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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 50/2018/4: Obergericht

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Fall betreffend Rechtsöffnung entschieden. Die Beklagte und Beschwerdeführerin hatte gegen die provisorische Rechtsöffnung für eine Summe von Fr. 4'250.- Einspruch erhoben, jedoch wurde ihre Aberkennungsklage nicht behandelt, da das Obergericht nicht zuständig war. Die Spruchgebühr wurde auf Fr. 100.- festgesetzt, und die Gerichtskosten wurden der Beklagten auferlegt. Dem Kläger wurde keine Entschädigung zugesprochen. Der Richter war Dr. R. Klopfer.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 50/2018/4

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 50/2018/4
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 50/2018/4 vom 20.08.2019 (SH)
Datum:20.08.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Rückweisung an die Staatsanwaltschaft zur Beweiserhebung; Sistierung des Verfahrens - Art. 329 Abs. 2 und Art. 389 Abs. 3 StPO. Die Erhebung zahlreicher neuer Beweise sprengt den Rahmen eines gerichtlichen Beweisergänzungsverfahrens, weil es sich dabei nicht mehr um eine bloss punktuelle Ergänzung des Beweisverfahrens i.S.v. Art. 389 Abs. 3 StPO handelt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, ein korrektes und vollständiges Vorverfahren durchzuführen und die entsprechenden Beweiserhebungen zu tätigen. Dies ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Rollentrennung, einem Teilaspekt des Anklageprinzips (E. 3.2).
Schlagwörter : Beweise; Staatsanwaltschaft; Gericht; Anklage; Akten; Verfahren; Beschuldigte; Berufung; Rechtsmittelverfahren; Hinweis; Rückweisung; Vorverfahren; Beweiserhebungen; Beschuldigten; Beweisergänzung; Erhebung; Ergänzung; Urteil; Berufungsverfahren; Beweisabnahme; Hinweisen; Kommentar; Prozessordnung; Schweizerische; Basel; Rolle; Verfahrens
Rechtsnorm:Art. 299 StPO ;Art. 308 StPO ;Art. 329 StPO ;Art. 343 StPO ;Art. 379 StPO ;Art. 389 StPO ;Art. 405 StPO ;
Referenz BGE:140 IV 196; 141 IV 39; 143 IV 288;
Kommentar:
Donatsch, Hans, Schweizer, Hansjakob, Lieber, Hug, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 409 OR, 2014
Schweizer, Heim, Heimgartner, Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 9 StPO, 2014
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts Nr. 50/2018/4

Rückweisung an die Staatsanwaltschaft zur Beweiserhebung; Sistierung des Verfahrens - Art. 329 Abs. 2 und Art. 389 Abs. 3 StPO.

Die Erhebung zahlreicher neuer Beweise sprengt den Rahmen eines gerichtlichen Beweisergänzungsverfahrens, weil es sich dabei nicht mehr um eine bloss punktuelle Ergänzung des Beweisverfahrens i.S.v. Art. 389 Abs. 3 StPO handelt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, ein korrektes und vollständiges Vorverfahren durchzuführen und die entsprechenden Beweiserhebungen zu tätigen. Dies ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Rollentrennung, einem Teilaspekt des Anklageprinzips (E. 3.2).

OGE 50/2018/4 vom 20. August 2019 Keine Veröffentlichung im Amtsbericht

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen erhob Anklage gegen X. wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und unrechtmässiger Entziehung von Energie. Das Kantonsgericht erkannte den Beschuldigten im Sinne der Anklage schuldig und bestrafte ihn mit einer teilbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 3 Jahren und einer bedingten Geldstrafe.

Der Beschuldigte focht das Urteil des Kantonsgerichts mit Berufung an und verlangte einen Freispruch von Schuld und Strafe. Gleichzeitig stellte er diverse Beweisanträge. Das Obergericht sistierte das Berufungsverfahren und wies die Sache zwecks Beweisergänzung an die Staatsanwaltschaft zurück.

Aus den Erwägungen
  1. Nach Art. 389 StPO beruht das Rechtsmittelverfahren auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind (Abs. 1). Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts werden nur wiederholt, wenn Beweisvorschriften verletzt worden sind (Abs. 2 lit. a), die Beweiserhebungen unvollständig waren (Abs. 2 lit. b) die Akten für die Beweiserhebungen unzuverlässig erscheinen (Abs. 2 lit. c). Die Rechtsmittelinstanz erhebt von Amtes wegen auf Antrag einer Partei die erforderlichen zusätzlichen Beweise (Abs. 3).

    Art. 343 Abs. 3 StPO verpflichtet das (erstinstanzliche) Gericht, im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals zu erheben, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint. Die Bestimmung verankert ein beschränktes Unmittelbarkeitsprinzip. Dieses erleichtert dem Gericht die Beweiswürdigung durch den unmittelbaren Eindruck, den es von

    den Beweismitteln erhält. Das Rechtsmittelverfahren beruht gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind. Art. 343 Abs. 3 StPO verankert in den dort erwähnten Fällen daher eine (einmalige) Unmittelbarkeit im erstinstanzlichen Verfahren, in der Regel jedoch keine solche für das Rechtsmittelverfahren. Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts sind im Rechtsmittelverfahren jedoch zu wiederholen, wenn Beweisvorschriften verletzt worden sind, die Beweiserhebungen unvollständig waren die Akten über die Beweiserhebungen unzuverlässig erscheinen (Art. 389 Abs. 2 lit. a-c StPO). Eine unmittelbare Beweisabnahme im Rechtsmittelverfahren hat gemäss Art. 343 Abs. 3 i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO auch zu erfolgen, wenn eine solche im erstinstanzlichen Verfahren unterblieb unvollständig war und die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint. Art. 343 Abs. 3 StPO gelangt insofern auch im Rechtsmittelverfahren zur Anwendung (BGE 143 IV 288 E. 1.4.1 S. 290; BGE 140 IV 196

    E. 4.4.1 S. 198 f. mit Hinweisen).

  2. Gemäss Art. 329 Abs. 1 StPO prüft die Verfahrensleitung, ob die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind (lit. a), die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind (lit. b) Verfahrenshindernisse bestehen (lit. c). Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung später im Verfahren, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann, so sistiert das Gericht das Verfahren. Falls erforderlich, weist es die Anklage zur Ergänzung Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück (Abs. 2). Das Gericht entscheidet, ob ein sistierter Fall bei ihm hängig bleibt (Abs. 3).

Eine Rückweisung durch das Gericht ist möglich sowohl wegen Mangelhaftigkeit der Anklage als auch (obwohl in Abs. 2 nicht ausdrücklich erwähnt) wegen Fehlerhaftigkeit Ergänzungsbedürftigkeit der Akten (Yvona Griesser, in: Donatsch/ Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung,

2. A., Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 329 N. 23, S. 1964 mit Hinweis; vgl. BGE 141

IV 39 E. 1.6.1 S. 46 mit Hinweisen).

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es in erster Linie Aufgabe der Staatsanwaltschaft, entsprechend Art. 308 Abs. 3 StPO die zur Beurteilung der Sache notwendigen Beweise zu erheben. Nur ausnahmsweise, namentlich unter den Voraussetzungen von Art. 343 und 349 StPO, obliegt dies dem Gericht. Unter diesen Umständen entspricht es der Gesetzessystematik, die Sache ohne Verzug an die Staatsanwaltschaft zur Vervollständigung der Anklage zurückzuweisen, wenn es sich erweist, dass die dem Gericht eingereichte Anklage ungenügend ist zusätzliche Untersuchungsmassnahmen notwendig sind. Ausserdem ist die Staats-

anwaltschaft a priori für die Führung der Untersuchung, die eine ihrer Hauptaufgaben darstellt (vgl. Art. 16 und 308 ff. StPO), besser gerüstet als das Gericht (BGer 1B_304/2011 vom 26. Juli 2011 = Pra 2012 Nr. 54 E. 3.2.2)

Aufgrund von Art. 329 Abs. 2 StPO ist die Rückweisung an die Staatsanwaltschaft zur Erhebung unverzichtbarer Beweise zulässig, wobei allerdings in Anbetracht von Art. 343 StPO betreffend die gerichtliche Beweisabnahme Zurückhaltung geboten ist. Eine Rückweisung an die Staatsanwaltschaft ist daher im gerichtlichen Verfahren nur ganz ausnahmsweise zulässig (BGE 141 IV 39 E. 1.6.2 S. 46 f. mit Hinweisen).

Art. 329 StPO ist gestützt auf Art. 379 StPO grundsätzlich auch im Berufungsverfahren anwendbar (vgl. BGer 6B_904/2015 vom 27. Mai 2016 E. 1.4.1 mit Hinweisen; Viktor Lieber, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. A., Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 379

N. 15, S. 2196).

    1. Die amtliche Verteidigung des Beschuldigten X. beantragte, dass die von ihr bereits an der Hauptverhandlung vor Vorinstanz eingereichten, jedoch nicht mehr berücksichtigten Urkunden zu den persönlichen bzw. finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten sowie die neu mit der Berufungserklärung eingereichten Unterlagen zu den Akten zu nehmen und zu berücksichtigen seien. Die Staatsanwaltschaft hat sich dazu nicht geäussert. Die eingereichten Unterlagen sind deshalb antragsgemäss zu den Akten zu nehmen. Über deren Beweiswert wird das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung im Endentscheid zu befinden haben.

    2. Aus der Durchsicht der sich an den Akten befindlichen Kontoauszüge ergibt sich, dass diese insofern unvollständig sind, als sie nicht den gesamten Deliktszeitraum umfassen, sondern lediglich das Jahr 2015 betreffen. Darüber hinaus fehlen die Bankunterlagen der A. Bank gänzlich. Nachdem das Auskunftsbzw. Editionsbegehren der Staatsanwaltschaft vom 10. Februar 2016 offenbar nicht bei der

      A. Bank eingegangen war, verzichtete die Staatsanwaltschaft ohne Begründung darauf, diese Kontoauszüge noch edieren zu lassen. Eine umfassende Beweiswürdigung mit lediglich einer Auswahl von Kontoauszügen ist dem Gericht nicht möglich. Die Akten erweisen sich damit als in erheblichem Umfang unvollständig und ergänzungsbedürftig.

      Es müssen zahlreiche neue Beweise erhoben werden, d.h. die vollständigen Bankunterlagen für den gesamten Deliktszeitraum was mehr als das Doppelte des bereits erhobenen Zeitraums ausmacht müssen ediert sowie anschliessend ausgewertet werden, was allenfalls weitere Ermittlungen und Einvernahmen nach sich

      ziehen wird. Dies sprengt den Rahmen eines gerichtlichen Beweisergänzungsverfahrens, weil es sich dabei nicht mehr um eine bloss punktuelle Ergänzung des Beweisverfahrens i.S.v. Art. 389 Abs. 3 StPO handelt (vgl. Hug/Scheidegger, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. A., Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 409 N. 7, S. 2342; vgl. auch Beschluss OG Zürich SB150349 vom 7. Mai 2018 II. E. 6). Auch wenn es dem Gericht unbenommen ist, Beweise zu ergänzen und zu vervollständigen, ist es in erster Linie die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, ein korrektes und vollständiges Vorverfahren durchzuführen und die entsprechenden Erhebungen und Beweissammlungen zu tätigen (Art. 299 Abs. 1 und 2 StPO; BGer 1B_304/2011 vom

      26. Juli 2011 = Pra 2012 Nr. 54 E. 3.2.2). Dies ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Rollentrennung, einem Teilaspekt des Anklageprinzips. Er statuiert die Unvereinbarkeit der Rollen von Ankläger und Gericht (Niggli/Heimgartner, in: Niggli/ Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. A., Basel 2014, Art. 9 N. 2 und 17, S. 140 f. und 145). Das Gericht ist nicht der verlängerte Arm der Untersuchungsbehörde. Es kann zwar Beweise ergänzen und vervollständigen; wohl aber wäre es unzulässig, wesentliche Beweise selbständig durch dieses zu erheben, so dass ihm eine jedenfalls teilweise staatsanwaltschaftliche Rolle zukäme (vgl. Beschluss OG Schaffhausen Nrn. 50/2016/21 und 50/2016/23 vom 24. November 2017 E. 7.1 mit Hinweis auf Niggli/Heimgartner, Art. 9 N. 28, S. 147; vgl. auch Beschluss OG Zürich SB130003 vom 3. September 2013 III. E. 2.1).

      Zusammengefasst ist von einem Ausnahmefall im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auszugehen (vgl. vorne E. 2), welcher eine Rückweisung an die Staatsanwaltschaft zur Erhebung weiterer Beweise rechtfertigt.

    3. Nach dem Gesagten ist das Berufungsverfahren i.S.v. Art. 379 i.V.m. Art. 329 Abs. 2 StPO daher einstweilen zu sistieren und die Sache zwecks Beweisergänzung - Edition der vollständigen Bankunterlagen (inklusive derjenigen der A. Bank) für den gesamten Deliktszeitraum, Auswertung dieser Unterlagen und gegebenenfalls weitere sich aufdrängende Ermittlungen bzw. Einvernahmen (des Beschuldigten und/oder von Dritten) an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.

Das Berufungsverfahren bleibt während der Sistierung beim Obergericht hängig (Art. 329 Abs. 3 StPO).

Demensprechend kann zurzeit über die weiteren Beweisergänzungsanträge des Beschuldigten noch nicht befunden werden.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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