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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2006/6: Obergericht

Das Departement hat eine Anordnung für eine medikamentöse Zwangsbehandlung als Nachmassnahme zu einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung erlassen. Das Rechtsschutzverfahren für diese Anordnung richtet sich nach den Bestimmungen über die fürsorgerische Freiheitsentziehung. Das Psychiatriezentrum hat um eine Grundlage für eine mögliche Zwangsmedikation gebeten, was mit dem Gesundheitsgesetz vereinbar ist. Die Verfugung des Departements bildete die Grundlage für eine tatsächlich durchgeführte Zwangsbehandlung. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde als Beschwerde gegen eine Nachmassnahme gemäss dem Gesundheitsgesetz behandelt.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 60/2006/6

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 60/2006/6
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 60/2006/6 vom 16.03.2006 (SH)
Datum:16.03.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 69f und Art. 69h ff. EG ZGB; Art. 30e Abs. 5 und Art. 30i Abs. 3 GesG. Medikamentöse Zwangsbehandlung als Nachmassnahme zu einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung; Verfahren und Rechtsschutz
Schlagwörter : Massnahme; Recht; Behandlung; Zwangsmedikation; Verfügung; Rechtsschutz; Freiheitsentziehung; Zwangsbehandlung; Anordnung; Psychiatriezentrum; Volkswirtschaftsdepartement; Grundlage; Patienten; Vorschrift; Regelung; Weiterbehandlung; Willen; Departement; Volkswirtschaftsdepartements; Weisung; Breitenau; Schaffhauser; Verfahren; Amtsbericht
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:126 I 112;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 60/2006/6

Art. 69f und Art. 69h ff. EG ZGB; Art. 30e Abs. 5 und Art. 30i Abs. 3 GesG. Medikamentöse Zwangsbehandlung als Nachmassnahme zu einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung; Verfahren und Rechtsschutz (OGE 60/2006/6 vom 16. März 2006)

Veröffentlichung im Amtsbericht.

Ist als Nachmassnahme zu einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung eine medikamentöse Weiterbehandlung allenfalls auch gegen den Willen des Patienten erforderlich, hat das für den Nachmassnahme-Entscheid zuständige Departement eine entsprechende Anordnung zu erlassen. Die Zwangsmedikation kann gestützt auf diese Anordnung durchgeführt werden und erfordert keine weitere Verfügung der behandelnden Institution.

Das Rechtsschutzverfahren für eine entsprechende NachmassnahmeVerfügung richtet sich nach den Bestimmungen über die fürsorgerische Freiheitsentziehung.

Aus den Erwägungen:

1.a) Angefochten sind vorliegend Ziff. 2 und 3 der Verfügung des kantonalen Volkswirtschaftsdepartements ..., womit X. die Weisung erteilt wurde, zwecks ambulant geführter Weiterbehandlung (...) alle vier Wochen im Psychiatriezentrum Breitenau zu erscheinen unter der Androhung, dass zur Durchsetzung der Weisung bei deren Nichtbefolgung die polizeiliche Zuführung erfolge. Das Volkswirtschaftsdepartement vertritt die Auffassung, damit sei lediglich im Sinne einer Nachmassnahme nach Art. 69f des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 27. Juni 1911 (EG ZGB, SHR 210.100) die Pflicht zur ärztlichen Nachbehandlung und Nachkontrolle, nicht aber eine eigentliche Zwangsmedikation angeordnet worden; für die Anordnung einer Zwangsmedikation wäre vielmehr das Psychiatriezentrum Breitenau bzw. das Departement des Innern als Aufsichtsbehörde im Gesundheitswesen zuständig.

  1. Das Psychiatriezentrum Breitenau hat in seinem Antrag für eine entsprechende Nachmassnahme das Volkswirtschaftsdepartement jedoch ausdrücklich darum ersucht, auch eine Grundlage für eine mögliche Zwangsmedikation der Patientin zu schaffen. Dies entspricht denn auch der Vorschrift von Art. 30e Abs. 5 des Gesundheitsgesetzes vom 19. Oktober 1970 (GesG, SHR 810.100, Fassung vom 27. November 2000), wonach unter den

    Voraussetzungen von Art. 30e Abs. 2 und 3 GesG eine ambulante Behandlung gegen den Willen des Patienten als Nachmassnahme zulässig ist, wenn die Voraussetzungen für die Einweisung und die Zurückbehaltung des Patienten im Sinne einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung nicht mehr erfüllt sind. Mit dieser Vorschrift wurde die Regelung von Art. 69f EG ZGB über die vom zuständigen Departement anzuordnenden Nachmassnahmen präzisiert und verdeutlicht, zumal letztere Bestimmung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Anforderungen an die erforderliche klare und eindeutige gesetzliche Grundlage für schwerwiegende Grundrechtseingriffe, wie sie die Zwangsmedikation darstellt, nicht erfüllte (vgl. Vorlage des Regierungsrats des Kantons Schaffhausen betreffend die Teilrevision des Gesundheitsgesetzes [Patientenrechte] vom 4. April 2000, S. 13, und dazu Stefan Bilger, Das Schaffhauser Gesundheitsrecht ein zunehmend bröckelnder Fels in der Brandung, in: Verein Schaffhauser Juristinnen und Juristen [Hrsg.], Schaffhauser Recht und Rechtsleben, Festschrift zum Jubiläum 500 Jahre im Bund, Schaffhausen 2001, S. 583 ff., S. 590 mit Hinweis auf BGE 126 I 112 ff.; zur früheren Rechtslage OGE vom 14. September 1995 i.S. X., Amtsbericht 1995, S. 136 ff.).

  2. Obwohl in der angefochtenen Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements ... nicht ausdrücklich festgehalten wurde, dass die vorgeschriebene ambulante Medikamentenbehandlung allenfalls auch gegen den Willen der Patientin erfolge könne, und kein Hinweis auf die neue Regelung von Art. 30e GesG gemacht worden war, musste diese Verfügung aufgrund des Antrags des Psychiatriezentrums und der bestehenden gesetzlichen Regelung so verstanden werden. In der Verfügung wird nämlich immerhin ausdrücklich die Durchsetzung der Weisung zur medikamentösen Weiterbehandlung durch polizeiliche Zuführung gestützt auf Art. 32 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1971 (VRG, SHR 172.200) angedroht. Überdies bildete die angefochtenen Verfügung auch tatsächlich Grundlage für eine effektiv erfolgte Zwangsbehandlung.

    Unter diesen Umständen aber wäre es weder mit dem Grundsatz von Treu und Glauben noch mit berechtigten Anliegen des Rechtsschutzes und insbesondere auch nicht mit der gesetzlichen Regelung von Art. 30e Abs. 5 GesG vereinbar, wenn die Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements ... nicht als Grundlage für eine mögliche Zwangsbehandlung betrachtet würde. Anders als im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung, welche für sich allein nicht auch das Recht zur Zwangsmedikation umfasst, benötigt die tatsächliche Durchführung einer Zwangsmedikation im Falle der Anordnung einer Nachmassnahme i.S.v. Art. 30e Abs. 5 GesG keiner zusätzlichen Verfügung der behandelnden Institution mehr; vielmehr kann die Zwangsbehandlung unmittelbar gestützt auf eine solche Anordnung im Rahmen der Nach-

    massnahme erfolgen. Eine andere Auslegung im Rahmen der massgebenden Vorschriften wäre wie gerade der vorliegende Fall zeigt weder sinnvoll noch praktikabel und würde überdies zu einem doppelten Rechtsschutz hinsichtlich der Frage der medikamentösen Zwangsbehandlung führen.

    Entgegen der sinngemäss vom Vertreter des Psychiatriezentrums geäusserten Auffassung kann im übrigen die im Rahmen des früheren fürsorgerischen Freiheitsentzugs angeordnete Zwangsmedikation keine zusätzliche Grundlage der Zwangsbehandlung im Rahmen der Nachmassnahme bilden, da die frühere Zwangsmedikationsanordnung gemäss Art. 30e Abs. 1 GesG nur während der fürsorgerischen Freiheitsentziehung gelten konnte.

  3. Auf die vorliegende, formund fristgerecht erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher als Beschwerde gegen eine Nachmassnahme

i.S.v. Art. 30e Abs. 5 GesG einzutreten. Das Verfahren richtet sich dementsprechend nicht nach der allgemeinen Vorschrift für den Rechtsschutz bei Nachmassnahmen (Art. 69g i.V.m. Art. 60a-60d EG ZGB [Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Vormundschaftssachen]), sondern aufgrund der besonderen Bestimmung von Art. 30i Abs. 3 GesG nach den Art. 69h ff. EG ZGB über den Rechtsschutz bei der fürsorgerischen Freiheitsentziehung. Erforderlich ist demnach eine mündliche Beschwerdeverhandlung, wobei bei psychisch Kranken überdies ein vom Gericht bestellter psychiatrischer Experte beizuziehen ist (Art. 69i EG ZGB).

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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