Zusammenfassung des Urteils Nr. 51/2004/6: Obergericht
Das Obergericht hat entschieden, dass die Einsicht in die Akten eines hängigen Strafverfahrens nur gewährt werden kann, wenn ein erhebliches persönliches Interesse vorliegt, das die entgegenstehenden Interessen überwiegt. In einem konkreten Fall wollte die Person Sch. im Zusammenhang mit einer Forderung gegen R. Einsicht in die Akten eines Strafverfahrens gegen F. erhalten, was jedoch vom Kantonsgericht und später vom Obergericht abgelehnt wurde. Es wurde festgestellt, dass der Persönlichkeitsschutz der Beteiligten in einem hängigen Strafverfahren zu beachten ist. Der Beschwerdeführer konnte nicht nachweisen, dass sein Interesse an der Akteneinsicht die entgegenstehenden Interessen überwiegt.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 51/2004/6 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 16.04.2004 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 47 Abs. 3 KV; Art. 85 Abs. 1 StPO. Einsicht Dritter in die Akten eines hängigen Strafverfahrens |
Schlagwörter : | Verfahren; Akten; Interesse; Akteneinsicht; Verfahrens; Interessen; Kanton; Kantons; Einsicht; Kantonsgericht; Konten; Persönlichkeits; Verfahren; Öffentlichkeit; Geheimnisschutz; Zusammenhang; Schaffhausen; Umständen; Beschwerdeführers; Angeklagte; Öffentlichkeitsprinzips; ürdiges |
Rechtsnorm: | Art. 69 StPO ;Art. 85 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Veröffentlichung im Amtsbericht vorgesehen.
Der Persönlichkeitsund Geheimnisschutz der Beteiligten steht grundsätzlich als überwiegendes privates Interesse der von Dritten verlangten Einsicht in die Akten eines hängigen Strafverfahrens entgegen. Einem Dritten kann trotz des prinzipiell geltenden Öffentlichkeitsprinzips nur Akteneinsicht gewährt werden, wenn er ein so erhebliches persönliches und schutzwürdiges Interesse daran dartut, dass die entgegenstehenden Interessen im Ergebnis nicht mehr als überwiegend erscheinen.
Sch. ersuchte im Zusammenhang mit einer Forderung gegen R. beim Kantonsgericht Schaffhausen Einsicht in die Akten des dort hängigen Strafverfahrens gegen F. bzw. um Auskünfte über gewisse während der Strafuntersuchung gesperrte Bankkonten von R. und S. Der Kammervorsitzende des Kantonsgerichts wies das Gesuch ab. Eine hiegegen gerichtete Beschwerde von Sch. wies das Obergericht ebenfalls ab.
Aus den Erwägungen:
2.- Die Verfügung über die Akten eines hängigen Strafverfahrens steht dem jeweiligen Verfahrensleiter, beim Abschluss des Vorverfahrens auch der Staatsanwaltschaft zu. Er entscheidet im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen über die Gewährung der Akteneinsicht an Parteien, Behörden und allfällige berechtigte Dritte und trifft die zur Verhütung von Missbräuchen und Verzögerungen geeigneten Massnahmen (Art. 85 Abs. 1 der Strafprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 [StPO, SHR 320.100]).
[Das Kantonsgericht hat dem Beschwerdeführer die Stellung eines Geschädigten im Strafverfahren gegen F. und damit auch eines Verfahrensbeteiligten zu Recht abgesprochen. Er kann sich nicht auf das Akteneinsichtsrecht im Sinn von Art. 34 Abs. 2 lit. a StPO berufen.]
Neben den Verfahrensbeteiligten ist wie aus Art. 85 Abs. 1 StPO hervorgeht - unter Umständen auch allfälligen berechtigten Dritten Akteneinsicht zu gewähren.
Das Kantonsgericht hat zwar erklärt, dem Beschwerdeführer komme auch nicht die Stellung eines berechtigten Dritten zu, scheint dies aber allein daraus abgeleitet zu haben, dass er nicht als Dritter am Strafverfahren beteiligt sein könne. Ein Dritter ist jedoch am Verfahren begrifflich nicht jedenfalls nicht zwingend - beteiligt; dennoch ist ihm im Einzelfall allenfalls Akteneinsicht zu gewähren entsprechende Auskunft zu erteilen. Ob unter den gegebenen Umständen der Beschwerdeführer aus ausserhalb des Strafverfahrens liegenden Gründen zur Akteneinsicht berechtigt sein könnte, hat aber das Kantonsgericht nicht geprüft.
Die Voraussetzungen für die Einsicht Dritter in die Akten eines hängigen Strafverfahrens werden in der Strafprozessordnung nicht näher umschrieben. Das Gesetz über den Schutz von Personendaten vom 7. März 1994 (Kantonales Datenschutzgesetz, SHR 174.100) ist gemäss dessen Art. 3 Abs. 2 lit. b auf hängige Justizverfahren nicht anwendbar. Art. 47 Abs. 3 der Verfassung des Kantons Schaffhausen vom 17. Juni 2002 (KV, SHR 101.000) sieht jedoch generell vor, dass die Behörden auf Gesuch hin Einsicht in amtliche Akten gewähren, soweit keine überwiegenden öffentlichen und privaten Interessen entgegenstehen.
In einem hängigen Strafverfahren ist der Persönlichkeitsschutz der Beteiligten zu beachten. Dies gilt nicht nur für den Beschuldigten, sondern auch für weitere Personen, über welche in den Akten Daten vorhanden sind. Im vorliegenden Fall kommt dazu, dass der Beschwerdeführer Auskünfte aus dem (bundesrechtlich geschützten) Geheimbereich erhalten will, worüber sich die kontoführende Bank den Strafbehörden ihrerseits nur aufgrund richterlicher Anordnung offenbaren durfte (vgl. Art. 47 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 [Bankengesetz, BankG, SR 952.0]). Dieser Persönlichkeitsund Geheimnisschutz steht grundsätzlich als überwiegendes privates Interesse der von Dritten verlangten Akteneinsicht entgegen (vgl. etwa die ausdrückliche Regelung von Art. 29 Abs. 2 des bernischen Gesetzes über die Information der Bevölkerung vom 2. November 1993 [Informationsgesetz, BSG 107.1]). Die Öffentlichkeit des Strafverfahrens beschränkt sich gemäss Art. 69 StPO auf die Verhandlung vor dem urteilenden Gericht und die mündliche Eröffnung von Urteilen und Beschlüssen (Abs. 1); im übrigen wird das Strafverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt (Abs. 2; vgl. auch 47 Abs. 2 KV und Art. 30 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]). Insoweit wird das in Art. 47 Abs. 3 KV statuierte Öf-
fentlichkeitsprinzip im Strafverfahren durch eine gesetzliche Wertung der Interessenlage eingeschränkt.
Es fragt sich jedoch, ob dem Beschwerdeführer ausnahmsweise dennoch Akteneinsicht zu gewähren bzw. Auskunft zu erteilen sei, weil er ein so erhebliches persönliches und schutzwürdiges Interesse daran habe, dass die entgegenstehenden Interessen bei einer Interessenabwägung im Ergebnis nicht mehr als überwiegend betrachtet werden könnten. In diesem Sinn bedarf es trotz des prinzipiell geltenden, allerdings zum vornherein eingeschränkten Öffentlichkeitsprinzips (Erfordernis der Interessenabwägung) eines entsprechenden Interessennachweises des Beschwerdeführers als um Akteneinsicht ersuchenden Dritten.
[Ein überwiegendes Interesse des Beschwerdeführers ist nicht dargetan. Dessen Forderung, die dem Akteneinsichtsgesuch zugrunde liegt, richtet sich nicht gegen den Angeklagten im hängigen Strafverfahren und im übrigen auch nicht gegen die formellen Inhaber der fraglichen Konten. Der Bezug zum hängigen Strafverfahren liegt nach Angaben des Beschwerdeführers darin, dass der Angeklagte F. über die Konten mit verfügungsberechtigt gewesen sei. Es geht dem Beschwerdeführer nunmehr darum, den Vermögensstand der im Strafverfahren gesperrten Konten zu erfahren bzw. Aufschluss über die auf den Konten insbesondere im Zusammenhang mit deren aktenkundiger Auflösung vorgenommenen Bewegungen zu erhalten. In der Gesamtbetrachtung mag er zwar durchaus ein Interesse daran haben, dies zu erfahren. Es vermag aber unter den gegebenen Umständen die entgegenstehenden Interessen des Persönlichkeitsund Geheimnisschutzes im Rahmen des hängigen Strafverfahrens nicht aufzuwiegen; dies auch mit Blick darauf, dass nur ein mittelbarer und jedenfalls keineswegs offensichtlicher Zusammenhang zwischen den fraglichen Konten bzw. der vom Beschwerdeführer in den Vordergrund gestellten Verfügungsberechtigung des Angeklagten F. einerseits und seiner Drittforderung andererseits ersichtlich ist.]
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