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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2007/64: Obergericht

Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 18. Oktober 2019 in einem Fall von Missachtung der Ein- oder Ausgrenzung entschieden. Der Beschuldigte wurde schuldig gesprochen und zu 90 Tagen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 1'000.00 festgesetzt, zusätzliche Kosten betrugen CHF 800.00. Der Anwalt des Beschuldigten erhielt eine Entschädigung von CHF 4'580.-. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt, aber abgeschrieben. Die Verteidigung beantragte einen Freispruch, da das Rückführungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Das Gericht entschied jedoch, das Verfahren einzustellen, da das Rückführungsverfahren noch nicht abgeschlossen war.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 60/2007/64

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 60/2007/64
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 60/2007/64 vom 30.04.2008 (SH)
Datum:30.04.2008
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 25 VRG. Änderung einer Anordnung zum Nachteil des Rekurrenten im verwaltungsinternen Rekursverfahren; rechtliches Gehör; Fairnessprinzip
Schlagwörter : Rekurs; Anspruch; Rechtsmittel; Gehör; Gelegenheit; Regierungsrat; Schlechterstellung; Verfahren; Rekursverfahren; Rechtsmittelinstanz; Stellung; Sozialversicherungsrecht; Gehörs; Anordnung; Sozialamt; Stellungnahme; Anhörung; Auffassung; Hinweis; Rekurrenten; Gesuch; Entscheid
Rechtsnorm:Art. 29 BV ;
Referenz BGE:131 V 414; 133 I 98;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 60/2007/64

Veröffentlichung im Amtsbericht

Art. 29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 25 VRG. Änderung einer Anordnung zum Nachteil des Rekurrenten im verwaltungsinternen Rekursverfahren; rechtliches Gehör; Fairnessprinzip (OGE 60/2007/64 vom 30. April 2008)

Kommt eine Rechtsmittelinstanz zum Schluss, sie werde eine angefochtene Anordnung möglicherweise zum Nachteil des Rechtsuchenden ändern, muss sie die betroffene Partei darauf hinweisen und ihr Gelegenheit geben, sich zu der möglichen Schlechterstellung zu äussern. Dies ergibt sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Muss die Rechtsmittelinstanz die betroffene Partei darauf hinweisen, dass sie das erhobene Rechtsmittel zurückziehen kann (Frage offen gelassen).

Das kantonale Sozialamt erteilte X. auf Gesuch hin eine limitierte Kostengutsprache für die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Zusammenhang mit einem geltenden gemachten ärztlichen Behandlungsfehler, welcher zum Tod seiner Mutter geführt haben soll. Auf Rekurs von X., welcher sich gegen die Begrenzung der Kostengutsprache wehrte, hob der Regierungsrat die angefochtene Verfügung auf, da das Vorliegen einer Straftat nicht glaubhaft gemacht worden sei. Gegen diesen Entscheid erhob X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Obergericht, wobei er namentlich geltend machte, der Regierungsrat hätte ihm Gelegenheit geben müssen, den erhobenen Rekurs zurückzuziehen. Das Obergericht hiess die Beschwerde gut.

Aus den Erwägungen:

2.a) Der Beschwerdeführer macht zur Begründung seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend, der Regierungsrat habe ihm die Rekursantwort des kantonalen Sozialamts nicht zur Stellungnahme unterbreitet und durch den Rekursentscheid eine Schlechterstellung vorgenommen, ohne ihn zuvor auf die Möglichkeit dieses Verfahrensausgangs hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, seinen Rekurs zurückzuziehen. Damit habe der Regierungsrat sein rechtliches Gehör verletzt.

Der Regierungsrat macht demgegenüber geltend, ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Stellungnahme zur Rekursantwort des kantonalen Sozialamts habe nicht bestanden, zumal damit keine neuen Tatsachen Beweis-

mittel vorgebracht worden seien und der Beschwerdeführer auch keinen zweiten Schriftenwechsel beantragt habe. Was die Schlechterstellung durch den Rekursentscheid anbetreffe, sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Rekursverfahren ausgiebig Gelegenheit gehabt habe, sich zu den massgebenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs zu äussern. Die rechtliche Beurteilung des massgebenden Sachverhalts durch die Rechtsmittelinstanz entziehe sich einem Gehörsanspruch des Gesuchstellers. Wenn die Rechtsmittelinstanz eine Rechtsnorm ohne den Gesuchsteller darauf hinzuweisen anders auslege als die Vorinstanz, stelle dies keine Gehörsverletzung dar. Aus der vom Beschwerdeführer angeführten Rechtsprechung könne nichts anderes abgeleitet werden, zumal diese den besonderen Bereich des Sozialversicherungsrechts betreffe. Dasselbe gelte für Art. 46 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1971 (VRG, SHR 172.200), welcher nur im Falle einer Schlechterstellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine besondere Anhörung vorsehe. Für das verwaltungsinterne Rekursverfahren fehle in Art. 25 VRG eine solche Vorschrift. Wenn der Gesetzgeber hier ebenfalls eine besondere Anhörung für den Fall der Schlechterstellung gewollt hätte, hätte er dies ausdrücklich festhalten müssen.

  1. Der Regierungsrat hat zunächst einen Anspruch des Beschwerdeführers verneint, zur Rekursantwort des kantonalen Sozialamts Stellung nehmen zu können. Ob dies zutreffend ist, kann vorliegend offen gelassen werden. In gerichtlichen Verfahren leitet die Rechtsprechung heute einen entsprechenden Anspruch auf Replik unabhängig von der Relevanz der betreffenden Eingabe aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]) ab. Ob dies auch für das (streitige) Verwaltungsverfahren gilt, wurde jedoch bisher offen gelassen (BGE 133 I 98 ff, 100 ff.). Zur Diskussion steht im vorliegenden Fall aber auch, ob der Beschwerdeführer nicht darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass die Rekursinstanz möglicherweise in Abweichung von der angefochtenen Verfügung einen Anspruch auf Opferhilfeleistungen gänzlich verneinen werde. Unbestritten ist in diesem Zusammenhang, dass die Rekursinstanz sowohl zugunsten des Rekurrenten über das Rekursbegehren hinausgehen kann (reformatio in melius) als auch die angefochtene Anordnung zum Nachteil des Rekurrenten abändern kann (reformatio in peius; vgl. Art. 25 VRG). Es trifft auch zu, dass Art. 25 VRG im Unterschied zur entsprechenden Bestimmung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (Art. 46 VRG) keine Vorschrift enthält, wonach den Parteien vor der Vornahme einer reformatio in peius Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass kein entsprechender Anspruch besteht. Nach herrschender Auffassung ergibt sich

    ein entsprechender Anspruch nämlich direkt aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).

    Durch die Verankerung des Grundsatzes der Rechtsanwendung von Amtes wegen ohne Bindung an die Parteibegehren soll zwar auch im Rechtsmittelverfahren die richtige Anwendung des objektiven Rechts sichergestellt werden. Eine Rechtsschutz suchende Partei soll aber nicht damit rechnen müssen, dass für sie eine Schlechterstellung eintritt, ohne dass sie ausdrücklich darauf hingewiesen wird. Andernfalls würden möglicherweise auch begründete Rechtsmittel wegen dieses Risikos nicht erhoben, was den Rechtsschutz stark einschränken würde. Kommt eine Rechtsmittelinstanz zum Schluss, dass sie eine Anordnung möglicherweise zum Nachteil des Rechtsuchenden ändern wird, muss sie der betroffenen Partei daher vorgängig Gelegenheit zur Stellungnahme geben, worauf der Rechtsuchende sein Rechtsmittel allenfalls zurückziehen kann. Bei nicht rechtskundig vertretenen Parteien muss überdies nach heute verbreiteter Auffassung auf diese Möglichkeit ausdrücklich hingewiesen werden. Während Letzteres aus dem FairnessPrinzip (Art. 29 Abs. 1 BV) abgeleitet und teilweise unterschiedlich beurteilt wird (vgl. für das Sozialversicherungsrecht aber bejahend BGE 131 V 414 ff. und bereits 122 V 166 ff.), ergibt sich der Anspruch auf vorgängige Anhörung im Falle einer reformatio in peius nach herrschender Auffassung zwingend aus Art. 29 Abs. 2 BV und gilt entgegen der Auffassung des Regierungsrats nicht nur für den Bereich des Sozialversicherungsrechts und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, sondern auch ohne ausdrückliche Vorschrift ebenfalls für das verwaltungsinterne Rekursverfahren (vgl. zu der Art. 25 VRG entsprechenden Bestimmung des Kantons Zürich: Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. A., Zürich 1999, § 27 Rz. 15, S. 498, mit weiteren Hinweisen; vgl. auch allgemein Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. A., Zürich/Bern/Genf 2006, Rz. 1813, S. 388, welche lediglich offen lassen, ob die Pflicht zum Hinweis auf die Rückzugsmöglichkeit auch ausserhalb des Sozialversicherungsrecht gelte; vgl. dazu und zur Schaffhauser Praxis im Übrigen auch Arnold Marti, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Schafhausen, Diss. Zürich 1986, S. 261, mit Hinweisen).

  2. Dieser Anspruch auf vorgängige Anhörung vor der Vornahme einer reformatio in peius ist im vorliegenden Fall verletzt worden. Ob überdies im verwaltungsinternen Rechtsmittelverfahren ausserhalb des Sozialversicherungsrechts auch eine Aufklärungspflicht hinsichtlich eines möglichen Rückzugs des erhobenen Rechtsmittels besteht, kann hierbei offen gelassen werden. Aufgrund der erfolgten Gehörsverletzung ist der angefochtene Rekursentscheid jedenfalls in Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben, zumal keine Hinweise da-

für bestehen, dass der Beschwerdeführer am Rekurs auch dann festgehalten hätte, wenn er von der möglichen reformatio in peius Kenntnis erhalten hätte. Vielmehr hat der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift ausdrücklich geltend gemacht, es hätte ihm Gelegenheit gegeben werden müssen, den Rekurs zurückzuziehen (vgl. dazu auch Kölz/Bosshart/Röhl, § 27 Rz. 19, S. 499; anders die Ausgangslage im Entscheid des Obergerichts Nr. 60/2007/18 i.S.

X. vom 14. Dezember 2007, E. 3d [reformatio in peius im Rekursverfahren vor dem Spitalrat], wo der rechtskundig vertretene Beschwerdeführer trotz der erfolgten Gehörsverweigerung eine materielle Beurteilung durch das Obergericht verlangt hat). Der Regierungsrat wird das Rekursverfahren somit fortführen und dem Beschwerdeführer vor einem erneuten Entscheid Gelegenheit geben müssen, sich im Hinblick auf eine mögliche reformatio in peius zu äussern und den Rekurs allenfalls zurückzuziehen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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