem solchen Fall besteht kein Integrationsbedürfnis, und es müssen keine dauerhaften sozialen Kontakte garantiert werden, so dass Nothilfe im Sinn einer Überbrückungshilfe ausreichend ist. Die Kantone sind in der Ausgestaltung der Hilfe frei, soweit sie sich an den in Art. 12 BV verankerten Mindeststandard halten (Lucien Müller, in: Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender, Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. A., Zürich/St. Gallen 2014, Art. 12 N. 9 S. 330,

N. 25 S. 335, N. 27 f. S. 336 f.). Insoweit ist es auch zulässig, bei Personen ohne Aufenthaltsbewilligung unabhängig vom Grund des weiteren Verbleibs in der Schweiz nur Nothilfe auszurichten, wie es in Art. 25 Abs. 5 SHEG vorgesehen ist. Auch im Fall des Beschwerdeführers ist obwohl er einstweilen verpflichtet ist, hier zu bleiben kein längerfristiger Verbleib in der Schweiz zu erwarten. Mit dem Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Thurgau vom 11. April 2014 sollte lediglich sichergestellt werden, dass er nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft für das gerichtliche Strafverfahren anwesend ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass ihm nur Nothilfe ausgerichtet wird.

Der Beschwerdeführer macht sodann sinngemäss geltend, die Migrationsbehörden verweigerten ihm zu Unrecht eine Kurzaufenthaltsbewilligung. Wie aus § 17 Abs. 2 SHEV ersichtlich wird, ist dies jedoch nicht von Bedeutung. Gemäss dieser Bestimmung ist bei der Umstellung auf Nothilfe eine allfällige Ergreifung eines Rechtsmittels gegen einen negativen Aufenthaltsentscheid nicht zu berücksichtigen. Dies zeigt, dass die Sozialhilfebehörden vor Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids der Migrationsbehörden nicht vorfrageweise abzuklären haben, ob eine Aufenthaltsbewilligung zu Recht verweigert bzw. nicht erneuert wurde, sondern bei der Bemessung der Hilfe ohne weiteres auf den aktuellen ausländerrechtlichen Status der betroffenen Person abzustellen haben. Dies rechtfertigt sich gerade auch deshalb, weil die Migrationsbehörden bei der Erteilung von Bewilligungen häufig so auch bei der vom Beschwerdeführer angestrebten Kurzaufenthaltsbewilligung nach Art. 30 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 (AuG, SR 142.20) i.V.m. Art. 32 Abs. 1 lit. d der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE, SR 142.201) einen Ermessensspielraum haben.

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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