Zusammenfassung des Urteils Nr. 51/2016/18: Obergericht
In dem vorliegenden Fall ging es um einen Angeklagten, der des fahrlässigen Fahrens trotz Führerausweisentzugs angeklagt wurde. Das Bezirksgericht Bülach verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 400 CHF. In der Berufung forderte die Staatsanwaltschaft eine höhere Strafe von 6'000 CHF und eine Busse von 1'500 CHF. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied, den Angeklagten mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60 CHF zu bestrafen und den bedingten Strafvollzug zu gewähren. Die Gerichtskosten wurden dem Angeklagten auferlegt.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 51/2016/18 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 29.04.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ersatzmassnahmen; Verhältnismässigkeit - Art. 237 StPO. Von der Staatsanwaltschaft angeordnete Ersatzmassnahmen, im vorliegenden Fall ein (beschränktes) Kontakt- und ein Rayonverbot sowie eine ambulante Gewalttherapie, müssen als einschneidende, sofort in Kraft tretende Zwangsmassnahmen wirksam und kontrollierbar sowie für den Betroffenen unmittelbar anwendbar und durchführbar sein. Werden nur begleitete Kontakte zugelassen, muss die betreffende Fachperson in der Anordnung der Ersatzmassnahme bezeichnet werden (E. 2.4.5). |
Schlagwörter : | Ersatzmassnahme; Kontakt; Ersatzmassnahmen; Fachperson; Staatsanwaltschaft; Kontaktverbot; Zwangsmassnahme; Zwangsmassnahmen; Gewalt; Beschuldigte; Verfügung; Rayonverbot; Ausführungs; Behörde; Gewalttherapie; Anordnung; Beschuldigten; Ehefrau; Kindern; Kantonsgericht; Antrag; Zweck; Wiederholungsgefahr; Gutachten; Verhältnismässigkeit; änktes |
Rechtsnorm: | Art. 129 StGB ;Art. 221 StPO ;Art. 237 StPO ;Art. 292 StGB ;Art. 36 BV ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Von der Staatsanwaltschaft angeordnete Ersatzmassnahmen, im vorliegenden Fall ein (beschränktes) Kontaktund ein Rayonverbot sowie eine ambulante Gewalttherapie, müssen als einschneidende, sofort in Kraft tretende Zwangsmassnahmen wirksam und kontrollierbar sowie für den Betroffenen unmittelbar anwendbar und durchführbar sein. Werden nur begleitete Kontakte zugelassen, muss die betreffende Fachperson in der Anordnung der Ersatzmassnahme bezeichnet werden (E. 2.4.5).
OGE 51/2016/18 vom 29. April 2016 Veröffentlichung im Amtsbericht
SachverhaltDie Staatsanwaltschaft führt eine Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten wegen Verdachts unter anderem verschiedener Formen der häuslichen Gewalt (Drohung etc.). Der Beschuldigte wurde bis 2. März 2016 in Untersuchungshaft versetzt. Mit Verfügung vom 2. März 2016 wurde ihm eröffnet, dass er als vorläufige Ersatzmassnahme fortan mit seiner Ehefrau sowie den gemeinsamen Kindern persönlichen Kontakt lediglich begleitet durch eine Fachperson unterhalten dürfe. Auch der telefonische durch andere Kommunikationsmittel erfolgende Kontakt habe durch Vermittlung der Fachperson stattzufinden. Weiter dürfe er sich seiner Ehefrau und seinen Kindern weder persönlich noch an ihrem Wohnort noch am Arbeitsort auf weniger als 300 Meter nähern. Weiter wurde angeordnet, dass sich der Beschuldigte einer ambulanten Gewalttherapie unterziehen müsse. Dies unter Androhung erneuter Inhaftierung im Falle der Widerhandlung sowie unter Hinweis auf Art. 292 StGB.
Die Staatsanwaltschaft stellte am 2. März 2016 dem Kantonsgericht (Zwangsmassnahmengericht) den Antrag, die erwähnten zeitlich nicht befristeten Ersatzmassnahmen definitiv anzuordnen. Diesem Antrag kam das Kantonsgericht mit Verfügung vom 14. März 2016 nach und setzte die beantragten Ersatzmassnahmen für die Dauer des Strafverfahrens, längstens bis 2. Juni 2016 definitiv fest. Der Beklagte beschwerte sich daraufhin beim Obergericht, welches die Beschwerde teilweise guthiess, soweit es darauf eintrat.
Aus den Erwägungen 1. [ ]Das zuständige Gericht ordnet an Stelle der Untersuchungsoder der Sicherheitshaft eine mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 237 Abs. 1 StPO). Ersatzmassnahme ist unter anderem das Verbot, mit bestimmten Personen Kontakt zu pflegen (Art. 237 Abs. 2 lit. g StPO), die Auflage, sich nicht an einem bestimmten Ort aufzuhalten (lit.c), die Auflage, sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen (lit. f). Voraussetzung für eine Ersatzmassnahme ist wie bei Untersuchungsoder Sicherheitshaft ein dringender Tatverdacht sowie Flucht-, Kollusionsoder Wiederholungsgefahr (Art. 237 Abs. 4 i.V.m. Art. 221 Abs. 1 StPO). Ersatzmassnahmen sind auch zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen (Ausführungsgefahr; Art. 221 Abs. 2 StPO).
Das Kantonsgericht hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen für die Anordnung der definitiven Ersatzmassnahmen mit Verfügung vom 14. März 2016 bejaht und ein (beschränktes) Kontaktund ein Rayonverbot sowie eine ambulante Gewalttherapie angeordnet.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht jedenfalls nicht ausdrücklich und mit Begründung, dass die Grundvoraussetzungen für die Anordnung der Ersatzmassnahmen gegeben sind.
Aufgrund der Akten und der Darstellung der Staatsanwaltschaft sind der dringende Tatverdacht sowie die Ausführungsgefahr denn auch klar zu bejahen. [ ]. Eine konkrete Ausführungsund Wiederholungsgefahr ergibt sich namentlich aus dem von der Staatsanwaltschaft eingeholten Gutachten.
[ ]
Der Beschwerdeführer macht einzig Unverhältnismässigkeit der angeordneten Ersatzmassnahmen geltend, wobei er diese aber nur für das Kontaktverbot näher begründet.
Ersatzmassnahmen stellen Zwangsmassnahmen gemäss Art. 196 ff. StPO dar. Diese können nur angeordnet werden, wenn sie verhältnismässig sind (Art. 197 Abs. 1 lit. c-d StPO i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV; BGer 1B_31/2015 vom 16. Februar 2015 E. 4.1).
Ein Kontaktverbot für eine gewisse Zeit macht in der vorliegenden Situation Sinn und entspricht der Empfehlung des Gutachtens [ ]. Zweck dieser Massnahme ist die Vermeidung von Konfliktsituationen beziehungsweise der Schutz der
Geschädigten vor erneuten Gewaltübergriffen. Mithin kann mit dieser Ersatzmassnahme der Ausführungsund Wiederholungsgefahr begegnet werden. Die für drei Monate angeordnete Ersatzmassnahme erscheint - unter Berücksichtigung der im Falle einer Verurteilung drohenden Freiheitsstrafe (der Strafrahmen von Art. 129 StGB beträgt bis fünf Jahre Freiheitsstrafe Geldstrafe) auch in zeitlicher Hinsicht jedenfalls als verhältnismässig.
Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, die Ersatzmassnahme sei unvollständig, weil die Fachperson in der angefochtenen Verfügung nicht bezeichnet und deren Wahl zu Unrecht und mit allen Risiken ihm überlassen werde. Faktisch handle es sich dabei um ein absolutes Kontaktverbot, was jedenfalls unverhältnismässig sei.
[ ]
Eine Ersatzmassnahme als einschneidende, sofort in Kraft tretende Zwangsmassnahme muss wirksam und kontrollierbar sowie für den Betroffenen unmittelbar anwendbar und durchführbar sein. Die Wahl der Fachperson für die Durchführung der begleiteten Besuche im Rahmen des Kontaktverbots darf nicht dem Beschuldigten beziehungsweise einer anderen, vom Beschuldigten anzurufenden Behörde überlassen werden. Dies ist weder sinnvoll noch unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit der Zwangsmassnahmen rechtlich zulässig. Die anordnende Behörde hat die Fachperson klar zu bezeichnen und deren Geeignetheit zuvor abzuklären. Es kann nicht angehen, dass der Beschwerdeführer sich die erforderliche Begleitperson selber aussuchen kann beziehungsweise muss. Alle erforderlichen Einzelheiten für die Durchführung der Zwangsmassnahmen müssen von der anordnenden Behörde geregelt werden; ansonsten bestehen zu viele Unklarheiten und es ist die richtige Durchführung der Zwangsmassnahme nicht sichergestellt. Daher ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen; die Vorinstanz ist aufzufordern, rasch möglichst in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft und allenfalls der KESB Schaffhausen, als für den Kindesschutz zuständige Behörde, eine Fachperson (oder Fachpersonen) für die Durchführung der begleiteten Kontaktaufnahme mit den Kindern und der Ehefrau zu bezeichnen.
Vorbehalten bleiben selbstverständlich allfällige begleitete Besuche gemäss Ziff. 1 der angefochtenen Verfügung.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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