Zusammenfassung des Urteils Nr. 51/2018/10: Obergericht
Im vorliegenden Fall ging es um den Wechsel des amtlichen Verteidigers in einem Strafverfahren. Der Beschuldigte und sein Verteidiger hatten unterschiedliche Auffassungen über die Verteidigungsstrategie, was jedoch an sich keinen Wechsel des Verteidigers rechtfertigte. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass das Vertrauensverhältnis erheblich gestört sei, jedoch konnten keine konkreten Gründe dafür glaubhaft gemacht werden. Das Obergericht wies die Beschwerde ab, da keine Pflichtverletzung des Verteidigers oder eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses nachgewiesen werden konnte. Letztendlich wurde der beantragte Verteidigerwechsel abgelehnt.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 51/2018/10 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 19.06.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Wechsel des amtlichen Verteidigers - Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK; Art. 5 und Art. 134 Abs. 2 StPO. Für den Wechsel der amtlichen Verteidigung genügt eine rein subjektiv geprägte Beurteilung der Sachlage nicht; vielmehr müssen konkrete (objektive) Anhaltspunkte für die erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses glaubhaft gemacht werden (E. 2.1). Unterschiedliche Auffassungen über die Verteidigungsstrategie stellen als solche keine Störung des Vertrauensverhältnisses dar, die einen Wechsel des amtlichen Verteidigers geböte. Auch liegt keine als Unwirksamkeit der Verteidigung zu wertende Ineffektivität vor, wenn die Verteidigung aus sachlichen Gründen nicht an allen Untersuchungshandlungen teilnimmt oder auf die Erhebung aussichtsloser Rechtsmittel entgegen dem Wunsch der Klientschaft verzichtet (E. 2.3). Eine amtliche Verteidigung ist allenfalls auch gegen den Willen des Beschuldigten zu bestellen, und auch wenn dieser die Zusammenarbeit mit dem amtlichen Verteidiger verweigert. Das ist vor dem Hintergrund des Rechts auf Selbstverteidigung problematisch und kann zu Konstellationen führen, in denen eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Beschuldigtem und amtlichem Verteidiger nicht möglich ist. Ohne spezifische, triftige Gründe besteht auch in solchen Fällen kein Anlass für einen Wechsel des amtlichen Verteidigers. Dieser hat sich gegebenenfalls zu-rückzuhalten, sobald es um Verfahrenshandlungen gegen den Willen eines handlungsfähigen Beschuldigten geht (E. 2.4). Aufgrund des Beschleunigungsgebots ist bei umfangreichen oder komplexen Straf-fällen und nach längerer Ausübung des Mandats ein Wechsel der amtlichen Verteidigung nur mit Zurückhaltung zu bewilligen. Das gilt insbesondere dann, wenn bereits früher ein Verteidigerwechsel bewilligt worden ist (E. 2.4). |
Schlagwörter : | Verteidiger; Verteidigung; Beschuldigte; Verteidigers; Verfügung; Staatsanwalt; Vertrauensverhältnis; Verfahren; Recht; Beschuldigten; Zusammenarbeit; Gesuch; Verfahrens; Verteidigungsstrategie; Vertrauensverhältnisses; Verteidigerwechsel; Staatsanwaltschaft; Rechtsanwalt; Störung; Entlassung; Beschwerdeführers; Verteidigungsleistung; Anhaltspunkte; Gründen; Mandat |
Rechtsnorm: | Art. 133 StPO ;Art. 134 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 5 StPO ; |
Referenz BGE: | 138 IV 161; |
Kommentar: | Viktor Lieber, Donatsch, Hans, Schweizer, Hansjakob, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Art. 134 OR StPO, 2014 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Für den Wechsel der amtlichen Verteidigung genügt eine rein subjektiv geprägte Beurteilung der Sachlage nicht; vielmehr müssen konkrete (objektive) Anhaltspunkte für die erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses glaubhaft gemacht werden (E. 2.1).
Unterschiedliche Auffassungen über die Verteidigungsstrategie stellen als solche keine Störung des Vertrauensverhältnisses dar, die einen Wechsel des amtlichen Verteidigers geböte. Auch liegt keine als Unwirksamkeit der Verteidigung zu wertende Ineffektivität vor, wenn die Verteidigung aus sachlichen Gründen nicht an allen Untersuchungshandlungen teilnimmt auf die Erhebung aussichtsloser Rechtsmittel entgegen dem Wunsch der Klientschaft verzichtet (E. 2.3).
Eine amtliche Verteidigung ist allenfalls auch gegen den Willen des Beschuldigten zu bestellen, und auch wenn dieser die Zusammenarbeit mit dem amtlichen Verteidiger verweigert. Das ist vor dem Hintergrund des Rechts auf Selbstverteidigung problematisch und kann zu Konstellationen führen, in denen eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Beschuldigtem und amtlichem Verteidiger nicht möglich ist. Ohne spezifische, triftige Gründe besteht auch in solchen Fällen kein Anlass für einen Wechsel des amtlichen Verteidigers. Dieser hat sich gegebenenfalls zurückzuhalten, sobald es um Verfahrenshandlungen gegen den Willen eines handlungsfähigen Beschuldigten geht (E. 2.4).
Aufgrund des Beschleunigungsgebots ist bei umfangreichen komplexen Straffällen und nach längerer Ausübung des Mandats ein Wechsel der amtlichen Verteidigung nur mit Zurückhaltung zu bewilligen. Das gilt insbesondere dann, wenn bereits früher ein Verteidigerwechsel bewilligt worden ist (E. 2.4).
OGE 51/2018/10 vom 19. Juni 2018
(Eine Beschwerde in Strafsachen gegen diesen Entscheid wies das Bundesgericht mit Urteil 1B_397/2018 vom 16. Oktober 2018 ab.)
Keine Veröffentlichung im Amtsbericht
SachverhaltIm Strafverfahren gegen A. wegen Verdachts insbesondere des Betrugs, des Diebstahls, der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs bestellte die Staatsanwaltschaft am 6. Juli 2016 Rechtsanwalt B. zum amtlichen Verteidiger des Beschuldigten. Am 28. März 2017 hiess die Staatsanwaltschaft das Gesuch um
Wechsel der amtlichen Verteidigung gut; sie bestellte Rechtsanwalt C. als amtlichen Verteidiger des Beschuldigten. Am 5. Januar 2018 ersuchte Rechtsanwalt
C. die Staatsanwaltschaft, ihn aus seinem Mandat als amtlicher Verteidiger zu entlassen und A. Gelegenheit zu geben, einen Vorschlag für die neue amtliche Verteidigung zu machen. Am 26. Januar 2018 ersuchte A. um Bestellung von Rechtsanwalt D. als amtlichen Verteidiger. Am 30. Januar 2018 wies der zuständige Staatsanwalt die Gesuche ab. Am 6. Februar 2018 ersuchte Rechtsanwalt C. auch namens des Beschuldigten die Staatsanwaltschaft erneut, ihn aus dem amtlichen Mandat zu entlassen und Rechtsanwalt D. als neuen amtlichen Verteidiger zu bestellen. Am 23. Februar 2018 wies der zuständige Staatsanwalt das Gesuch ab.
Am 11. Februar 2018 erhob A. Beschwerde ans Obergericht. Er beantragte in erster Linie, die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 30. Januar 2018 aufzuheben und ihm einen Rechtsbeistand seiner Wahl zuzuordnen bzw. die amtliche Verteidigung an Rechtsanwalt D. zuzuweisen. Der zuständige Staatsanwalt beantragte am
2. März 2018, die Beschwerde abzuweisen. Er verwies sodann auf das neue Gesuch vom 6. Februar 2018 und seine Verfügung vom 23. Februar 2018. Rechtsanwalt C. und der Beschuldigte A. beantragten in ihren weiteren Stellungnahmen, die Beschwerde von A. gutzuheissen. Das Obergericht wies die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war.
Aus den Erwägungen 1. Gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an deren Aufhebung Änderung hat, innert zehn Tagen seit deren Zustellung schriftlich und begründet Beschwerde ans Obergericht erheben (Art. 382 Abs. 1, Art. 384 lit. b, Art. 393 Abs. 1 lit. a und Art. 396 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 43 Abs. 1 des Justizgesetzes vom 9. November 2009 [JG, SHR 173.200]). Anfechtbar sind auch die Verfügungen, mit welchen der Wechsel der amtlichen Verteidigung abgelehnt wird.Die Beschwerde gegen die Verfügung vom 30. Januar 2018 wurde fristgerecht erhoben. Mit dieser Verfügung wurden das Gesuch des amtlichen Verteidigers um Entlassung aus seinem Mandat und das Gesuch des Beschwerdeführers um Bestellung eines neuen amtlichen Verteidigers abgewiesen. Nur diese Punkte bilden nunmehr das Anfechtungsobjekt. [ ]
Als verfahrensleitende Verfügung konnte die Verfügung vom 30. Januar 2018 grundsätzlich in Wiedererwägung gezogen bzw. aufgrund der aktuellen, allenfalls geänderten Verhältnisse neu beurteilt werden. Am 23. Februar 2018 erliess denn auch die Staatsanwaltschaft auf erneutes Gesuch des amtlichen Verteidigers
auch namens des Beschuldigten (so ausdrücklich das Gesuch vom 6. Februar 2018) eine neue Verfügung, die sowohl dem Beschwerdeführer persönlich als auch dem amtlichen Verteidiger zugestellt wurde. Nachdem die Staatsanwaltschaft in der ersten Verfügung erwogen hatte, der amtliche Verteidiger und der Beschuldigte hätten keine Gründe dargelegt, weshalb das Vertrauensverhältnis erheblich gestört sei, wurde im neuen Gesuch erklärt, der Beschuldigte habe den amtlichen Verteidiger soweit vom Anwaltsgeheimnis entbunden, dass dieser offenlegen dürfe, weshalb eine weitere Zusammenarbeit unmöglich sei. In dieser Situation fragt sich, ob die zweite Verfügung womit wieder materiell entschieden wurde - nicht die erste Verfügung ersetzt habe und ob das seinerzeitige Anfechtungsobjekt damit nicht dahingefallen sei. Die zweite Verfügung wurde jedenfalls nicht angefochten. Der Beschwerdeführer warf erst in seiner Replik - nach Ablauf der Beschwerdefrist
die Frage auf, ob das Obergericht auch die Verfügung vom 23. Februar 2018 zum Verfahrensund Streitgegenstand machen wolle. Es liegt jedoch nicht am Obergericht, einen mit einem bestimmten Entscheid geregelten Punkt ungeachtet der Anfechtung zum Verfahrensgegenstand zu machen.
Es kann offengelassen werden, ob auf die Beschwerde vom 11. Februar 2018 unter den gegebenen Umständen noch einzutreten sei, erweist sich doch wie sich zeigen wird - der Standpunkt des Beschwerdeführers bei materieller Prüfung ohnehin als unbegründet. [ ]
Im vorliegenden Fall liegt unbestrittenermassen ein Fall notwendiger Verteidigung vor (Art. 130 lit. a und lit. b StPO). Weil der Beschwerdeführer keinen Wahlverteidiger bestimmt hatte, hatte die Verfahrensleitung einen amtlichen Verteidiger zu bestellen (Art. 132 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 i.V.m. Art. 133 Abs. 1 StPO).
Ist das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört eine wirksame Verteidigung aus andern Gründen nicht mehr gewährleistet, so überträgt die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung einer anderen Person (Art. 134 Abs. 2 StPO). Bei der in diesem Sinn erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses geht es um Konstellationen, in denen auch eine privat verteidigte beschuldigte Person einen Verteidigerwechsel vornehmen würde. Dabei genügt aber eine rein subjektiv geprägte Beurteilung nicht; vielmehr müssen konkrete (objektive) Anhaltspunkte für die erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses glaubhaft gemacht werden (BGE 138 IV 161
E. 2.4 S. 165; Viktor Lieber, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. A., Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 134 N. 19, S. 662; je mit Hinweisen).
Im ersten Entlassungsgesuch vom 5. Januar 2018 erklärte der Verteidiger des Beschwerdeführers, das Vertrauensverhältnis sei unheilbar zerrüttet, so dass
es ihm nicht mehr möglich sei, eine wirksame Verteidigung zu gewährleisten. Dem Beschwerdeführer wurde hierauf Frist eingeräumt, um unter anderem die Gründe der erwähnten Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses darzulegen. Mit Schreiben vom 26. Januar 2018 erklärte der Beschwerdeführer, das Vertrauensverhältnis sei tatsächlich zerrüttet; weil die Zerrüttung ohne Zweifel vorliege, sei es nicht notwendig, Einzelheiten der Verteidigung offenzulegen.
Mit der angefochtenen Verfügung vom 30. Januar 2018 wies der zuständige Staatsanwalt das Gesuch um Entlassung des bisherigen amtlichen Verteidigers und um Bestellung eines neuen amtlichen Verteidigers ab, weil keine Gründe angegeben worden seien, weshalb das Vertrauensverhältnis erheblich gestört sei. Im Hinblick auf allfällige künftige diesbezügliche Darlegungen wies der Staatsanwalt sodann darauf hin, dass der amtliche Verteidiger bereits am 28. März 2017 gewechselt worden sei, nachdem der Beschwerdeführer aus seiner Sicht massgebliche Gründe geltend gemacht und der damalige amtliche Verteidiger nicht opponiert habe. Der Beschwerdeführer werde durch den gegenwärtigen amtlichen Verteidiger wirksam verteidigt. Es handle sich um ein ausserordentlich umfangreiches Verfahren, in dessen Gegenstand sich der amtliche Verteidiger eingearbeitet habe. Es sei schwerlich ein Grund erkennbar, der die Kosten und den Zeitaufwand, die mit der Einarbeitung eines neuen Verteidigers verbunden wären, als vertretbar erscheinen liesse.
Im zweiten Entlassungsgesuch vom 6. Februar 2018 erklärte der Verteidiger, er dürfe nunmehr offenlegen, dass eine weitere Zusammenarbeit unter anderem deshalb unmöglich sei, weil zwischen Klient und Anwalt diametral unterschiedliche und unvereinbare Vorstellungen über die zu wählende Verteidigungsstrategie bestünden. Der Vertrauensverlust verunmögliche insbesondere sachliche und sachbezogene Instruktionsgespräche, eine konstruktive Zusammenarbeit im Sinn eines gemeinsamen Vorgehens und im Ergebnis eine dem Gesetz genügende, wirksame Verteidigung. Dem Beschwerdeführer wurde hierauf Frist eingeräumt, um das Gesuch weiter zu begründen. Er liess sich jedoch nicht vernehmen.
Mit der Verfügung vom 23. Februar 2018 wies der zuständige Staatsanwalt auch das zweite Gesuch um Entlassung des bisherigen amtlichen Verteidigers und um Bestellung eines neuen amtlichen Verteidigers ab. Er wies darauf hin, dass unterschiedliche Auffassungen über die Verteidigungsstrategie keinen Grund für einen Verteidigerwechsel bildeten.
Im Beschwerdeverfahren erklärt der Beschwerdeführer unter anderem, der Verteidiger habe ihn seit mehreren Monaten nicht mehr im Gefängnis besucht und seit mehreren Monaten keine eigenen Verteidigungsleistungen vorgenommen. Damit
sei es nicht einfach eine subjektive Behauptung des Verteidigers, dass Instruktionsgespräche und eine konstruktive Zusammenarbeit im Sinn eines gemeinsamen Vorgehens unmöglich seien. Zudem habe der Verteidiger ihm gegenüber als weiteren Grund Arbeitsüberlastung angegeben. Er sei nur noch als Postumleitungsstelle tätig.
Der Verteidiger des Beschwerdeführers erklärt, Beschuldigter und Verteidigung hätten kundgetan, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht in Frage komme, sie hätten erläutert, dass Instruktionsgespräche und jede andere Form konstruktiver Zusammenarbeit unmöglich geworden seien, und sie hätten klargemacht, dass nicht nur verschiedene Meinungen bestünden, sondern dass die Differenzen unterdessen so unüberwindlich seien, dass die Arbeit der Verteidigung komplett blockiert und verunmöglicht sei. Um zu veranschaulichen, dass es sich um objektiv feststellbare Probleme handle, habe der Beschwerdeführer auf die Tatsache hingewiesen, dass der Verteidiger seit der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses keine inhaltlichen Eingaben mehr gemacht habe. Es sei also auch gezeigt worden, dass die Zerrüttung objektiv an der Verteidigungsarbeit ablesbar sei, weil der Verteidiger seit Anfang Januar 2018 aufgrund der beschriebenen Zerrüttung keine materielle Verteidigungsleistung mehr erbringen könne. Weitere Bemerkungen zum Innenverhältnis der Mandantenbeziehung seien ihm aus Gründen des Anwaltsgeheimnisses nicht erlaubt. Der Beschwerdeführer und die Verteidigung hätten ausführlich dargelegt, dass die unterschiedlichen Vorstellungen über die Verteidigungsstrategie nur am Anfang der Probleme gestanden hätten. Zwingend notwendig machten den Verteidigerwechsel der komplette Vertrauensverlust und der Zusammenbruch der Kommunikation zwischen Beschuldigtem und Verteidiger.
Der Beschwerdeführer und der amtliche Verteidiger haben demnach vor Erlass der angefochtenen Verfügung vom 30. Januar 2018 den geltend gemachten Vertrauensverlust nicht konkretisiert. Im zweiten Entlassungsgesuch hat sich der Verteidiger mit dem allgemeinen Hinweis begnügt, es bestünden unterschiedliche und unvereinbare Vorstellungen über die Verteidigungsstrategie; sachliche Instruktionsgespräche und eine konstruktive Zusammenarbeit im Sinn eines gemeinsamen Vorgehens seien nicht mehr möglich. Im Beschwerdeverfahren wurde zudem auf die fehlende Kommunikation (Gefängnisbesuche) und die fehlenden Verteidigungsleistungen (Eingaben) hingewiesen. Es geht demnach im Wesentlichen um die Verteidigungsstrategie und die (Un-)Möglichkeit der Zusammenarbeit. Das vom Beschwerdeführer nachträglich noch vorgebrachte Argument der Arbeitsüberlastung des Verteidigers hat dieser nicht bestätigt.
Unterschiedliche Auffassungen über die Verteidigungsstrategie stellen als solche keine Störung des Vertrauensverhältnisses dar, die einen Wechsel des amtlichen
Verteidigers geböte. Der amtliche Verteidiger ist nicht bloss das unkritische Sprachrohr seines Mandanten. Für einen Verteidigerwechsel genügt deshalb nicht, wenn die Verteidigung eine problematische, aber von der beschuldigten Person gewünschte und verlangte Verteidigungsstrategie nicht übernimmt, wenn sie nicht bedingungslos glaubt, was die beschuldigte Person zum Delikt sagt, und das nicht ungefiltert gegenüber den Behörden vertritt. Gleiches gilt für die Weigerung, aussichtslose Prozesshandlungen vorzunehmen (BGE 138 IV 161 E. 2.4 S. 166). Daher kann beispielsweise auch nicht von einer als Unwirksamkeit der Verteidigung zu wertenden Ineffektivität gesprochen werden, wenn die Verteidigung aus sachlichen Gründen nicht an allen Untersuchungshandlungen teilnimmt auf die Erhebung aussichtsloser Rechtsmittel entgegen dem Wunsch der Klientschaft verzichtet (Niklaus Ruckstuhl, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung / Jugendstrafprozessordnung, Art. 1-195 StPO, 2. A., Basel 2014, Art. 134 N. 14, S. 990). Die Unterlassung entsprechender Verteidigungsleistungen erscheint daher nicht im hier massgeblichen Sinn als pflichtwidrig.
Der Beschwerdeführer tut nicht ansatzweise dar, dass und inwieweit der Verteidiger mit der behaupteten Unterlassung von Verteidigungsleistungen die anwaltliche Sorgfaltspflicht und das Gebot wirksamer Verteidigung verletzt haben könnte. Auch ist nicht ersichtlich, dass und warum Gefängnisbesuche bzw. Instruktionsgespräche in den letzten Monaten wirklich angezeigt gewesen wären. Daher kann nicht gesagt werden, dieser allgemeine, bezüglich der Umstände nicht substantiierte Vorwurf indiziere unter den spezifischen Verhältnissen des Einzelfalls tatsächlich eine Gefährdung der wirksamen Verteidigung. Konkrete, objektive Anhaltspunkte für den geltend gemachten erheblichen Vertrauensverlust sind demnach nicht glaubhaft gemacht.
Im vorliegenden Fall kommt dazu, dass der Beschwerdeführer wie sich an verschiedener Stelle aus seinen Ausführungen ergibt grossen Wert auf seinen Anspruch auf Selbstverteidigung legt. Er hat bei anderer Gelegenheit schon mehrfach persönlich Beschwerde erhoben sich im Verfahren persönlich geäussert. Der amtliche Verteidiger hat denn auch schon bei Gelegenheit Verfahrenshandlungen dem Beschwerdeführer persönlich überlassen bzw. die jeweilige Verfahrensleitung darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer selber äussern wolle und dies im jeweiligen Verfahren zu berücksichtigen sei. Das ist mit Blick auf das Recht des Beschuldigten auf Selbstverteidigung (Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK) grundsätzlich zulässig und bedeutet für sich gesehen keine Verletzung des Anspruchs auf wirksame Verteidigung.
Nach der Konzeption des Instituts der notwendigen Verteidigung ist bei gegebenen Voraussetzungen zwingend eine amtliche Verteidigung zu bestellen, allenfalls
auch gegen den Willen des Beschuldigten, und auch wenn dieser die Zusammenarbeit mit dem amtlichen Verteidiger auch nur die Kommunikation verweigert. Das ist vor dem Hintergrund des Rechts auf Selbstverteidigung nicht unproblematisch. Es kann zu Konstellationen führen, in denen eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Beschuldigtem und amtlichem Verteidiger schlicht nicht möglich ist der Beschuldigte dem amtlichen Verteidiger generell misstraut. Auch in solchen Fällen muss aber eine amtliche Verteidigung bestellt werden, welche die ihr als erforderlich bzw. zweckmässig erscheinenden Verteidigungsleistungen aber grundsätzlich nur diese erbringt. Der amtliche Verteidiger hat sich gegebenenfalls zurückzuhalten, sobald es um Verfahrenshandlungen gegen den Willen eines handlungsfähigen Beschuldigten geht, insbesondere bei Tätigkeiten, die der Verteidigungskonzeption des Beschuldigten persönlich zuwiderlaufen (vgl. Lieber, Art. 130 N. 6 ff., S. 629 f.). Ohne spezifische, triftige Gründe besteht auch in solchen Fällen kein Anlass für einen Wechsel des amtlichen Verteidigers. Fehlen entsprechende Anhaltspunkte, kann daher in diesen Fällen nicht unbesehen auf die blosse Erklärung des Beschuldigten und des Verteidigers abgestellt werden, das Vertrauensverhältnis sei erheblich gestört.
Demnach genügt auch die Weigerung des Beschuldigten, mit seinem amtlichen Verteidiger in kooperativer Weise zusammenzuarbeiten etwa weil er diesem überhaupt einem Pflichtverteidiger misstraut und sich selber verteidigen will - nicht ohne weiteres für einen Wechsel der amtlichen Verteidigung. Andernfalls hätte es ein Beschuldigter in der Hand, durch unkooperatives Verhalten einen Verteidigerwechsel beliebig zu provozieren und damit das Strafverfahren in rechtsmissbräuchlicher Weise zu komplizieren und zu verlängern (BGer 1B_398/2014 vom
22. Januar 2014 E. 2.3). Das liefe auch dem Beschleunigungsgebot nach Art. 5 StPO zuwider, welches eine Verfahrensverzögerung ohne Vorliegen von objektiv triftigen Gründen vermeiden will. Bei umfangreichen komplexen Straffällen und nach längerer Ausübung des Mandats ist daher ein Wechsel der amtlichen Verteidigung nur mit Zurückhaltung zu bewilligen (BStGer SN.2014.7 vom 23. Mai 2014 E. 3.2 und 3.3, TPF 2014 43). Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier
bereits früher ein Verteidigerwechsel bewilligt worden ist. Im Übrigen gilt es dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der über Rechtskenntnisse verfügende und schriftgewandte Beschwerdeführer es wie dargelegt verschiedentlich vorzog, sich selber zu verteidigen und eigenständig Beschwerden zu erheben. Es ist offensichtlich, dass er sich selbst weitgehend in der Lage sieht, über die einzuschlagende Verteidigungsstrategie eigenständig zu entscheiden, so dass das Risiko eines erneuten Zerwürfnisses mit einem (dritten) amtlichen Verteidiger jedenfalls als erheblich erscheint.
Triftige, mit hinreichend konkreten Anhaltspunkten glaubhaft gemachte Gründe in diesem Sinn sind mit den allgemeinen Angaben des Beschwerdeführers und des Verteidigers nicht dargetan.
Zusammenfassend ist aufgrund der Akten und der Angaben der Beteiligten kein (objektiver) Grund ersichtlich, der eine Pflichtverletzung des Verteidigers bzw. die geltend gemachte Störung des Vertrauensverhältnisses in einem Ausmass belegen könnte, dass mit dem derzeitigen amtlichen Verteidiger des Beschwerdeführers dessen wirksame Verteidigung nicht mehr gewährleistet wäre. Daher ist nicht zu beanstanden, dass die Verfahrensleitung den beantragten (weiteren) Verteidigerwechsel abgelehnt hat. [ ]
[ ]
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet; sie ist abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten ist (vgl. oben, E. 1).
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