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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2010/38: Obergericht

Der Beschuldigte A. wurde vom Bezirksgericht Zürich wegen übler Nachrede schuldig gesprochen, jedoch in einem Teil des Verfahrens freigesprochen. Er legte Berufung ein, die schliesslich zur Rückweisung des Falls an die Vorinstanz führte, da er im erstinstanzlichen Verfahren nicht angemessen verteidigt war. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich der Kosten für die amtliche Verteidigung, müssen von der Gerichtskasse übernommen werden. Der amtliche Verteidiger wird mit CHF 1'488.20 entschädigt. Der Beschluss wurde am 25. September 2019 vom Obergericht des Kantons Zürich gefällt.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 60/2010/38

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 60/2010/38
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 60/2010/38 vom 17.06.2011 (SH)
Datum:17.06.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 5, Art. 8 und Art. 9 BV; Art. 26 BGO Hemishofen. Rückwirkungsverbot
Schlagwörter : Rückwirkung; Recht; Gemeinde; Verwaltung; Inkraftsetzung; Baubewilligung; Regierungsrat; Gebühren; Anschlussgebühren; Erlasses; Genehmigung; Voraussetzungen; Beitrags; Obergericht; Erhebung; Erschliessungsbeiträge; Entscheid; Verwaltungsgerichts; Rückwirkungsverbot; Gebührenordnung; ührt
Rechtsnorm:Art. 5 BV ;Art. 8 BV ;Art. 9 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 60/2010/38

Art. 5, Art. 8 und Art. 9 BV; Art. 26 BGO Hemishofen. Rückwirkungsverbot (OGE 60/2010/38 vom 17. Juni 2011)

Veröffentlichung im Amtsbericht

Eine mässige Rückwirkung eines neuen Abgabeerlasses ist nur zulässig, wenn hiefür triftige Gründe bestehen (E. 2b aa).

Keine solchen Gründe bilden grundsätzlich die Erleichterung der Abrechung einer Jahresgebühr die Ermöglichung der Abrechnung von Anschlussgebühren nach neuem Recht in ein bis zwei Fällen (E. 2b dd).

Die Gemeinde Hemishofen beschloss am 19. Mai 2010 eine neue Beitragsund Gebührenordnung im Bereich der Erschliessungsabgaben und Baubewilligungsgebühren, welche gemäss Art. 26 des Erlasses rückwirkend auf den 1. Januar 2010 in Kraft treten sollte. Der Regierungsrat lehnte in seinem Genehmigungsentscheid eine rückwirkende Inkraftsetzung ab und ordnete an, dass die neue Abgabenordnung erst mit der Erteilung seiner Genehmigung in Kraft trete. Das Obergericht wies eine von der Gemeinde hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2.a) Der Regierungsrat hat zur Begründung des angefochtenen Entscheids, Art. 26 der Beitragsund Gebührenordnung vom 19. Mai 2010 (BGO) die Genehmigung zu verweigern, ausgeführt, eine echte Rückwirkung eines Erlasses könne nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen angeordnet werden, wenn hiefür triftige Gründe bestünden. Solche Gründe seien von der Gemeinde nicht genannt worden. Fiskalische Gründe vermöchten zum vorneherein nicht zu genügen. Überdies dürfe eine Rückwirkung zeitlich nur sehr mässig sein, was vorliegend nicht der Fall sei, da die Rückwirkung seit dem konstitutiv wirkenden regierungsrätlichen Genehmigungsentscheid über sieben Monate betrage.

Die Gemeinde bringt dagegen in ihrer Beschwerdeschrift vor, es bestünden triftige Gründe für eine rückwirkende Inkraftsetzung der BGO, da die Einzonung verschiedener grösserer Grundstücke eine Revision der bestehenden Abgabevorschriften habe als dringend notwendig erscheinen lassen und sichergestellt werden müssen, dass alle Zuzüger gleich behandelt werden. Die

vorgesehene mässige Rückwirkung der BGO betreffe nur einen einzelnen Grundeigentümer, der mit der rückwirkenden Inkraftsetzung einverstanden sei. Die BGO sei im Übrigen durch die kantonale Verwaltung vorgeprüft worden und der zuständige Sachbearbeiter des Rechtsdiensts des Baudepartements habe zugesichert, die Anordnung einer Rückwirkung von viereinhalb Monaten ab dem Datum der Gemeindeversammlung sei zulässig und vertretbar, auf welche Auskunft die Gemeinde vertraut habe.

  1. aa) Art. 26 BGO sieht vor, dass die neue Beitragsund Gebührenordnung, welche die Grundlage für die Erhebung von Baubewilligungsund Verwaltungsgebühren sowie von Erschliessungsbeiträgen, Anschlussgebühren und wiederkehrenden Gebühren zur Finanzierung der öffentlichen Erschliessungsanlagen bildet, nach der Genehmigung durch die Gemeindeversammlung und die zuständige Instanz des Kantons Schaffhausen1 rückwirkend per 1. Januar 2010 in Kraft tritt. Eine solche sogenannte echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig, da niemandem Verpflichtungen auferlegt werden sollen, die sich aus Normen ergeben, welche ihm zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts noch nicht bekannt sein konnten. Dies ergibt sich aus dem vom Rechtsstaatsprinzip (Art. 5 BV2) abgeleiteten Grundsatz der Rechtssicherheit, aus dem Gebot der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) und dem Vertrauensschutzprinzip (Art. 9 BV). Ausnahmsweise ist gemäss der bundesgerichtlichen Praxis eine echte Rückwirkung eines Erlasses aber zulässig, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Die Rückwirkung muss ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt und zeitlich mässig sein. Sie muss durch triftige Gründe gerechtfertigt sein, darf keine stossenden Rechtsungleichheiten und keinen Eingriff in wohlerworbene Rechte bewirken.3

    bb) Die Beschwerdeführerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung zunächst auf einen Vertrauensschutztatbestand, indem der zuständige Sachbearbeiter des Rechtsdienstes des Baudepartements im Rahmen der Vorprüfung der BGO die vorgesehene Rückwirkung als zulässig beurteilt habe, auf welche Auskunft die Gemeinde vertraut habe. Der Regierungsrat hat im

    1. Vgl. dazu Art. 76 Abs. 6 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht im Kanton Schaffhausen vom 1. Dezember 1997 (Baugesetz, BauG, SHR 700.100) und Art. 19 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gewässerschutzgesetz vom 27. August 2001 (EG GSchG, SHR 814.200).

    2. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101).

    3. Vgl. dazu Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. A., Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 329 ff., S. 71 f., sowie Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. A., Bern 2009, § 24 Rz. 21 ff., S. 191 ff., und Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt am Main 1990, S. 47 ff., je mit weiteren Hinweisen.

      Verfahren vor Obergericht jedoch darauf hingewiesen, dass in dem zur Vorprüfung unterbreiteten Entwurf der BGO noch keine Rückwirkung vorgesehen war. Das Thema einer möglichen Rückwirkung sei erst später im Rahmen einer telefonischen Besprechung des Gemeindepräsidenten mit dem erwähnten Sachbearbeiter des Rechtsdienstes des Baudepartements erörtert worden, wobei Letzterer auf die Möglichkeit einer rückwirkenden Inkraftsetzung und die entsprechenden Voraussetzungen hingewiesen, aber keine konkrete Zusicherung gemacht habe. Diese Darstellung deckt sich grundsätzlich auch mit den eingeholten zusätzlichen Auskünften der Beschwerdeführerin, weshalb jedenfalls nicht von einem eigentlichen Vertrauensschutztatbestand ausgegangen werden kann. Im Übrigen hat der Regierungsrat zu Recht festgehalten, dass der Vertrauensgrundsatz zwar grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen Gemeinwesen gilt, aber nicht dazu führen kann, dass verfassungsrechtlich begründete Ansprüche Privater (hier das zugunsten der Abgabepflichtigen bestehende Rückwirkungsverbot) eingeschränkt werden darf. Zu prüfen ist daher lediglich, ob die Voraussetzungen gegeben sind, welche aufgrund der bundesgerichtlichen Praxis ausnahmsweise eine rückwirkende Inkraftsetzung eines Erlasses rechtfertigen.

      cc) Der Regierungsrat hat im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens geltend gemacht, die Beschwerdeführerin vermöge als Begründung für eine rückwirkende Inkraftsetzung der BGO lediglich die Erhebung von Erschliessungsbeiträgen für ein im September/Oktober 2009 fertig erstelltes Erschliessungsbauwerk (neue Strasse mit Erschliessungsleitungen) zu nennen. Eine Rückwirkung der BGO auf den 1. Januar 2010 bringe unter diesen Umständen für die Beschwerdeführerin aber gar keinen Vorteil. Soweit mit der erwähnten Fertigstellung des Erschliessungsbauwerkes nämlich ein abschliessender Abgabetatbestand geschaffen worden sei, müsse aufgrund dieser zeitlichen Verhältnisse jedenfalls das alte Recht angewandt werden. Was die Erschliessungsbeiträge betreffe, könne aber nach der Rechtsprechung in anderen Kantonen eventuell von einem andauernden Erschliessungsvorteil ausgegangen werden, was eine spätere Beitragserhebung nach den neuen Grundsätzen allenfalls noch ermöglichen würde (sogenannte unechte Rückwirkung). Im Übrigen habe sich die Beschwerdeführerin im erwähnten Fall nach eigenen Angaben mit der Grundeigentümerin auf die An-

      wendung der neuen Vorschriften geeinigt.4

      Diese Ausführungen sind was die eigentliche (echte) Rückwirkung anbetrifft zutreffend und überzeugend. Allerdings hat die Beschwerdeführerin

    4. Vgl. Vernehmlassung mit Hinweis auf den Entscheid Nr. 65004103 des Steuerund Enteignungsgerichts Baselland vom 6. September 2004; vgl. zu den Voraussetzungen und zum Verfahren der Erhebung von Erschliessungsbeiträgen nun aber auch Art. 8 ff. BGO.

      auf die Rückfragen des Obergerichts hin ausgeführt, es gehe nicht nur um die von der Grundeigentümerin A. zu bezahlenden Beiträge für das fragliche Erschliessungsbauwerk, sondern es seien in der fraglichen Zeit (1. Januar 2010 bis 10. August 2010) noch zwei weitere Baubewilligungen erteilt worden (an die Familien B. und C.), wobei die Bewilligungsgebühren bereits verrechnet worden seien, nicht aber die Wasserund Kanalisationsanschlussgebühren. Überdies seien auch die wiederkehrenden Kanalisations-, Abfallund Wassergebühren für das Jahr 2010 bereits nach der neuen BGO veranlagt worden.

      dd) Es stellt sich die Frage, ob diese weiteren Umstände genügende, triftige Gründe für eine rückwirkende Inkraftsetzung der BGO auf den 1. Januar 2010 darstellen. Dies ist zu verneinen, obwohl eine Rückwirkung von Abgabeerlassen in der Grössenordnung von vier bis acht Monaten noch als mässig angesehen werden kann.5 Was die beiden erwähnten Baubewilligungen anbetrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Baubewilligungsgebühren ohnehin schon abgerechnet worden sind. Noch offen sind die Wasserund Kanalisationsanschlussgebühren. Eine weitere Rückfrage des Obergerichts hat aber ergeben, dass im Fall C. die Baubewilligung noch im Jahr 2009 erteilt und die erwähnten Anschlussgebühren nach altem Recht veranlagt werden sollen. Im Fall B. ist die Baubewilligung im Juli 2010 erteilt worden, weshalb sich die Frage der Geltung des neuen Rechts nach Auffassung der Beschwerdeführerin nur in diesem Fall stellt. Zu beachten ist allerdings, dass für die Erhebung von Anschlussgebühren nicht das Datum der Baubewilligung, sondern der Zeitpunkt der Fertigstellung des Anschlusses an die Werkleitungen massgebend ist.6 So so vermögen aber ein bis zwei Neuanschlüsse in der fraglichen Zeit keinen genügenden Grund für eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot zu begründen, zumal entsprechende Anschlussgebühren auch im alten Recht vorgesehen waren und lediglich bezüglich der Bemessung Unterschiede bestehen, weshalb für eine Rückwirkung nicht zwingende Gründe der Rechtsgleichheit ins Feld geführt werden können.7 Ebenfalls vermag die Erleichterung der Abrechnung bei den wiederkehrenden Gebühren (gleicher Tarif für die ganze Jahresgebühr) keinen genügenden Grund für eine nur ausnahmsweise zulässige Rückwirkung von Abgabevorschriften zu bilden, zumal die neuen wiederkehrenden Gebühren mangels zwingender anderweitiger Gründe auch erst auf das Folgejahr hätten in Kraft gesetzt werden können.8

    5. Vgl. dazu Rhinow/Krähenmann, S. 47 f., und neuerdings den in BVR 2011, S. 220 ff., publizierten Entscheid des Berner Verwaltungsgerichts vom 23. September 2010 (E. 5.4 mit Hinweisen).

    6. Art. 17 Abs. 1 BGO.

    7. Vgl. zu diesem grundsätzlich zulässigen Motiv Häfelin/Müller/Uhlmann, Rz. 331, S. 72.

    8. Vgl. in diesem Sinn nun auch den erwähnten Entscheid des Berner Verwaltungsgerichts, E. 5.4.

  2. Zusammenfassend ergibt sich, dass der Regierungsrat eine rückwirkende Inkraftsetzung der BGO auf den 1. Januar 2010 zu Recht abgelehnt hat. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher abzuweisen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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