Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2009/27: Obergericht
Das Urteil des Bezirksgerichts Uster, Einzelgericht in Strafsachen, vom 20. Dezember 2018 wurde bestätigt. Die Beschuldigte A. wurde der fahrlässigen Körperverletzung schuldig befunden und mit einer Geldstrafe von 24 Tagessätzen zu Fr. 80.- und einer Busse von Fr. 480.- bestraft. Die Geldstrafe wird aufgeschoben, die Probezeit beträgt 2 Jahre. Bei Nichtbezahlung der Busse tritt eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen ein. Die Beschuldigte muss der Privatklägerin B. Schadenersatz in Höhe von Fr. 470.- zuzüglich Zinsen zahlen und Fr. 500.- zuzüglich Zinsen als Genugtuung. Die Gerichtskosten belaufen sich auf Fr. 1'800.-, zusätzliche Kosten sind Fr. 1'100.- für das Vorverfahren und Fr. 40.- für Auslagen der Untersuchung. Die Beschuldigte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die unentgeltliche Vertretung der Privatklägerin wird mit Fr. 6'315.80 aus der Gerichtskasse entschädigt. Gegen dieses Urteil kann innerhalb von 10 Tagen beim Bezirksgericht Uster Berufung eingelegt werden.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 60/2009/27 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 17.06.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 11 und Art. 12 USG; Art. 4 Abs. 1, Anhang 3 und Anhang 7 LRV. Luftreinhaltung; vorsorgliche Emissionsbegrenzungen beim Betrieb eines Pizzaofens |
Schlagwörter : | Emission; Massnahme; Massnahmen; Emissionsbegrenzung; Pizzaofen; Stadt; Emissionsbegrenzungen; Stadtrat; Holzfeuerung; Feinstaub; Messbericht; Kamin; Vorsorge; Massnahmenplan; Grenzwert; Umwelt; Pizzaofens; Anordnung; Regierungsrat; Betrieb; Übrigen; System; Schaffhausen; OekoTube; Anlage |
Rechtsnorm: | Art. 5 BV ; |
Referenz BGE: | 118 Ib 34; 126 II 404; |
Kommentar: | - |
Keine Veröffentlichung im Amtsbericht.
Bei einem gewerblichen Pizzaofen sind zur Minimierung des Feinstaubs und der darin enthaltenen Russpartikel im Rahmen der Vorsorge (erste Stufe der umweltrechtlichen Emissionsbegrenzungen) generell die geeigneten Massnahmen zur Einschränkung der Emissionen anzuordnen (etwa spezielle Bauund Ausrüstungsmassnahmen), auch wenn der Emissionsgrenzwert für Kohlenmonoxid eingehalten wird und die Einwirkungen auf die Umgebung noch nicht schädlich lästig sind (E. 4a, e und f).
Bei der umweltrechtlichen Vorsorge wird das Verhältnismässigkeitsprinzip durch die gesetzlichen Voraussetzungen der technischen und betrieblichen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Tragbarkeit konkretisiert. Entsprechend dem Wesen des Vorsorgeprinzips sind an die Eignung und Erforderlichkeit keine hohen Anforderungen zu stellen. Die hier in Frage stehende Anordnung des Einbaus eines elektrostatischen Filtersystems verletzt das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht (E. 4g).
Das Lastengleichheitsprinzip beschränkt sich auf verschärfte Massnahmen in lufthygienischen Belastungsgebieten (zweite Stufe der umweltrechtlichen Emissionsbegrenzungen); es gilt daher im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht. Im Übrigen hält sich die strittige Anordnung auch an den Rahmen der Massnahmen des bestehenden Massnahmenplans (E. 4h).
Am 28. März 2006 bewilligte der Stadtrat Schaffhausen der X. AG den Einbau eines Pizzaofens in ihrem Restaurant in der Schaffhauser Altstadt. Nach Inbetriebnahme des Ofens gingen bei der städtischen Baupolizei Reklamationen aus der Nachbarschaft über Geruchsund Russimmissionen ein. In der Folge wurden verschiedene Massnahmen ergriffen (Erhöhung des Abluftkamins um 1,5 m; Verdoppelung der Filterfläche in der Russabscheidekammer). Am 26. März 2008 ersuchte Y. den Stadtrat, der X. AG die Benützung des Pizzaofens einstweilen zu verbieten und eine Wiederaufnahme des Betriebs des Pizzaofens erst wieder zu gestatten, wenn zusätzliche bauliche und betriebliche Auflagen erfüllt bzw. realisiert seien. Der Stadtrat beauftragte das kantonale Amt für Lebensmittelkontrolle und Umweltschutz mit einer lufthygienischen Beurteilung des Pizzaofens. Dieses hielt in seinem Be-
richt vom 24. Juni 2008 unter anderem fest, die Holzfeuerung und die Kaminanlage erfüllten die Vorschriften der Luftreinhalte-Verordnung und die Empfehlung der Kaminmindesthöhe, und die vorsorglichen Emissionsbegrenzungen seien eingehalten; somit würden die relevanten öffentlichrechtlichen Vorschriften zur Lufthygiene erfüllt. Eine weitere Elimination der Russpartikel aus dem Rauchgas sei mit einem elektrostatischen System (z.B. OekoTube) anderen Verfahren möglich; die Effizienz der Systeme und die Möglichkeiten einer technischen Anordnung müssten abgeklärt werden.
Am 29. Juli 2008 bestätigte der Stadtrat die Rechtmässigkeit der Baubewilligung vom 28. März 2006. In deren Ergänzung auferlegte er der X. AG unter anderem Folgendes:
2.2. Die Bauherrin wird verpflichtet, die bewilligte Anlage bis spätestens
30. November 2008 mit einem elektrostatischen System (z.B. Oekotube) zu versehen.
Einen Rekurs der X. AG gegen Ziff. 2.2 des Stadtratsbeschlusses hiess der Regierungsrat am 19. Mai 2009 gut. Eine hiegegen gerichtete Verwaltungsbeschwerde von Y. hiess das Obergericht teilweise gut; es hob den Beschluss des Regierungsrats vom 19. Mai 2009 sowie Ziff. 2.2 des Beschlusses des Stadtrats vom 29. Juli 2008 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinn der Erwägungen an den Stadtrat zurück.
Aus den Erwägungen:
4.- a) Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen und Strahlen werden durch Massnahmen bei der Quelle begrenzt (Emissionsbegrenzungen; Art. 11 Abs. 1 USG1). Dafür sieht das Gesetz ein zweistufiges Konzept vor. Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG). Die Emissionsbegrenzungen werden verschärft, wenn feststeht zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich lästig werden (Art. 11 Abs. 3 USG).
Gemäss Art. 12 USG werden Emissionen unter anderem eingeschränkt durch den Erlass von Emissionsgrenzwerten, Bauund Ausrüstungsvorschriften Verkehrsoder Betriebsvorschriften (Abs. 1 lit. a-c). Begrenzungen werden durch Verordnungen oder, soweit diese nichts vorsehen, durch un-
Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (Umweltschutzgesetz, USG, SR 814.01).
mittelbar auf dieses Gesetz abgestützte Verfügungen vorgeschrieben (Abs. 2). Für die Beurteilung der schädlichen lästigen Einwirkungen legt der Bundesrat durch Verordnung Immissionsgrenzwerte fest (Art. 13 Abs. 1 USG). Diese gelten am Ort des Einwirkens (vgl. Art. 7 Abs. 2 USG) und bilden den Massstab für die Beurteilung, ob die vorsorglichen Emissionsbegrenzungen nach Art. 11 Abs. 2 USG genügen.2 Die vorsorglichen Emissionsbegrenzungen sind aber grundsätzlich immer anwendbar, also auch da, wo die aus den Emissionen resultierenden Immissionen unter der kritischen Schwelle der Schädlichkeit bzw. Lästigkeit liegen.3
Steht fest ist zu erwarten, dass schädliche lästige Einwirkungen von Luftverunreinigungen durch mehrere Quellen verursacht werden, so erstellt die zuständige Behörde einen Plan der Massnahmen, die zur Verminderung Beseitigung dieser Einwirkungen innert angesetzter Frist beitragen (Art. 44a Abs. 1 USG). Die Behörde erstellt einen Massnahmenplan, wenn feststeht zu erwarten ist, dass trotz vorsorglicher Emissionsbegrenzungen übermässige Immissionen verursacht werden durch eine Verkehrsanlage mehrere stationäre Anlagen (Art. 31 LRV4). Der Massnahmenplan stellt ein Koordinationsinstrument dar, um in komplexen Situationen aus einer Gesamtbetrachtung heraus die geeigneten und verhältnismässigen Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität auszuwählen und anzuordnen. Bei der Sanierung mehrerer stationärer Anlagen ermöglicht er es insbesondere, alle Emittenten rechtsgleich zu behandeln und zu einem anteilsmässigen Beitrag zur Verbesserung der Situation anzuhalten.5
b) Für den Bereich Lufthygiene hat der Bundesrat die vorsorgliche Emissionsbegrenzung und die höchstzulässige Belastung der Luft (Immissionsgrenzwerte) sowie das Vorgehen für den Fall, dass die Immissionen übermässig sind, in der Luftreinhalte-Verordnung geregelt. Diese legt unter anderem allgemeine vorsorgliche Emissionsbegrenzungen für bestimmte Stoffe bzw. Stoffgruppen (Anhang 1), ergänzende und abweichende vorsorgliche Emissionsbegrenzungen für Feuerungsanlagen (Anhang 3) sowie Immissionsgrenzwerte fest (Anhang 7). Mit der Festlegung der Emissionsgrenzwerte ist verbindlich bestimmt, welche Emissionsbegrenzungen generell als verhältnismässig und im Speziellen als wirtschaftlich tragbar anzusehen sind.6 Soweit die Anhänge zur Luftreinhalte-Verordnung Emissionsgrenz-
Vgl. Schrade/Loretan in: Vereinigung für Umweltrecht/Helen Keller (Hrsg.), Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. A., Zürich/Basel/Genf 1998 ff., Art. 11 N. 4, S. 4.
Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, Zürich/Basel/Genf 2004, S. 63, Rz. 180.
Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV, SR 814.318.142.1).
BGE 118 Ib 34 E. 5d mit Hinweisen.
Schrade/Loretan, Art. 11 N. 34b, S. 28, mit Hinweisen.
werte enthalten, dürfen daher im reinen Vorsorgebereich auch dann keine weitergehenden andersartigen Emissionsbegrenzungen angeordnet werden, wenn dies im Einzelfall technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar wäre.7
Bei Holzfeuerungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung bis 70 kW
zu denen auch der fragliche Pizzaofen gehört8 gilt unter anderem für Kohlenmonoxid (CO) bei der Verwendung von naturbelassenem Holz ein Emis-
sionsgrenzwert von 4'000 mg/m3 (Anhang 3 LRV, Ziff. 522 Abs. 1). Generell
besteht zudem für Feinstaub (Schwebestaub, PM10) worunter auch Russpartikel aus Verbrennungsprozessen fallen9 ein Immissionsgrenzwert von 20 µg/m3 als Jahresmittelwert und von 50 µg/m3 als 24-Stunden-Mittelwert, der höchstens einmal im Jahr überschritten werden darf (Anhang 7 LRV). Ein spezifischer Emissionsgrenzwert für Feinstaub bzw. die darin enthaltenen Russpartikel besteht bei kleineren Holzfeuerungsanlagen jedoch nicht.
Der Kanton Schaffhausen ist sodann worauf der Regierungsrat zutreffend hingewiesen hat ein Massnahmenplangebiet. Aus dem 2007 erstellten Massnahmenplan10 ergibt sich unter anderem, dass die Feinstaubbelastung im verkehrsexponierten Gebiet im Bereich der Altstadt Schaffhausen, wo sich auch der fragliche Pizzaofen befindet, im Bereich des Immissionsgrenzwerts liegt.11 Beim Feinstaub haben im Übrigen die Russemissionen aus dem Verkehr, aus der Industrie und aus den Holzfeuerungen eine besondere lufthygienische Relevanz.12
Der Beschwerdeführer hat sich im seinerzeitigen Gesuch auf unzumutbare Rauch-, Staubund Geruchsimmissionen berufen; Tische und Stühle auf seiner Dachterrasse bei offenem Fenster auch die Möbel in der Wohnung seien praktisch täglich mit einer fettigen Russschicht überzogen. Nach seiner Auffassung besteht kein Zweifel daran, dass der Pizzaofen der privaten Beschwerdegegnerin Quelle der beanstandeten Immissionen sei.
Alain Griffel, Die Grundprinzipien des schweizerischen Umweltrechts, Zürich 2001, S. 83, Rz. 100, mit Hinweisen, insbesondere auf BGE 126 II 404 E. 3c und Schrade/Loretan, Art. 12 N. 41, S. 23.
Feuerungswärmeleistung von ca. 10 kW; vgl. den vom Ingenieurbüro X. erstellten Messbericht vom 18. Februar 2009, Messung vom 18. Dezember 2008, Anhang (nach S. 9).
Massnahmenplan Lufthygiene 2006/2007 des Departements des Innern des Kantons Schaffhausen, Luftreinhalte-Massnahmen und Luftreinhaltepolitik des Kantons Schaffhausen bis 2015 (www.interkantlab.ch/fileadmin/filesharing/dokumente/Formulare/Massnahmenpla n_ Lufthygiene_2006_2007.pdf), S. 12 oben, Ziff. 3.1.2.
Vgl. Fn. 9.
Vgl. Massnahmenplan (Fn. 9), S. 4, Ziff. 2.1, S. 11, Ziff. 3.1.2.
Massnahmenplan (Fn. 9), S. 12, Ziff. 3.1.2.
Wenn der rechtserhebliche Sachverhalt strittig sei, sei er von Amts wegen abzuklären.
Die private Beschwerdegegnerin macht geltend, ihr Pizzaofen sei nicht die Ursache der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Russimmissionen. Der beweispflichtige Beschwerdeführer habe das bisher jedenfalls nie bewiesen. Die Herkunft der angeblichen Immissionen und die Zusammensetzung des angeblich abgelagerten Russes seien noch nie untersucht worden.
Der Stadtrat geht dagegen davon aus, dass die Russablagerungen auf dem Dach des Beschwerdeführers vom Betrieb des Pizzaofens verursacht würden. Dieser Schluss sei gerechtfertigt, weil die private Beschwerdegegnerin den Sachverhalt zunächst nie bestritten und ihn auch weitere Nachbarn bestätigt hätten. Aus Sicht des Stadtrats sei der Sachverhalt damit erstellt; die Rekursinstanz habe ihn aber gegebenenfalls von Amts wegen festzustellen.
Das Amt für Lebensmittelkontrolle und Umweltschutz (ALU13) führte am 17. und 20. Juni 2008 Augenscheine und Besprechungen mit den Parteien durch und erstellte hierauf einen Bericht.
Zur Frage der Emissionen hielt das ALU unter anderem fest, die Holzfeuerung und die Kaminanlage erfüllten die Vorschriften der LuftreinhalteVerordnung und die Empfehlung der Kaminmindesthöhe. Die vorsorglichen Emissionsbegrenzungen seien eingehalten; somit würden die relevanten öffentlichrechtlichen Vorschriften zur Lufthygiene erfüllt. Beim Betrieb des Pizzaofens sei darauf zu achten, dass der Kaminzug des angeschlossenen Fleischgrills geschlossen sei; dieser dürfe nur geöffnet werden, wenn der Grill beheizt werde. Eine weitere Elimination der Russpartikel aus dem Rauchgas sei mit einem elektrostatischen System (z.B. OekoTube) anderen Verfahren möglich; die Effizienz der Systeme und die Möglichkeiten einer technischen Anordnung müssten abgeklärt werden.
Zu den strittigen Rauchimmissionen stellte das ALU beim zweiten Augenschein fest, die höher gelegene, ca. 30 m vom Kamin entfernte Attikawohnung des Beschwerdeführers könne bei mittlerem turbulenten Wind und entsprechender Windrichtung in den Einwirkungsbereich der Rauchgasfahne gelangen. In der Beurteilung hielt es jedoch fest, der Nachweis, dass die staubigen Ablagerungen auf dem Balkon und in der Wohnung des Beschwerdeführers aus der Holzfeuerung des Pizzaofens stammten, sei bisher nicht erbracht worden und sei auch nicht einfach zu erbringen.
Bei Feuerungen mit einer Feuerungswärmeleistung bis 70 kW gilt der Emissionsgrenzwert für Kohlenmonoxid in der Regel als eingehalten, wenn
Heute: Interkantonales Labor.
feststeht, dass die Anlage bezüglich Brennstoff und Anlagebedienung nach den Weisungen des Herstellers betrieben wird. Bei Verdacht auf übermässige Rauchoder Geruchsimmissionen kann die Behörde ergänzend eine Kohlenmonoxid-Messung veranlassen (Anhang 3 LRV, Ziff. 512).
Das ALU hat gemäss seinem Bericht keine Emissionsmessungen vorgenommen veranlasst. Seine Beurteilung, dass die vorsorglichen Emissionsbegrenzungen eingehalten seien, beruht demnach nicht auf dem Ergebnis einer Kontrollmessung, sondern auf der Feststellung, dass die einschlägigen Bau-, Ausrüstungsund Betriebsvorschriften grundsätzlich erfüllt seien. Es ging somit der Behauptung des Beschwerdeführers, es würden insbesondere in dessen Wohnung übermässige Rauchoder Geruchsimmissionen bewirkt, nicht näher nach. Dies ist wie noch zu zeigen ist letztlich auch nicht entscheidend.
Die private Beschwerdegegnerin hat während des regierungsrätlichen Rekursverfahrens an einer Projektstudie für Messungen von Holzfeuerungsanlagen unter 70 kW teilgenommen. Wegen des herrschenden Untersuchungsgrundsatzes können die bei dieser Studie getroffenen Feststellungen, insbesondere auch das Messergebnis, grundsätzlich auch im vorliegenden Fall berücksichtigt werden.
Im Messbericht vom 18. Februar 2009 wird darauf hingewiesen, dass bei Holzfeuerungen nahezu die gesamte Staubmenge in Form von PM10 emittiert werde. Dafür gälten bei Holzfeuerungen unter 70 kW mit naturbelassenem Holz keine Grenzwerte. Solche Anlagen würden allein aufgrund der Grenzwerte für CO beurteilt. Weil in der Regel bei hohem CO - das bei unvollständig verlaufender Verbrennung entstehe auch die Konzentration von anderen Schadstoffen wie Kohlenwasserstoff (verantwortlich für Geruchsemissionen) und Feinstaub hoch sei, sollten tiefe CO-Konzentrationen angestrebt werden. CO gelte daher als Leitsubstanz für die Beurteilung von Stückholzfeuerungen. Gemäss dem aktuellen Vorschlag der Arbeitsgruppe des Cercl'Air14 für die Messempfehlung bei Wohnraumfeuerungen15 müsse bei Reklamationen in der Regel eine Überschreitung des CO-Grenzwerts von maximal 15 Minuten pro Abbrand toleriert werden. In Gebieten mit heiklen Emissionslagen (städtische Gebiete) wie im vorliegenden Fall könne die tolerierte Überschreitungszeit verkürzt werden. Aufgrund der hier vorgenommenen Messung wurde der CO-Grenzwert von 4'000 mg/m3 nach dem (einmaligen) Nachlegen während 18,1 Minuten überschritten.16 Das lag - ungeachtet der spezifischen Emis-
Schweizerische Gesellschaft der Lufthygiene-Fachleute.
Vorschlag zur Messempfehlung der LRV von Holzfeuerungen bis 70 kW, Abnahmekontrollen Erstmessung von Wohnraumfeuerungen (Version 20. Oktober 2008).
Messbericht (Fn. 8), S. 3 f., Ziff. 1, S. 6 f., Ziff. 4.1 und Zusammenfassung.
sionslage im fraglichen Gebiet - über dem gemäss Messempfehlung zu tolerierenden Zeitraum, und zwar um rund 20 % und damit nicht nur geringfügig. Das Ingenieurbüro gab gewisse Empfehlungen zum Betrieb des Pizzaofens und hielt fest, falls mit den vorgeschlagenen Massnahmen kein emissionsarmer Betrieb erreicht werden könne, sollte der Einbau eines geeigneten Filtersystems in Erwägung gezogen werden.17
Während des obergerichtlichen Beschwerdeverfahrens liess die private Beschwerdegegnerin eine weitere Messung durchführen. Im Messbericht vom
24. August 2009 wird festgehalten, dass während der Erstbeschickung (Anfeuern) und dem Schüren der Glut der CO-Grenzwert während 16,9 Minuten überschritten worden sei. Während fünfmaligem Nachlegen eines Scheits und
korrektem Platzieren auf das Glutbett sei der CO-Grenzwert während
17,8 Minuten überschritten worden. Die gesamte Überschreitungszeit für Erstbeschickung, Schüren und fünfmaliges korrektes Nachlegen (total sechs Abbrände) habe 34,7 Minuten betragen. Pro Abbrand betrage die Überschreitung somit 5,8 Minuten. Die tolerierte Überschreitungszeit von 15 Minuten werde damit deutlich unterschritten. Das Ingenieurbüro gab aufgrund seiner neuen Feststellungen verschiedene Empfehlungen zum Betrieb des Pizzaofens ab.18
Der Beschwerdeführer erachtet es als unhaltbar, jeden einzelnen Nachlegevorgang als eigenen Abbrand mit eigener Toleranz-Überschreitungszeit zu betrachten. Diese Betrachtungsweise ist denn auch insoweit problematisch, als so im vorliegenden Fall eine Überschreitung des CO-Grenzwerts während insgesamt 34,7 Minuten innerhalb eines Kontrollzeitraums von rund 3½ Stunden19 noch zu tolerieren wäre. Angesichts dessen, dass im Verlauf eines Tages rund 20-mal nachgelegt wird20, ergäbe dies nur schon mit dem eruierten Mittelwert einen Zeitraum von insgesamt rund zwei Stunden, in welchem der Grenzwert überschritten würde; zu tolerieren wäre noch weit mehr. Das mit der Kontrolle beauftragte Ingenieurbüro hat im Übrigen im Zusammenhang mit der Überschreitungsdauer von maximal 15 Minuten pro Abbrand erklärt, als Abbruchkriterium werde die letztmalige Überschreitung der CO-
Messbericht (Fn. 8), S. 8, Ziff. 5.
Vom Ingenieurbüro erstellter Messbericht Pizzaofen vom 24. August 2009, Messung vom 17. August 2009, S. 6 f., Ziff. 4.1, S. 9 f., Zusammenfassung und Ziff. 5.
Ab Anfeuern bis zum Ausbrand nach Schüren der Glut und fünfmaligem Nachlegen (einschliesslich eines nicht gewerteten Versuchs mit nur halb geöffneter Kaminklappe und des ebenfalls nicht gewerteten Ausbrands selber, in welchen Phasen der CO-Grenzwert ebenfalls überschritten wurde); vgl. zum Ablauf Messbericht vom 24. August 2009 (Fn. 18), Kommentare und Graphik im Anhang.
Messbericht vom 18. Februar 2009 (Fn. 8), S. 6, Ziff. 4.1.
Konzentration im Ausbrand verwendet.21 In den allgemeinen Hinweisen zur Durchführung hat es sodann erklärt, die Messungen würden mit dem Anzünden gestartet und über den ganzen Abbrand aufgezeichnet und die COMittelwerte über den ganzen Abbrand ermittelt (Abbruchkriterium im Ausbrand: bestimmter CO2-Gehalt).22 Das könnte entsprechend der Auffassung des Beschwerdeführers nahelegen, dass der einzelne (ganze) Abbrand nach dem Anzünden ungeachtet des zwischenzeitlichen Nachlegens erst mit dem Ausbrand endet.
Diese Fachfrage kann aber letztlich offenbleiben. Zum einen handelt es sich bei der fragliche Messempfehlung um einen blossen Vorschlag. Zum andern bezieht sie sich auf Wohnfeuerungen, während es hier um einen gewerbsmässig, täglich über das ganze Jahr betriebenen Backofen geht, nicht um eine Wohnfeuerung. Das Ingenieurbüro schlägt daher im Rahmen einer Anpassung vor, gewisse Messintervalle nicht zu berücksichtigen, etwa die heikle Phase, in welcher die Glut zur Seite geschürt wird bei welchem Vorgang der CO-Grenzwert mit der heutigen Technik vermutlich nicht eingehalten werden könne - und den Ausbrand.23 Das zeigt, dass die Messempfehlung, auch was die Toleranz betrifft, jedenfalls nicht undifferenziert angewendet werden kann. Wenn aber die private Beschwerdegegnerin aufgrund des Umstands, dass für Pizzaöfen keine Messempfehlung auch nur ein Entwurf dafür besteht, erklärt, es stehe rechtlich nicht fest, ob ein Pizzaofen überhaupt eine Holzfeuerung im Sinn der Luftreinhalte-Verordnung darstelle, kann dem nicht gefolgt werden. Die Emissionsbegrenzungen der LRV gelten generell für Feuerungsanlagen, insbesondere auch für diejenigen, die wie ein Pizzaofen - Prozesswärme erzeugen (Anhang 3 LRV, Ziff. 1 Abs. 1
lit. b). Werden diese mit Holz betrieben, handelt es sich um Holzfeuerungen im Sinn der Luftreinhalte-Verordnung (vgl. Anhang 3 LRV, Ziff. 21 i.V.m. Ziff. 52). Ob sie der Wohnfeuerung gewerblichen Zwecken dienen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
Im Messbericht vom 24. August 2009 wurde im Übrigen auch die Phase nach dem ersten Ausbrand nicht berücksichtigt, in welcher ein anderer Pizzaiolo jeweils zwei Scheiter gleichzeitig nachgelegt und teilweise neben dem Glutbett platziert hatte. Beim Nachlegen in dieser Phase wurde der COGrenzwert während 28,9 Minuten zum Teil deutlich überschritten.24 Das zeigt, dass die Emission von Kohlenmonoxid wesentlich auch vom Vorgehen
Messberichte vom 18. Februar 2009 (Fn. 8) und 24. August 2009 (Fn. 18), je S. 6, Ziff. 4.1.
Messberichte vom 18. Februar 2009 (Fn. 8) und 24. August 2009 (Fn. 18), je S. 4, Ziff. 2.
Messbericht vom 24. August 2009 (Fn. 18), S. 7, Ziff. 4.2.
Messbericht vom 24. August 2009 (Fn. 18), S. 8, Messintervalle 17 und 18, sowie Graphik im Anhang; vgl. auch S. 7, Ziff. 4.1.
des Personals abhängt. Die unbestrittene Auflage 2.1 im Beschluss des Stadtrats vom 29. Juli 2008 und die Empfehlungen im Messbericht vom 18. Februar 2009 verhinderten aber nicht, dass weiterhin gewisse Vorgehensweisen festzustellen waren, die sich nachteilig auf die Emissionen auswirkten. Vielmehr enthält der Messbericht vom 24. August 2009 noch weitergehende Empfehlungen als derjenige vom 18. Februar 2009. Daher kann jedenfalls nicht ohne weiteres gesagt werden, es stehe fest, dass der Pizzaofen bezüglich Brennstoff und Anlagebedienung jederzeit vorschriftsgemäss betrieben werde. Schon der Regierungsrat hat festgestellt, dass die Einhaltung des vorsorglichen Emissionsgrenzwerts für Kohlenmonoxid nicht in jeder Betriebsphase garantiert sei. Aufgrund der von ihm in diesem Zusammenhang angesprochenen, mit Blick auf das Verhältnismässigkeitsgebot zunächst verlangten zweiten Messung hat sich das letztlich nicht geändert.
In dieser Situation kann zur Beurteilung der strittigen Russbzw. Feinstaubemissionen und -immissionen nicht unbesehen auf das Ergebnis der punktuellen CO-Messungen abgestellt werden, auch wenn Kohlenmonoxid als Leitsubstanz für die Beurteilung von Stückholzfeuerungen gelten mag und der CO-Emissionsgrenzwert unter Berücksichtigung der einschlägigen Toleranzen bei der zweiten Messung tatsächlich eingehalten worden sein sollte, obwohl er im Kontrollzeitraum faktisch mehrfach überschritten wurde.
Für Feinstaub besteht wie erwähnt bei Holzfeuerungen bis 70 kW und damit auch für den fraglichen Pizzaofen kein Emissionsgrenzwert. Daher sind zur Minimierung des Feinstaubs grundsätzlich auch im Rahmen der blossen Vorsorge andersartige Emissionsbegrenzungen anzuordnen, soweit dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist; dies ungeachtet dessen, ob vom Betrieb der Anlage schädliche lästige bzw. übermässige Einwirkungen zu erwarten sind. Zulässig ist etwa die Anordnung spezieller Bauund Ausrüstungsmassnahmen, und zwar mangels entsprechender generell-abstrakter Bestimmungen mit Verfügung im Einzelfall.25 Dies
wird für den Bereich der Lufthygiene in Art. 4 Abs. 1 LRV bestätigt.
Soweit es um die blosse Vorsorge geht, ist demnach insbesondere auch nicht entscheidend, ob die behaupteten Russablagerungen bei und in der Attikawohnung des Beschwerdeführers tatsächlich auf den Betrieb des Pizzaofens der privaten Beschwerdegegnerin zurückzuführen seien. Letztlich genügt für die Rüge mangelnder Vorsorgemassnahmen die für die Beschwerdebefugnis massgebende besondere Beziehungsnähe des Beschwerdeführers als Nachbar und die damit verbundene erhöhte Gefahr von Immissionen, wie sie das ALU mit dem Hinweis auf den Einwirkungsbereich der Rauchfahne ebenfalls fest-
Vgl. oben, lit. a und b.
gestellt hat.26 Die besondere Betroffenheit des Beschwerdeführers zeigt sich im Übrigen auch im Hinweis des Regierungsrats, dass Indizien für die (Mit-) Verursachung der Russimmissionen durch den Pizzaofen bestünden. Daher bedarf es in diesem Zusammenhang keiner zusätzlichen Beweiserhebung.
Der Regierungsrat ist der Auffassung, der Beschluss des Stadtrats vom 29. Juli 2008 verletze das Verhältnismässigkeitsprinzip.
Soweit der Regierungsrat dabei erklärt, weitere Massnahmen seien erst anzuordnen, wenn feststehe, dass damit das Ziel der Einhaltung der vorsorglichen Grenzwerte nicht erreicht werde, kann das jedenfalls für die Feinstaubemissionen, für die kein solcher Grenzwert besteht, nicht gelten. Wenn er sodann festhält, die zu wählende mildeste Massnahme zur Erreichung des Ziels sei vorliegend die Verpflichtung zur Ausschöpfung aller betriebsseitigen Optimierungsmöglichkeiten, so ist dem wie der Beschwerdeführer zutreffend geltend macht entgegenzuhalten, dass er die private Beschwerdegegnerin im angefochtenen Entscheid nicht zur entsprechenden Ausschöpfung verpflichtet hat, etwa mit zusätzlicher formeller Auflage zur Umsetzung der von ihm angesprochenen Empfehlungen des kontrollierenden Ingenieurbüros. Im Übrigen stellt grundsätzlich auch der Einbau eines elektrostatischen Systems eine betriebsseitige Optimierungsmöglichkeit zur Emissionsbegrenzung dar.
Nach dem verfassungsmässigen Gebot der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV27) muss eine staatliche Massnahme geeignet und erforderlich sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen; sie darf grundsätzlich nicht weiter weniger weit gehen als nötig. Die angestrebte Wirkung darf sodann nicht in einem Missverhältnis zu anderen zu beachtenden Interessen stehen; zwischen Eingriffszweck und Eingriffswirkung muss ein angemessenes Verhältnis gewahrt bleiben, und der Eingriff muss für den Betroffenen zumutbar sein.28 Das gilt grundsätzlich auch hier. Im Rahmen der Vorsorge nach Art. 11 Abs. 2 USG wird jedoch das Verhältnismässigkeitsprinzip durch die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen der technischen und betrieblichen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Tragbarkeit konkretisiert.29 Insbesondere ist die wirtschaftliche Tragbarkeit als Konkretisierung der Zumutbarkeit von vorsorglichen Emissionsbegrenzungen zu verstehen.30 Es entspricht sodann
Oben, lit. d.
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101).
Yvo Hangartner in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Hrsg.), Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. A., St. Gallen/Zürich/Basel/Genf 2008, Art. 5 Rz. 36 ff.,
S. 118 f.; Schrade/Loretan, Art. 11 N. 35, S. 29.
Botschaft zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) vom 31. Oktober 1979, BBl 1979 III 778.
Schrade/Loretan, Art. 11 N. 35, S. 29.
dem Charakteristikum des Vorsorgeprinzips, dass die Vorsorgemassnahmen so früh wie möglich getroffen werden, ungeachtet dessen, ob schon eine konkrete Gefahr für die Umwelt besteht. Durch das Vorsorgeprinzip wird daher die Schwelle für die Anordnung von Massnahmen herabgesetzt.31 An die Eignung und Erforderlichkeit dürfen somit keine hohen Anforderungen gestellt werden. Die Notwendigkeit und Wirksamkeit einer entsprechenden Massnahme muss nicht strikt nachgewiesen sein.32
Das ALU erachtete eine weitere Elimination der Russpartikel aus dem Rauchgas mit einem elektrostatischen System als möglich unter Hinweis darauf, dass die Effizienz der Systeme und die Möglichkeiten einer technischen Anordnung noch abgeklärt werden müssten. Vor Regierungsrat erklärte es noch, wenn auf den bereits sehr hohen Kamin z.B. ein OekoTube gesetzt werde, könne das möglicherweise zu Problemen mit der Sicherheit führen; auch der Aspekt der Denkmalpflege sei zu berücksichtigen. Die private Beschwerdegegnerin erklärte, die Überprüfung des Systems OekoTube mit Fachleuten habe ergeben, dass dieser grundsätzlich installiert und betrieben werden könne; damit könnte der Feinstaubausstoss reduziert werden. Ein Problem ergebe sich aus dem Umstand, dass der OekoTube für die regelmässige Wartung ein auf dem Dach montiertes Podest benötige, das nicht ohne Baubewilligung erstellt werden könnte. Das kontrollierende Ingenieurbüro hat im Übrigen ebenfalls empfohlen, gegebenenfalls ein geeignetes Filtersystem einzubauen.33
In dieser Situation ist davon auszugehen, dass die Vorsorgemassnahme gemäss Ziff. 2.2 des Stadtratsbeschlusses vom 29. Juli 2008 technisch und betrieblich möglich ist im Sinn von Art. 11 Abs. 2 USG i.V.m. Art. 4 Abs. 2 LRV, dies insbesondere auch mit Blick darauf, dass die Schwelle hiefür nicht zu hoch angesetzt werden darf. Die Massnahme ist grundsätzlich auch geeignet, den Feinstaubausstoss massgeblich zu reduzieren.34 Soweit die private Beschwerdegegnerin die Zweckmässigkeit mit Blick darauf in Frage gestellt hat, dass der reduzierte Feinstaubausstoss sich nicht auf die Russemissionen beziehe, ist dem entgegenzuhalten, dass Feinstaub wie schon erwähnt auch Russpartikel enthält.35
Zur wirtschaftlichen Tragbarkeit hat sich die private Beschwerdegegnerin nicht geäussert; sie hat sie somit insbesondere auch nicht in Frage gestellt.
Simone Kohler, Vorsorgliche Emissionsbegrenzung und Kanalisationsanschlusspflicht im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinzips, URP 2010, S. 302, 308, mit Hinweisen.
Rausch/Marti/Griffel, S. 20 f., Rz. 47.
Messbericht vom 18. Februar 2009 (Fn. 8), S. 8, Ziff. 5.
Vgl. auch Prospekt zum OekoTube;
Vgl. oben, lit. b, bei Fn. 9.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Einbau z.B. des OekoTube36 mit Blick auf den Umsatz des täglich geöffneten Restaurants der privaten Beschwerdegegnerin bzw. eines als Massstab für die Beurteilung zu betrachtenden wirtschaftlich gesunden Betriebs der entsprechenden Branche bzw. Klasse (Art. 4 Abs. 3 LRV) zu einer unzumutbaren finanziellen Belastung führen könnte. Daher ist davon auszugehen, dass die vom Stadtrat angeordnete Massnahme auch wirtschaftlich tragbar ist.
Die fragliche Anordnung verletzt demnach das Verhältnismässigkeitsprinzip grundsätzlich nicht. Auf die weiteren angesprochenen Punkte (Bewilligungsfähigkeit; Denkmalpflege) ist nachfolgend noch gesondert einzugehen.37
Der Regierungsrat ist der Auffassung, der Beschluss des Stadtrats vom 29. Juli 2008 verstosse auch gegen das Gebot der Lastengleichheit. Im Rahmen der Rechtsanwendung von Amts wegen kann diese Feststellung hier überprüft werden, auch wenn sie der Beschwerdeführer nicht konkret gerügt hat.38
Das Lastengleichheitsprinzip beschränkt sich grundsätzlich auf bauliche Massnahmen in lufthygienischen Belastungsgebieten. Es verbietet, verschärfte Emissionsbegrenzungsmassnahmen im Sinn von Art. 11 Abs. 3 USG nur bei Neubauten bzw. neuen Anlagen anzuordnen diese gänzlich zu untersagen, ohne von den bereits vorhandenen Emittenten einen gleichwertigen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität zu verlangen. Emissionsreduktionen dürfen also nicht einseitig zulasten von Neuanlagen vorgenommen werden. Verschärfte Emissionsbegrenzungen sind vielmehr grundsätzlich in Übereinstimmung mit der kantonalen Massnahmeplanung anzuordnen.39
Der Kanton Schaffhausen ist wie erwähnt - Massnahmenplangebiet. Die Feinstaubbelastung liegt im fraglichen Gebiet im Bereich des Immissionsgrenzwerts.40 Im vorliegenden Fall geht es jedoch wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt - nicht um verschärfte Emissionsbegrenzungen zur Sanierung der bestehenden Belastungssituation, sondern um Vorsorgemassnahmen der ersten Stufe, die ungeachtet der bestehenden Umwelt-
Aufsatz des Partikelabscheiders auf der Kaminmündung ohne bauliche Massnahmen im Gebäudeinnern; häufigere Wartung; Erstellen eines Podests auf dem Dach für die Wartung; vgl. Schreiben des zuständigen Kaminfegermeisters vom 21. Oktober 2008 und OekoTubeProspekt.
Vgl. unten, lit. i.
Arnold Marti, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Schaffhausen, Diss. Zürich 1986, S. 225.
Rausch/Marti/Griffel, S. 56, Rz. 165 f., mit Hinweisen.
Oben, lit. b.
belastung anzuordnen sind. Daher stellt sich die Frage der Lastengleichheit grundsätzlich nicht.
Im Übrigen enthält der Massnahmenplan unter anderem die Massnahme B5 Emissionsminderung bei kleinen Holzfeuerungen: Förderung von Partikelabscheidern und Katalysatoren für kleine Holzfeuerungen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass Cheminées und andere kleine Holzfeuerungen sehr viel Feinstaub ausstiessen; ein Partikelabscheider könne die Emissionen stark reduzieren.41 Die strittige Anordnung hält sich daher obwohl das bei Massnahmen der ersten Stufe nicht erforderlich wäre auch an den Rahmen der geeigneten und verhältnismässigen Massnahmen, die im Massnahmenplan zur Verminderung der Feinstaubbelastung vorgesehen sind. Die weitere Fest-
stellung im Massnahmenplan, für kleinere Holzfeuerungen sei zurzeit auf dem Markt noch kein Partikelfilter verfügbar, trifft im Übrigen wie sich gezeigt hat42 jedenfalls auf die hier in Frage stehenden elektrostatischen Systeme nicht mehr zu.
Die fragliche Anordnung verstösst somit auch nicht gegen das Lastengleichheitsprinzip.
Zusammenfassend hat der Stadtrat mit der Anordnung 2.2 im Beschluss vom 29. Juli 2008 im Grundsatz weder Recht verletzt noch sein Ermessen überschritten. Demgemäss ist die anderweitige Feststellung des Regierungsrats mit dem anwendbaren Recht nicht vereinbar. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben.
Der Einbau eines elektrostatischen Systems, insbesondere des im Vordergrund stehenden OekoTube, bedarf spezifischer baulicher Massnahmen. Der OekoTube wird gemäss den eingereichten Unterlagen als Aufsatz von ca. 0,5 m auf dem bestehenden Kamin installiert. Angesichts der Höhe des bereits bestehenden Kamins braucht es sodann zusätzlich ein Podest auf dem Dach, um Zugänglichkeit und Sicherheit für die regelmässige Wartung zu gewährleisten.43 Dabei sind auch die denkmalpflegerischen Belange zu berücksichtigen, befindet sich doch die Anlage in der Altstadtzone der Stadt Schaffhausen, in welcher erhöhte Anforderungen an die Gestaltung gelten; es ist alles vorzunehmen, um eine einwandfreie städtebauliche Wirkung zu erzielen.44
Massnahmenplan (Fn. 9), S. 43.
Oben, lit. g.
Schreiben des zuständigen Kaminfegermeisters vom 21. Oktober 2008.
Art. 10 Abs. 1 Ingress und lit. a der Bauordnung für die Stadt Schaffhausen vom 10. Mai 2005 (RSS 700.1); vgl. auch Art. 35 Abs. 2 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht im Kanton Schaffhausen vom 1. Dezember 1997 (Baugesetz, BauG, SHR 700.100).
Der Kamin wurde im Übrigen bereits einmal erhöht; damals war der zuständige Denkmalpfleger mit einer Erhöhung um ca. 1,5 m einverstanden.
Zur Frage der baurechtlichen Bewilligungsfähigkeit hat sich der Stadtrat im Beschluss vom 29. Juli 2008 nicht geäussert. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Denkmalpflege und allfällige betroffene Dritte zuvor über die vorgesehene, als ergänzende Auflage bezeichnete Anordnung informiert worden wären. Der Stadtrat macht zwar geltend, er würde wohl kaum eine Auflage zur Vornahme baulicher Massnahmen verfügen, dann aber eine entsprechende Baubewilligung verweigern.45 Das ändert aber nichts daran, dass solche Massnahmen einem ergänzenden Baubewilligungsverfahren zumindest dem vereinfachten Verfahren gemäss Art. 70 BauG - unterliegen, in welchem auch die erforderlichen Bedingungen und Auflagen zur Gestaltung zu verfügen sind (Art. 35 Abs. 3 BauG). Es kann jedenfalls nicht gesagt werden, die nach aussen in Erscheinung tretenden Massnahmen berührten klarerweise weder öffentliche noch private Interessen.46 Im Übrigen fragt sich worauf das kantonale Bauinspektorat schon mit Bezug auf die Nachtragsbewilligung zum Einbau eines Pizzaofens mit separatem Kamin für das bestehende Restaurant hingewiesen hat -, ob der Stadtrat überhaupt zur Erteilung der Bewilligung zuständig sei. Immerhin geht es um ein gewerbliches Bauvorhaben,
dessen Bewilligung vorbehältlich einer abweichenden Zuständigkeitserklärung des Regierungsrats grundsätzlich dem kantonalen Baudepartement obliegt (Art. 57 BauG).
Bedarf es demnach zusätzlicher Abklärungen, um Zulässigkeit und Gestaltung der strittigen emissionsbegrenzenden baulichen Massnahmen abschliessend beurteilen zu können, so kann der Stadtratsbeschluss vom 29. Juli 2008 nicht ohne weiteres bestätigt werden. Vielmehr ist dessen Ziff. 2.2 ebenfalls aufzuheben, und die Sache ist zur Wahrung des Instanzenzugs direkt an den Stadtrat zurückzuweisen, damit dieser die erforderlichen Abklärungen und die hierauf gebotene Neubeurteilung vornehme.
j) Die Beschwerde erweist sich im Sinn der vorstehenden Erwägungen als teilweise begründet.
Stellungnahme vom 19. Dezember 2008, S. 3, Ziff. 5, Rekursakten des Regierungsrats.
Vgl. Art. 73 BauG.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.